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Shitsui no Jidai

Findest du aus der Vergangenheit?
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Ruhiges Gewissen

Kleine Vorwarnung, das folgende Kapitel ist recht brutal, aber ich würde mich trotzdem auf Reviews freuen.
 

Chazz starrte gelangweilt an die Decke. Er seufzte. In diesen gesamten zwei Stunden war er nicht in der Lage gewesen, sich einigermaßen richtig zu konzentrieren. Zwar hatte er die meisten Aufgaben ganz gut gelöst, sich aber oftmals verschrieben und musste immer wieder neu ansetzen, was viel Zeit gekostet hatte. Vor einigen Minuten hatte er es letztendlich doch noch geschafft und musste erst mal ein wenig verschnaufen. Vor allem schwirrte die ganze Zeit über das Bild dieses gehässigen Grinsens von diesem Ekel Fujisawa in seinem Kopf herum. Er hatte einmal gesehen, wie dieser Typ sich an ein Mädchen rangemacht hatte – gegen ihren Willen. Chazz hatte auch mitbekommen, wie er sie erpresst hatte. Dass er ihre Familie in den Ruin treiben würde, wenn sie allen davon erzählen würde. Am nächsten Tag hatte er wieder eine andere gehabt und das erpresste Mädchen hatte Chazz nicht mehr gesehen. Offenbar war sie wegen des schlimmen Drucks von der Akademie abgegangen. Er hätte es verhindern und das Geschehen bei Kanzler Sheppard melden können, aber damals war er noch ein Obelisk Blue gewesen und hatte, auch wenn er es nicht gerne zugab, seine „Ego-Phase“ gehabt. Wegen seiner Brüder wollte er um jeden Preis gewinnen und verachtete alle, die dies nicht schafften. Genauso waren jene ihm egal. Jetzt war es anders: Er war nun im schlechtesten Haus der Schule und gab sich mit Jaden Yuki ab. Chazz dachte an die neue Sliferstudentin. Sie ließ sich mit diesem Typen ein, obwohl er sie gewarnt hatte. Wieso eigentlich? Sie war es gewesen, die ihn vor der gesamten Schule regelrecht blamiert hatte. Er galt als einer der Besten und wurde „einfach mal so nebenbei“ von einem Neuankömmling besiegt. Und das in nur satte drei Runden. Generell kannte er niemanden, der so schnell ein Duell beendet hatte. Umso schlimmer also, dass sie es bei ihm, dem guten Chazz geschafft hatte. Warum also konnte er sie nicht aus seinen Gedanken verbannen? Wenn sie ihn doch so nervte und nichts von ihm hielt, dann sollte er auch seine kostbare Zeit nicht an ihr verschwenden. Okay, er gab zu, dass er es letztens ziemlich übertrieben hatte und sie heftig beleidigt hatte. Sie hatte diesen Fujisawa aber auch stark verteidigt und hatte Chazz nicht mal ein einziges Wort geglaubt. Dabei wollte er bloß ihr einen Rat geben. War ihr Schlag in sein Gesicht dafür der Dank gewesen? Außerdem, wieso ist sie weggerannt? Normalerweise wäre sie ihm erneut an die Gurgel gegangen und hätte ihn mit noch heftigeren Beleidigungen beworfen.
 

Der Schwarzhaarige packte seine Sachen zusammen erhob sich von seinem Platz. Er nickte Crowler kurz zu und ging auf dem Flur entlang. Er blickte aus dem großen Fenster. Draußen nahm der Himmel rosane Farbtöne an, welche leicht in lila übergingen. Die helle Silhouette des Mondes zeichnete sich hinter den Wolken ab. Der Student ging die Treppen hinunter und hielt inne. Rechts von ihm war der Gang, welcher zum Freizeitgebäude führte. Es war gar nicht weit entfernt. Sollte er….? Hastig verwarf Chazz den Gedanken. Nein, das wäre doch hirnrissig. Welcher Idiot spioniert bitteschön einem Paar hinterher? Das ist mehr als bescheuert. Zudem würde sie wieder ausrasten, sofern er erwischt werden würde. Und Fujisawa würde sich bestimmt ein Erpressungsmittel ausdenken. Davon abgesehen würde das Mädchen irgendwie zurechtkommen und sich nichts gefallen lassen – so schätzte er sie jedenfalls ein.

Er riskierte noch einen letzten Blick auf den Gang, dann wandte er sich ab und marschierte nach draußen. „Pah, Zeitverschwendung!“
 

Mio trat nervös ein paar Schritte zurück. Ihr lief es kalt den Rücken runter, als Fujisawa sie eindringlich anstarrte. Ihre Kehle war trocken. „Fujisawa..was…?“, versuchte sie krächzend über ihre Lippen zu bringen. Der Angesprochene grinste breit. Ohne ein Wort zu sagen, trat er näher auf sie zu. Das Mädchen schritt automatisch weiter zurück. Mit einer blitzschnellen Bewegung, die selbst sie nicht schnell genug erfassen konnte, wurde sie von Fujisawa gegen einen Baum gedrückt. Er umfasste mit einem starken Griff ihre Handgelenke. Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt. „W-was soll das?!“, schrie sie ihn verzweifelt an. Ihre Gelenke schmerzten durch seine Hände. „Was das werden soll?“, flüsterte er. Seine Lippen kamen ihren näher und näher. Dabei glitt er mit seiner Hand langsam unter ihr schwarzes Top. Sie zuckte ängstlich zusammen. Mio war wie versteinert. Das Einzige, was sie wollte, war so weit wie möglich von ihm wegzukommen – von diesem grausamen Mistkerl. Ein Bild von Chazz Princeton tauchte vor ihr auf. Er hatte sie gewarnt. Er hatte ihr helfen wollen. Sie stattdessen... sie hatte Fujisawa geglaubt. Ihm, von dem sie geglaubt hatte, er sei ein anständiger und liebevoller Mensch. Sie atmete tief ein. Diesem Frauenaufreißer musste mal dringend das Handwerk gelegt werden. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Ehe der Junge seine Lippen auf ihre legen konnte, holte sie mit einem kräftigen Tritt aus. Er riss erschrocken seine Augen auf. Er war zu überrascht, um zu reagieren und flog stöhnend auf den Boden. Fujisawa hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Magen.

Er keuchte vor Schmerz auf.

Mio hatte sich in der Zeit wieder gefasst. Es war wahr: Er hatte ihr nur alles vorgespielt und sie wie eine Puppe behandelt, mit der man alles machen konnte. Es hatte sie anfangs ziemlich gehemmt, dass dieser liebenswürdige Kumpel nicht existierte, aber jetzt war sie bereit, ihm genau das alles heimzuzahlen. Sie starrte ihn hasserfüllt an und machte sich für den nächsten Angriff bereit. Sie rannte auf ihn los, holte mit ihrem Arm aus, um ihn auf den Nacken zu schlagen. Bevor ihre Hand seinen Hals erreichte, drehte sich der Junge plötzlich elegant zur Seite und holte zum Schlag aus. Mio spürte einen explodierenden Schmerz an ihrem Kopf. Sie war so überrascht gewesen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, sich am Boden abzurollen. Daher spürte sie einen harten Aufprall auf ihrem Rücken. Benommen lag sie auf der Erde, alles war in einem Blutnebel getränkt.

Das Einzige, was sie sehen konnte, was eine verschwommene, dunkle Gestalt. Mio hob ihre Hand, um sich das Blut, das an ihrem Gesicht herunterlief, abzuwischen. Noch immer pochten ihr Rücken und ihre Wange. Fluchend biss sie sich auf die Lippe. Dass so ein Schlag kommen würde, hatte sie nicht erwartet. Dazu kam, dass sie zu sehr benommen war, um den nächsten Angriff zu starten. Das Mädchen hatte keine andere Wahl, als seine Schläge zu erahnen und ihnen erstmals auszuweichen. „Wieso?! Warum tust du das, Fujisawa?!!“, fauchte sie wütend.
 

Auf der anderen Seite hörte sie ein verrücktes Lachen. „Wenn ich doch nicht so bekommen kann, dann muss ich eben Gewalt anwenden, Süße!“ Sie zog scharf die Luft ein. „Das ist krank! Du bist sowas von behindert!! Zuerst spielst du jemand Nettes vor und dann bist du ein Mistkerl! Das ist arm, Fujisawa!“ Er lachte erneut auf. „Arm? Krank? Nur die Stärkeren überleben! Ich habe schon so viele gehabt, aber keine war besonders gut..“ Sie spürte, dass er sie intensiv anstarrte. „Jedoch hast du mich ziemlich neugierig gemacht. Vor allem, dass du so zäh bist..“ Er kam ihr näher. Inzwischen konnte Mio wieder einigermaßen gut sehen. Schützend hielt sie sich die Arme vor das Gesicht, als er mit seinem Bein nach ihr trat. Sie biss die Zähne zusammen, damit kein Laut über ihre Lippen kam, als das Bein auf ihren Arm traf. Vor ihm wollte sie sich keine Blöße geben. Sie nutzte diesen Moment, um mit der Faust auszuholen. Mio war sich sicher, dass er nicht in der Lage war, rechtzeitig zu reagieren.

Jedoch täuschte sie sich. Er wich gekonnt ihrem Schlag aus und holte aus. In letzter Sekunde konnte die Schwarzhaarige noch gerade so ausweichen. Hastig schritt sie einige Schritte nach rechts, damit eine Distanz zwischen beiden geschaffen werden konnte

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In diesem Augenblick fiel ein Tropfen Blut auf den Waldboden. Irritiert hielt sie sich ihre Hand an ihre Wange. Ihre Augen weiteten sich. Eine Schnittwunde. Sie blickte zu Fujisawa. In seiner linken Hand hielt er ein silbern schimmerndes Messer, das an der Spitze einen Rotton trug. „Wie ich sehe, hast du es bemerkt, huh?“ „W-wa.. aber es war doch eben noch nicht da gewesen!!“, rief sie entsetzt. „Tja, ich bin eben ein erstklassiger Kämpfer… und habe im wahrsten Sinne des Wortes ein ‚Ass im Ärmel‘.“ Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich.

„Du bist wirklich krank, Fujisawa. Aber.. deine Bewegungen habe ich schon einmal gesehen.“ Der Student lachte auf. „Karatemeister Japans? Klingelt es, meine Liebe?“
 

Mio starrte ihn an, ehe sie realisierte, was er gesagt hatte. „K-Karatemeister? I-ich erinnere mich.. d-du warst i-im Fernsehen…“ Verzweiflung brach in ihr aus. Zum ersten Mal fühlte sie sich hilflos. Sie war damals stolz gewesen, stark zu sein und sich wehren zu können. Die Studentin hatte an ihren Techniken gefeilt und sie perfektioniert – das hatte sie bis jetzt gedacht. Ihr Selbstvertrauen war ein für allemal gebrochen. Sie senkte ängstlich ihren Blick. Dies nutzte Fujisawa und schnellte in einem rasanten Tempo auf sie zu. Mio versuchte auszuweichen, was jedoch fehlschlug, da sie von ihm auf den Boden gerissen wurde. Sie schrie laut auf, als sie den brennenden Schmerz der Messerklinge an ihrem rechten Arm spürte, die in sie hinein gerammt wurde. Keuchend hielt sie ihre Hand an ihren blutenden Arm. Über ihre Hand lief warmes Blut, das die Erde in dunkle Rottöne tränkte. Schweißtropfen liefen an ihrem Kinn herunter. Hastig versuchte sie, Luft zu holen und den Schmerz, der höllisch brannte, zu verkraften. Doch Fujisawa ließ ihr keinen Moment zum Verschnaufen. Er holte mit seiner Faust aus und schlug ihr ins Gesicht. Das Mädchen fiel stöhnend auf den Boden; der metallische Geschmack von Blut verbreitete sich in ihrem Mund. Panik machte sich in ihr breit.

Das Einzige, was Mio wollte, war weg von Fujisawa zu sein. Selbst wenn sie dort sein würde, es war besser als hier. Besser, als den ganzen Schmerz zu ertragen. Sie hielt sich ihre blutüberströmte Hand an ihr Gesicht. Erneut verschwamm alles um sie herum und sie konnte nur noch seine Schritte wahrnehmen. ‚Hör auf! Hör verdammt noch mal auf und lass mich gehen!‘, schoss es ihr verzweifelt durch den Kopf. ‚Lass mich gehen!‘ Laut aussprechen würde sie die Worte nie. Selbst wenn es so weitergehen würde, sie wollte niemals ihren Stolz verlieren. Egal, was jetzt passieren würde. Innerlich lächelte sie bitter.

Wenn sie das gewusst hätte… warum musste ihr Leben so beschissen laufen? Sie hatte gehofft, vor sieben Jahren ein neues Leben anfangen zu können. Es war hart gewesen, sich durch die Großstadt durchzuschlagen, vor allem im Untergrund, sie hatte aber jedes Mal gehofft, es würde sich auszahlen. Mio dachte an ihre Freunde. Als sie hier angekommen war, hatte sie prompt Jaden kennen gelernt. Er war einfach ein klasse Kumpel, der nur offenbar nichts von Liebe verstand. Syrus war ein lieber Kerl, der zwar nicht sehr selbstbewusst war, jedoch viel in ihm steckte. Alexis… sie war ihre erste richtige Freundin. Ein liebes und selbstbewusstes Mädchen, das stets ihre Meinung vertrat.
 

Und dann noch… sie schrie vor Schmerz auf. Das Blut klaffte stärker aus ihrer Wunde am Arm. Es war wie loderndes Feuer, das größer und größer wurde. Ihr wurde schwindelig und sie krümmte sich am Boden. Noch nie hatte sie sich so Elend und einsam gefühlt. Fujisawa stand direkt über ihr. Er hob sein Bein und trat immer weiter auf sie ein. Sie hielt ihre Augen geschlossen und ließ alles über sich ergehen. Mio war zu schwach, um noch etwas gegen ihn ausrichten zu können. Sie ächzte, als er in ihre Magengrube trat. Sie biss sich so hart auf die Lippe, dass sie blutete, um das Gefühl der Übelkeit zu unterdrücken. In diesem Moment ließ er plötzlich von ihr ab. Überrascht blieb sie erstmals liegen, da alles schmerzte. Zitternd stützte sie sich mit ihrer Hand auf dem Boden ab, um sich mit aller Kraft, die ihr noch blieb, halbwegs aufzusetzen. Der dunkle Nebel vor ihren Augen verschwand und sie war in der Lage, einigermaßen klar zu sehen. Sie schnaubte verächtlich, als sie in die Augen des Jungen blickte. Sein Gesichtsausdruck war emotionslos, jedoch trug er darauf ein spöttisches, irres Grinsen. „Na, schon genug?“, ertönte seine Stimme. Mio schwieg. Er atmete tief aus. „Na los, wenn du mir sagst, dass du mich liebst, dann verschone ich dich!“ Das Mädchen ballte wütend ihre Hände zu Fäusten. „Ich….“ Er zog erwartungsvoll eine Augenbraue hoch. „Ja?“

„…Ich habe nur eins zu sagen: FAHR ZUR HÖLLE!!“, schrie sie aus voller Kehle. Sie atmete schwer nach Luft und sah ihm fest in die Augen –jene spiegelten Zorn wider. Er holte mit seinem Messer aus, das bereits ihr Blut auf seiner Klinge trug. „Du miese, kleine…..!“ Sie kniff ängstlich ihre Augen zusammen und bereitete sich auf den endgültigen Schlag vor. Es würde sicher nur eine, nein zwei Sekunden dauern, ehe der Schmerz vergehen würde. Ganz bestimmt.

In diesem Augenblick hörte sie nur noch ein dumpfes Geräusch. Nichts passierte. Verwundert öffnete sie die Augen: Fujisawa fiel stöhnend zu Boden. Hinter ihm stand eine weitere Gestalt.
 

„Chazz!!!“ Ihre Stimme überschlug sich vor Freude und Erstaunen zugleich. Er war der letzte Mensch, den sie hier erwartet hätte. „Hm, dieser Typ konnte sich echt gut beleidigen“, murmelte er abschätzig, während er seinen Fuß lässig auf seinem Rücken abstellte. Sprachlos sah sie ihn an. In ihr herrschte ein Sturm von Gefühlen; Freude, Verwunderung, Erleichterung und Aufregung zugleich. Immerhin wurde sie von Fujisawa ziemlich schlimm zugerichtet und ausgerechnet Chazz Princeton kam ihr zur Hilfe. Dass er überhaupt vor ihr stand, wunderte sie. Mio hatte viele Fragen an ihn, außerdem wollte sie sich noch bedanken.

„Wie kamst du denn hierher?“, platzte es aus ihr heraus. Mist, das wollte sie doch gar nicht fragen! Verärgert senkte sie ihren Kopf.
 

„Zufall“, antwortete Chazz knapp, während sein Blick sie streifte. Von vorne bis unten war das Mädchen mit Blut und Blessuren übersät. Schuldgefühle machten sich in ihm breit. Er kam zwar rechtzeitig durch zwei Schüler zur Hilfe, aber er hätte das auch alles verhindern können…
 

*Flashback: Anfang*
 

Chazz genoss die kühle Abendluft. Sie war im Gegensatz zum stickigen Klassenraum herrlich. Er beschloss, bevor er zu seiner Unterkunft gehen würde, eine Stunde spazieren zu gehen. Immerhin war die frische Luft gesund und tat gut.

Er lauschte während seines Spazierganges dem Meer, dessen Wellen an die Klippen preschten, und dem Gesang der Vögel. Während er in Gedanken versunken an einigen Bäumen vorbei marschierte, hörte er auf einmal zwei aufgeregte Jungenstimmen hinter sich. Sie sprachen so laut, dass er alles mitbekam: „Boah, dieser scheiß Fujisawa! Macht sich direkt an die süße Neue ran!“ „Ja, dieser Idiot hat aber auch Glück. Immer wieder fallen die heißesten Mädels in seine Arme.“ „Aber ich glaube, die Neue hat er noch nicht rumgekriegt. Weißte, zuerst waren die im Einkaufszentrum, wir haben’s ja gesehen.“ „Mhm, und danach sind die rausgegangen. Ich hab mich voll gewundert – die sind gar nicht in seine Unterkunft gegangen. Aber ich habe gesehen, wie der Typ sie voll angemacht hat.“

Chazz blieb abrupt stehen. Was sagte der Junge gerade? Fujisawa hatte sich an Mio rangemacht? Hatte sie das zugelassen? Er drehte sich zu den beiden um. „Hey, ihr da!“ Sie schauten verwundert auf. „Ihr habt die Neue mit Fujisawa gesehen?? Wo sind die jetzt gerade?! Antwortet!!“ Eingeschüchtert antwortete der eine: „A-also ich habe gesehen, wie F-Fujisawa sie in den Wald gezogen hat… a-aber wieso fragst du, Princeton?“ Chazz hörte ihm gar nicht mehr zu. Ohne ein Wort zu sagen rannte er in Richtung Wald.

„Verdammt!“, fluchte er. Er wusste es doch! Dieser Mistkerl war unberechenbar. Er versuchte, Mio in einen Hinterhalt zu locken. Jedoch ärgerte sich der Schwarzhaarige am meisten über sich selbst. Er hätte es wissen müssen, dass Mio bei ihm nicht sicher war. Wieso ist er nicht ins Freizeitgebäude gegangen? War er dazu etwa zu stolz gewesen?

Seit dem Duell der Schulen und dem Sieg gegen seine Brüder wollte er sich ändern. Er wollte nicht mehr diese Marionette sein, welche die Prinzipien seines Besitzers annahm. Chazz hatte sich vorgenommen, ein anderer Mensch zu werden und akzeptiert zu werden. War er dazu noch nicht in der Lage gewesen? Er schüttelte den Kopf. Nein, immerhin rannte er gerade seiner größten Erzfeindin nach. Wer weiß, vielleicht hatte sie dem Mistkerl eine übergebraten. Allerdings… laut den Erzählungen der Studenten ließ sie sich in den Wald hinein locken. Hatte sie so viel Vertrauen in Fujisawa, dass sie auf seinen Hinterhalt hereinfiel? Möglich war alles.
 

Chazz wurde wieder zurück in die Realität geholt, als er plötzlich einen Schrei hörte. Moment.. diese Stimme kam ihm doch bekannt vor – das war Mio! Er beschleunigte seine Schritte und erreichte eine Lichtung. Keuchend rang er nach Luft. Er trat einige Schritte nach vorne und erstarrte: Fujisawa trat auf das auf dem Boden liegende Mädchen ein. Ihr Gesicht war blutüberströmt. Zornig formte er seine Hände zu Fäusten. Dieser Arsch! Wie konnte er jemanden so etwas antun? Das war unmenschlich und unter aller Würde – selbst ein Chazz Princeton sah das.

Er bewegte sich vorsichtig zu Fujisawa, aber dessen Aufmerksamkeit war Mio gewidmet. ‚Jetzt oder nie‘, dachte sich Chazz. Er machte einen Satz nach vorne und holte aus; er schlug den Jungen ohnmächtig, sodass dieser auf den Boden fiel.
 

*Flashback: Ende*
 

„Ähm… Chazz..alles okay?“, fragte Mio nach. Der Angesprochene zuckte zusammen und realisierte erst jetzt, was sie gefragt hatte. Als Antwort nickte er und hockte sich neben Fujisawa und suchte etwas. Dies zog Mios Blick auf sich. Neugierig wie sie war, versuchte sie ihm zuzuschauen, was jedoch nicht gelang, da sie, als sie sich kurz abstützte, sofort auf den Boden fiel. „Autsch…“, stöhnte sie. Der Schmerz in ihrem Arm zog durch ihren ganzen Körper. Sofort spürte sie Hände auf ihren Schultern, welche sie leicht gegen einen Baum drückten. Sie sah in Chazz‘ graue Augen, welche sie mit Besorgnis und Verärgerung musterten. „Jetzt warte doch mal! Ich wollte gerade etwas um deinen Arm machen! Beweg dich also gefälligst nicht!“ Stumm nickte sie. Seit wann kümmerte sich Chazz so um sie? Das war ihr völlig neu… Der Schwarzhaarige nahm Fujisawas Messer, das er endlich gefunden hatte, und schnitt von seinem schwarzen Mantel ein Stück ab. Er nahm daraufhin ihren Arm und wickelte das Mantelstück um ihre Verletzung, damit kein Blut austreten konnte.

Das Ganze beobachtete das Mädchen mit Schweigen. Ihr Herz klopfte, als sie seine warmen Hände auf ihrer Haut spürte. Bei ihm fühlte sie sich so.. .geborgen. Im Gegensatz zu Fujisawa. „So, das ist erst mal nur provisorisch. Ich kümmere mich gleich mehr darum, aber zuerst…“ Er wandte sich wieder dem Jungen zu und sah etwas neben ihm auf den Boden liegen. Er hob eine Augenbraue und blickte auf den Gegenstand, den er aufhob. „Hä?!“, entfuhr es ihm. Fragend sah Mio auf. „Was ist denn?“ Die Schwarzhaarige blickte interessiert zu Chazz‘ Hand, konnte aber nicht sehen, was genau er gefunden hatte.

Chazz erhob sich und steckte es in seine Tasche. „Nicht wichtig. Ich werde jedenfalls jetzt Kanzler Sheppard über diesen Vorfall Bescheid geben. Danach sehen wir weiter.“ Aus seiner linken Tasche holte der Student sein PDA heraus, auf dem er eine Nummer eintippte. Danach begann er auch schon das Gespräch.

Mio hörte ihm nicht zu, sondern war in ihren Gedanken vertieft. Chazz Princeton… der Mensch, den sie am meisten hasste – das hatte sie bis jetzt gedacht. Warum kam er ihr zur Hilfe? Und wieso hatte er sie vorher gewarnt? Das Mädchen hatte geglaubt, sie sei ihm völlig egal und er sei arrogant und interessiere sich nicht für seine Mitmenschen. Dieser Tag bewies genau das Gegenteil. Nachdenklich sah sie zum dunklen Nachthimmel, an dem die Sterne prangten. Vielleicht hatte er nur eine Fassade, die nur nach außen hin arrogant und verwöhnt erschienen ließ. War er also in Wirklichkeit ein netter Mensch? Sie schüttelte den Kopf. Das brachte nichts, darüber nachzudenken. Fakt war, dass er ihr aus der Klemme geholfen hatte und sie nicht schlimmer von Fujisawa zugerichtet wurde.
 

Inzwischen hatte Chazz aufgelegt und sich Mio zugewandt. „Ich habe ihm alles erzählt… Was das Juristische betrifft, weiß ich nichts, denn Fujisawa ist selbstverständlich ein Jugendlicher. Der Kanzler kümmert sich um ihn und kommt hierher, den Ort habe ich ihm mitgeteilt.“ Sie nickte erneut und war immer noch geistesabwesend. Chazz kam auf sie zu und wedelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum. „He, hast du mir überhaupt zugehört??“ Sie zuckte unwillkürlich zusammen. „Hä? Ähm.. ja, natürlich.“ Sein Blick ruhte weiterhin auf ihr. Er verwandelte sich in leichte Besorgnis. „Wir.. sollten gehen, ich meine…“ Als Antwort zuckte sie mit den Schultern. „Hm, ja..“, brachte sie unverständlich über ihre Lippen. Der Junge runzelte die Stirn. ‚Das hat sie wohl alles mitgenommen‘, schloss Chazz auf ihre Geistesabwesenheit. Immerhin war Mio normalerweise recht aufmerksam und genau das Gegenteil von dem, wie sie sich momentan benahm.

Er kniete sich neben sie und sagte: „Na los, leg deinen Arm um mich!“ Eine kurze Stille herrschte zwischen ihnen, ehe sich ihre Augen weiteten. „Ich soll was?“ „Deinen Arm um mich legen!“, widerholte er barsch. Das Mädchen errötete. ‚Oh Mann… ich soll meinen Arm um ihn legen? Wie bin ich bloß hier hineingeraten?‘, dachte sie zweifelnd. Ob das gut gehen würde, war fraglich.

Nach langen Zögern atmete sie im langen Atemzug aus und legte nervös ihren nicht verletzten Arm und Chazz‘ Nacken. Sie bekam Gänsehaut und merkte, wie ihr heiß wurde. Ihre Wangen nahmen einen kaminroten Ton an und glühten so heiß wie ein Ofen. Sie unterdrückte einen Schrei, als Chazz mit seinem rechten Arm ihre Beine hochhob und Mio auf seinen Armen trug. Am liebsten wäre sie ins Wasser gesprungen und hundert Bahnen geschwommen, um sich abzureagieren, so stark klopft ihr Herz. ‚Das ist mehr als peinlich…‘ Hoffentlich sah niemand die beiden, wünschte die Schwarzhaarige.

Chazz blieb im Gegensatz zu ihr ruhig und machte sich auf den Weg zur Unterkunft. Während des Weges sprach keiner ein Wort miteinander. Die Situation selbst war für Mio schon unangenehm genug, ein Gespräch anfangen konnte sie überhaupt nicht. Dazu wäre sie nicht in der Lage gewesen, denn sie war sich sicher, dass ihre Stimme zittrig und hoch klingen würde, was umso schlimmer wäre.
 

Endlich erreichten sie die kleine Slifer Red-Unterkunft, in dessen Zimmern Lichter brannten. Chazz stieg die Treppen hoch, wobei Mio stutzte. Statt in ihr Zimmer zu gehen, öffnete Chazz seine Tür und trat mit ihr hinein. Sein Zimmer unterschied sich sehr von den anderen: Ein großes Bett mit grünem Bettbezug nahm fast den gesamten Raum ein. Daneben stand ein Schreibtisch, auf dem ein Computer stand.

Vorsichtig setzte er das Mädchen auf sein Bett ab. Sie seufzte. Mio hatte schon lange nicht mehr auf so einer weichen Matratze gelegen – sie fühlte sich wie auf einer Wolke. Erschöpft lehnte sie sich gegen die kühle Wand. Es tat gut, im Warmen zu sein und sich ausruhen zu können. „Das Bett ist so weich..“, murmelte sie. Chazz antwortete darauf nichts und kramte etwas aus seiner Schublade. „Ah, das ist es ja..“ Triumphierend hielt er ein Sprüh-was-auch-immer-Dings hoch. Mio betrachtete es skeptisch. „Was ist DAS?“ „Noch nie was von einem Desinfektionsmittel gehört?“ Sie schüttelte den Kopf. Er blickte sie sprachlos an. „Kein Witz?“ „Kein Witz“, bestätigte sie. „Und was hast du gemacht, wenn du dich verletzt hast?“ Sie starrte an die Decke. „Keine Ahnung, ich kann mich nicht erinnern, mich schlimm verletzt zu haben. Auch bei meiner Mutte-…“, sie brach abrupt Satz ab. „..auch sonst… nicht.“ Stille herrschte zwischen ihnen. Dann ergriff Chazz wieder das Wort: „Jedenfalls… desinfiziere ich eben deine Wunde, damit sie sich nicht entzündet. Danach kümmern wir uns um die Blessuren.“ Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante und hielt das Spray an ihren verletzten Arm. Inzwischen hatte sie den Stofffetzen abgelegt. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Körper, als das Spray mit ihrer Verletzung in Berührung kam. Sie kniff die Augen zu und hielt sich mit ihrer Hand an etwas fest, um es halbwegs zu ertragen. Nachdem sie wieder sah, färbten sich ihre Wangen rot. Das „Etwas“, nachdem sie gegriffen hatte, war Chazz‘ Hand gewesen. Hastig ließ sie ihn los. „Ähm.. äh… das…“, stammelte sie verlegen und blickte nach unten. Chazz schüttelte belustigt den Kopf. Sie war ganz schön nervös… aber er nahm es ihr nicht übel, denn sie wurde gerade eben von einem Typen zusammen geschlagen. Was sollte man da erwarten? „Pass einfach besser auf. Ich mach eben den Verband um deinen Arm.“ Behutsam berührte seine warme Hand ihren verletzten Arm und wickelte einen weißen, sauberen Verband darum, den er aus einem Erste-Hilfe Kasten geholt hatte. Mio musste sich zusammenreißen, nicht gleich loszuschreien, da es bei jeder kleinsten Bewegung wehtat. Schlussendlich saß der Verband fest an ihrem Arm. Erleichtert atmete sie auf. Danach holte Chazz eine Salbe und Pflaster, um die anderen Verletzungen zu versorgen. Je länger es dauerte, umso nervöser wurde Mio. Allein schon die Tatsache, dass sie in seinem Zimmer war, war unangenehm genug. Dass Chazz aber noch ihre Blessuren versorgte, warf sie komplett aus der Bahn, denn: Ein Junge und ein Mädchen auf dem Bett. Der Junge ist nur ein paar Millimeter von ihr entfernt. Und er macht Salbe auf ihre Wunden, die sie an Armen und Beinen hat. Das ging doch mal gar nicht!! Wenn jemand herein kommen würde, was würde der bitteschön denken? Es sah so aus, dass sie…. Den Gedanken verscheuchte sie schnell. Jedenfalls kam ihr das alles absurd vor, sodass sie die ganze Zeit schwieg. Erst als ihr Blick nach links wanderte, hob sie verwundert eine Augenbraue. Chazz bemerkte ihren Blick und stoppte. „Du warst mal in Obelisk Blue?“, fragte sie interessiert, nachdem sie seine Uniform bis auf das kleinste Detail angeschaut hatte. „Ja, das war Anfang dieses Schuljahres gewesen“, antwortete er. Die Salbe tat er nun in seinen Kasten zurück. „Und warum bist du hier in Slifer?“, fuhr sie neugierig fort. Chazz verstaute seine Sachen zum Verarzten in seine Schublade zurück, sein Gesicht war von ihr abgewandt. Er antwortete ihr nicht. ‚Habe ich was Falsches gesagt?‘, dachte sie ängstlich. Chazz drehte sich zu ihr um. „Du willst aber auch echt alles wissen, oder? Wie lästig!“ Er seufzte und legte sich in sich bequemer Position neben sie auf sein Bett. „Ich habe die Duellakademie verlassen und bin zur Nordakademie gegangen. Nach dem Schulduell aber bin ich hier geblieben und musste von vorne anfangen.“ Er drückte seine Finger zur Faust zusammen. „Pah, obwohl der gute Chazz in ein besseres Haus gehört!“ Sie schmunzelte. Mio konnte sich schon denken, gegen wen er sich duellieren musste. Er legte sich auf die andere Seite, wodurch er ihr geradewegs ins Gesicht sah. Seine Miene war ernst. „Ach übrigens… erzähl den anderen davon nichts.“ Perplex über diesen schlagartigen Themawechsel starrte sie ihn an. Danach nickte sie, obgleich sie anderer Meinung war. Klar, es war merkwürdig, dass Chazz Mio gerettet hatte, denn beide standen auf Kriegsfuß. Bestimmt würden viele sie mit irgendwelchen sinnlosen Fragen durchlöchern. Aber andererseits war es für sie nicht schlimm, dass es die anderen wissen würden. Schließlich war es so und Punkt. Allerdings war es Chazz‘ Bitte gewesen und er hatte sie schließlich gerettet – da musste sie seine Entscheidung akzeptieren, das war mehr als gerecht. Ein Stein fiel von Chazz‘ Herzen. Froh atmete er aus. „Dann ist also alles geklärt.“ „Mhm…“ Herzhaft gähnte Mio. Letztendlich wurde sie von der Müdigkeit übermannt, welche sie bis jetzt nicht wahrgenommen hatte, aber das war nach alldem, was sie an diesem Tag erlebt hatte, mehr als verständlich. Desweiteren schmerzte nach wie vor ihre Wunde, wodurch sie sehr mitgenommen wurde. Kraftlos ließ sie sich in sein Kissen fallen. „Chazz? Kann ich vielleicht… hier bleiben? Über Nacht?“, fragte sie leise. Der Angesprochene hob gleichgültig die Schultern. „Mach, was du willst…“ Er gähnte und war ebenfalls kurz vor dem Einschlafen. „Was für ein Tag…“, murmelte er matt. Eine Antwort erhielt er nicht mehr, da Mio bereits, eng neben ihm liegend, in einen tiefen Schlaf gefallen war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
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Von:  Yami-No-Yuuki
2010-11-28T20:33:53+00:00 28.11.2010 21:33
Ein wunderschönes Kapitel!
Ich hatte gehofft, dass Chazz zur ilfe eilt.. und letzten Endes hat er es ja auch getan! *O*
Go, Chazzi-lein! ^.^

Kann das nächste Kapitel kaum noch erwarten...
die zwei sind so süüüß! >//////< <3

LG, Yuuki
Von:  Bunny94
2010-11-24T20:07:35+00:00 24.11.2010 21:07
hey du^^

oh man ein hammer geiiles kappi
und schreib hoffentlich schnell
weiter an das nächste freu mich
schon vll auf das nächste

mfg bunny94♥
Von:  fahnm
2010-11-23T23:45:16+00:00 24.11.2010 00:45
Hammer Kapi!^^
Freue michschon aufs nächste.^^


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