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Blood Moon - Bis(s) in alle Ewigkeit

Fortsetzung von Rising Sun - Bis(s) das Licht der Sonne erstrahlt
von

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Volturi

Disclaimer:

=> Ich verdiene kein Geld mit meiner Fanfiction.

=> Alle Charaktere die schon in den Twilight-Bänden ihren Auftritt hatten, gehören Stephenie Meyer. Alle Anderen, wie etwa Schüler, Lehrer und vor allem Renesmees und Jakes Kinder, habe ich selbst erfunden.
 

Weitere Infos zur FF, Trailer, Cover & mehr

http://www.renesmee-und-jacob.de.vu

http://www.chaela.info
 

Dieses Kapitel enthält drei Sichtwechsel
 

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Kapitel 5

Volturi
 

Die Welt ist in ständigem Wandel. Und mit ihr die Menschen. In einem Moment sagen sie dir, dass sie dich lieben. Im nächsten wirst du dann verstoßen. Man weiß nie, wem man vertrauen kann, also vertraut man am besten nur sich selbst. Und wenn man in vollem Bewusstsein ist, dass man nur sich vertrauen kann und sonst keinem, dann kann man auch direkt in die Höhle des Löwen gehen....
 

Ob das der Grund war, warum ich hier stand, wusste ich nicht. Genau genommen, wusste ich gar nichts mehr. Das Leben mit meiner Familie, das ich dreißig Jahre lang geführt hatte, fühlte sich für mich so an, als läge es in weiter Ferne. Als wäre es Jahrzehnte her, dass ich so gelebt hatte.

Die Vampire, deren Augenfarbe meiner glich, starrten mich eindringlich an. Ich wusste nicht, ob einer von ihnen die Fähigkeit hatte, Gedanken zu lesen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass mein Schutz halten würde.

Vielleicht war ich hierher gekommen, weil ich wissen wollte, was das für Lebewesen waren, die es ganz offensichtlich darauf abgesehen hatten, mein Leben zu zerstören. Ja, ich machte die Volturi durchaus für das verantwortlich, was in den letzten Wochen geschehen war. Wären sie damals nicht gekommen und hätten mich dazu gebracht, dieses Mädchen von der Straße zu ermorden, vielleicht würde ich dann heute wie gewohnt in meinem Zimmer sitzen und die Schritte meiner Familie im Stockwerk über mir hören. Aber ich hörte sie nicht. Ich würde sie nie wieder hören.
 

„Nun denn“, begann der schwarzhaarige Vampir auf dem Thron in der Mitte nun zu sprechen. Es waren die ersten Worte, die er an mich richtete. „Wie lautet dein Name, junger Mann?“

Ich überlegte einen kurzen Augenblick, dann sagte ich: „Anthony.“

Die Mundwinkel meines Gegenübers zuckten leicht, waren im Begriff, nach oben zu gehen.

„Und weiter?“, hakte er nach.

Natürlich hatte ich mal einen Nachnamen gehabt, aber ich war nicht mehr länger Teil dieser Familie, also hatte ich auch nicht das Recht, diesen Namen als den meinen zu nennen.

„Nichts weiter“, sagte ich kühl.

Der Vampir legte kurz seinen Kopf schief und sah mich fragend an.

„Nun, wie du wünschst.“

Und damit ließ er die Sache zum Glück dabei bewenden. Fragen über meine Familie waren das Letzte, was ich gebrauchen konnte.

„Was also, Anthony“, er betonte den Namen deutlich, „führt dich zu uns?“

„Ich ersuche euch um Aufnahme in eure Reihen.“

Er lächelte. „Was für ein wortgewandter Junge. Und da soll noch mal einer sagen, die Jugend hätte keine Manieren, nicht wahr, meine lieben Freunde?“

Der Vampir drehte sich freudig lächelnd herum, doch keinem der anderen Vampire in diesem Raum hoben sich auch nur im Ansatz die Mundwinkel.

„Die Volturi sind keine Aufnahmestelle für verwaiste Jungvampire“, meldete sich jetzt ein weißhaariger Vampir zu Wort. „So wortgewandt sie auch sein mögen.“

Er trat vor und stellte sich neben den Anderen. „Um einer von uns zu werden, musst du Entsprechendes vorzuweisen haben.“

„Oh ja“, sagte der Schwarzhaarige nun, ebenso, als sei ihm das ganz entfallen gewesen. „Da hat Caius natürlich vollkommen Recht.“

Er richtete seinen Blick wieder auf mich. „Hast du denn etwas vorzuweisen, Anthony?“

„Ich kann mich unsichtbar machen“, antwortete ich.

Der, der sich Caius nannte, begann spöttisch zu lachen, doch im Gesicht des Volturi neben ihm, regte sich nichts.

„Caius, Bruder, ich bitte dich“, sagte er zu ihm.

Der Weißhaarige verstummte, sah mich jedoch noch immer verächtlich an. Der andere ging nun langsam auf mich zu. Durch den langen pechschwarzen Mantel, wirkte es, als würde er schweben, denn ich konnte seine Füße nicht sehen. Etwa einen Meter vor mir blieb er schließlich stehen und lächelte erneut. „Zeig mir deine Gabe, mein Lieber.“

Ich nickte kurz, dann machte ich mich unsichtbar. In den umliegenden Gesichtern konnte ich noch immer kaum Reaktionen ausmachen. Um ehrlich zu sein, machte mich das etwas nervös. Bisher hatte ich immer geglaubt, eine nützliche seltene Gabe zu haben, doch unter den richtigen Vampiren schien das keine Besonderheit zu sein.

„Hab vielen Dank“, sagte der Schwarzhaarige sanft. Für mich war dies das Stichwort wieder sichtbar zu werden.

„Ohne Zweifel besitzt du ein Talent, das tun wir nicht alle“, erklärte er. „Dennoch muss ich dir mit bedauern mitteilen, dass wir jedes Talent nur einmal in unseren Reihen aufnehmen.“

Im Hintergrund regte sich nun etwas. Ein Vampir mit braunem mittellangem Haar trat hervor und stellte sich neben mein Gegenüber. „Afton hier ist ebenfalls in der Lage, sich unsichtbar zu machen.“

Ganz so, als wäre das ein unausgesprochener Befehl, verschwand der Vampir. Für mich war dies ein etwas verstörender Anblick, hatte ich mich doch nie selbst verschwinden sehen.

„Darüber hinaus“, fuhr der Schwarzhaarige fort, „kann er diese Gabe auf andere Personen übertragen. Steht man hinter ihm“, erläuterte er und verschwand dann zum Beweis, „wird man ebenfalls vor unliebsamen Blicken verborgen.“

Es war ein seltsames Gefühl hier zu stehen und zuzusehen, wie dieser mir unbekannte Vampir meine Gabe einsetzte, und sie darüber hinaus sogar noch erweitert hatte. Immerzu hatte ich geglaubt, etwas Besonderes zu sein. Die Tatsache, dass dies hier nichts Neues war, war für mich wie eine erneute Ohrfeige. Und es machte mich rasend. Eigentlich hatte ich vorgehabt, es nicht zu verraten, aber ich sah keine andere Möglichkeit mehr, um in ihren Kreis aufgenommen zu werden.

„Das ist ja schön und gut“, antwortete ich mit einem herben Anflug von Arroganz. „Aber ich besitze zusätzlich ein Schutzschild.“

Jetzt sah ich, wie wieder neugierige Blicke auf mir lagen, insbesondere der schwarzhaarige Anführer durchbohrte mich fast mit seinen roten Augen.

„Mein lieber junger Freund“, sagte er nun selig und ergriff lächelnd meine Hand. „Es war in der Tat töricht von uns, deine Talente zu unterschätzen. Es ist wahrlich nicht die Regel, dass Unsereins mehr als eine Gabe besitzt.“

Der Vampir hielt inne, ich spürte seine kalte steinharte Hand, die meine umschloss. Es war ein unangenehmes Gefühl. Der schwarzhaarige Vampir sah mich fragend an.

„Deine Haut ist außergewöhnlich warm, mein Lieber. Wie viele Überraschungen hältst du für uns noch parat?“

„Ich bin kein vollwertiger Vampir“, antwortete ich. Ich hatte angenommen, die Volturi würden einen Vampir von einem Halbvampir unterscheiden können, aber da war ich wohl im Irrtum gewesen.

Der Anführer ließ meine Hand wieder los. „In der Tat, deine Fähigkeiten sind interessant.“

Er trat wieder etwas zurück. „Sag, mein lieber Freund, kannst du deinen Schild... ausweiten?“

Ich schüttelte den Kopf. Natürlich wussten sie, wer ich war und wo ich einst hingehört hatte. Und sie wussten freilich um die Gabe meiner Großmutter.

„Bedauerlich...“, sagte er leise. „Aber sei's drum, mein Lieber. Du sollst deine Chance bekommen, dich in unseren Reihen heimisch zu fühlen.“

Er schwebte wieder zurück auf seinen Thron, wo er sich niederließ, ehe er erneut zu mir sprach. „Schläfst du?“, wollte er wissen.

Ich nickte und befürchtete schon, dass dies ein Kriterium war, mich nicht aufzunehmen, doch der Schwarzhaarige zerstreute meine Zweifel sogleich.

„Dann sollst du die unterirdischen Räumlichkeiten beziehen.“

Und dann roch ich einen Geruch, der mir vage in Erinnerung war. Der Geruch eines Artgenossen, den ich kannte. Des einzigen Halbvampirs, den ich je gesehen hatte, der nicht mit mir verwandt war. Nahuel trat hervor und stellte sich zu mir. Wie lange er schon im Raum war, vermochte ich nicht zu sagen, aber da ich seinen Geruch erst jetzt wahrgenommen hatte, nahm ich an, dass er erst seit wenigen Augenblicken hier war.

„Nahuel wird dich in unsere Sitten und Gebräuche einweihen“, erläuterte der Anführer und lächelte sanft. Caius neben ihm, sah mich indes noch immer herablassend an.

„Komm“, sagte Nahuel und ging davon. Ich folgte ihm aus dem Saal mit der großen Kuppel hinaus. Wir gingen zu einem Aufzug. Die stählernen Türen schoben sich auf und leise Opernmusik trällerte aus den Lautsprechern. Einige Stockwerke schwiegen wir.

„Warum bist du hier?“, brach er dann die Stille.

Ich hob meinen Blick, konnte seinem aber nicht lange stand halten. „Lange Geschichte.“

„Es gibt nichts auf der Welt, von dem ich mehr besitze, als Zeit. Genau genommen, ist sie fast alles, was ich habe. Also?“

Drei Stockwerke unter der Erde öffneten sich die schweren Türen. „Ich nehme an, wir müssen hier raus?“, fragte ich und trat heraus. Es ging nur ein einziger Gang vom Aufzug weg, also lief ich vor. Nahuel hielt ohne Probleme mit mir Schritt.

„Was ist passiert, Ani?“

„Es heißt Anthony“, korrigierte ich ihn durch zusammengebissene Zähne, blieb jedoch nicht stehen.

„Warte“, sagte er und hielt an einer grünen Tür mit der Nummer 626 an. Ob es hier wirklich über 600 Zimmer gab oder ob wir einfach nur auf der sechsten Ebene am Zimmer 26 standen, wusste ich nicht.

„Ich bitte dich inständig“, sagte er nun und sah mir tief in die Augen. „Geh, solange du noch kannst.“

Ich lachte bitter und sah weg.

„Das hier“, fuhr er fort und ließ seinen Blick kurz demonstrativ um uns herum schweifen. „Das ist kein Ort für dich.“

„Du scheinst mich ja recht gut zu kennen, dafür dass ich mich nur an zwei Besuche von dir erinnern kann.“

„Nein, ich kenne dich nicht. Aber ich weiß, dass du ein Leben da draußen hast. Ein Besseres.“

„Hatte“, korrigierte ich erneut.

Nahuel biss sich auf die Unterlippe, neigte leicht den Kopf zur Seite und schloss dann widerwillig die Tür auf.

Hinter ihr befand sich ein relativ großer Raum mit vier Betten, einem kleinen Tisch, zwei Stühlen und einem Schrank. Der Boden war mit dunkelgrauem PVC ausgelegt worden, in dem sich das Licht der Lampen an der Decke spiegelten. Es gab keine Fenster hier unten.

„Das ist mein Zimmer. Fürs Erste wirst du es mit mir teilen müssen“, erläuterte der Halbvampir.

Ich trat langsam ein und sah mich weiter um. Alle Betten waren fein säuberlich gemacht, auf dem Tisch lag nichts herum und die Stühle waren kein bisschen verrückt. Es wirkte so, als würde hier gar niemand wohnen.

„Du kannst deine Sachen in den Schrank legen und dir ein Bett aussuchen. Das hinten rechts ist meines. Ich hole dir kurz was zu essen.“

Und dann fiel die Tür ins Schloss. Müde setzte ich mich auf das vorderste Bett, direkt an der Tür. Es war steinhart, und der weiße Teil des grau-weißen Bezuges färbte sich allmählich gelblich. Ich öffnete meine Tasche und das Erste, was ich darin fand, war ein Foto meiner Schwester, das ich in meiner Hosentasche verschwinden ließ. Den restlichen Inhalt meiner Tasche verstaute ich in dem Schrank, in dem zu meiner Verwunderung doch ein paar Klamotten waren.

Ich hatte gerade die Schranktür wieder geschlossen, da ging die Zimmertür auf, und Nahuel kam mit einem Tablett herein. Ich war das eine oder andere Mal bei meinem Urgroßvater im Krankenhaus gewesen und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass er das Tablett aus einem Krankenhaus entwendet hatte. Er stellte es aufs Bett. Ich entdeckte Wurst, Brot und etwas Käse. Meinen etwas verwunderten Blick auf das Bett deutete er direkt richtig.

„Blut kriegen wir hier nur selten. Du wirst wohl meistens damit vorlieb nehmen müssen.“

Ich setzte mich aufs Bett und nahm das Tablett. „Ich dachte, ihr trinkt hier nur Blut.“

„Die Vampire trinken es ja“, sagte er. „Aber die Halbvampire nicht. Es ist besser für sie, wenn wir nicht ganz vampirisch leben. Weniger Opfer, die man an schleppen und später beseitigen muss, und die Menschennahrung zu beschaffen ist kein Problem.“

Langsam biss ich in das Brot. Beim Geruch des Käses musste ich unweigerlich an Catriona denken, aber daran lag es nicht, dass ich das Gesicht verzog. Ich hatte einfach schon ewig keinen mehr gegessen.

„Wenn du noch mehr möchtest, den Gang entlang, dann nach links und die dritte Tür rechts findest du unsere Kantine.“

Kantine? War das hier ein Schulausflug oder ein College? Ich hatte bisher immer angenommen Nahuel und seine Schwestern waren hier die einzigen Halbvampire, wozu brauchte man zur Versorgung von vier Halbvampiren eine ganze Kantine?

„So … also dann“, begann er wieder zu reden. „Ich muss jetzt weg. Ich habe eine Aufgabe bekommen. Ausland. Ich werde ein paar Tage fort sein. Verlass am besten einfach nicht die Etage, solang es nicht ausdrücklich auf Aros Wunsch hin ist und bleib die meiste Zeit im Zimmer.“

„Aro?“

„Der Vampir, dem du die Hand gegeben hast.“

„Ach so.“
 

***
 

Natürlich befolgte ich den zweiten Teil seines Rates nur für maximal zwanzig Minuten, danach stand ich dann schon im Gang und die Tür von 626 schloss sich hinter mir. Bereits auf dem Weg zur Kantine kam mir jemand entgegen. Der angenehme, mir ähnliche Geruch und der schnelle Herzschlag verrieten mir, dass es sich hier um einen Artgenossen handelte. Dass dieser Artgenosse männlich war, löschte auch die letzten Zweifel daran aus, dass es hier mehr als nur Nahuel und seine Schwestern gab. Und die Kantine tat ihr übriges.

Geschätzte einhundertfünfzig Quadratmeter mit Tischen und Stühlen auf denen an die zwanzig Halbvampire verstreut saßen und miteinander plauderten, als säßen sie in der Schulpause. Als ich an der Theke vorbei lief, sah ich, dass es hier wirklich nur menschliche Nahrung gab und davon nicht einmal das Beste. Wo kamen diese ganzen Halbvampire bloß her? Was war hier in der Zeit zwischen meiner Geburt und jetzt geschehen? Ich hatte zwar gewusst, dass Nahuels Schwester ein Baby erwartet hatte, aber das dem noch so viele gefolgt waren, verwunderte mich dann doch. Was wenn es hier noch mehr gab, als hier saßen?

Die fünf, am mir nächstgelegenen Tisch, sahen mich nun mit ihren braunen, grauen, blauen und grünen Augen an. Ich wandte mich ihnen zu und hob die Hand zum Gruß. „Hallo.“

„Hallo“, kam es vereinzelt zurück.

„Du bist neu“, stellte ein junger Mann mit blonden kurzen Haaren fest.

Ich nickte.

„Wo kommst du her?“, wollte ein Mädchen wissen. „Du bist hier nicht aufgewachsen.“

„Ich komme aus Irland“, antwortete ich.

„Du kommst von außerhalb?“, hakte ein anderes Mädchen nach. „Es gibt noch mehr Halbvampire dort draußen?“

„Das weiß ich nicht“, sagte ich. „Mir sind jedenfalls keine bekannt. Zumindest keine mit denen ich nicht verwandt bin. Ich habe noch einen Bruder und eine Schwester.“

Ein drittes Mädchen lachte. „Hier sind fast alle irgendwie miteinander verwandt.“

Ich zog eine Augenbraue hoch. Die Tatsache, dass hier wohl rege Inzucht betrieben wurde, schien für sie ganz normal zu sein. Dieser Ort wurde mir immer suspekter, dabei war ich erst seit wenigen Stunden hier.

„Samantha!“, mahnte der Blonde.

Das Mädchen sah etwas betroffen aus und senkte den Blick.

„Und was macht ihr so hier den ganzen Tag?“, wechselte ich das Thema. Ich würde später noch darauf zurückkommen, da war ich mir sicher, aber nun schien kein Durchkommen zu sein.

„Wir reden hier, schauen fern, lesen oder treiben Sport.“

„Sport?“, fragte ich.
 

Ohne Zweifel war das Unterhaltungsprogramm, dass den Halbvampiren hier drei Stockwerke tief unter der Erde geboten wurde, recht akzeptabel. Zumindest brachte es sogar mich dazu, für ein paar Tage abzuschalten. Die Lektüren, die man sich hier zuhauf aus den Bücherregalen ziehen konnte, waren allesamt eher leichte Kost. Die Fernseher hatten nur wenige Kanäle, dafür gab es aber ein nettes Sortiment an ebenso leichten Filmen. Das Beeindruckendste, was ich hier unten allerdings entdecken konnte, war die unterirdische Sporthalle. Es kam mir so vor, als gehöre das halbe unterirdische Reich von Volterra den Volturi, denn es war eine enorme Bauleistung, die hier vollbracht worden war. Egal ob Volleyball, Basketball oder Hockey, hier konnte man sich wirklich verausgaben. Und es war für mich eine ganz neue Erfahrung, Sport treiben zu können und sich dabei nicht verstellen zu müssen. Umso brutaler war hier der Sport. Beim Basketball wurden in akkurater Regelmäßigkeit die Bälle zerfetzt. Beim Hockey hörte man förmlich die kräftigen Halbvampirkörper aufeinander prallen. Ein Hockeyspiel von vollwertigen Vampiren war sicherlich noch eine ganze Ecke härter, aber verglichen mit den menschlichen Sportarten, war das hier wirklich Dinosauriercatchen. Abends saßen wir dann in der Kantine und aßen uns die Kalorien auf die Rippen, die wir am Tag verloren hatten.

Und in der Nacht, wenn alle schliefen, schlief sogar ich.
 

Doch schon bald spürte ich, dass mir etwas fehlte. Bereits am Morgen vor dem Spiegel fiel mir auf, dass meine Augen noch dunkler geworden waren als die Tage zuvor. Und beim Essen in der Kantine, nach einigen Basketballrunden, kam dieses Gefühl der Unruhe umso härter hoch, je mehr von dem Kartoffelbrei vor mir ich in meinen Mund schob. Es war einfach nur irgendwas in meinem Mund, das meine Speiseröhre hinunterrutschte, aber es befriedigte mich nicht. Nicht mehr. Ich hatte eigentlich gehofft, ich würde mein Versprechen Catriona gegenüber halten können. Ich wippte unruhig mit dem Fuß und legte meine Gabel forsch zurück auf den Teller, ohne den Kartoffelmatsch auf ihr in den Mund zu schieben. Samantha mir gegenüber sah mich verwundert an. Ihr langes, blondes, glattes Haar rutschte über ihre Schultern, als sie ihren Kopf hob.

„Gibt es hier nie Blut? Ich dachte, ich wäre in einem Zirkel gelandet, der nicht vegetarisch lebt.“

„Nicht für uns“, erinnerte mich Samuel, ihr ebenfalls blonder Zwilling.

„Für wen dann?“, wollte ich wissen.

„Na für die Vampire“, sagte Samantha, so als hätte ich eine absolut dämliche Frage gestellt. „Es werden regelmäßig Menschen zu ihnen gelockt, die sie dann gemeinsam im Thronsaal verspeisen.“

„Im Thronsaal“, wiederholte ich und stand dann auf.

„Samantha!“, mahnte Samuel seine Schwester erneut. „Anthony, denk nicht mal dran. Die oberen Etagen sind uns strikt untersagt, erst Recht der Thronsaal!“

„Lass das mal meine Sorge sein“, antwortete ich und verließ die Kantine. Der Aufzug konnte für mich kaum schnell genug abheben, und ich fragte mich, ob es hier mit Absicht keine Treppen gab. Ich bezweifelte, dass dann noch jemand den Aufzug benutzen würde, weil man zu Fuß schneller war. Oder waren die Volturi einfach zu bequem zum Treppen steigen?

Egal … in wenigen Augenblicken würde ich meinen Hunger stillen können, das spürte ich. Und das mein Bauchgefühl mich selten täuschte, merkte ich relativ bald. Nämlich dann, als ich das Geschrei hinter den imposanten Türen hörte, die in den Thronsaal führten. Ich öffnete eine der etwas kleineren Seitentüren. Hinter ihr wollte ein Vampir, der links von ihr stand, mich aufhalten, aber ich war bereits dem Blutdurst verfallen. Ich roch das rote Blut der Menschen hier drin, die bereits den durstigen Vampirkehlen zum Opfer gefallen waren. Einige rannten noch vergeblich um ihr Leben. Ebenso die Frau, die mich fast umrannte und mir quasi in die Arme lief. Ohne Umschweife verschwanden meine Zähne in ihrem Hals, und ich spürte, wie ihr roter Lebenssaft begann, meinen Durst zu löschen.

Doch das Vergnügen dauerte nur wenige Sekunden, dann traf mich etwas hartes in die Rippen, und ich rutschte über den Marmorboden. Als der Schmerz verflogen war, und ich mich abstützen konnte, um zu sehen, woher der Stoß gekommen war, sah ich, wie ein junger Vampir mit dunklem kurzem Haar seinen Durst an meiner Beute stillte. Meiner Kehle entfuhr ein leises Knurren. Ich erhob mich wieder und ging auf den Vampir zu, doch kaum, dass ich in Griffweite war, packte er mich ruckartig. Seine kalten Finger schlossen sich um meinen Hals, und ich konnte mich nicht mehr rühren. Jetzt wo ich so nah bei ihm stand, konnte ich in seine dunklen Augen sehen. Er musste Durst haben. Und ich konnte seine perfekten Wangenknochen sehen und sein überaus hübsches Gesicht, selbst für einen Vampir.

„Du willst dich nicht wirklich mit mir anlegen, Kleiner“, riet er mir.

Als mir erneut reflexartig ein Knurren entfloh, verstärkte er den Druck, und ich begann, nach Luft zu ringen. Er hingegen sah mich nur noch mit einem Auge an und trank weiter an der Kehle der Frau. Ich griff nach seinem Arm, doch meine Versuche mich zu befreien, kümmerten ihn nicht im Geringsten. War das das Ende? So schnell? War das wirklich der Tod, den ich sterben sollte? Von einem trinkenden Vampir erdrosselt zu werden?

Aus der Geräuschkulisse aus gierig trinkenden Vampiren, sterbenden Menschen und Herzen, die ihre letzten Schläge taten, hob sich nun ein Ruf hervor. „Alerio!“, rief eine sanfte Frauenstimme. Sofort hörte der Schönling auf, an seinem Opfer zu saugen und hob den Blick. Ein Mädchen kam auf uns zu. Sie hatte eine perfekte Silhouette und trug ein tiefschwarzes knielanges Kleid. Ihre langen dunkelbraunen Haare gingen ihr bis weit über die Schultern. Ich roch ihren wohlriechenden, nicht zu süßlichen Duft und hörte ihren raschen Herzschlag. Doch ich wusste nicht, was mich mehr verwunderte. Die Tatsache, dass hier oben ein Halbvampir ganz offenkundig herumlief und auch noch Befehle erteilte oder die, dass sie rote Augen hatte.

Alerio nahm seine Hände von meinem Hals, und ich ging erst mal erschöpft auf die Knie und griff mir an die Kehle. Ich sog die Luft um mich herum ein, wie Ertrinkender, der soeben gerettet wurde. Der Braunhaarige zog sich zurück. Doch dazu, die Frau weiter auszusaugen, kam ich gar nicht. Das Mädchen mit dem langen Haar und den roten Augen reichte mir ihre Hand und half mir auf. „Komm“, sagte sie, und ich stellte fest, dass ihre Körpertemperatur etwas unter der meinen lag, jedoch nicht so kühl wie die eines Vampires.

Wir traten aus dem Saal, und ich folgte ihr stumm bis zum Aufzug.

„Das darfst du Alerio nicht zu sehr übel nehmen“, sagte sie sanft. Ich antwortete nichts, schluckte nur und strich mir noch mal über die Stelle, an der man wahrscheinlich die Abdrücke seiner Finger hätte sehen können, wenn meine beschleunigte Heilung nicht wäre. „Er ist etwas barsch, sobald er Blut riecht, aber sonst ist er eigentlich sehr sanftmütig.“

Mit einem grazilen Gang, der aber noch immer einen Hauch Menschlichkeit besaß, lief das mir unbekannte Mädchen mit mir durch den Korridor, dann blieb sie abrupt stehen. „Welches ist dein Zimmer?“, wollte sie wissen.

„626“, antwortete ich.

Sie öffnete den Mund, als wollte sie was sagen, wirkte fast etwas verdutzt, dann drehte sie sich um und blieb erst wieder vor der Tür meines und Nahuels Zimmers stehen. Ich hatte die Tür abgeschlossen, bevor ich in die Sporthalle gegangen war, aber das Mädchen packte einen goldenen Schlüssel aus und öffnete sie. Natürlich, wer im Thronsaal der Vampire trinken und Befehle erteilen durfte, hatte sicherlich auch einen Universalschlüssel. Im Raum schaltete sie das Licht an und wartete, bis ich auch drin war.

„Warte hier. Ich bin gleich wieder da“, meinte sie dann und verschwand. Wie wenige Tage zuvor, setzte ich mich auf mein Bett und wartete. Ich kramte Mariellas Foto aus der Tasche und strich mit dem Daumen über das Hochglanzpapier. Natürlich war mir aufgefallen, dass das Mädchen, das soeben den Raum verlassen hatte, ihr optisch nicht ganz unähnlich war. Für einen kurzen Augenblick fühlte ich mich meiner Schwester sehr nah, doch dann verschwand das Gefühl auch gleich wieder, und mir wurde bewusst, dass ich sie vielleicht nie wiedersah.

Die Tür ging wieder auf, und ich ließ das Foto wieder verschwinden. Das Mädchen mit dem langen braunen Haar und den roten Augen bot mir nun einen Blutbeutel an. Ich sah verwundert zu ihr hinauf.

„Nimm nur“, sagte sie, also griff ich nach dem Beutel, öffnete den Verschluss und trank. Es war kühl kein Vergleich zu dem warmen Blut der Frau, aber es war bei weitem besser, als die Brötchen und Suppen aus der Kantine.

„Und du schläfst hier bei Nahuel?“, fragte sie dann und setzte auf das Bett mir gegenüber.

Ich nahm den Beutel vom Mund und nickte. Plötzlich veränderte sich etwas in ihrem Blick, als sie mich ansah. Ich wusste nicht, was es war und nahm den Beutel nun ganz runter.

„Was?“, hakte ich unsicher nach. Hatte ich mich verschmiert? Mein Hemd vollgekleckert?

„Wo kommst du her?“ War ihr etwa jetzt erst aufgefallen, dass sie mich nicht kannte? Kam sie nicht oft hier runter und merkte gar nicht wie die Population hier unten stetig anstieg?

„Ich komme aus Irland“, sagte ich.

„Es gibt noch andere Vampire? So wie Nahuel? Die nicht hier drin geboren wurden?“

Ich hatte unweigerlich ein Déjà-vu, wollte das Mädchen aber nicht dumm dastehen lassen und beantwortete ruhig ihre Fragen.

„Das weiß ich nicht. Ich habe in meinem ganzen Leben keine gesehen, abgesehen von meinem Bruder und meiner Schwester.“

„Wo sind sie?“

Ich überlegte kurz, wie viel ich verraten sollte. „Nun … mein Bruder ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen Kindern zusammen und meine Schwester lebt mit dem Rest meiner Familie in einem großen Haus.“

„Verheiratet …“, wiederholte sie so leise, dass es selbst für meine Ohren leise war und bewegte dabei kaum die Lippen.

„Und du? Warum bist du hier?“

„Ich ähm …“, schnell legte ich die Wahrheit beiseite, „ich wollte mal etwas anderes sehen. Ein anderes Leben führen.“

Ihr Blick hatte nun etwas Trauriges, so als verstünde sie meine Aussage nicht, konnte sie nicht nachvollziehen. Ich mochte es nicht, sie traurig zu sehen. Obwohl ich sie eigentlich nicht kannte, gefiel mir der Anblick nicht auch wenn sie selbst so noch immer unglaublich hübsch war, also brach ich die aufkeimende Stille.

„Mein Name ist Anthony“, stellte ich mich vor. „Und wie heißt du?“

„Ich heiße Sangreal“, antwortete sie mit einem leichten Lächeln. „Ich sollte dann auch mal wieder los.“ Sie erhob sich und war in Begriff, die Tür zu öffnen.

„Warte“, sagte ich, und sie drehte sich, die Hand am Griff, noch einmal zu mir um und sah auf mich herab. „Kommst du mal wieder hier runter?“

Wieder ein Lächeln. „Bestimmt.“
 

***
 

[Mariella]
 

Langsam strich ich mit meinem Finger über das Foto. Ich spürte die leicht raue Oberfläche. Es war ein Familienfoto. Aufgenommen vor fast 15 Jahren. Als wir noch eine Familie waren: Meine Mutter saß in einem blauen Sommerkleid mit weißem Bolero auf einem Stuhl. Mein Vater, in einem schwarzen Shirt und in einer schicken, frisch gebügelten Hose, stand mit stolzem Lächeln hinter ihr und hielt ihre Hand, die sie ihm hinauf gereicht hatte. Auf ihrer anderen Seite stand ich in einem violetten Kleid und hatte mein Gesicht ganz nah an ihrem. Mein Arm lag um ihren Hals und meine Hand in der ihren. Will und Ani saßen, Rücken an Rücken, auf dem Boden vor uns und sahen beide mit einem leichten Lächeln in die Kamera. Es war die Zeit, in der wir drei noch gleich alt aussahen.

Eine Träne landete auf dem Bild, direkt über dem Kopf meiner Mutter. Sie kullerte über ihren Hals, ihren Bauch, ihre Beine, dann über Ani und schließlich vom Foto herab. Traurig zog ich die Nase hoch. Ich spürte Seths Finger an meiner Wange. Er strich mir sanft die Tränen weg. Wir saßen in unserem Zimmer auf dem Bett.

„Es wird alles wieder gut werden, du wirst schon sehen“, versuchte er mich zu beruhigen.

Aber ich kannte meinen Bruder. Ich wusste, er würde nie von selbst zurückkommen.

Schlagartig erhob ich mich, legte das Foto auf meinen Nachttisch und zog meinen Rucksack aus dem Schrank. Seth sah mir verwundert hinterher, wie ich anfing, zügig ein paar Klamotten wahllos aus den Regalen zu ziehen. Ich griff gerade nach einem Pulli und drehte mich um, um ihn zu verstauen, als die Tasche plötzlich weg war. Suchend drehte ich mich in Seths Richtung. Er stand etwa einen Meter hinter mir und hatte sie an sich genommen. Er sah traurig aus.

„Entschuldige“, sagte er und hörte sich auch so an, „aber ich kann dich nicht gehen lassen.“

„Gib mir den Rucksack“, forderte ich. Er schüttelte den Kopf.

„Seth!“

„Er kann überall sein.“

Ich trat näher an ihn heran, sah zu ihm empor und legte meine Hände hilfesuchend an seine Brust. „Dann komm doch einfach mit mir.“

Er ließ den Rucksack auf den Boden fallen, umschloss meine beiden Händen mit seinen, zog mich ganz nah zu sich und küsste mich. Sein Kuss hatte etwas sehnsüchtiges, verzweifelndes, so als vermisste er mich schon, bevor ich überhaupt gegangen war. Dieses Gefühl kannte ich gar nicht von ihm, weil wir nie zuvor auch nur im Ansatz getrennt gewesen waren. Soweit ich mich erinnern konnte, war er immer bei mir gewesen. Für mich hatte es immer nur Seth gegeben, immer nur ihn. Nie einen Anderen.

Als unsere Lippen sich wieder voneinander lösten, hielt er meine Hände nur noch mit einer Hand an seiner Brust fest, mit der Anderen strich er sanft über mein Gesicht.

„Lass uns doch erst mal Wills Rat befolgen.“

Ich stöhnte, verdrehte die Augen und löste mich von meinem Seth. Wie ein bockiges Kind setzte ich mich im Schneidersitz aufs Bett. Seth setzte sich auf die Bettkante und lächelte mich sanft an.

„Das ist das Vernünftigste“, meinte er.

„Es ist aber nicht das Richtige“, konterte ich.
 

Gleich nach Anthonys Aufbruch, hatte ich hysterisch unseren Bruder in La Push angerufen. Ich hatte ihm davon erzählt, dass die Spannungen zwischen Ani und Vater schlimmer geworden waren und was er zuletzt zu ihm gesagt hatte. Ich hatte versucht, die Gründe dafür zu verharmlosen, aber es war mir nicht wirklich gelungen. Den Tod mehrerer Menschen, teilweise noch Kindern, konnte man einfach nicht verharmlosen. Es hatte auf mich nicht den Eindruck gemacht, als hätte Will Ani die Schuld an allem durch und durch zugesprochen, auch wenn er natürlich geschockt gewesen war zu erfahren, dass sein Bruder zu Menschenblut übergangen war und dabei nicht mal den humaneren Weg über die Blutbank ging, wie ich noch zu Anfang gehofft hatte. Trotzdem hatte er noch keinen Handlungsbedarf gesehen. Zumindest keinen, der dringlich genug gewesen wäre, seine hochschwangere Frau zu verlassen.

Natürlich verstand ich das, aber seinen Rat, doch wenigstens zwei Wochen zu warten, konnte ich einfach nicht befolgen. Erst wenn wir bis nach Ablauf der Frist nichts von Ani gehört haben sollten, würde er handeln. Ich wusste nicht mal, ob sein Handeln etwas bewirken würde. Die Bande zwischen Will und Anthony waren in den letzten Jahren kaum viel besser gewesen, als die zwischen Ani und irgendwem sonst. Er ließ nur noch meine Mutter und mich an sich heran.
 

„Bitte“, wiederholte Seth nun zum dritten Mal das Wort, bis ich ihn endlich mit glasigen Augen ansah.

„Also gut... vierzehn Tage.“

Seth lächelte zur Antwort und küsste mich aufs Haar.
 

***
 

Zehn Tage später stand ich in der Küche und stellte Seths und Vaters verschmutztes Geschirr in die Geschirrspülmaschine, als es an der Tür klingelte. Alice hatte nichts von Besuch gesagt, also musste es entweder etwas mit einem Halbvampir oder mit einem Gestaltwandler zu tun haben. Mein Herz schlug mir schlagartig bis zum Hals und bevor sonst jemand auch nur etwas sagen konnte, war ich schon dabei die Tür aufzumachen. Natürlich wusste ich, dass Ani die Haustür nie benutzen würde, aber ich hatte die leise Hoffnung, dass Will sich doch umentschieden hatte.

Ich wusste nicht, wie mein Gesicht ausgesehen haben mochte, als ich den Besucher erblickte. Ich kannte ihn noch aus früheren Besuchen.

„Hallo, Mariella“, sagte er freundlich. „Darf ich eintreten?“

„Ähm … natürlich“, antwortete ich etwas perplex, nickte und ließ ihn rein.

„Nahuel“, sagte Alice lächelnd und auch einige der Anderen begrüßten ihn freundlich.

Wenige Minuten später saßen wir alle im Wohnzimmer, und ganz wie bei einem gewöhnlichen Besucher, brachte Esme uns Kaffee und Gebäck, das Nahuel trotz seiner normalen Essgewohnheiten dankend annahm.

„Ihr wisst sicher schon, dass ich nicht einfach nur zum Spaß hier bin“, sagte er dann und wurde ernst.

„Gewiss nicht“, antwortete Urgroßvater.

„Auch wenn es für uns definitiv mal entspannend wäre, wenn du keine schlechten Nachrichten bringen würdest“, fügte Rose hinzu.

Nahuel lächelte bitter und stellte seine Tasse ab, an der er gerade ein einziges Mal genippt hatte. „Das würde ich gern irgendwann. Aber leider nicht heute.“

Ein vertrauter Geruch hielt Einzug in den Raum. Meine Mutter und mein Vater gesellten sich zu uns, die gesondert benachrichtigt werden mussten, weil sie in ihrem Teil des Anwesens geschlafen hatten. Meine Mutter war ziemlich fertig und brauchte zur Zeit viel Ruhe. Auch jetzt noch wirkte sie müde, obwohl sie offenbar ihre Haare schön gekämmt hatte. Als sie aber Nahuel auf dem Sofa erblickte, wurde sie schlagartig hellwach und rannte fast zu uns herüber.

„Nahuel!“, rief sie mit einem Anflug von Freude und Hoffnung. „Du bist hier. Bringst du Nachrichten von Ani?!“

Ein paar Gesichter blickten ziemlich verdutzt drein. Wie sie darauf kam, wusste hier wohl kaum jemand. Umso verwunderter waren wir dann, als Nahuel zur Bestätigung auch noch nickte.

„Ihr wisst also Bescheid?“, fragte er anscheinend ebenso verwundert.

„Nein“, sagte Großvater.

Meine Mutter legte eine Hand an ihre Brust, direkt über dem Herzen. „Ich wusste es nicht, ich hab es nur … gespürt.“

Esme lächelte sanft und legte einen Arm um meine Mutter. Sie wusste wohl genau, wovon sie redete.

„Er ist also bei den Volturi?“, fragte Großvater.

Nahuel nickte. „Er hat sich vor Aro, Caius und Marcus gestellt und um Aufnahme gebeten.“

„Und sie haben ihn ohne Umschweife aufgenommen?“, mutmaßte Großvater nun.

„Nach einigen Überlegungen, ja.“

„Wie bitte?“, hakte Großmutter nach. „Zuerst bringen sie das Ganze erst ins Rollen, indem sie ihn dazu bringen, ein junges Mädchen auszusaugen, und dann nehmen sie ihn nicht mal sofort bei sich auf?“

„Ich nehme an, dass das nur eine Finte war“, sagte Carlisle. „Um ihm vorzugaukeln, er müsse sich trotzdem anstrengen, bei ihnen zu sein und dass es sein eigenes Handeln war, zu ihnen zu kommen und ihnen beizutreten.“

„Und in Wirklichkeit hatten sie schon damals vor, ihn zu sich zu holen...“, fügte Großmutter hinzu. „Toll...“

Nahuel beugte sich vor und sah und eindringlich an. „Was IST passiert? Warum hat er euren Zirkel verlassen?“

„Hat er dir das nicht gesagt?“, fragte Mutter.

Nahuel schüttelte den Kopf. „Nein, er will nicht darüber reden.“

Traurig wandte meine Mutter den Blick von ihm ab und sah zu Vater hinauf, der wiederum den Boden anzustarren schien.

„Sagen wir, es sind einige unschöne Worte gefallen, die das Fass zum Überlaufen brachten“, antwortete Großvater sachlich. „Viele Missverständnisse... und Unausgesprochenes... haben ganz einfach irgendwann ihren Tribut gezollt“, fuhr er fort, und seine Augen huschten hinüber zu Vater. „Dass er in den letzten Wochen Menschen getötet und deren Blut getrunken hat, mag der Auslöser gewesen sein, aber nicht die Ursache.“

Nahuel überlegte kurz, er wusste wohl zunächst nicht, was er darauf antworten sollte.

„Aber es gibt doch sicherlich Wege, diese Dinge beizulegen?“

Edward sah abermals zu meinem Vater. „Das kommt auf die Betroffenen an.“

Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, Vaters Stimme in diesem Gespräch zu hören, aber er ergriff zu unser aller Überraschung das Wort: „Hattet ihr nicht mal erzählt, das Volterra kein Gefängnis sei, und man die Volturi auch einfach wieder verlassen kann?“

„Eleazar hat die Volturi seinerzeit verlassen, das ist korrekt“, bestätigte Carlisle.

„Das mag sein“, fuhr Nahuel dazwischen. „Aber das funktioniert nur, wenn man sie auch verlassen WILL.“

Großmutter verschränkte die Arme über der Brust. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand die Volturi unserem Leben vorzieht.“

Großvater legte seine Hände links und rechts an ihre Oberarme und strich sanft darüber.

„Selbst wenn es so wäre“, erklärte Nahuel nun genauer. „Ich rede nicht vom freien Willen. Den hat man bei den Volturi nämlich nicht mehr.“

„Chelsea ist nicht stark genug, um alle Mitglieder permanent zu beeinflussen“, sagte Carlisle.

„Wenn sie ihn bei sich halten wollen, werden sie das auch schaffen. Wenn ihr euch nicht beeilt, dann wird er innerhalb weniger Wochen keinerlei Bindung mehr zu euch haben.“

Die Vorstellung machte mir Angst und jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich spürte wie meine Unterlippe zu zittern begann. „Das glaube ich dir nicht. Nicht bei ihm.“

Mutter kam zu mir herüber, strich mir durchs Haar und nahm mich in den Arm, konnte ihre Tränen aber selbst kaum zurückhalten.

„Anthony besitzt ein sehr starkes Schutzschild“, sagte Edward. „Er hält es permanent aufrecht, und auch die Volturi haben keinen Zugriff auf seinen Geist.“

„Ich hoffe für euch, dass ihr Recht behaltet“, antwortete der Halbvampir.
 

***
 

[William]
 

Nachdem ich das Gespräch mit meiner kleinen Schwester beendet hatte, war das leuchtende Display so hell in dem dunklen Schlafzimmer, dass es mir fast in den Augen wehtat. Ich löschte noch die drei angezeigten Anrufe in Abwesenheit, die ebenfalls von meiner Schwester waren, aus der Anrufliste, dann legte ich es weg und drehte mich wieder um.

Im Ehebett lag meine hübsche Leah und sah mich im Halbdunkel der Nachttischlampe lächelnd an. Sie war so schön. Die cremefarbene Decke passte wundervoll zu ihrem dunklen Teint, und ich liebte die Wölbung der Decke, die durch ihren runden Babybauch verursacht wurde.

Müde krabbelte ich zurück zu ihr ins Bett, legte meine Hand vorsichtig an ihren Nacken und küsste sie leidenschaftlich, während ich mit der anderen Hand unter den cremigen Stoff fuhr und ihr über den Bauch streichelte.

„Was ist los?“, wollte sie wissen, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten. Ich konnte nichts vor ihr verheimlichen. Sie wusste immer genau, wenn etwas in mir vorging. Es gab niemanden auf der Welt, mit dem ich mich mehr verbunden fühlte, als mit meiner Frau.

„Mariella“, antwortete ich.

Leahs Augenbrauen hoben sich besorgt. „Um diese Zeit? Ist was passiert?“

Ich sah kurz zur Seite und seufzte.

„Liebling?“, sagte sie.

Ich sah sie wieder an. „Mein Bruder hat den Zirkel verlassen.“

Leah sah aus, als würde sie nicht so recht begreifen, was ich da gesagt hatte.

„Verlassen? Also... so richtig?“

Ich nickte verhalten.

„Ich nehme mal an, dass der Grund kein Mädchen ist“, mutmaßte sie.

Ich stöhnte. „Wie sehr ich mir wünschte, dass es nur das wäre.“

„Was ist es dann?“

„Vater...“

Leah schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich versteh Jacob nicht. Ich meine, er ist auf Renesmee geprägt und Anthony ist ein Teil von ihr.“

Ich seufzte und fuhr mir müde übers Gesicht.

„Willst du zu ihnen, Liebling?“, fragte Leah.

„Nein“, antwortete ich entschlossen. „Der Geburtstermin ist in wenigen Wochen. Ich kann dich jetzt nicht allein lassen.“

Leah lächelte. „Das ist wundervoll von dir, Liebling, aber er ist dein Bruder. Wenn du gehen möchtest, kann ich das verstehen.“

Ich verneinte kopfschüttelnd. „Nein, ist schon okay. Ani ist alt genug, um auf sich aufzupassen. Ich bleibe bei dir.“

Ich strich ihr sanft eine schwarze Strähne ihres schönen langen, seidigen Haars aus dem Gesicht. „Ich will dabei sein, wenn unsere Tochter das Licht der Welt erblickt. Wie bei Madeleine und Harry. Ich will nicht mit meiner eigenen Tradition brechen.“

Leah strahlte. „Ich liebe dich“, flüsterte sie.

„Und ich liebe dich.“ Und dann küssten wir uns erneut.
 

***
 

Zehn Tage später war ich damit beschäftigt die hellblaue 'Geburtstasche' zu packen: eine große blaue Sporttasche, in die ich vorsorglich alles verstaute, was wir mit in die Klinik nehmen wollten, sollte Leah eine solche zur Geburt aufsuchen müssen. Früher waren Hausgeburten im Reservat natürlich üblich gewesen. Das reservatseigene Krankenhaus zu besuchen, war aber kein Verbrechen. Im Gegenteil, ich empfand es als tolles Gefühl, meine schwangere Frau ins Krankenhaus zu fahren und ihr im Kreißsaal mit der Hebamme beizustehen. Ich führte das darauf zurück, dass sowohl meine Mutter, wie auch ich und meine Geschwister, aufgrund unserer Besonderheit, ein eher verstecktes Leben geführt hatten. Ich liebte es normal zu sein, normale Dinge zu tun und dazu gehörte es nun mal auch, in ein Krankenhaus zu fahren, wenn man krank war.

Ich faltete gerade ein Handtuch zusammen und ließ es in der Tasche verschwinden, als mein Handy in der Hosentasche klingelte. Auf dem Display stand, wie ich bereits vermutet hatte, der Name meiner Schwester.

„Guten Morgen, Mariella“, begrüßte ich sie freundlich.

„Will, bitte... ich konnte heute Nacht wieder nicht schlafen“, stöhnte sie müde. „Du MUSST was tun, und zwar nicht erst in einer Woche!“

„Kleines, beruhige dich doch erst mal. Du kennst doch unser Brüderchen, der brauch seine Zeit, um sich abzureagieren. Hab Geduld.“

„Das würde ich ja, wenn ich wüsste, dass er irgendwo als Adler durch die Gegend fliegt, aber das tut er nicht.“

Ich sah mich kurz um, vergewisserte mich, dass niemand in der Nähe war. Ich hatte Leah nicht erzählt, dass mein Bruder Menschen auf dem Gewissen hatte und wollte dies auch zunächst für mich behalten.

„Hat er wieder jemanden umgebracht?“, flüsterte ich.

Mariella verneinte. „Nein“, sagte sie und ich merkte, wie ihre Stimme langsam brach. „Will, Nahuel ist hier.“

Es mochte für andere wie ein Code klingen, für mich war es ganz eindeutig. Nahuel war immer nur dann gekommen, wenn es im Auftrag der Volturi war oder wenn es etwas mit ihnen zu tun hatte.

„Er ist freiwillig zu ihnen gegangen“, fuhr meine Schwester zitternd fort. „Nahuel sagte, dass er vermutet, dass Ani innerhalb kurzer Zeit seine bisherigen Bindungen komplett verlieren wird.“

„Aber er hat doch sein Schutzschild“, sagte ich, obwohl ich wusste, dass dieses nur mental funktionierte und dazu nicht mal wie bei unserer Großmutter automatisch. Er musste es gezielt aufrecht erhalten. Ich erinnerte mich daran, dass sein Schutzschild einfach verschwand, wenn er zu sehr abgelenkt war. Wenn sie ihm körperliche Schmerzen zufügen würden, war ich mir sicher, dass er nicht mehr in der Lage sein würde, seinen Schild zu halten.

„Also gut“, versprach ich meiner Schwester. „Gib mir zwei Tage, dann bin ich mit Anthony wieder in Irland.“
 

- Ende Kapitel 05 -
 

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Noch eine Info zum Gewinnspiel

Der Charakter Alerio gehört Gewinnspielgewinnerin Kaylinne.

Ursprünglich wollte ich beide Gewinnspielcharaktere einbaun, der Zweite hat es jetzt aber nicht mehr in den Kontext geschafft und wird daher im Nächsten auftauchen. Da ich euch aber nicht mehr länger auf die Folter spannen will, sag ich jetzt direkt, dass es sich um den Charakter Gabriela Del Arte von Shila handelt. =)
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2011-09-30T14:20:05+00:00 30.09.2011 16:20
Hallo, auch ich möchte endlich mal meinen Senf dazugeben...:-))

Ich bin total gefesselt von deiner Geschichte und bewundere Dich.
Man könnte echt denken, dass die Bis(s)....Autorin selbst die Feder schwingt.
Ich fühle genauso mit den Figuren mit, wie in Ihren Büchern. Ich habe bestimmt schon genauso viel geweint und gelacht beim lesen.
nein das ist so nicht richtig :D ich habe bei dir mehr gelacht und ich ziehe mit meinen 44 Jahren den Hut vor Dir.

Auch wenn ich mich manchmal über Jacob aufrege, er war schon immer so und wird es auch bleiben. So ist er nun mal und so kennen wir ihn aus der Vergangenheit und lieben ihn.

Ich warte schon gespannt auf deine Fortsetzung und hoffe Du hast noch viele solcher schönen Gedanken und kannst noch lange schreiben...


Von:  jennalynn
2011-09-20T12:00:52+00:00 20.09.2011 14:00
OH Gott ist das spannend. Schreib bloß schnell weiter. Ich möchte so schnell wie möglih wissen was da in Voltera abgeht. Was versuchen die da zu bezwecken eine Armee aus Halb Vampiren oder was? Das sieht ihnen ähnlich. Waren sie es nicht die den Vater der anderen Halbvampire umgebracht haben weil sie mit seinen Experimenten nicht zu frieden waren und jetzt docktern sie selbst rum.Ich wette die haben Ani schon damals in der Gasse beeinflust irgendwie jedenfalls. Jacob könnte ich in den Arsch treten. Ich hoffe er wird langsam wach und merkt das er noch einen Sohn hat. Aber WILL möchte doch nicht alleine nach Voltera oder, die würden ihn doch nie wieder raus lassen. OH MAN OH MAN schreib bloß bald weiter.

LG jennalynn
Von:  vamgirly89
2011-09-19T20:15:02+00:00 19.09.2011 22:15
Armer Ani, jetzt ist er bei den Volturi. Vielleicht verliebt er sich in das Mädchen, dass ihn zurück gebracht hat. Würde mich für ihn freuen. Der arme tut mir so leid. Freue mich schon auf das nächste.

Von: abgemeldet
2011-09-19T20:11:48+00:00 19.09.2011 22:11
Haach, ich liebe Will und Leah. Die sind einfach soo süß^^
Irgenwie bedrückt mich der Gedankte, dass sie beide bald sterben werden...naja was heißt bald, aber eben vor allen anderen. Falls letztere überhaupt einmal sterben werden.
Ich bin schon gespannt auf ihr drittes Kind. Ich frage mich, ob es 'normal' wird oder auch ein Wolf. Vielleicht setzt sich ja auch ein bisschen was von Wills Vampirgenen durch^^
Ich finde es schade, dass Cat in dem Kapitel nicht vorkam, ich hatte auch einen kleinen Hinweiß gehofft, der mir und den anderen Lesern vielleicht ein bisschen näher bringt was genau sie denn eigentlich ist.
Aber dafür hat du uns ja einen ganzen Haufen anderer besonderer Wesen geliefert. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Eigentlich wäre ich davon ausgegangen dass außer Nahuel, seinen Schwstern und seinem Neffen, oder seiner Nichte niemand mehr da sein würde.
In meiner Vorstellung wäre letzterer entweder ein Junge gewesen, der durch seine Erziehung in der Volturi Tony immer mehr dazu bringt böses zu tun und ihn auf den falschen pfad bringt, oder ein Mädchen in dass er sich später verliebt.
Aber vielleicht eignet sich für letzteres ja diese andere Halbvampirin? Wer weiß^^
Mich würde mal interessieren woher die ganzen Halbvampire kommen, wer ihre Eltern sind und so.
Ich meine, es ist klar, wer die Mütter sind, aber wer waren die Väter? Menschen oder Vampire?
Ich schätze mal Vampire oder?
Ich kann nicht wirklich verstehen, warum Tony zu den Volturi gegangen ist. Immerhin haben die Mistkerle ihm das doch angetan. Sicher, er wusste nicht wohin, aber es hätte sicher noch genügend andere Zirkel und Gruppen gegeben, die nicht willentlich sein Leben zerstört haben.

DAs war auch schon wieder alles was ich zu sagen hatte^^
War mal wieder ein super Kapitel von dir und ich freue mich schon total aufs nächste^^
Von:  funnymarie
2011-09-19T16:19:44+00:00 19.09.2011 18:19
hallo^^ cool, ich bin die erste^^
also dann mal los^^
ich fand das kapitel super toll
mariella tut mir leid, alle wollen sie hinhalten, dabei möchte sie nur ihren bruder zurück!
das bei den volturi so viele halbvampire rumlaufen, finde ich spannend^^
was sie mit den wohl vorhaben und was ist mit cat?
wieder lauter fragen,auf die nur die antworten kannst^^
ich freu mich auf deine fortsetzung
lg funnymarie


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