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Straßenkind

SasuXNaru
von

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Vergangenheit: Straßenkind [Teil 2]

Das ist Gottes Wille.
 

Immer wieder hörte ich diese Wörter durch meinen Kopf schallen, ein brennender Schmerz zog sich durch meinen Körper, ich wollte schreien, doch mein Mund war versiegelt. Ich konnte ihn nicht einmal öffnen, nur stumm ertragen was geschah. Tränen rinnten meine Wangen herunter, meine Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Unter den Schmerzen zitterte mein Körper, ich spürte wie er in mich eindrang. Immer wieder, immer wieder, immer wieder, immer wieder-
 

"WACH AUF!"
 

Mit einem Keuchen, das eigentlich ein Schrei werden sollte, fuhr ich aus meinem Alptraum auf. Panisch schaute ich um mich, versuchte die Orientierung zu finden. Mein Körper war klatschnass vom Schweiß, meine Klamotten klebte an mir wie eine zweite Haut. Meine verschmutzten und mittlerweile brüchig gewordenen Haaren klebten auf meiner Stirn, Angst kennzeichnete mein Gesicht.
 

Ich suchte den engen Raum nach dem Priester ab, nach meinem Vergewaltiger, doch er war nicht hier. Ich hatte nur geträumt. Wie immer.
 

Kurz ergriff mich Erleichterung, doch gleich darauf kehrte die Verzweiflung zurück. Zwei Jahre war es nun schon her, dass ich vergewaltigt wurden war. Noch am selben Tag hatte mein Pflegevater mich weit weg gebracht und in einem Ghetto ausgesetzt. Auch wenn ich damals unbedingt von meiner Familie und meiner Schule fliehen wollte, hatte ich nicht hier landen wollen, nicht auf der Straße.
 

"Alles okay?"
 

Verwirrt blinzelte ich der Person entgegen, die mit besorgtem Gesichtsausdruck vor mir saß. Sie war wie immer blass und sah abgemagert aus, der Name des Mädchens war TenTen. Ich hatte sie hier kennen gelernt, zusammen mit ihr und einem weiteren Jungen hatten wir ein kleine Holzhütte übernommen, die in einer Gasse stand und früher mal eine Art Lager gewesen war für Gartengeräte.
 

Sie gehörte anscheinend keinem, darum waren wir eingezogen. Von TenTen wusste ich, dass sie in dieses Ghetto bereits hineingeboren wurde und nach dem Tod ihrer Eltern auf der Straße gelandet war. Sie wusste wie die Leute hier tickten, wusste wie man an Geld und Klamotten kam. Doch trotzdem half es nicht, um uns ausreichend zu versorgen.
 

Wir waren abgemagert, stets hungrig und bekamen meistens erst etwas zu trinken, wenn unsere Zungen bereits am Gaumen klebte und wir zur Not unseren eigenen Speichel schluckten. Seit längerem überlegten wir uns wie wir auf einen anderen Weg als Betteln und Klauen an Geld heran kommen könnten, doch die einzige Möglichkeit wollten wir einfach nicht eingehen.
 

"Geht es dir gut?", fragte TenTen nach. Ich nickte daraufhin nur stumm, auch wenn ich wusste, dass es eine Lüge war. Mein Kopf pochte, und mein Herz raste immer noch als hätte ich die Vergewaltigung gerade erst erlebt. Jede Nacht träumte ich entweder davon oder von den Misshandlungen durch meine Pflegefamilie. Ich konnte es einfach nicht vergessen. Die Wunden saßen zu tief.
 

"Belüg' mich nicht", sagte TenTen scharf und fühlte sanft mit ihrem Handrücken über meine Stirn. Mein Atem ging schwer, dass sich mein Brustkorb erkennbar hob und senkte. Verwirrt blickte ich sie an. Wieso hatte sie gefragt, wenn sie wusste, dass es mir mies ging?
 

"Jede Nacht liegst du da, quälst dich herum, keuchst, wimmerst, weinst, und ich kann dir nicht helfen", seufzte sie wehleidig. Sie war wirklich besorgt um mich, dabei war sie so ein taffes und mutiges Mädchen, und das mit ihren gerade mal elf Jahren. "Und reden kannst du auch nicht. Wenn ich nur wüsste warum. Und von was du ständig träumst."
 

Sie begann mir beruhigend durch die Haare zu streicheln. Ich genoss die sanften Berührungen. Auch wenn es mir auf der Straße dreckig ging, hatte ich endlich wieder Personen um mich, die mich akzeptierten und mochten. Seit zwei Jahren waren wir nun schon zusammen, wir Beide und der andere Junge. Sein Name war Rock Lee und er war wohl der größte Chaot, den die Welt je gesehen hatte.
 

Ein Schmunzeln umspielte meine rissigen Lippen, woraufhin mich TenTen verwirrt anschaute. Doch ich konnte nicht anders, wenn ich an Lee dachte. Er gehörte vermutlich zu der Elite-Einheit der Chaoten und seine ständige Reden von der Kraft der Jugend... obwohl er auch nicht älter als elf Jahre war.
 

Nur seine Vergangenheit war nicht zum lachen. Das Schmunzeln verstarb. Er war wie ich misshandelt worden und aus freien Stücken auf die Straße geflohen. Ob es ein Fehler in seinen Augen gewesen war? - Nein. Er sagte er würde sich gut in unserer Gegenwart fühlen, weil wir ihn mochten, im Gegensatz zu seiner Familie.
 

"Du bist ein Rätsel, Kleiner", stellte TenTen mit einem Seufzen fest und stellte ihre Streicheleinheiten ein. Sie griff kurz unter die modrigen Decken, die wir in dem kleinen Haus ausgelegt hatten und zog eine kleine Plastikflasche hervor, die mit Wasser gefüllt war. Überrascht klappte mir der vor Durst trockene und klebrige Mund auf und dem Mädchen überkam ein Grinsen.
 

"Lee hat fette Ausbeute bei seinem letzten Akt gemacht. Drei Wasserflaschen und eine Packung Brot. So viel hatten wir seit Monaten nicht mehr!"
 

Begeistert von dieser Nachricht griff ich nach der Wasserflasche, dir mir TenTen reichte. Ich konnte gar nicht schnell genug den Schraubverschluss öffnen und mir das kühle Nass die Kehle runter schütten.
 

"Hey, hey, nicht so viel! Wir müssen uns das einteilen!", ermahnte TenTen und ich setzte die Flasche widerwillig ab. Das Wasser tat gut, endlich lief mir nicht länger der Speichel im Mund zusammen und meine geschwollene Zunge fühlte sich kühl an. Es war ein pures Aufatmen.
 

"Das tut gut, was?", lächelte das Mädchen matt, nahm mir Wasserflasche und Verschluss ab und schraubte sie wieder zu. Ich nickte auf ihre Frage hin begeistert.

"Ich würde sagen du ruhst dich jetzt noch eine Weile aus, dieser Traum scheint dich übel mitgenommen zu haben, und dann trainieren wir noch mal das Sprechen!" Gequält blickte ich sie an. Wollte sie denn nicht verstehen, dass es mir weh tat, wenn ich versuchte meine Stimmbänder zu strapezieren? Ich musste zugeben die Schmerzen waren in den letzten zwei Jahren abgeklungen, ich konnte keuchen, erkennbare Laute von mir geben, auch wenn sie sehr leise waren, aber Sprechen war über der Grenze des Möglichen. Dann brannten meine Stimmbänder einfach zu sehr.
 

"Schau' mich nicht so an, Kleiner!", bekam ich von TenTen durch die Haare gewuschelt. "Ich will zumindest mal deinen Namen wissen!"
 

Ich lächelte sie daraufhin bloß traurig an. Ja, es war wirklich mies, dass weder TenTen noch Lee meinen Namen wussten, aber was soll man machen? Seit mehreren Jahren hatte mich keiner mehr mit meinem richtigen Namen angesprochen, das Mädchen nannte mich immer 'Kleiner' und der Junge dachte sich immer wieder neue Namen aus, so langsam verlor ich meine Identität. Irgendwann würde ich noch selbst vergessen wie ich hieße, meine Existenz war wirklich vollkommen überbewertet. Ich war ein Niemand, ein Nichts, das nichts verdient hatte.
 

"Hör' auf so traurig zu schauen", sagte TenTen mit einem Seufzen, "wir dürfen nicht ständig daran denken wie mies es uns geht, sondern müssen versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Auch wenn es schwer ist."
 

So viel positive Energie tat ja fast schon weh, aber so war sie nun einmal und das war auch gut so. Wenn wir alle depressiv wären und ständig heulen würden, kämen wir zu keinem guten Entschluss und es würde alles nur noch schlimmer werden, sofern dies möglich war.
 

"Jetzt ruh' dich noch eine Weile aus", lächelte TenTen erneut und war kurz darauf auch schon aus der miefigen Holzhütte verschwunden. Mehr widerwillig kuschelte ich mich in die viel zu dünnen Laken ein, die uns als Bettdecken dienten, und schloss die Augen ohne wirklich die Absicht zu haben einzuschlafen.
 

Vielleicht hatte ich ja die Hoffnung, dass mein Herz einfach aussetzen würde. Ob ich so viel Glück besaß?
 

Nach einigen Minuten stellte ich schließlich fest, dass ich den Gefallen nicht erfüllt bekam, einfach zu sterben und krabbelte grummelnd aus der Holzhütte heraus. Draußen auf dem kalten Asphalt, eingewickelt in ein paar dicken Jacken saßen TenTen und Lee und schlürften an einem heißen Getränk. Verwundert blickte ich über die unbekannten Jacken auf die Plastikbecher in ihren Händen aus denen feiner Dampf heraustrat.
 

"Na, Peter!", grinste Lee sofort. "TenTen hat doch gesagt ich hab' fette Ausbeute gemacht!"
 

Mit einer kurzen Bewegung deutete er auf eine Jacke und einen Becher, die vor ihm platziert waren.
 

"Die gehören dir", bemerkte er. Man konnte erkennen wie er stolz er sich fühlte, dass er uns endlich mal etwas Ordentliches gebracht hatte. Es war Herbst, kurz vor Wintereinbruch, die Temperaturen sanken dramatisch.
 

Der erste Winter, den ich auf der Straße verbracht hatte, war regnerisch und unangenehm gewesen, doch die Temperaturen waren nur zeitweise unerträglich gewesen. Dieses Jahr würde es anders kommen.
 

Durch ein paar Gespräche der Ghetto-Bewohner, die wir belauscht hatten, hatten wir erfahren, dass man mit drastischen Minusgraden rechnen konnte, Schneefall, wenn nicht sogar Schneestürme. Seit Tagen versuchten wir uns nun schon darauf vorzubereiten, doch bisher waren wir nicht sehr erfolgreich gewesen.
 

Nun hatten wir zumindest warme Jacken und konnten uns für den heutigen Tag an einem Getränk aufwärmen. Um welches es sich auch immer handelte oder woher Lee die Sachen hatte war mir relativ egal. Hauptsache wir besaßen sie.
 

Nach einigen Minuten, in denen ich mir die Jacke angezogen hatte und wir zusammen unsere Getränke leer schlürften, kam es mal wieder zu einem dieser unangenehme Gespräche, in denen es darüber ging, wie wir am Besten Geld machen konnten.
 

"Ich weiß ihr Jungs wollt das nicht", begann TenTen und ich wusste bereits worauf sie hinauswollte und schüttelte demonstrativ den Kopf. "Aber es geht nicht anders. Wenn wir Geld haben wollen muss ich meinen Körper verkaufen."

"Du lässt dich nicht zur Nutte machen, nur weil wir noch nicht so gut klauen können!", widersprach Lee und ich nickte zustimmend.

"Es geht nicht anders und das wisst ihr selbst." Wehleidig blickte sie zwischen uns Beiden hin und her. Auch wenn sie wahrscheinlich Recht hatte wollte ich nicht, dass TenTen gegen ihren Willen mit Männern schlief, schließlich wusste ich wie sich dies anfühlte und was für Auswirkungen es haben kann.
 

"Ich weiß nicht, ob ich das zulassen kann", verzog Lee sein Gesicht. "Du doch auch nicht, oder Max?!" Er blickte mich auffordernd an, ich nickte wieder zustimmend.

"Ich finde es ja süß von euch, Jungs, dass ihr nicht wollt, dass ich zur Nutte werde, aber es geht ganz einfach nicht anders", sagte TenTen und lächelte traurig. "Heute Abend gehe ich zu den anderen Mädchen auf den Strich und schau' mal was dabei so herausspringt."

"Du weißt doch wie sie reden! Sie sagen ohne Drogen wäre es gar nicht aushaltbar. Und das Geld für Drogen haben wir nicht", bemerkte Lee, er hörte sich aufgebracht an wegen der Entscheidung seiner guten Freundin.

"Ich werd's schon überleben", zuckte TenTen jedoch nur unbeeindruckt die Schultern. Sie wusste nicht, wie schmerzvoll es sein konnte und ich wünschte mir in diesem Moment mal wieder sprechen zu können. Einfach um ihr klar zu machen, dass es nicht so einfach war, wie sie es sich vorstellte. In ihren Augen war das Schlimmste nun der Verlust ihrer Ehre, in meinen Augen die Schmerzen und das, was die Prostitution mit ihrer Psyche anstellen würde.
 

Ein Seufzen entfuhr Lee, er wusste wirklich nicht wie er darüber denken sollte. Mich beunruhigte der Gedanke vermutlich weit aus mehr, aber mehr als den Kopf schütteln konnte ich nicht. Trotzdem wusste ich, dass TenTen Recht hatte. Das meiste Geld machte man immer noch, wenn man seinen Körper verkaufte...
 

"Dann ist es beschlossene Sache!", stellte das Mädchen fest als ihr keiner widersprach. Lee grummelte daraufhin nur.

"Ungern", murmelte er. Ich wendete meinen Blick zu Boden, wusste in diesem Moment selbst nicht warum ich nichts gegen ihre Entscheidung unternahm. Vermutlich, weil sie dickköpfig war und man ihr nichts ausreden konnte. Wenn sie heute Nacht oder Morgen früh zurückkam würde sie verändert sein und vermutlich nie wieder auf den Strich wollen.
 

Hätte ich nur gewusst, dass mich diese Nacht ebenso verändern würde.
 

*~*
 

"Denkst du TenTen kommt klar?", fragte Lee mit besorgter Stimme. Ich wusste, dass er von mir weder eine Antwort noch ein Nicken oder Kopfschütteln erwartete, er wollte sich bloß seine Last von den Schultern sprechen, auch wenn dies ein Vorhaben der Unmöglichkeit war.
 

"Ich mach' mir echt Sorgen", gab der um ein Jahr ältere Junge betreten zu. "Das hier wird sie sicher fertig machen. Ich will nicht, dass sie ne Nutte wird."
 

Wir Beide lagen in der kleinen Holzhütte bei Temperaturen die knapp die Null kratzten. In unseren warmen Jacken und zahlreichen Laken eingewickelt versuchten wir kein all zu schlechtes Gewissen zu haben, doch das funktionierte nicht wirklich. Zusätzlich war die Kälte unbarmherzig, meine Zehe fühlten sich bereits taub an auch wenn ich sie dick zugedeckt hatte. Mein warmer Atem war deutlich in der kühlen Luft zu erkennen. Ich hasste diese Jahreszeit!
 

"Wir hätten sie aufhalten sollen", sagte schließlich Lee und warf damit alle Vorhaben sich kein schlechtes Gewissen einzureden über Bord. "Ehrlich mal. Wir hätten sie umstimmen sollen. Ich werde immer besser im Klauen! Morgen will ich mal versuchen ein paar neue Klamotten zu besorgen, wärmere Klamotten und Strümpfe! Wir können uns nicht ewig ein Paar teilen, nicht bei solchen Temperaturen!"
 

Lee sprach noch weiter über seine zukünftigen Vorhaben, die nach einiger Zeit immer unrealistischer wurden. Als er plötzlich von einem Kabelanschluss und Satellitenfernsehen träumte musste ich stumm lächeln. In gewisser Hinsicht war es wirklich gut, dass Lee hier bei mir war. Er war aufgedreht und fast immer gut gelaunt, obwohl er so viel Schlimmes erlebt hatte.
 

Sein Lebensmotto: Wenn wir alle depressiv werden und rumheulen können wir auch nichts erreichen! Also dachte er positiv. Auch wenn ich wusste, dass er vermutlich auch negative Gedanken hatte. Die ewige Frage nach dem 'Warum?'. Warum ausgerechnet ich? Was habe ich der Welt angetan? Solche Fragen stellte sich jeder von uns Dreien.
 

"Hörst du das?" Schlagartig setzte sich Lee auf und horchte. "Da war was."

Ich setzte mich ebenfalls aufrecht hin und spitzte meine Ohren. Sofort vernahm ich Stimmen von Männern, die sich lachend unterhielten und allem Anschein nach betrunken waren. Die Geräusche, die sie machten wurden lauter, kamen uns immer näher. Sie waren in der Gasse.
 

"Was wollen die hier?", flüsterte Lee mir panisch zu. "Das ist eine Gasse, hier gibt's nichts außer unserem Holzhaus und ein paar Mülltonnen."

Ich drückte als Antwort bloß einen Finger auf meinen Mund, bat den Jungen darum leise zu sein, was er sogleich auch machte. Dabei hatte ich nicht weniger Panik als er selbst, wahrscheinlich sogar noch mehr.
 

Mein Körper zitterte und mein Herz schlug so feste und laut gegen meinen Brustkorb, dass ich dachte die Männer müssten es hören. Schlagartig erinnerte ich mich an die Vergewaltigung zurück. Nein. Nicht jeder Mann dieser Welt konnte so sein. Sie hatten sicher einen guten Grund in diese Gasse zu kommen... oder nicht?
 

"Hieer is es", lallte einer der Männer, dabei hörte man wie er kräftig gegen die Tür unserer Holzhütte klopfte.

"Da sinn disse Pissa drinn?", fragte ein Zweiter und mein Herzschlag ging schneller. Mein Körper verkrampfte sich, so verängstigt war ich. Ich hörte wie Lee neben mir leise "Scheiße!" flüsterte.

"Jaa, midd denne können wa Spass hab'n", meinte der Erste. "Die Anderrn sinn ja schliesslisch wech.."
 

Die Anderen? Gab es etwa noch mehr Straßenkinder in diesem Ghetto? Ich konnte über diese Frage nicht wirklich nachdenken, einmal nicht da die Frage nach dem 'Was passiert jetzt?' zu groß war und zum Zweiten, weil die Tür schlagartig aufgerissen wurde.
 

Sofort stürtzte sich Lee mit einem "VERPISST EUCH, IHR ÄRSCHE!" zur Tür hinaus und begann auf den ersten Mann einzuschlagen, der vor ihrer Holzhütte stand. Doch der nahm die Faustschläge gegen seine Beine eher locker auf und stieß Lee grob zur Seite, dass er zu Boden fiel.
 

"Wass dass dennn für einaa?", hörte ich eine Stimme fragen. Ich traute mich nicht raus zu laufen, blieb bloß wie erstarrt, mit ängstlichem Blick in der Hütte sitzen.

"Keene Ahnunn."
 

Lee war am Fluchen und versuchte die Männer mit Gewalt zu vertreiben, doch sie waren mehr als Fünf und er war ganz alleine und zu dem noch viel kleiner und schwächer. Seine Reaktion war die bloße Selbstverteidigung, Lee war schon immer Jemand gewesen, der Angst in Wut umgewandelt hat und anstatt zu Zittern zu Schlagen begann. Ich hingegen konnte meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle zu halten, so sehr schüttelte es mich.
 

"Was machnn wa mid dem? Dass macht ja garr keenen Spass wenn de sich wehrn", sagte einer der Männer und ein Weiterer meinte: "Moment mal."
 

Ich vernahm Schritte und dann blickte derjenige, der zuvor gesprochen hatte, in die Holzhütte hinein. Als er sah wie ich erschrocken zusammenzuckte und ihn mit großen, panischen Augen anblickte, grinste er über beide Gesichtshälften und meinte zu seinen Freunden: "Derr Andre is suppa!"

"Dann hol' ihnn rauss!", forderten Zwei gleichzeitig und der Angesprochene griff mit seinen Pranken nach meinem Kragen, um mich mit einem kräftigen Ruck aus der Hütte auf den harten Asphalt zu werfen.
 

Mit einem Keuchen, da mir sämtliche Luft aus der Lunge gedrückt wurde, landete ich auf dem Boden und blieb dort regungslos liegen. Mein Gesicht verbarg ich unter meinen Händen, während sich mein Körper erneut durch einen Adrenalinschub verkrampfte.
 

Angst war ein Wort geworden, das meine Gefühle nicht mehr beschreiben konnte. Es war mehr als Angst. Viel mehr.
 

"Was machnn wa mid dem?", fragte nun wieder eine Stimme. Ich konnte mittlerweile nicht mehr zusammenfassen wen die Männer meinten, worüber sie sprachen, was ihr Ziel war. Ich wusste in diesem Moment nur, dass ich hilflos ausgeliefert war, die Tränen, die mir bereits die Wangen herunterliefen, realisierte ich nicht einmal mehr.
 

Es entstand ein Gesprächswechsel zwischen den Männern und Lee rief irgendeinen Namen, doch ich reagierte nicht mehr, versuchte nicht mehr zuzuhören, wollte nur, dass dies alles so schnell wie möglich vorbei war.
 

Plötzlich wurde ich an den Haaren gepackt und hoch gerissen, ein Schmerzenslaut entfuhr mir, der mit sogleich noch mehr Qualen bereitete, da meinen Hals ein brennendes Stechen durchfuhr.
 

Die Person, die mich gepackt hatte, sorgte dafür, dass ich mit dem Rücken zu ihm, vor ihm kniete und befahl mir in scharfem Ton: "Öffnne de Augn und schau' suu, duu Missgburrt!"
 

Widerwillig und mit einem Wimmern ging ich diesem Befehl nach und sah, dass die restlichen Männer Lee so eingekreist hatten, dass ich ihn noch sehen konnte. Er lag auf dem Boden und schaute mich mit verängstigtem Blick an. Anscheinend hatte auch er bemerkt, dass unsere Situation aussichtslos war.
 

"Schauu' jess ganss genau suu!", sagte der Mann, der mich fest im Griff hatte. "Unn danachh mach'n waa unss mid dirr ennen Spass!"
 

Ehe ich diese Worte verstehen konnte, hoben Zwei der Peiniger Lee auf die Beine und ein Dritter schlug das erste Mal kräftig in seine Magengrube. Ein schmerzerfülltes Keuchen entfuhr dem Junge als sein Körper sich unter dem Schlag verkrampfte. Doch er hatte kaum Zeit um diesen Angriff zu realisieren, denn schon traf ihn erneut eine Faust. Diesmal mitten ins Gesicht.
 

Wieder und immer wieder schlugen sie auf ihn ein, zwangen ihn zu Boden, traten auf ihn ein. Lee schrie nicht, doch er weinte. Genauso wie mir die Tränen rinnten. Ich versuchte zu schreien, wollte dass sie aufhörten und ihn in Ruhe ließen, doch ich bekam nichts mehr als Wimmern und Keuchen heraus.
 

Man schlug solange auf das Opfer ein bis dieses bewusstlos war. In diesem Fall gingen die Täter weiter. Ein Anblick bot sich mir, den ich nie wieder hatte sehen wollen: Den Leichnam einer Person, die mir wichtig war. Doch sie beendeten ihre Tat nicht mit einem Mord. Schließlich gab es noch mich... und ich erlebte es wieder... die Vergewaltigung
 

*~*
 

Ich hörte dieses erbitterte Schluchzen, das einem durch Mark und Bein ging. In einem Moment der Schwärze und des Schmerzes gab es tatsächlich jemanden, der für mich da war. Der mich fest an seinen Körper drückte und über mich weinte.
 

Bewusstlos, es fühlte sich zumindest so an, lag ich in ihren Armen, starrte ohne zu sehen. Die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die Wolkendecke, hüllten alles in ein falsches, schönes Licht. Diese Helligkeit war so unangebracht und doch erkannte ich sie nicht richtig. Ich fühlte mich wieder in einem Trunk aus Schmerz und Dunkelheit gehüllt, unerträgliche Schmerzen durchfuhren meinen Körper.
 

Mein Hals brannte bei jedem Schlucken. Dieses Mal hatte ich geschrieen. Meinen Lippen war ein einzelner Schrei entfleucht - Ich hatte das Gefühl meine Stimmbänder würden zerreißen. Tränen liefen meine Wangen herunter, kühlten auf der heißen Haut schnell ab.
 

Auch wenn ich nackt war, sie hatte mich gelegentlich in meine dicke Jacke gehüllt, war mein Gesicht unglaublich heiß. Der Rest meines Körpers war wie taub. Ertränkt im Schmerz.
 

Ich wusste ich war zwischendurch einfach bewusstlos geworden, sie waren zu sechst gewesen... und jeder hatte an mich ran gewollt. Wie in einer Art Trance hatte ich nicht einmal gespürt wie sie sich abgewechselt hatten, ich wusste nicht einmal, ob sie wirklich alle an mir dran waren, vielleicht war es 'nur' einer gewesen.... oder doch alle sechs? - In diesem Moment vermochte ich mich nicht zu erinnern.
 

Erneut wurde TenTen durch ein Schluchzen geschüttelte, sie drückte mich fester an sich, doch ich spürte ihre Nähe nicht wirklich. Hilflos, ängstlich, einsam. Wir waren es Beide, obwohl wir zu Zweit waren.
 

Und neben uns lag Lee's Leichnam. Ich wünschte ich könnte mit ihm die Rollen tauschen.
 

Was es bedeutete ein Straßenkind zu sein merkte ich erst in diesem Moment. Wir waren nichts wert und bedeuteten Niemand etwas. Hätte nicht jemand nach uns suchen müssen? Hätte denn Niemand bemerken müssen, dass wir einfach verschwunden waren? - Anscheinend nicht.
 

Weil wir es nicht wert waren geliebt oder geschätzt zu werden. Das Schicksal verbannte uns hierher, doch das reichte wohl nicht. Es musste uns auch noch einen schrecklichen Grund geben hier zu sein. Freiwillig. Aber wäre es mir bei meiner Pflegefamilie wirklich schlechter ergangen als hier?
 

Ich wurde hier genauso gedemütigt, verachtet, herumgeschubst, geschlagen. Wurde hier genauso sexuell missbraucht. Spürte hier genauso Schmerzen wie bei ihnen. Nur mit dem Unterschied, dass ich dort ein Dach über dem Kopf gehabt hatte, Verpflegung, die Möglichkeit zum Duschen oder auf Toilette gehen. Und was hatte ich hier?
 

"Kleiner..." Das erste Mal vernahm ich ihre Worte. Meine Sinne wurden klarer, ich fand zurück in meine qualvolle Welt.

"Was ist nur passiert?" Ihr Schluchzen machte die Situation nur noch schlimmer, aber wer konnte es ihr verübeln?

"Warum ist das passiert?"
 

Ja, warum? Was hatte ich der Welt angetan, dass sie mich hierher verbannt hatte? Warum konnte ich nicht ein normales Leben führen, wie so viele andere Menschen auf dieser Welt? Warum musste gerade ich ein Niemand sein...?
 

Immer wieder kehrende Fragen und Ängste. Müsste ich je wieder eine Vergewaltigung durchstehen müssen? Die Antworten kamen erst so viel später, aber es wäre damals wohl eine Erleichterung gewesen zu wissen, dass ich es nicht noch einmal durchstehen musste. Die Angst vor Männern blieb trotzdem. In meinen Augen waren sie alle gleich.



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