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Initium mortis

Volturi-OS-Sammlung
von

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Initium mortis

Leise, gerade zu lautlos stand ich auf, als mich eine Hand festhielt. Kurz blickte ich zu der Frau runter, die mich verschlafen aber fragend anschaute.

„Felix?“, drang mein Name fast unverständlich an mein Ohr. Kurz lächelte ich, bevor ich mich zurück zu ihr beugte und ihr sanft einen Kuss auf die Wange drückte.

Es war nicht so, dass ich die Frau liebte, allerdings schätzte ich sie trotzdem. Sie war eine gute Ehefrau. So gut es nun einmal ging, wenn man sich gerade einmal 24 Stunden kannte und gleich darauf von der eigenen Familie verheiratet wurde, um sich einen Platz in der Gesellschaft zu sichern. Selbst nach zehn Tage hatten wir uns noch immer nicht aneinander gewöhnt, aber dies würde bald kommen; das hoffte ich zumindest.

„Ich muss aufs Feld. Die Arbeiter machen Probleme“, flüsterte ich ihr zu, bevor ich mich sanft aus ihrem Griff löste und das Ehebett nun endgültig verließ. Draußen wartete bereits mein Diener, der mir die Nachricht vor Kurzem gebracht und sich danach sofort wieder hierher zurückgezogen hatte und half mir beim Anziehen. Es war nicht so, dass ich dies nötig hätte, doch erwartete man von einem Römer meines Standes, dass ich mich hier und dort bedienen ließ.

Meine Familie hatte, vor meiner Heirat, gerade zwei Sklaven besessen. Dass ich mich mit einer Frau vermählen konnte, die eine so hohe Mitgift mitbrachte, wie Lucia, war ein wahrer Glücksfall gewesen.

Als ich endlich angezogen war, lief ich, meinen Diener im Gefolge, in Richtung des Außenhofes. Der Tag zeigte gerade erst seine ersten Strahlen, als ich diesen betrat und mich nun in Richtung des Tores und des dahinter liegenden Feldes wandte.

Während der Himmel langsam in einem Blassrosa erstrahlte und das dunkelblau der Nacht zurückwich, schritt ich durch das noch feuchte Gras des Wegrandes auf die Olivenbäume der Plantage zu. Schon von weitem hörte ich die Stimmen der aufgebrachten Männer, die sich mit ihren Aufsehern stritten. Dem Klang nach waren diese bereits teilweise handgreiflich geworden. Augenblicklich beschleunigte ich meine Schritte, sodass ich kaum eine Minute später auf dem Platz ankam, auf dem die aufständigen Sklaven mittlerweile mit den Aufsehern kämpften.

Leise fluchte ich, bevor ich meinem Diener, der mir noch immer folgte, befahl zurück ins Haus zu gehen und meine Frau in Sicherheit zu bringen, sowie die Soldaten in der Kaserne nahe der Stadt zu informieren. Kurz sah ich ihm nach, als er nickte und verschwand, um meinem Befehl Folge zu leisten, bevor ich mich meinen Untergebenen anschloss. Es hatte keinen Sinn mehr nun noch mit den Sklaven reden zu wollen, auch wenn ich nicht glaubte, dass dies überhaupt einen Sinn ergab. Es brachte wahrscheinlich genauso viel mit einem Pferd über philosophische Probleme zu sprechen, wie mit einem Sklaven über seine Rechte. Mit einer schnellen Handbewegung entzog ich einem meiner Untergebenen seine Waffe und griff nun selbst ins Geschehen ein. Auch wenn die Sklaven keinerlei Waffen bei sich trugen und deswegen nur mit Steinen und Stöcken gerüstet in den Kampf gingen, oder versuchten ihre Bewacher mit bloßen Händen zu überwältigen, war es ein ein ausgeglichener Kampf, da sie klar in der Überzahl waren. Das war scheinbar die Schattenseite des Reichtums. Auf einen Aufseher kamen vier Sklaven, sodass sie bald sogar die Oberhand gewannen, nachdem sie den ersten überwältigt und entwaffnet hatten. Fluchend verstärkte ich mein Bemühen den Aufstand niederzuschlagen, oder zumindest solange auszuhalten, bis die Soldaten der nächsten Stadt, Volterra, eintrafen, um uns zu unterstützen.

Erneut schlug ich mit der breiten Kante meines Kurzschwertes gegen den Kopf eines Sklaven, sodass dieser bewusstlos zu Boden fiel. Es war nicht so, dass ich Bedenken hatte ein Lebewesen zu ermorden, doch wollte ich mir so wenig Geldverlust wie möglich einhandeln. Sie würden bestraft werden, hart, doch würde ich sie nicht umbringen, da es mir mehr schadete, als brachte. Laut brüllte ich den Aufsehern zu, dass sie mir kein Verlustgeschäft einbringen sollten, während ich dem Nächsten den Knauf an die Halsschlagader hieb, sodass dieser ebenfalls zusammensackte. Es dauerte, doch bald schien es so, dass wir wieder an Oberhand gewannen und die Sklaven, deren Mut mit jedem Gefallenen zu sinken schien, zurücktrieben, als ich plötzlich einen brennenden Schmerz in meiner linken Seite spürte.

Wie in Zeitlupe wanderte mein Blick auf die betroffen Stelle. Es dauerte, bis ich Begriff, dass dort eine Klinge, die einer der Sklaven erobert hatte, bis zum Heft in meinem Körper steckte. Langsam hob sich mein Blick wieder und ich sah in die Augen des Unfreien, der mich getroffen hatte. Sie waren verzerrt in einem Ausdruck blinder Wut, Angst und Erschöpfung. Kurz hob ich meinen Schwertarm, bevor ich ihn auf den Unglücklichen hinunterschnellen ließ und ihn somit niederstreckte. Bevor ich jedoch auf den Nächsten losgehen konnte, spürte ich einen stumpfen Schlag auf den Kopf, der mich endgültig in die Knie brechen ließ. Kurz sah ich noch das verzerrte Bild der Sklaven, wie sie nun – weiter ermutigt – auf die Aufseher losgingen, bevor die Ränder meines Sichtfeldes sich in Schwarz hüllten und kurz danach mein ganzen Bewusstsein umhüllte.
 

Langsam ging der schwarzhaarige Mann durch die Reihen der Opfer des Gefechts. Von Weitem hatten er und seine Brüder das Geschehen beobachtet, ohne einzugreifen. Diese dummen Menschen bekämpften sich gegenseitig schon seit Jahrhunderten und jedes Mal war es dasselbe Ergebnis.

Diesmal hatten die Unfreien gewonnen, doch sie würden nicht weit kommen. Dazu hatten ihre Peiniger sie viel zu sehr dezimiert, bevor sie ihnen erlegen waren. Plötzlich stockte er, als er an einem Mann mittleren Alters in zerrissenen Kleidern hielt, dessen Herz noch immer hartnäckig gegen das Unvermeidliche ankämpfte. Eigentlich hätte er schon längst das Zeitliche gesegnet haben müssen, wenn man von der Blutlache, die ihn umgab ausging. Zwar war der Boden des Platzes insgesamt mit Rot durchtränkt doch war das Blut dieses Menschen hier eindeutig überwiegend.

Vorsichtig wandte er den Mann mit dem Fuß um, um sein Gesicht betrachten zu können, als er die genervte Stimme seines Bruders hinter sich vernahm. Er wollte endlich weiter, verstand nicht, was der Schwarzhaarige überhaupt hier wollte. Es seien doch nur wertlose Menschen, deren Blut jetzt, wo es auskühlte, ungenießbar sein würde. Doch deswegen war dieser nicht da. Wenn er Durst bekam, nahm er ausschließlich Frisches zu sich. Der Gedanke, sich von Aas zu ernähren, widerte ihn genauso an wie wahrscheinlich seine Brüder.

Trotz des Protestes des Blonden ließ er sich in aller Ruhe in die Hocke nieder und betrachtete den Mann genauer. Wenn er ihn verwandeln wollte, musste er schnell handeln, da das Herz nicht mehr lange gegen den Tod würde ankämpfen müssen. Obwohl er noch immer mit sich haderte, senkte der Mann schließlich seinen Kopf an die Halsschlagader und versenkte letztendlich seine Zähne in ihr, die Augen seiner Brüder angewidert auf sich gerichtet, erhob er sich kurze Zeit später wieder, befreite das Opfer von der Waffe, die immer noch in seinem Oberkörper steckte und hob ihn hoch. Bei jedem seiner Schritte stöhnte der Mann auf, doch diese Schmerzen waren nichts im Vergleich zu dem, was ihm noch bevorstand. Wenn er sich als wertlos herausstellte, könnte er ihn immer noch töten. Mit diesem Gedanken wandte er sich wieder zu seinen Brüdern um und stimmte endlich zu, zurückzukehren.

Wenn er sich jedoch als nützlich erwies, würde dies für ihn der Anfang eines unsterblichen Lebens bedeuten.

Love is a lie!

Langsam ging ich durch die dunklen Gänge des Volturianwesen, bedacht darauf keinen Laut zu verursachen. Ich wollte nicht, dass die Meister vielleicht auf die Idee kamen, mir einen Auftrag zu geben. Normalerweise war ich für so etwas immer zu haben. Es war fast schon so, dass ich sie liebte. Aber heute hatte ich keine Zeit für dergleichen. Heute würde ich Erminia wiedersehen. Eigentlich war sie nur eine der vielen Affären, die ich bis jetzt hatte. Nun, nicht ganz. Für gewöhnlich pflegte ich meine „Partnerinnen“ zu töten. Das hörte sich vielleicht sadistisch an, ekelerregend, unmenschlich, aber das lag wohl daran, dass ich kein Mensch mehr war. Ich war ein Vampir und dies schon seit knapp 90 Jahren.

Damals hatte mich Aro, einer der drei Volturimeister, denen ich seit dieser Zeit diente, aufgelesen und verwandelt. In vielerlei Hinsicht musste ich ihnen deswegen wohl dankbar sein. Nicht zuletzt, da sie mich so aus meiner Ehe geholt hatten. Wie viele zu der Zeit, war meine eine Zwangsehe gewesen, um meiner Familie ein Leben in gehobenerer Gesellschaft zu ermöglichen. Und wie viele dieser Ehen war auch meine alles andere als glücklich verlaufen. Auch wenn wir nach außen hin das glückliche Paar darstellten, wie es von unseren Familien und der Gesellschaft verlangt wurde, hatten wir uns nie für einander erwärmen können. Zwar hatte ich es versucht, da ich immerhin – so dachte ich damals – den Rest meines Lebens mit der Frau verbringen müsste, doch sie hatte mich konstant abgewiesen, bis ich es aufgegeben hatte.

Seitdem hielt ich wenig, um nicht zu sagen nichts von Frauen. Das Einzige, für das sie gut waren, war, um es direkt auszudrücken, zum Stillen meines Durstes und das Befriedigen meiner männlichen Bedürfnisse. Nun... so hatte ich gedacht, bis ich Erminia kennengelernt hatte.

Auch sie entstammte einer reichen Familie und war sogar bereits verheiratet worden. Deswegen hatte ich zuerst gedacht, dass sie ein leichter Fang sein würde. Die meisten Zwangsehen verliefen irgendwann so, dass jeder Partner allerlei Affären hatte, während im eigenen Bett nichts mehr lief. Meine war da keine Ausnahme gewesen. Nun, Erminia war, wie gesagt, eine Ausnahme. Sie hatte gleich zu Anfang ein reines Bettverhältnis abgelehnt, da sie erobert werden wollte. Das hatte sie zumindest gesagt, als ich sie zum ersten Mal getroffen hatte. Schon dieses Treffen war eine Art Vorzeichen für unser späteres Verhältnis gewesen.

Aro hatte mich als Leibwache mit zu ihrem Mann genommen, um ihm, beim Kerzenschein der nächtlichen Stunde einen Teil seines Bodens abzukaufen. Ich wusste nicht, wofür er es gebraucht hatte, allerdings hatte ich bereits gelernt, niemals die Gedankengänge des Volturi ergründen zu wollen. Es war hoffnungslos. Während mein Meister mit dem Mann, dessen Name ich bis heute nicht kannte, gefeilscht hatte, wartete ich draußen vor der Tür, als eine helle Stimme mich von der Seite her fragte, ob ich denn eine Statue sei, die ihr Gatte neu als Abschreckung vor seinem Arbeitszimmer platziert habe. Lächelnd hatte ich mich ihr vorgestellt und – über kurz oder lang – waren wir ins Gespräch gekommen. Irgendwie hatte sie es geschafft, mich durch ihre Widerspenstigkeit, die sie bald aufzeigte, als ich anfing, leicht mit ihr zu flirten, an sich zu binden. Da das Feilschen um das Grundstück ein etwas langwieriger Prozess war, trafen Erminia und ich uns noch öfter, auch nachdem mein Meister alles mit ihrem Mann geklärt hatte. Ich genoss es mit ihr auch im Geheimen zu reden und zu diskutieren, vor allem, da sie bald schon Anzeichen machte, dass sie sich auch für weiteres zu öffnen schien.

Diese langsamen Erfolge, die sie mir nach und nach zugestand, vergrößerten meinen Eifer, ihr zu gefallen nur noch mehr. Ich war fasziniert von ihr.

Zu allem Überfluss sah sie auch keinesfalls schlecht aus – nicht, dass ich es tat, ganz im Gegenteil und mit einer schlecht aussehenden Frau hätte ich niemals etwas angefangen. Natürlich wusste ich, dass niemals etwas aus uns werden würde. Mir war es genauso bewusst wie ihr, aber wenn sie sich zuerst verlieben wollte, bevor sie mit einem Mann eine Liebesnacht verbrachte, war dies nicht mein Problem. Sie wusste ganz genau, dass ich ihr später das Herz brechen würde, brechen müsste, da aufgrund ihres Status und meines Wesens – von dem sie jedoch keine Ahnung hatte – niemals, wie schon gesagt, etwas Ernsteres aus dieser Geschichte werden würde. Uns beiden war dies bewusst, aber wenn sie es trotzdem wollte, bitte. Endlich hatte ich den Ausgang erreicht und jagte nun, so schnell, dass kein Auge mir hätte folgen können, wenn denn um diese Uhrzeit noch jemand in den Gassen, die ich wählte, um zu meinem Bestimmungsort zu gelangen, herumstreifte, durch das nächtliche Volterra. Zielstrebig lief ich auf die Stadtmauern zu, kletterte in einer flüssigen Bewegung über sie hinweg und verschwand letztendlich im Wald, in dem wir uns treffen wollten.
 

Ich wusste nicht, wie lange ich auf sie wartete. Ich hatte ihr sogar einen Strauß Blumen – rote Rosen – besorgt. Doch sie kam nicht. Regungslos stand ich zwischen den großen Stämmen der Bäume, die bereits älter als ich waren, während ich stets weiter wartete, in der Hoffnung, mich einmal in einer Frau getäuscht zu haben. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass Erminia nicht kommen würde. Dafür hatte ich viel zu lange meine Zeit an ihr verschwendet. Als der Tag bereits seine ersten Strahlen auswarf, stand ich immer noch an der gleichen Stelle. Nur eine Sache hatte sich verändert: Ich hatte die Frau aufgegeben. Sie würde nicht kommen. Das war mir jetzt klar. Wie dumm ich doch gewesen war. Es war nicht ich der mit ihr gespielt hatte, sondern umgekehrt und ich war darauf hereingefallen, denn, dies wurde mir jetzt mit aller Härte bewusst, als ich spürte, wie eine unbändige Wut in mir aufstieg, ich hatte mich unwiderruflich in sie verliebt. Zuerst spürte ich nur, wie ein bedrohliches Knurren meinen Hals heraufstieg, bevor dieses sich in einem tierischen Schrei der Verzweiflung und Enttäuschung Ausdruck verlieh, dass die Vögel und Tiere sich ängstlich in ihren Verstecken verkrochen oder flohen.

Ein Mensch hatte mich einen Vampir ausgetrickst! War nicht meinem Charme verfallen, wie es doch eigentlich sein müsste! Müsste nicht unser bloßer Anblick diese verdammten Menschen dazu bringen uns mit Haut und Haar zu verfallen?

An diesem Tag kam ich nicht zurück in das Volturianwesen, um meine Pflichten zu erfüllen. Stattdessen lief ich durchgängig durch die Wälder, um meiner Wut mit Brüllen und entwurzelten Bäumen Ausdruck zu verleihen; um mich abzureagieren. Es half nichts. In der nächsten Nacht ging ich zum Haus der Frau, die mich versetzt hatte und rächte mich. Zuerst war ihr Mann dran, dann ihr vier-jähriger Sohn und dann tötete ich sie. Es bereitete mir Freude ihre angsterfüllten Augen zu sehen, als sie dem Tod ins Gesicht blickte, bevor ich meine Zähne in ihrem Hals vergrub.

In dieser Nacht schwor ich mir, niemals wieder mein Herz jemandem zu schenken.

God, why do you hate me?!

Latent – nein, extrem – genervt versuchte ich dem hartnäckigen Dröhnen in meiner Ohrmuschel Einhalt zu gebieten. Ohne Erfolg. Das Dröhnen wurde lauter, penetranter, flaute wieder kurz ab, nur um erneut anzuschwellen. Hin und wieder veränderte es die Tonlage, wurde höher, dann wieder tiefer, wobei es wohlgemerkt weiterhin an meinen Nerven zerrte. Mit einem verbitterten Knurren löste ich schließlich meine Finger von den Ohren. Es hatte keinen Zweck. Nein, ich konnte noch so fest auf meinen Gehörgang drücken, es würde nicht aufhören. Verdrossen schaute ich auf die Ursache meiner Qual, die vor mir auf dem Bett lag und sich vor Schmerzen wand.

„Leide nur, aber mach es gefälligst leiser!“

Mein Zischen verfehlte sein Ziel. Statt aufzuhören, wie ich es insgeheim – naiv wie ich war – gehofft hatte, schwoll das Schreien des jungen Mannes gerade in diesem Augenblick erneut an. Es war nicht auszuhalten! Schon drei Tage saß ich nun an dem Fußende seiner Ruhestätte – auch wenn Ruhe das war, was ich in den letzten Tagen am meisten vermisste – und schaute zu, wie dieses mickrige Wesen vor mir sich die Seele aus dem Leib schrie.

Erneut wanderten meine Handflächen zu meinen Ohren. Würde dieses Kreischen nicht bald aufhören, lief ich Gefahr, den Verstand zu verlieren. Es sollte wieder abflauen!

Natürlich erfüllte es mir den Wunsch nicht. Stattdessen wurde es immer lauter und lauter... und lauter. Zudem mischte sich langsam aber sicher mein unterschwelliges Knurren zu den Schmerzenslauten, über das ich keine Macht hatte. Dieses Brüllen zerrte an meinen Nerven, an meinem Verstand, sodass ich instinktiv, als wolle ich einen Gegner einschüchtern, Knurrlaute ausstieß.

Der Quälgeist vor mir erlebte gerade seinen Höhepunkt, zumindest kam es mir so vor, da ich bezweifelte, dass er noch lauter werden konnte. Dann – von jetzt auf gleich – war es still. Erleichtert seufzend senkte ich meine Hände wieder, während ich kurz mit geschlossenen Augen die Ruhe genoss, bevor ich mich dem Neuling zuwandte. Dieser hatte sich mittlerweile aufgesetzt und schaute mich verwirrt und mit unterdrückter Qual an; seine Hand klebte bereits förmlich an seiner Kehle. Seinen Durst ignorierend, blieb ich auf meinem Stuhl sitzen, während ich ihn in aller Ruhe musterte. Lange, schwarze Haare, leuchtend rote Augen, relativ kleiner Körperbau und ausgefranste Kleidung. Ein typischer Fall von „Bettler–von–der–Straße–der–griechischen–Großmetropole–aufgesammelt–und–nicht–fertig–gegessen“. Nun, es war die Sache der Meister und ich wäre wohl der Letzte, der ihnen, aufgrund ihrer Auswahl an neuen Wachen, Vorwürfe machen würde; oder könnte. Es dauerte eine Weile, bis ich die Stille durchbrach. Der andere hatte augenscheinlich nichts zu sagen, weswegen ich mit der ersten Frage, die mir einfiel, anfing.

„Wie ist dein Name?“

Meine Stimme war kühl, reserviert und bedrohlich. Er sollte gar nicht erst auf die Idee kommen, sich zu irgendwelchen Dummheiten hinreißen zu lassen. Zur Not würde ich ihn fürs Erste unschädlich machen, was hieße, dass er bis auf seinen Kopf nicht mehr viel an seinem Körper baumeln haben würde. Als der junge Mann noch immer nicht geantwortet hatte, wiederholte ich meine Frage, dieses Mal eindringlicher, worauf er schließlich mit einem krächzenden „Demetri“ antwortete.

Zufrieden nickte ich, bevor ich mich endlich aufrichtete und auf ihn zuging.

„Mein Name ist Felix. Willkommen in Volterra.“
 

Die Tore zum Thronsaal öffneten sich unter dem Druck meiner Hände nach innen und gaben uns den Blick auf die drei, auf ihren Plätzen sitzenden, Meister frei. Hinter mir betrat der Frischling etwas verunsichert – was er jedoch versuchte zu unterdrücken – den Raum. Sobald Meister Aro ihn erblickte, sprang er von seinem hohen Sitz auf und eilte, an meiner sich verbeugenden Gestalt vorbei, zu dem Neugeborenen. Mit einem erneuten, überschwänglichen „Willkommen in Volterra, junger Freund!“ ergriff er dessen Hände und nahm ihm zum ersten Mal in seiner neuen Existenz die intimsten Gedanken ab.

Ich hatte mich mittlerweile wieder aufgerichtet, während ich all dies beobachtete und wartete stumm und regungslos auf weitere Anordnungen, beziehungsweise auf den weiteren Verlauf des Gesprächs zwischen dem schwarzhaarigen Meister und seinem neuen Untergebenen. Lange ließ es nicht auf sich warten, da Aro kurz darauf aufseufzte, bevor er von dem Griechen abließ.

„Es freut mich, dich in unserem Kreis willkommen heißen zu dürfen“, wiederholte er ein weiteres Mal, wobei er dieses Mal jedoch ein „Demetri“ hinzufügte.

Die Überraschung des Jüngeren stand ihm nahezu in das Gesicht geschrieben. Immerhin hatte er dem Wortführenden keinerlei Angaben über sich gegeben. Er öffnete auch sogleich den Mund, um nachzufragen, was es mit diesem Wissen Aros auf sich hatte, wurde aber sofort wieder von selbigem unterbrochen.

„Keine Angst, deine Fragen werden dir alle beantwortet werden, doch jetzt sollten wir uns erst einmal wichtigeren Dingen zuwenden... du musst durstig sein.“

Erneut ließ der Meister dem Jüngeren keine Zeit für eine Reaktion. Eine knappe Geste in Richtung zweier einfacher Wachen neben mir genügte, um einen Menschen hinter einer Säule hervorgezerrt zu bekommen. Sein Angstschweiß war schon die ganze Zeit zu riechen gewesen, doch jetzt, da er so nah neben mir vorbei geführt wurde und mir der süßliche Geruch seines Blutes in die Nase stieg, musste ich mich beherrschen, damit ich ihn nicht ansprang. Vorsorglich trat ich einen Schritt zurück. Das Letzte, was ich jetzt wollte, war, dem Neugeborenen sein Trinken streitig zu machen. Nicht, dass ich mich vor ihm selbst gefürchtet hätte, wohl aber vor den Konsequenzen, die meine Tat mit sich bringen würde. Die Meister sahen es nun einmal nicht gerne, wenn man ihren Befehlen zuwider handelte und dieser Mensch war ganz eindeutig für den Frischling bestimmt.

Demetri zögerte nicht lange, als ihm der Appetithappen gereicht wurde, sondern vergrub instinktiv sofort seine Zähne in dessen Hals. Das Blut, das durch das unkontrollierte Trinken des Neulings austrat und das gequälte Schreien des Opfers, ließ schließlich nicht nur mich unruhig werden. Alle um mich herum schienen den gleichen Futterneid zu hegen, auch wenn sie sich genug im Griff hatten, um sich daran zu hindern sofort zwischen den Jäger und seine Beute zu drängen und sei es nur durch die Angst vor ihrer Zeit in kleine Stücke zerrissen und verbrannt zu werden.

Noch während der Neuling trank, rief mich Aro an seine Seite, worauf ich umgehend reagierte. Im Bruchteil einer Sekunde befand ich mich neben ihm, meinen Blutdurst, der durch die gestiegene Nähe zu dem austretenden Blut ins fast Unerträgliche gestiegen war, so gut wie ignorierend. Andererseits blieb mir auch keine Zeit, um zu überlegen, wie ich Demetri jetzt wohl am Besten von seiner Beute trennen konnte, da mich meines Meisters Worte sofort einnahmen.

„Ich möchte, dass du dich in der Folgezeit um unseren jungen Freund hier kümmerst. Du wirst ihm seine Fragen beantworten, ihm unsere Regeln erklären und ihm beibringen, was Regelbrüche für Folgen haben werden. Pass gut auf ihn auf. Ich habe so das Gefühl, dass er noch nützlich sein wird...“, mit diesen Worten wandte er sich wieder zu dem Neugeborenen, der gerade den ausgesaugten Menschen auf den Boden fallen ließ und mit einem einfachen „Mehr!“ seine Unstillbarkeit zum Ausdruck brachte. Ein leises Knurren entfloh meiner Kehle, das jedoch sofort wieder stoppte, als ich den mahnenden Blick meines Meisters registrierte. Zwar war es eine nicht hinnehmbare Frechheit, dem Gastgeber auf eine so unverhohlene Art und Weise zu signalisieren, dass man durch seine Gaben nicht satt geworden war, doch schien Aro in diesem Fall gnädig gestimmt zu sein.

„Gib ihm, was er will“, kommentierte er die Aufforderung des Frischlings, bevor er sich ohne einen erneuten Blick auf mich zu werfen von uns abwandte. Eine kurze Verbeugung meinerseits – es stand außer Frage, dass er mich mit seinem Befehl gemeint hatte – dann verließ ich den Thronsaal, meinen neuen Schutzbefohlenen am Nacken mit mir schleifend.

Freunde würden wir jedenfalls nicht werden, das stand bereits jetzt schon für mich fest. Die ganze Zeit hatte ich mich erfolgreich vor der Aufzucht eines Jungvampirs gedrückt und nun musste er auftauchen. Meine gesamte Freizeit würde für die nächsten Wochen oder gar Monate an diesem Quälgeist zugrunde gehen. Kein Blut mehr, wenn ich es wollte, da ich mein Anhängsel schlecht auf eine vielbevölkerte Stadt loslassen konnte. Im Klartext hieß das, dass ich die nächste Zeit nur nachts hinausgehen, nur hinter diesem Witzbold hinterherjagen und – was das Beste war – mich von meinem sowieso schon vernachlässigten Privatleben gänzlich verabschieden konnte.

„Also Demetri“, begann ich noch auf dem Weg zu seiner neuen Kammer – auf Trinken würde er bis zum Anbruch der Nacht verzichten müssen, „wenn du möchtest, dass wir uns in der nächsten Zeit gut verstehen, schlage ich vor, dass du mich möglichst wenig mit deinen – für mich übrigens völlig uninteressanten – Fragen, die du vielleicht haben könntest, behelligst. Außerdem würde ich es sehr begrüßen, wenn du mich nicht alle fünf Minuten mit deinem Wunsch, einen Menschen zum Trinken zu haben, belästigen würdest. Ich weiß, dass du Durst hast – stell dir vor, mir geht es nicht besser – also musst du mich darauf nicht auch noch hinweisen. Nach draußen und damit zum Jagen kommst du ab heute sowieso nur nachts, damit du keine Menschen in unmittelbarer Nähe unseres Schlosses angreifst. Du bist übrigens hier nicht mehr Griechenland, sondern in Italien, also ist Fortlaufen sinnlos. Du würdest dich hier sowieso nicht zurechtfinden. Wenn also alles geklärt ist“, wir waren vor seinem neuen Zuhause angekommen, „kannst du dich jetzt hier etwas aufhalten. Und bleib bloß ruhig, ich werde dich in nächster Zeit begleiten und auf dich achten dürfen und deine Stimme ist mir mittlerweile leider sehr wohl vertraut. Also halte deinen Sprachanteil niedrig!“

Mit diesen letzten Worten stieß ich ihn in sein Zimmer und schloss die Tür von außen, bevor ich mich daneben stellte. Die nächsten Stunden würde ich wohl in dieser Position bleiben, doch das machte mir nichts aus. Was ich im Moment wirklich genoss, war die Ruhe, die mich nun endlich umgab. Eigentlich störte mich Lärm herzlich wenig, doch heute war es genau das, was ich mir seit drei Tagen am Meisten ersehnt hatte. Mehr noch als das Blut eines Menschen und das wollte etwas heißen.

Im Innern der Kammer klirrte etwas, dann krachte es und schließlich ertönte ein gedämpfter, erschreckter Schrei.

Genervt aufseufzend öffnete ich die Tür. Die nächsten Tage würden meine persönliche Hölle werden, da war ich mir sicher und wenn ich ihn gezähmt hatte, würde ich mich hüten, auch nur in die Nähe dieses unzivilisierten Trottels zu kommen!

Ceterum censeo carthaginem esse delendam.

„N-Nein... Felix!“

Gerade noch hörte ich, wie der jüngere Vampir mir fluchend hinterherhetzte, bevor ich auch schon einen schmerzhaften Druck in meinem Rücken spürte, der mich zu Fall brachte. Wütend wirbelte ich herum und griff bereits nach dem Hals meines Angreifers, als meine Hand jedoch hinuntergedrückt wurde. Knurrend fletschte ich die Zähne, wobei ich weiterhin versuchte, mich zu befreien. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn der Neugeborene dies tat. Es war wider aller Regeln! Ich war der Stärkste in der Garde! Nicht dieser Winzling, der gerade erst trocken geworden war! Noch einmal bäumte ich mich auf. Erfolgreich. Eine schnelle Drehung brachte den Jungvampir an seinen rechtmäßigen Platz.

„Mach – das – nie – wieder!“, drohte ich dem vor mir liegenden Abschaum nun schon zum dritten Mal in dieser Woche und zum wahrscheinlich fünfzigsten Mal in dem auslaufenden Monat. Langsam wurde mein Druck um sein rechtes Handgelenk stärker. Meine Muskeln spannten sich immer weiter, bis ich mit einem Ruck den Arm meines Schützlings von seinem Körper trennte. Die Folge war ein markerschütternder Schrei und ein sich anschließendes leises Wimmern. Verächtlich schnaubend löste ich mich von ihm und warf ihm seinen Arm nach kurzem Zögern wieder zu. Schmerz war bis jetzt der beste Lehrer gewesen. Vielleicht lernte er es so, dass er mir nicht in die Quere kommen durfte, sollte ihm etwas an seinem Leben liegen.

Mein Blick wanderte wieder in die Richtung, in die ich zuvor gestürzt war. Nichts. Erneut entfloh meiner Kehle ein – dieses Mal – frustriertes Knurren. Ich würde wohl doch erst Volterra verlassen müssen, bevor ich zu meinem langersehnten Trinken kommen würde. Kurz wandte ich mich zu dem noch immer auf dem Boden kauernden Vampir, bevor ich ihn mit einer schnellen Bewegung zum Aufstehen zwang.

„Du wünschst dir wohl zu sterben, oder?“, fauchte ich ihn wütend an, wobei ich ihm meinen Augenkontakt aufzwang, indem ich ihn - im Genick haltend – zu mir drehte. „Wenn du dieses Verlangen hegst, hättest du nur höflich bitten müssen. Ich wäre dem mit Freuden nachgekommen.“

Statt einer Antwort erntete ich nur einen trotzigen Blick. Kurz ging ich auf das kleine Duell ein, dann ließ ich ihn abfällig wieder auf seine Beine herunter. Eine Erwiderung konnte sich der Junge sparen. Ich wusste auch so, was er von sich geben würde.

„Das Jagen innerhalb der Sperrzone um und in Volterra ist strengstens verboten! Das hast du mir selbst beigebracht, warum hältst du dich nicht daran?“

Nun, er hatte Recht, allerdings vergaß er dabei immer wieder, dass nicht ich es war, der in letzter Zeit auf seine Kosten in Sachen Durst gekommen war. Mein Begleiter war jetzt, da er noch Reste seines menschlichen Blutes intus hatte, zu einer Art Übervampir mutiert, sobald er sein Verlangen, Menschen abzuschlachten, unter Kontrolle bekommen hatte. Nicht nur, dass er im Moment noch fast genauso stark wie ich war – dieser Effekt ließ zum Glück langsam nach -, nein, er war auch noch schneller als ich! Und; was mich am meisten frustrierte: Er war erfolgreicher in der Jagd. Ich wusste nicht, wie er es anstellte, mir meine Beute wegzuschnappen. Ich wusste nur, dass er immer wieder zielsicher auf den nächsten Menschen zueilte und mich so dazu zwang, daneben zu stehen und zuzusehen, wie er mein Trinken aussaugte! Selbst konnte ich nicht suchen, da ich noch immer ein Auge auf den Neuling haben musste und dieser folgte meinen Anweisungen, er möge mir folgen, schon allein aus Prinzip nicht. Nach der ersten Mahlzeit der Hatz, wies er mir zwar in der Regel den Weg zu einem Opfer, das nicht alleine in den nächtlichen Wäldern unterwegs war und ich so ebenfalls auf meine Kosten kam, aber es war erniedrigend und wesentlich weniger amüsant, beziehungsweise befriedigend, für mich. Mir kam es in seiner Gegenwart so vor, als seien unsere Rollen vertauscht worden. Das Schlimmste für mich war, dass ich mich noch nicht einmal dagegen wehren konnte.

Als ich ihn einmal auf seine Fähigkeit, oder was auch immer das war, angesprochen hatte, hatte er mir nur ratlos erläutert, dass er selbst keine Antwort darauf hätte. Er wüsste einfach nur immer genau, wo sich die Menschen befanden. Die Erläuterung hatte mich natürlich in keiner Weise zufriedengestellt, aber ich hatte es dabei belassen. Viel mehr konnte ich aus diesem wortkargen Biest sowieso nicht herausbekommen; mal abgesehen davon, dass ich es vermied, mit ihm übermäßig viel zu reden. Mir reichte es schon, dass wir knappe vierundzwanzig Stunden am Tag aneinander hingen. Da brauchte ich seine Stimme nicht auch noch dreiundzwanzig Stunden täglich nach Blut jammern hören.

„Komm endlich!“

Ich war einige Schritte vorausgegangen, bevor ich bemerkte, dass mir mein Schützling nicht gefolgt war. Als ich mich umdrehte, stand er noch immer an der gleichen Stelle, an der ich ihn auf dem Boden zurückgelassen hatte. Bis auf seine Hand, die geradezu krampfhaft seinen ehemals abgerissenen Arm massierte, rührte er sich nicht, sondern starrte mich nur weiter finster – oder war es nachdenklich? - an. Gereizt verdrehte ich die Augen, bevor ich erneut den Abstand zwischen uns überbrückte.

„Was ist los, Frischling? Keinen Durst heute?“ Geringschätzig musterte ich mein Gegenüber, während ich auf eine Antwort seinerseits harrte. Diese ließ jedoch auf sich warten. War der Grieche denn nicht einmal in der Lage zu reden, wenn er dazu aufgefordert wurde?

„Hör zu“, begann ich von Neuem, als der Neuling weiter den Taubstummen markierte. „Ich habe weder Lust, mit dir auf die Jagd zu gehen, noch, weitere Zeit mit dir zu verbringen. Also entscheide dich: Entweder du folgst mir jetzt, oder wir gehen wieder zurück, ich schließe dich ein und gehe alleine auf die Jagd.“

Endlich war eine Reaktion zu erkennen. Auch wenn es nicht die war, die ich erwartet oder mir gewünscht hatte. Ein leises Schnauben gefolgt von einem „Als ob du das könntest. Es wundert mich, dass du nicht schon längst verdurstet bist, oder hat man dich in den letzten hundert Jahren täglich gefüttert, um dich am Leben zu erhalten?“ zeigte mir, dass mein Gesprächspartner nicht im Stehen das Zeitliche gesegnet hatte.

Fassungslos starrte ich den Neuling an. Wie konnte er es wagen? In meiner bisherigen Existenz als Vampir hatten die Meister schon einige Menschen verwandelt. Aber einen solchen. Er war anders als die anderen Frischlinge, das ließ sich nicht bestreiten. Schon allein wegen seiner Gabe, wenn es denn eine war. Dass er es aber auch noch wagte, mich, die bis jetzt älteste und längste Wache der Volturi, zu beleidigen...

Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen. Der Bursche hatte Mut, das konnte man nicht bestreiten.

„Für einen Neuling, hast du ein ganz schön großes Mundwerk“, knurrte ich schließlich wesentlich bedrohlicher als die letzten Male. Allein schon das Grinsen, das sich weiter verbreitert hatte, verlieh meiner Ansprache eine subtile, einschüchternde Art. Meinen Worten folgte eine unangenehme Stille, in der wir uns unnachgiebig mit abschätzenden Blicken taxierten. Noch einmal forschte ich in seinem Gesicht nach Anzeichen von Unsicherheit, die mir sein wahres Gemüt verraten würden. Nichts. Also ließ der Jungvampir es tatsächlich darauf ankommen, von mir zerrissen zu werden. Und das, nachdem er erst vor kurzem einen ähnlichen Schmerz zu spüren bekommen hatte. Erstaunlich...

Das Grinsen auf meinem Gesicht verstärkte sich noch etwas mehr, bevor ich leise auflachte.

„Mir scheint, ich habe dich unterschätzt. Eigentlich dachte ich, du seist nur ein weiterer Sklave, der kaum ein halbes Jahr unter der Herrschaft der Volturi aushält. Tut mir furchtbar Leid“, meinte ich schließlich noch immer amüsiert. „Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Demetri Volturi.“

Lächelnd hielt ich ihm meine Hand hin. Es würde interessant mit ihm werden, da war ich mir sicher, als ich den festen Druck der Rechten meines Gegenübers spürte.

„Willkommen in Volterra“, murmelte ich fast unhörbar, als ich den Handschlag langsam löste.

Wenn die Ewigkeit endet

Hundertfünfundzwanzig, hundertsechsundzwanzig... nichts.

Die Herzschläge der jungen Frau waren verklungen. Genauso wie ihr Schreien, das die letzten Momente ihres Lebens erfüllt hatte. Achtlos ließ ich den toten Körper zu Boden sinken und wandte mich zu meinen Meistern um, die mit unnatürlicher Geduld auf das Ende des jungen Menschen gewartet hatten. Ihr Gebärden machte mich neugierig. Es war nicht ihre Art, einer Wache separat von den gewöhnlichen Festen ein Essen zu spendieren. Genau genommen geschah dies nie; wenn man von der ersten Mahlzeit der Frischlinge absah.

Kaum, dass ich meinen Blick zu den älteren Vampiren erhoben hatte, stand der Mittlere auf und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.

„Wie ich sehe, hast du dich gestärkt, Felix“, begann er seine Rede mit einem einnehmenden Lächeln. „Sehr schön. Nun, ich möchte mit dir über einen Auftrag reden...“
 

Genervt verdrehte ich die Augen, als ich das besorgte Gesicht meines Freundes erfasste.

„Ich schaffe das schon, Demetri. Immerhin bin ich kein Anfänger mehr“, murrte ich missgelaunt. Seit ich ihm eröffnet hatte, dass Meister Aro mich für den nächsten Auftrag auserkoren hatte, konnte ich ihm nicht mehr in die Augen sehen, ohne mit seinem ängstlichen Blick konfrontiert zu werden.

„Das ist Selbstmord!“

So war seine erste Reaktion auf meine Eröffnung gewesen. Selbstmord. Darüber konnte ich nur schmunzeln. Es galt nur, einen kleineren Haufen wild gewordener Vampire in den Zaum zu bekommen. Damit war ich schon seit Jahren – Jahrhunderten – vertraut und hatte immer meine Aufgabe erfolgreich bewältigt. Warum also auch nicht dieses Mal. Doch mein Argument, dass dies nichts Neues sei und diese Aufgabe heutzutage nahezu alltäglich geworden war, überzeugte meinen langjährigen Kameraden nicht. Gerade diese Tatsache schien ihn nur noch mehr zu beunruhigen. Seit den Vorkommnissen mit den Cullens vor einem halben Jahrtausend hatten sich die Vampire um einiges vervielfältigt. Zu stark; so die Meinung der Meister. Sie fürchteten, dass diese Jungspunde irgendwann versuchen würden, sie vom Thron zu stürzen. Eine Angst, die keineswegs unberechtigt war. Um genau zu sein, hatten die Neulinge es vor ungefähr hundertfünfzig Jahren sogar versucht. Ohne Erfolg. Um den Aufstand niederzuschlagen, hatten wir jedoch große Verluste eingebüßt. Unter anderem Afton, Chelseas Mann und Renata, der Schutzschild Aros hatten bei dem Versuch die Meister zu retten ihr Leben gelassen. Genauso wie Gianna, die damals erst – für Vampirverhältnisse – seit Kurzem zu uns gehört hatte. Meine Hand, die wie von selbst bei dem Gedanken an meine Geliebte in die Tasche geglitten war, umfasste etwas fester das kleine Amulett, das ich ihr kurz vor ihrem Tod geschenkt hatte. Als sie verbrannt wurde, konnte ich es gerade noch vor den Flammen retten, bevor sie von diesen verschlungen wurde. Diese Handlung von Caius hatte ich ihm noch immer nicht verziehen. Unsere Feinde, okay. Aber die eigene Wache? Diejenigen, die kurze Zeit davor ihr Leben für ihn gelassen hatten? Gianna?

Langsam zog ich das Amulett heraus und betrachtete es kurz, strich mit dem Finger sanft über den rosafarbenen Edelstein in dessen Mitte. Sie war die erste Frau seit gut einem Jahrtausend gewesen, der ich mein Herz geöffnet hatte. Nicht, weil ich auf eine einfache und kurze Nacht aus war. Sondern weil sie es erobert hatte.

„Hör zu“, begann ich erneut und wandte mich wieder zu meinem Freund um. Dabei entging mir nicht, dass er meiner Bewegung gefolgt war. Genauso wenig, wie ich es übersah, dass ihm die altbekannte Frage auf den Lippen lag. Ich ignorierte es. Er wollte einfach nicht verstehen, dass seine Erkundigungen, ob es mir denn wirklich gut ginge, mit der Zeit einfach an meinen Nerven zerrten. Es würde nichts an meiner Antwort ändern, wenn er mir ein und dieselbe Frage einmal, zehnmal oder hundertmal stellte. Demetri schien meine Gereiztheit zu spüren, zumindest unterließ er seine Äußerung, dass ich ruhig mit ihm reden könne, wenn mir danach sei, dieses Mal.

„Du sagtest selbst, dass es nur fünfzehn Vampire sind“, fuhr ich schließlich entschlossen und mit fester Stimme fort. „Ich nehme einfach meine Truppe mit und damit hat sich die Sache erledigt.“

Die Truppe. Sie war eigentlich nicht mehr als eine Ansammlung jüngerer Vampire, die sich in den Kämpfen um den Thron der Volturi bewährt hatte. Ich hielt zwar noch immer nichts von unseren Frischlingen, doch das eine Ziel, die Meister zu beschützen, hatten junge wie alte Wachen zusammengeschweißt. So gut dies ging. Die Truppe war ein Resultat daraus. Ich hatte die stärksten der Neulinge um mich versammelt und sie trainiert – zunächst nur auf Geheiß Aros – wobei ich nach und nach eine Art Respekt vor ihnen entwickelte. Sie hatten sich wirklich gut gemacht, waren treu und hatten eigentlich alles, was einer guten Wache bedurfte.

„Du willst sterben, habe ich recht?“

Demetris Stimme holte mich ruckartig zurück in die Realität. Verwundert sah ich ihn an. Wie kam er zu so einer Annahme?

Mein Freund schaute mich nicht an, sondern hatte sich von mir abgewendet. Die Hände locker neben sich blickte er zu dem Wald, der sich vor dem Volturianwesen – an dessen Notausgang wir gerade Wache schoben – erstreckte. Ich antwortete nicht sofort, sondern betrachtete weiterhin stumm die letzte Erinnerung an meine Geliebte. Dann ließ ich es wieder zurück an seinen angestammten Platz gleiten.

„Wenn ich sterben wollte, wäre damals die beste Gelegenheit dazu gewesen, oder?“, murrte ich schließlich, kam etwas näher an ihn heran und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. „Abgesehen davon werde ich nicht eher verschwinden, bevor ich diesen feigen, mörderischen Hund gefunden und vernichtet habe.“

Meine Hand vergrub sich bei diesen Worten in der Schulter Demetris, doch dieser ließ es sich nicht anmerken. Stattdessen blickte er zu mir hinauf und nickte.

„Du weißt, dass du ihn dort finden wirst, nicht wahr?“

Ein Nicken, mehr gab ich nicht zur Antwort. Dann drehte ich mich um. Wenn ich heute Abend noch ausrücken wollte, musste ich meinen Leuten Bescheid geben, damit sie sich fertigmachen konnten.

„Felix?“

Noch einmal hielt ich in meiner Bewegung inne, wandte mich jedoch nicht mehr um.

„Es sind fünfzig.“

Erneut nickte ich. Aro hatte sich angewöhnt, uns falsche Informationen zu übermitteln, dass wir uns nicht bereits in der Burg verweigerten. In gewissem Maße sinnvoll, doch führte dies dazu, dass seine Wache oftmals unvorbereitet in die Schlacht zog. Demetri, der – genauso wie Jane und Alec – sich ohne die Meister nicht mehr weit von dem Volturianwesen entfernen durfte, war dazu angewiesen worden, niemandem seine Informationen zukommen zu lassen. So war dies wohl ein einzigartiger Freundschaftsdienst.

„Pass auf dich auf.“ Damit verschwand ich gänzlich im Gängelabyrinth des Schlosses.
 

„Du willst mir nicht allen Ernstes sagen, dass sich die Viecher in dieser Hütte aufhalten sollen?“

Achaz schaute zweifelnd zu mir auf. Wie jeder aus meinem Gefolge stand auch er auf dem Hügel hundert Meter von unserem Ziel entfernt und blickte auf die Bruchbude am Rande einer mittelgroßen Baumgruppe hinab. Im Gegensatz zu mir machte der junge Hebräer eher einen gebrechlichen Eindruck, doch dies täuschte. Im großen Kampf hatte er durch seine Wendigkeit jeden seiner Gegner umspielt und schlussendlich getötet. Dennoch war er nicht in der Lage gegen mich zu bestehen. Abschätzend blickte ich auf den in der Hocke sitzenden Mann herab.

„Stellst du die Angaben Demetris etwa in Frage?“, gab ich leise knurrend zur Antwort. Mir war nicht danach, irgendwelche Witzeleien auszutauschen. Dazu war der Auftrag einfach zu wichtig für mich. Seit ich hatte mit ansehen müssen, wie einer der angreifenden Jungvampire Gianna zerriss, war ich auf der Suche nach diesem Mistkerl. Damals hatte ich nicht die Möglichkeit gehabt, zu ihnen zu gelangen, weil mich mehrere Vampire gleichzeitig beschäftigt hatten und auch später konnte ich ihn nirgends auf dem Schlachtfeld finden.

Als ich dann jedoch hörte, dass er mit ein paar anderen kurz vor ihrer unwiderruflichen Niederlage geflohen war, hatte ich mir geschworen, ihn zu finden und zu töten. Und heute war es so weit. Ich würde diesen Parasiten zerfetzen, bis selbst die Einzelteile sich nicht mehr zusammenfinden konnten. So, wie er es bei meiner Frau getan hatte.

Achaz hatte auf meine Frage noch immer nicht geantwortet, sondern starrte betroffen zu Boden. Etwas gegen meinen Freund zu sagen war noch nie eine kluge Idee gewesen, das hatten meine Untergebenen bald begriffen. Schließlich nahm er doch den Mut zusammen, mir zu antworten: „Ich fragte mich nur wegen dieser Anzahl. Fünfzehn Vampire hätten in dieser Ruine ja kaum genug Platz, aber fünfzig?“

„Demetri hat uns diese Koordinaten gegeben, also wird es der Wahrheit entsprechen. Wahrscheinlich verstecken sich die meisten dieser Insekten im Wald. Unsere Anwesenheit wird nicht lange unbemerkt geblieben sein.“

„Du willst sie also wirklich frontal angreifen?“ Eine Mischung aus Entsetzen und Zweifel blickte mir entgegen.

„Wenn dir mein Plan nicht gefällt, kannst du ja wieder verschwinden“, knurrte ich, während ich vorsichtig das Amulett über meinen Kopf streifte. „Ich werde jedenfalls den Wünschen der Meister entsprechen. Und außerdem müssen wir Pál und Basia Zeit verschaffen, damit sie die Vorbereitungen für den Feuerring treffen können.“

Darauf folgte Stille, und als ich mich schlussendlich abstieß, um die letzten Meter zu unserem Ziel zu überbrücken, hörte ich, wie mir die Vampire ausnahmslos folgten.
 

Es war tatsächlich so, dass die Wilden sich in dem Buschwerk nahe des Waldrandes aufgehalten hatten und unsere Schritte von dort aus beobachteten. Zumindest brachen sie kurze Zeit später aus diesem hervor und griffen uns mit wütendem Fauchen an.

Der Erste, der mich erreichte, beklagte innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde das Fehlen seiner Arme, bevor das Abreißen seines Kopfes dem Jaulen ein Ende bereitete. Dies hatte zur Folge, dass die Vampire zunächst Abstand zu dem großen, bösen Vampir vor ihnen hielten. Doch selbst diese Vorsichtsmaßnahme brachte ihnen nichts. Wütend sprang ich in einen der kleineren Pulks und zerschmetterte dem Erstbesten die Schädeldecke, sodass er außer Gefecht gesetzt zu Boden sank. Dem Nächsten grub ich meine Finger in die Brust, bevor ich durch die steinerne Haut stieß und den Teil herausriss, der auf Höhe des nutzlosen Herzens lag. Gleichzeitig trennte ich seinen Kopf mit einem Ruck vom Körper, bevor ich zu meinem vierten Opfer sprang. Dieser fiel meinen Zähnen zum Opfer.

Dadurch mir wieder kurz Zeit verschaffend blickte ich mich nach meinen Gefährten um. Diese schlugen sich tapfer, wurden jedoch stärker angegriffen als ich. Achaz kämpfte gerade gegen fünf Vampire, die immer wieder hintereinander versuchten ihn zu überwältigen, jedoch sofort von ihm abließen, wenn er ihnen zu nahe kam. Naomi und Valerio wehrten sich Rücken an Rücken gegen die doppelte Anzahl und Juan drohte bereits überwältigt zu werden. Wenn dies so weiter ging, konnten wir es vergessen, die Missgeburten wieder zurück in den Wald zu drängen.

Fluchend stieß ich mich ab, um dem Jüngsten der Truppe zu Hilfe zu eilen, wurde jedoch von einer neuen Gruppe von fünfzehn Vampiren aufgehalten. Wütend fletschte ich die Zähne in der Hoffnung, dass sie so klug waren, mir den Weg zu öffnen, doch dies taten sie nicht. Hinter diesem Angriff lag also ein Konzept. Zuerst die Gegner trennen, dann durch die bloße Masse erledigen. Erneut schoss mein Blick zu dem jüngeren Vampir. Lange würde er es nicht mehr aushalten. Ich musste zu ihm. Nicht noch einmal würde ich zulassen, dass jemand, der mir nahe oder unter meinem Kommando stand, verletzt würde. Abgesehen davon brachte uns jeder Verlust der eigenen Niederlage näher. Wieder ruhte mein Blick auf meinen Gegnern. Es half nichts, zuerst würden diese Viecher das Zeitliche segnen.

Ohne Vorwarnung sprang ich auf sie zu.
 

Als ich das nächste Mal Zeit hatte, aufzublicken, sah ich gerade noch, wie eines unserer Beutetiere sich auf Juan zubewegte, um ihm den Rest zu geben. Nein. Nicht irgendeins. Das Gesicht dieses Mörders hatte sich vor langer Zeit in meine Netzhaut eingebrannt.

Es war Er!

Er, der Gianna getötet hatte! Er, der nicht den Mut bewiesen hatte, sich mir zu stellen! Dieser Parasit, der mir und meinem Freund bereits über hundert Jahre jedes Mal aufs Neue entwischte.

Mit einem Wutschrei, der jeden auf dem Kampffeld zusammenzucken und zu mir blicken ließ, stürzte ich mich auf dieses kümmerliche Stück Dreck.

Die Welt wirbelte um mich herum, als wir – von meinem Schwung gepackt – gemeinsam einige Meter durch die Luft flogen, bevor wir eine Schneise hinter uns herziehend wieder auf dem Boden ankamen. Meine Umwelt existierte nicht mehr für mich. Das Einzige, das ich nun noch wahrnahm, war diese vor Schreck verzogene Fratze unter mir, die sich bald in Todesangst verwandelte, als ich begann, auf den Mann einzuschlagen. Immer und immer wieder, ohne Unterbrechung. Es war mir egal, ob ich dabei ein gutes Ziel für angreifende Vampire bildete. Ja, ich bemerkte noch nicht einmal, wie mir meine Untergebenen – die erschrockene Starre unserer Gegner nutzend – zur Hilfe eilten, indem sie einen Ring um mich bildeten. Für mich gab es nur noch dieses Gesicht, das langsam seine Konturen verlor. Seine verzweifelten Versuche, mich loszuwerden, konnten mich nicht von seiner Marterung abbringen. Selbst als diese nachließen und letztlich ganz versiegten, verformte ich mit meinen Fäusten den Schädel. Blind vor Wut erkannte ich nicht, dass der Vampir schon längst dem lebenden Tod entronnen war und selbst wenn ich es bemerkt hätte... es spielte für mich keine Rolle.

Immer weiter schlug ich auf die Überreste des Gesichtes ein. Hörte mit Genuss, wie es bei jedem Schlag knackte. Sah, wie sich nach einem Schlag der Kopf gänzlich vom Körper losriss, beendete es jedoch nicht. Nicht einmal als ich offensichtlich nur noch in den Boden unter mir schlug, da die Splitter des Schädels zu Staub zerfallen waren. Erst als mich jemand gewaltsam von dem Rumpf meines Opfers losriss, hörte ich auf. Stattdessen wirbelte ich zu meinem vermeintlichen Angreifer herum und wollte ihn gerade selbst umbringen, als ich in die angstgeweiteten Augen Juans sah. Sofort hielt ich inne und starrte den Jungen eine Zeit lang verständnislos an, bis dieser sich mit stockender Stimme schließlich erklärte: „Basia hat das Zeichen gegeben und die Wilden sind auf dem Rückzug in den Wald... Wenn wir sie dortbehalten wollen, bis sie gänzlich eingekesselt sind, müssen wir uns beeilen.“

Bei seinen letzten Worten schlug er entschuldigend die Augen nieder und an seiner Haltung konnte ich erkennen, dass er es unseren Gegnern am liebsten gleichtun würde. Kurz fixierte ich ihn mit meinem Blick, wobei ich registrierte, dass er – je länger mein Schweigen dauerte – immer mehr den Kopf einzog, als habe er Angst, im nächsten Augenblick so zu enden, wie das verstümmelte Etwas auf dem Boden hinter mir.

Ein verächtliches Schnauben entfloh meinen Lippen, bevor ich mich von ihm abwandte und den Befehl zur Verfolgung gab. Geschickt trieben wir die verstörten Flüchtlinge gen Wald, der letztlich ihren Tod darstellen sollte. Dann ging ich noch einmal zurück zu dem Platz, an dem die Überreste meines letzten Gegners lagen. Von seinem Kopf war wirklich nichts mehr geblieben, doch der restliche Teil musste noch entsorgt werden, weswegen ich ihn schlussendlich packte und den letzten der Ratten hinterherwarf, als diese in die vermeintlich sichere Baumgruppe flüchteten. Dann gab ich das Zeichen, das Öl, mit dem das Feuer verstärkt werden sollte, in Brand zu stecken, bevor ich nach meinem Amulett tastete, um es erneut in meiner Tasche zu versenken. Die Arbeit war getan, also sah ich keine Veranlassung, es weiter sichtbar-

Verwundert hielt meine Hand an der Stelle inne, an der sich der Stein befinden sollte. Dann glitt sie langsam etwas hinunter, nach rechts... links. Mit jedem Taster wurden meine Bewegungen hektischer. Er war fort. Das Prüfen an meinem Hals bestätigte dies gänzlich. Fieberhaft schritt ich meine letzten Gänge ab, auf der Suche nach der Kette. Nichts. Sie war nicht da!

Schließlich kam ich an dem Platz an, an dem ich Rache an Giannas Tod genommen hatte. Nichts. Ich war mir sicher, dass ich bei dem Sprung noch das kühle Metall gespürt hatte, also musste sie...

Die Ahnung, die mich bei diesem Gedankengang überkam, ließ mich erschaudern. Langsam, als würde die Zeit stillstehen, wandte ich mich dem Flammenmeer vor mir zu. Die Hitze des Feuers brannte mir unangenehm auf dem Gesicht, während ich bereits die ersten Schreie jenseits der Todesbarriere hörte. Es gab kein Zurück mehr, wenn man erst eingeschlossen war, dessen war ich mir bewusst.

„Felix?“

Langsam drehte ich mich zu dem Sprecher um. Es war Achaz, der besorgt mein Gebärden beobachtet hatte und nun wohl nach einer Erklärung suchte. Vielleicht wollte er auch nur eine Anweisung, was sie als Nächstes tun sollten. Ich wusste es nicht. Langsam schritt ich der flammenden Hölle weiter entgegen. Es war nur eine Vermutung, aber... Fünf Meter vor dem lichterloh brennenden Waldrand blieb ich stehen. Wahrscheinlich war der Korpus schon längst den Flammen zum Opfer gefallen. So weit hatte ich ihn nicht hineingeworfen. Ja, er war womöglich der Erste gewesen, den das Feuer verschlungen hatte. Und doch...

„Felix!“

In der Stimme meines Untergebenen schwang nun Panik mit, doch ich drehte mich nicht mehr um. Ich wusste nicht einmal, wer gerufen hatte. Achaz? Juan? Vielleicht sogar Basia? Sie schien mir immer gefallen zu wollen. Vielleicht hatte sie ja vorgehabt, meine neue Gefährtin zu werden? Ich wusste es nicht. Erneut setzte ich einen Schritt näher dem Feuer entgegen. Noch unentschlossen, ob ich wirklich... wenn es nicht so war und das Amulett noch hinter mir...

Erst als ich die schnellen Schritte meiner Truppe, die mich wahrscheinlich zurückziehen wollten, hörte, löste ich mich aus meiner Starre. Durch eine Lücke, die die unruhigen Flammen für die Bruchteile einer Sekunde freigaben, stürzte ich mich in das Innere des Todesrings. Der Qualm störte meine Sicht und brannte unangenehm in der Lunge, weswegen ich das Atmen fürs Erste aufgab und versuchte, mich zu orientieren. Ich entledigte mich meines Mantels, der bei dem Sprung Feuer gefangen hatte und lief, die Rufe meiner Männer ignorierend, in Richtung der Stelle, von der ich meinte, den jämmerlichen Körper meines Feindes, fallen gesehen zu haben. Erstaunlicherweise begegnete ich auf der kurzen Strecke keiner meiner Gegner. Sie mussten sich wohl in der Mitte zusammengerottet haben, um dem unwiderruflichen Ende etwas länger zu entgehen. Wie erbärmlich. Statt eventueller Angriffe musste ich jedoch immer häufiger kleineren Brandherden ausweichen. Einige erinnerten auf groteske Art und Weise an Menschen, die unter Schmerzen den Flammen erlegen waren. Die Schreie von vorhin hatten mich also nicht getäuscht. Ich beschleunigte meine Suche und fand nach einiger Zeit tatsächlich – erstaunlicherweise unversehrt – den leblosen Körper auf einem Gebüsch wieder. Kurz schmunzelte ich. Rechts und links von mir brannten die Bäume bereits lichterloh, doch diesen einen Busch hatte das Feuer bisher verschont. Und tatsächlich... als ich mich über den entstellten Körper beugte, fand ich nach kurzer Zeit in der rechten Hand meine geliebte Halskette. Er musste sie mir wohl bei einem seiner Versuche, mich von ihm zu lösen, entrissen haben. Erleichtert nahm ich das Schmuckstück und drückte es fest an meine Lippen. Gianna... Ich genoss den kurzen Moment, der mir vorspielte, sie wieder bei mir zu haben. Nie wieder würde ich sie hergeben... nie...
 

Ich bemerkte nicht, wie sich das bedrohliche Knacken der tödlichen Flammen immer weiter näherte. Es hätte wahrscheinlich nicht einmal eine Rolle gespielt, hätte ich den Baum, der sich mir langsam zuneigte, früher gesehen. Denn... als ich mich umdrehte und dem brennenden Stamm entgegenblickte, wie er auf mich zustürzte, wich ich nicht aus...
 

Kleine Staubflocken wirbelten auf, als der Mann über das verbrannte Land schritt. Noch immer qualmten hier und dort einige Äste, doch das Leben schien den Ort bereits vor einigen Stunden vollständig verlassen zu haben. Gerade stieß er gegen einen bereits gänzlich verkohlten Stamm, um ihn aus seinem Weg zu räumen, als ein Blitzen in der Sonne seine Aufmerksamkeit erregte. Nicht weit von ihm entfernt auf einem kleinen Berg schwarzer Asche lag ein kleiner Rosenquarz in einer etwas verbogenen Herzfassung. Vorsichtig ging er in die Hocke und nahm den Edelstein an sich, bevor er sich schmerzlich lächelnd wieder aufrichtete.

„Du bist so ein Vollidiot...“, murmelte er der Asche, die sich bei einem leicht aufkommenden Wind etwas verstreute und ihm den Geruch von Weihrauch in die Nase trieb, zu. Dann drehte er sich um und verließ den Platz in Richtung seiner Meister, die auf der Wiese einige Meter entfernt auf ihn warteten.
 

„Hast du gefunden, was du gesucht hast?“

Aro blickte Demetri mit einem geduldigen Lächeln entgegen, während er auf eine Antwort seines Untergebenen wartete. Dieser umschloss die Überreste des Amuletts etwas fester, bevor er mit fester Stimme erwiderte: „Ja, Meister. Danke, dass Ihr mich hierherkommen lassen habt. Ich... Wir können gehen, wenn Ihr es wünscht...“



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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von:  Lingo
2010-08-30T20:47:54+00:00 30.08.2010 22:47
-lachend am Boden rumkuller-
Der Römer auf der Twilight Convention! /DDD
Das Bild ist .... wortwörtlich umwerfend! :D :D :D
Von:  Zhu
2010-08-29T21:08:27+00:00 29.08.2010 23:08
Ach ich steh auf Römer <- woher kam das jetzt? xD
Also ich gestehe offen, das ich jetzt so dermaßen in der Welt deines O-shots stecke, das ich womöglich noch einige Sekunden brauche bis ich aufhöre mich zu wundern wo mein Sklave steckt. xD
Sehr bildlich und schön geschildert, vor allem auch logisch von vorne bis hinten und vom historischen Denken korrekter, als manch andere Fanfic auf mexx. Besonders der Gedankengang, das es überflüßig sei Sklaven zu töten, weil es Verlust brächte (ich hab den exaten Wortlaut leider schon nicht mehr im Kopf^^°) ist wirklich gut an dieser Stelle.
Winziger Kritikpunkt: Absätze fehlen fast völlig und zumindest ich finde es etwas schwierig den Text so zu lesen (ich verrutsche zugern in der Teile xD) aber da dass nur Kritik an der Form ist, kann man das getrost unter den Tisch fallen lassen.
Wirklich gut
♥ Zhu ✖✐✖
Von:  Chevelle
2010-08-27T13:50:44+00:00 27.08.2010 15:50
Übrigens das Bild... jedes Mal, wenn ich mir das ansehen muss, bekomme ich den derbsten Rofler :'D
Von:  Chevelle
2010-08-27T13:50:03+00:00 27.08.2010 15:50
Also.. ich finde deine OSs klasse, du musst dir wirklich nichts bei denen einreden! Ich denke, dass ich für iele sprechen kann, wenn ich sage, dass du nicht so selbstkritisch sein brauchst, weil es dafür nicht den geringsten Grund gibt. :)
Zuerst einmal: Ich bin froh, dass du deine OSs veröffentlichst! Sie sind das Lesen allemal wert.

Zur konstruktiven Kritik (ich bemühe mich, auch immer schön konstruktiv zu bleiben /D):
Dein Schreibstil ist wirklich klasse. Es liest sich alles flüssig, keine Rechtschreib- wie Grammatikfehler und vor allem ist dein Wortschatz wirklich riesig. Ich beneide dich um deine Wortwahl.

> Eigentlich war sie nur eine der vielen Affären, die ich bis jetzt hatte. Nun, nicht ganz. Für gewöhnlich pflegte ich meine „Partnerinnen“ zu töten. Das hörte sich vielleicht sadistisch an, ekelerregend, unmenschlich, aber das lag wohl daran, dass ich kein Mensch mehr war.

Diese Stelle gehört zu meinen absoluten Lieblingsstellen in deinem OS. Irgendwie musste ich schmunzeln, als ich es gelesen hatte, vor allem wegen der passenden Wortwahl und nicht zu guter letzt, weil du genau Felix' Charakter getroffen hast - nun zumindest den Felix, den wir (Ringo, Flippi, ich... und ich denke auch du) uns so vorstellen.

Im Allgemeinen finde ich es wirklich niedlich, wie du Felix und seine Art verliebt zu sein (und später auch enttäuscht zu werden) beschreibst. Irgendwie passt auch dies.
Und außerdem könnte man auch sagen, dass eben dieses Erlebnis der Grund dafür ist, dass er eben so brutal und herzlos rüberkommen will - obwohl er ja eigentlich ein Knuffel ist.

Nun zuletzt.. ich frage mich, wo du die Stelle mit der Vorgeschichte gelassen hast. Also die Stelle, wo Erminia Felix fragt, ob er eine Statue sei. Wenn ich mich recht entsinne, war die doch in der Rohfassung mit drin, oder? Naja, auch egal. Mir gefällt der OS auch so :)

Es wäre wohl nur zu sagen, dass du mehr Absätze machen könntest. Es wäre etwas leichter zu lesen. :)

Sonst, alles in allem, ein wirklich klasse OS :)
Ich hoffe, dass du noch mehr schreibst. (Selbstkritisch brauchst du da wirklich überhaupt nicht sein!)

Chevelle
Von:  Chevelle
2010-08-18T19:02:48+00:00 18.08.2010 21:02
Und ich kann mich Melina eigentlich nur anschließen: Deine Selbstkritik ist völlig... überflüssig. Es ist nur eine Blockade, die dich am Schreiben hindert. Du brauchst wirklich nicht selbstkritisch sein, auch nicht, wenn du nur einige Kommentare bekommst. Ich meine, sieh dir meine FFs an. Das liegt wohl immer etwas am Thema; schade, dass nur so wenige Leute Volturi FFs lesen.

Nun, dein Schreibstil ist wirklich klasse, da weiß ich auch gar nicht was du hast. Man kann alles flüssig lesen und es ist leicht verständlich, was aber keinesfalls heißt, dass du einen Kindergartenschreibstil hast. Wieder einmal übertrieben.

Am liebsten würde ich nun auch die Stelle, die Ringo aufgeschrieben hat, zitieren, nur das wäre irgendwie unkreativ. Ich finde die Stelle aber genauso klasse, vor allem die Formulierung. Wie du das beschrieben hast, dass er schon auf der Kippe steht. Schön gemacht :3
Und die Actionszene finde ich gar nicht mal so schlecht, auch wenn du es nicht leiden kannst, sie zu schreiben.

> Bei jedem seiner Schritte stöhnte der Mann auf,
> doch diese Schmerzen waren nichts im Vergleich
> zu dem, was ihm noch bevorstand.


Bei dem Satz war ich jedoch etwas verwirrt. Soll das schon der Anfang der Verwandlung da stellen oder noch die Schmerzen von dem Kampf. Weil da ist er doch bewusstlos geworden, oder? Wie kann er noch aufstöhnen?

Alles in Allem finde ich deinen OS wirklich toll. Ich liebe Felix und das weißt du :3
Ich mag es, wie du dir seine Verwandlung vorgestellt hattest. Schade, dass er nur so kurz ist.. wir wollen mehr von dir lesen :3
Und danke noch mal für die Widmung... ich finde deinen OS total klasse, ich habe nichts mehr daran auszusetzen. Und ich meine, dass du dann auch noch über Felix schreibst; der OS kann mir nur gefallen. Du bist einfach nur zu selbstkritisch. Und das völlig unberechtigt. o.ô
(Und tut mir Leid, dass ich nicht früher einen Kommentar schreiben konnte, aber ich hatte in den letzten zwei Tagen keine Zeit dafür.)

Achja; das Bild müssen wir irgend wie noch mal ändern. Der sieht da aus wie 16. Und das Bild sieht irgendwie... schlimm aus.
Von:  Lingo
2010-08-16T13:17:14+00:00 16.08.2010 15:17
Ich kann mich wirklich nur wiederholen: Deine Selbstkritik ist nicht gerechtfertigt.
Denn du hast einen sehr schönen, leicht verständlichen Schreibstil, der absolut nicht plump klingt.
Außerdem sind die harten Übergänge, wie du gesagt hast, - wenn sie überhaupt da sind - kaum merkbar.

> Plötzlich stockte er, als er an einem mittelalten Mann in zerrissenen
> Kleidern hielt, dessen Herz noch immer hartnäckig gegen das Unvermeidliche
> ankämpfte. Eigentlich hätte er schon längst das Zeitliche gesegnet haben
> müssen, wenn man von der Blutlache, die ihn umgab ausging.


Das ist und bleibt einfach meine Lieblingsstelle der FF... du hast es einfach fantastisch geschrieben und auch wirklich gut gezeigt, welche beweggründe Aro hatte. Überhaupt liebe ich den Szenenwechsel, in dem du dann plötzlich die Sicht auf die Volturi schwenkst.
Du bist viel zu selbstkritisch, was du schreibst, ist gut. :3


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