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Uma melodia Inglês

Wie die Musik mein Herz eroberte
von

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Ballade No. 4 de Chopin

Das Licht glitt durch die hellen Vorhänge und zog lange Bahnen auf dem hölzernen Boden. Ein leichtes Vibrieren ließ die Dielen schwingen. Ein heller Ton, ein weiterer und eine Melodie bildete sich in der Stille. Intensiver, leidenschaftlicher durchzog sie den Raum, der nun immer mehr von den warmen Strahlen der Sonne getränkt wurde. Jeder Ton erfüllte die Luft, die Ballade No.4 von Chopin tänzelte in seiner Vollkommenheit durch die stehende Luft. Nichts weiter war zu hören, bis auf diese Melodie, diese Melodie, die so voller Leidenschaft alles in seinen Bann zog. Ihre Finger glitten über die schneeweißen Tasten, berührten die Schwarzen mit einer Sanftheit, die doch so bestimmt war. Ihr Blick verträumt, die Lieder halb geschlossen, während sich ihre roten Lippen nur ein kleines Stück geöffnet an der Luft bedienten, die sie umschwebte. Die Luft, die so getränkt war von der Melodie, von der Liebe, die von diesen Tönen ausging. Die Welt schien still zu stehen in diesem Augenblick, Myra wagte es nicht zu atmen, während sie auf die Finger der Pianistin schaute. Ich sah es ihr an, sie war berührt, genau wie ich es war. Mein Kopf legte sich auf meine Schulter, schief schaute ich ihr dabei zu, wie sie ihre Finger weiter über die Tasten tanzen ließ und sich mehr und mehr in der Melodie verlor. Sie brauchte keine Noten, sie brauchte nichts, nur sich, die Tasten und as Gefühl in ihren Fingern, dass ich so sehr bewunderte. Ihr Haar glänzte, als das Sonnenlicht sie erreichte. Es bildete einen Kontrast zu ihrer Bräune, ihre Lippen faszinierten mich, ihre Konzentration war unglaublich und ich konnte einfach nichts anderes machen, als sie anzusehen. Warum war ich nicht schon vorher auf die Idee gekommen meine jüngere Schwester zu ihrem Klavierunterricht zu begleiten? Vielleicht weil ich mich nie für klassische Musik interessiert hatte, vielleicht aber auch, weil ich nicht gewusst hatte, wie wunderbar klassische Musik sein konnte, wenn jemand wie sie am Klavier saß. Die Melodie versummte, Schweigen umhüllte den Raum. Es dauerte einen Moment, ehe sie wieder in dieser Welt angekommen war. Sie strich sich eine hellblonde Strähne hinters Ohr. Ich bemerkte den kleinen Ohrstecker in Form eines Notenschlüssels, ich bemerkte das kleine Muttermal an ihrem Ohr, die zarten Haare, die sich weigerten den Weg hinters Ohr zu finden. Sie drehte sich um und er konnte ihr in die rehbraunen Augen sehen, sie hatten einen Glanz, als hätte sie die Tränen unterdrückt, während sie gespielt hatte. Ich war wie verzaubert, als ich sie anschaute.

„Myra, das ist dein nächstes Stück“, sagte sie und strich sie das Kleid glatt, das sie trug. Dann stand sie auf.

„Chopin“, erwiderte Myra. Sie biss sich auf die Unterlippe, ich konnte es genau sehen. Sie tat das immer, wenn sie Angst vor etwas hatte.

„Ganz ruhig“, lächelte sie und trat von dem Piano weg. Ich konnte den Blick nicht von ihr lassen, ich konnte es einfach nicht und ich glaube, dass sie, ja, dass sie es bemerkte, denn sie erwiderte meinen Blick mit einem sanften Lächeln.

„Deine Schwester ist sehr talentiert, aber sie unterschätzt sich stets“, es dauerte bis ich realisierte, dass sie mit mir sprach, denn bisher hatte sie nicht mehr Worte als „Guten Tag“ an mich gerichtet, als Myra und ich die Klavierschule betreten hatten.

„Oh ja, ich weiß“, erwiderte ich etwas verwirrt und fuhr mir durchs Haar. Die Wangen wurden rot und warm, ich bemerkte dies sofort, Verlegenheit? Ich,… wie lange war ich nicht mehr verlegen gewesen,…. Es musste Jahre her sein, wie ein kleiner Junge musste ich aussehen, doch sie beachtete mich gar nicht mehr, sondern legte die Noten sichtbar für Myra bereit.

„Nimm dir einen Stift und geh die Noten durch, markiere dir Fingersätze die dir auffallen und stellen, die dir schwierig erscheinen, du weißt, was ich meine, denn du machst das schließlich nicht das erste Mal“, sie legte den Kopf schief, ich wusste, dass sie lächelte, obwohl ich ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte, da sie es wieder dem Klavier und damit meiner Schwester zugewandt hatte.

„Ja, ich weiß, aber meinst du nicht, dass diese Stück eventuell doch noch etwas zu schwer für mich ist?“, ich spürte die Angst in ihrer Stimme, ich spürte deutlich den Respekt vor der Ballade No. 4 von Chopin, den sie hatte, aber ich konnte es nicht verstehen. Es war doch nur ein Musikstück, wenn auch ein Wunderschönes. In meinen Ohren klang immer noch die Melodie, die bis vor wenigen Minuten den Raum erfüllt hatte.

„Nein, das wirst du hinbekommen, du solltest nicht immer an die zweifeln, Myra. Du bist wirklich gut“, versuchte sie meine kleine Schwester zu ermutigen, die auf dem Klavierstuhl wie ein kleines Häufchen Elend saß.

„Ich weiß nicht“, seufzte sie und strich das dunkelbraune Haar aus dem Gesicht. Wir sahen uns wirklich ähnlich. Die gleiche Haarfarbe, die selbe Nase, genau der selbe Blick, wenn wir genervt waren und dies waren nur die Dinge, die einem sofort auffielen, aber mein Selbstbewusstsein war weitaus ausgeprägter als bei ihr. Selten plagten mich Selbstzweifel, ich litt wohl eher an Übermut, dass etwas zu schwer für mich sein könnte, dies würde mir nie in den Sinn kommen, aber Myra war da wohl einfach anders.

Sie legte die Hand auf ihre Schulter.

„Ich weiß es und das sollte dir wohl reichen“, dann entfernte sie die Hand wieder und drehte sich zu mir um, ihr Anblick haute mich fast aus den Socken. Ihr intensiver Blick, ihr hellblondes Haar und ihr gebräunter Teint, kein Wort wollte meinen Lippen entweichen.

„Du hast es überlebt, trotz deiner Abneigung zur klassischen Musik. War’s so schlimm?“, ihre Worte trafen mich, doch ich konnte nichts erwidern, ich schluckte den schweren Kloß in meinem Hals herunter.

„Sprachlos? Ich dachte, dass ihm das nie passiert?“, sie warf ein einen Blick über die Schulter zu ihrer Schülerin. Das Grinsen auf dem Gesicht meiner Schwester war nicht zu übersehen.

„Nur bei seiner Freundin, Sara“, sie grinste breit und es war einer dieser Momente, wo ich sie mir am liebsten geschnappt hätte, das Fenster aufgerissen hätte und sie in einem hohen Bogen aus dem Fenster geworfen hätte.

„Aha, er hat eine Freundin? Interessant“, stellte sie fest, während sie süffisant lächelte.

„Ähm ja“, presste ich heraus, um die Blamage etwas zu mildern, aber dafür war es vermutlich schon zu spät. Wieso hatte sie das sagen müssen?!

„Na dann, grüß sie nett von mir“, sie lächelte ein bezauberndes Lächeln und ging zu ihrem Schreibtisch.

„Wir sehen uns nächste Woche, Myra“, verabschiedete sie uns von dort aus und ich begriff, dass es Zeit war jetzt zu gehen. Ich hätte doch nicht mitgehen sollen, das Ende war böse gewesen und er hackte innerlich auf mich selbst ein. Ich schaute sie noch an oder wohl eher ihren Rücken, dann ihren Hintern. Mein Blick klebte an ihr, bis die Stimme meiner Schwester mich in die wirkliche Welt zurückholte.

„Blaine, beweg deinen Arsch“, genervt verschränkte sie die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen. Ich erwachte aus meiner Starre, sie blickte noch einmal zu mir, lächelte und ein schweres unergründliches Gefühl durchfloss meinen Körper. Ich wandte mich um und verließ die Klavierschule mit meiner Schwester.

Plaisir d'amour de Jean Martini

Meine Finger zitterten, die Melodie erfüllte meinen Körper immer noch, egal wie weit wir uns von ihr entfernten, doch ich versuchte diese innere Unruhe zu unterdrücken. Sie war nur die Klavierlehrerin meine Schwester und das was sie dort gespielt hatte, das war nichts anderes als eine Ballade von Chopin.

„Ist was?“, meine Schwester musterte mich, ich spürte ihren Blick, doch ich schüttelte nur den Kopf und presste ein „Alles okay“ heraus. Nervös ließ ich meinen Daumen über den Lautstärkeregler am Lenker fahren und versuchte mich mit sinnloser Popmusik abzulenken. Stur fuhr ich durch die Stadt, hielt ungeduldig an den rot gewordenen Ampeln und trat das Gaspedal fast bis zum Anschlag durch als wir den Ort verließen und auf der Landstraße in Richtung unseres Hauses fuhren. Die Felder folgen an uns vorbei, die Bäume schlossen die Straße ein, die Allee zu unserem Haus. Ich seufzte innerlich und bemerkte unwillkürlich die Angespanntheit meiner Schwester, als das Lied im Radio aussetzen. Sie hatte ihre Hand in ihren Oberschenkel gekrallt, die Geschwindigkeit in der Allee schien sie zu beunruhigen, ich wusste, dass diese Angst nicht von ungefähr kam, denn vor vier Jahren war unsere Tante auf dem Weg zu uns verunglückt. Sanft nahm ich die Geschwindigkeit und rollte gemäßigter auf die große Einfahrt unseres Hauses zu. Der weiße Weg verließ säuberlich neben den geschnittenen Hecken und fein gepflegten Beeten hoch zu unserem Haus, dass in seiner vollen Blüte in der Sonne des heutigen Tages stand. Behutsam fuhr ich den Weg herauf, legte den dritten Gang ein und fuhr hoch und hielt neben dem Mercedes meines Vaters. Wir stiegen aus dem Wagen, sie schwieg und auch ich hatte nicht das Bedürfnis etwas zu ihr zu sagen. Die Melodie war aus meinen Ohren verschwunden und die Zeilen eines nervigen Popsongs spuckten mir im Geist herum. Mit einem Druck auf den Knopf meines Schlüssels ließ ich den Wagen verschließen und folgte Myra zur Eingangstür, wo sie bereits von meiner Freundin Sara erwartet wurde.

„Na Myra“, sie gab ihr einen Kuss auf die Wange, ich verstand nicht was meine Schwester murmelte, jedoch schien sich ihre Laune in den Keller verzogen zu haben und ich wusste, dass ich nicht ganz unbeteiligt daran gewesen war. Sara lehnte sich gegen den Türrahmen und musterte mich lächelnd. Ihr dunkelbraunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, eine Strähne hing ihr im Gesicht herum, die sie jedoch kurzer Hand hinters Ohr strich. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. Ihre Lippen kräuselten sich leicht und ihre Nasenflügel wippten und mir wurde etwas anders, als sie mir einen sanften Kuss aufhauchte. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie sich umgezogen hatte. Bevor ich gefahren war, hatte sie noch Jeans und ein simples T-Shirt getragen, doch nun war ihr makelloser Körper in ein schickes, aber schlichtes dunkelrotes Kleid gehüllt, welches knapp über dem Knie zu ende war. Sie hatte sich eine schwarze Strickjacke übergeworfen und ihre Lippen mit einem Gloss verschönert, den ich nun auf meiner Wange spürte. Ich lächelte und legte behutsam meine Arme um ihre Taille.

„Hallo, mein Schatz“, sagte ich und küsste sie vorsichtig auf die Stirn.

„Hm, hallo“, hauchte sie leise in mein Ohr.

Sanft strich sie meine Hände von ihrer Taille und verschränkte ihre Finger in den meinen, um mich ins Haus zu ziehen. Ich schloss die Tür hinter mir und trennte mich dann von ihrer Hand, um meine Jacke auszuziehen und sie an die Garderobe zu hängen. Der Flur unseres Hause groß und breit und mit Licht geflutet. Die großzügige Treppe vor mir führte hoch in die erste Etage und viele Türen und offene Bögen rundherum in die verschiedenen Zimmer unseres Hauses. Unsere Familie lebte bereits seit mehreren Jahrhunderten hier, es handelte sich um ein altes Sommerschloss, da unser Ur- Ur- Ur- Ur- Urgroßvater, einst ein adliger Fürst war, dem mehrere leibeigene Bauern unterstellt waren. Die Gemälde aus vergangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten waren überall im Haus zu entdecken.

„Das Essen ist übrigens bald fertig“, holte mich Sara zurück ins hier und jetzt, während mein Blick über die Wände schweifte.

„Oh, was gibt es denn heute?“, fragte ich immer noch leicht verträumt und strich mir leicht geniert durch die Haare. Sara lächelte nur liebevoll und schnippte mir vorsichtig, aber mit frechem Grinsen gegen die Nase.

„Das hast du schon gefragt, als du gefahren bist, schon wieder vergessen?“

Ich hatte es tatsächlich vergessen, ich hatte das Gefühl, dass ich in den vier Wänden der Klavierschule tatsächlich viel vergessen hatte nur eines nicht, Isadora. Ich schluckte. Das wunderbare Lächeln schwebte mir durch die Gedanken, doch ich schob es schnell weg und versuchte mich auf Saras rote Lippen zu konzentrieren und küsste sie einfach anstatt ihr zu antworten. Ich hätte keinen Ton heraus bekommen, dessen war ich mir sicher. Lächelnd musterte sie mich, sie schien mir anzusehen, dass mich etwas beschäftigte. Ihr Kopf glitt zur Seite und ihre Augen durchbohrten mich förmlich.

„Was ist los?“, ich fühlte mich unbehaglich, als sie mich das fragte, fühlte mich gefangen und wie in einem Verhör, als sie die Arme um meinen Nacken legte.

„Nichts“, murmelte ich und löste mich aus ihrer Umklammerung.

„Nichts?“, sie zog die Brauen hoch und verschränkte skeptisch die Arme wieder unter der Brust.

„Ja, nichts. Ich geh hoch und zieh mich um“, schnell entfloh ich ihrem Blick und ging die Treppe hoch und in mein Zimmer. Genau wie der Flur war auch mein Zimmer hell belichtet. Die Vorhänge waren zur Seite gezogen, das große Bett war gemacht und ich betrachtete die Sachen von Sara die feinsäuberlich auf meinem Bett lagen. Sie wohnte ja schon fast bei mir und wenn ich ehrlich war, dann machte mir das angst. Sie zog leise ein, sie hatte ihre Schublade, ihre Kosmetika standen in meinem Badezimmer und eine Auswahl von Schuhen stand neben der Kommode. Ich stemmte die Hände in die Hüfte und schaute aus dem Fenster. Klar, ich liebte Sara, aber das alles hier, ich schluckte und strich mir durchs Haar. Langsam drehte ich mich um und ging auf meinen Kleiderschrank zu, machte ihn auf und griff nach einer legeren Jeans und einem normalen T-Shirt. Vorsichtig knöpfte ich mein Hemd auf und warf es dann doch unachtsam aufs Bett, schlüpfte aus der Hose und schmiss sie daneben. Danach schlüpfte ich in die Jeans und streifte das Shirt über, warf die Schuhe in die Ecke und betrachtete einen Moment meine Socken, wieso ich das tat, keine Ahnung. Noch Mal atmete ich tief ein, ich musste wieder runter gehen und essen, es war Zeit. Die Tür schlug ich hinter mir laut zu, es beruhigte mich ein bisschen und während ich die Treppe hinunter ging erklang aus dem Wohnzimmer Plaisir d’amour von Martini, doch die Freude, ja der Spaß an der Liebe zu Sara war gerade am Schwinden. Ich betrat die Küche, sah sie neben meiner Mutter sitzen, sie lachten und für meine Mutter, ja für sie war Sara schon ihre Schwiegertochter. Sara erfüllte einfach alles was meine Eltern als wichtig ansahen. Sie studierte Jura an der besten Universität hier in der Nähe, dazu kam sie aus gutem Haus, ihr Vater der Besitzer eines riesigen Industriekonzerns und ihre Mutter Vorstandsmitglied im Museumsverein. Ihre Schwester hatte ihr Studium bereits abgeschlossen und war eine erfolgreiche Dolmetscherin.

„Ach Sara, das ist doch wunderbar“, hörte ich meine Mutter sagen und ich schüttelte nur leicht den Kopf. Das Klavierspiel verstummte, der Zynismus endete damit und ich atmete erleichtert auf.

„Blaine?“, ich musste wohl auf mich aufmerksam gemacht haben. Die grauen Augen meiner Mutter musterten mich abschätzend über den Rand ihrer rahmenlosen Brille.

„Was ist denn Mum?“, ich setzte mich ihr gegenüber.

„Macht Myra Fortschritte?“, sie umfasste ihre Brille an der Seite und legte sie mit spitzen Fingern auf den Tisch.

„Ja, sie wird jetzt die Ballade No. 4 von Chopin spielen“, erklärte ich und faltete die Hände vor mir auf dem Tisch.

„Die Ballade No. 4 von Chopin, sehr schön und wieso spielt sie dann hier immer noch Plaisir d’amour? Sie sollte beginnen das Stück zu spielen, damit sie es auf dem Geburtstag eures Vaters zum Besten geben kann“, bemerkte sie spitz, als sie zum Wohnzimmer schielte in dem Myra gerade zu einer kleinen Fingerübung angesetzt hatte.

„Isa… Miss Florescência meinte, dass sie sich das Stück erst theoretisch erarbeiten muss. Dies wird sie wohl bis zum Essen nicht schaffen“, ich lächelte und innerlich übergab ich mich. Ich hasste dieses Aufgesetzte in unserer Familie, mir tat meine Schwester unheimlich Leid, weil sie immer so gedrängt wurde alles perfekt zu machen, um unsere Familie zu repräsentieren.

„Du wolltest sie beim Vornamen nennen, Blaine. Du weißt, dass sie das nicht gehört“, rief sie mich zur Ordnung wie einen zwölfjährigen Schuljungen.

„Ich weiß, es fällt mir nur schwer, weil sie nur etwas jünger ist als ich“, ich musste es unterdrücken die Augen zu verdrehen.

„Anstand, mein Junge. Wir haben keinerlei Bindung zu dieser Frau, es ist ein rein geschäftliches Verhältnis. Wir haben sie nur ausgewählt, weil sie beeindruckende Empfehlungsschreiben von mehreren ausgezeichneten Orchesterleitern hat, doch wirklich als passend würde ich sie trotzdem nicht bezeichnen“, ich hörte die Abneigung in ihrer Stimme. Ich wusste nicht viel über Isadora, aber anscheinend schienen ihre familiären Hintergründe meiner Mutter nicht wirklich zu passen, aber ich weigerte mich nachzufragen. Ich nickte nur und beendete damit die Unterhaltung, als meine Mutter meine Kapitulation bemerkte nickte sie zufrieden.

„Myra, würdest du nun bitte auch die Freundlichkeit besitzen in die Küche zu kommen, wir wollen essen“, sie griff nach einer kleinen Glocke und unsere Dienstmädchen Lucy und Charlotte brachten das Essen an den gedeckten Tisch.

Sara nahm kurz die Hand meiner Mutter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf Mutter nur zustimmend nickte.

„Sara hat mir so eben etwas Wundervolles erzählt, Schatz.“ Ich wusste sofort, dass es für mich nicht so wunderbar sein würde.

Autumn de Vladimir Sterzer

„Cornwall?“, ich zog die Brauen hoch und schob meinen halbvollen Teller weg.

„Cornwall ist wunderschön und dort ein Hotel zum Heiraten zu bekommen ist sehr selten“, versuchte Sara mir zur erklären und lächelte verträumt. Vermutlich sah sie sich in Gedanken schon in einem weißen Kleid vor dem Altar einer kleinen Kapelle stehen.

„Ich hab dich nicht mal gefragt, ob du mich heiraten willst“, platzt es aus mir heraus.

Mit einem Mal war es still. Sara und meine Mutter schauten mich mit großen Augen an.

Myra grinste und fing sich sofort einen kühlen Blick von Sara ein, der ihr Lächeln sterben ließ.

„Aber …“, ihr standen die Tränen in den Augen, sie sah mich entsetzt an.

„Nichts aber“, erwiderte ich und schob den Stuhl zurück, um aufzustehen.

„Blaine, setz dich sofort wieder hin!“, herrschte meine Mutter und ihre Stimme zitterte vor Angst.

„Nein, Mum. Ihr macht hier irgendwelche Hochzeitspläne ohne mich überhaupt zu fragen! Ich bin 25 und ich habe eigentlich noch nicht darüber nachgedacht zu heiraten, man Sara, du bist 24 und regst dich jetzt darüber auf, dass ich dich noch nicht gefragt habe?“, natürlich redete ich mich in Rage und die schockierten Blicke meiner Freundin und meiner Mutter lagen auf mir. Ich konnte die Tränen in ihren Augen sehen, sie glitzerten, es war fast so, als wenn ihre kleine Welt mit meinen Worten in sich zusammengebrochen war.

„Aber ich dachte, dass du mich liebst“, natürlich, der Joker. Es war klar, dass sie wieder damit ankam. ’Ich dachte du liebst mich … ’ ist die beste Waffe einer Frau, um ihren Liebsten gefügig zu machen und bisher hatte sich mich damit immer bekommen, doch langsam stellte ich mir wirklich die Frage, ob das unsere Liebe ausmachte und ob ich sie überhaupt noch liebte, wenn sie so etwas plante ohne mich überhaupt einzuweihen.

„Blaine“, mischte sich nun wieder meine Mutter ein, ihre Stimme war so streng und unter anderen Umständen und mit weniger Wut im Bauch hätte es vermutlich auch gewirkt, doch heute und jetzt in diesem Augenblick war ich einfach nur geladen.

„Nichts Blaine. Ihr plant hier mein Leben und das einfach ohne mich zu fragen, was soll das?!“

„Ihr seid bereits seit über vier Jahren zusammen, da kann man über eine Hochzeit nachdenken, meinst du nicht junger Mann?“, sie funkelte mich böse an und ich hielt ihrem Blick stand. Myra erhob sich langsam und bewegte sich unbemerkt aus der Küche. Sara liefen die Tränen die Wangen herunter, sie schluchzte und schniefte immer noch.

„Aber dann werde ich den ersten Schritt machen und fragen, ob sie mich heiraten will, aber das habe ich nicht einmal getan. Ihr plant das hier, ihr habt doch sogar schon ein Datum, es würde mich nicht wundern, wenn ihr das Hotel schon gebucht hättet!“, schrie ich außer mir und schämte mich etwas dafür, weil Saras schluchzen immer heftiger wurde und sie kurz vorm Hyperventilieren stand.

„Blaine“, hauchte sie und ich betrachtete sie nur kurz. Ich war so wütend auf sie und auf meine Mutter, dass mir weitere Worte fehlten und ich genervt die Küche verließ nach meinem Autoschlüssel griff und die Haustür mit voller Wucht ins Schloss fallen ließ. Schnell hastete ich zum Auto, denn ich wusste, dass Sara mir nachgerannt kam.

„Blaine“, rief sie schluchzend, doch ich warf keinen Blick zurück und stieg in den Wagen. Sie trat vom Eingang auf die Einfahrt zu, doch ich startete meinen Wagen und fuhr zur Straße, ich konnte ihre Tränen noch im Rückspiegel glänzen sehen, doch das war mir jetzt zuviel und ich brauchte den Abstand.

Ich drehte die Musik auf und fuhr durch die Allee, das Gaspedal war fast durchgetreten beim Beschleunigen, doch drosselte dann mein Tempo wieder, da ich an meine Schwester denken musste, die vorhin so verkrampft neben mir gesessen hatte.

Ich atmete tief durch und versuchte mich wieder zu beruhigen, doch das Schluchzen von Sara lag mir immer noch schwer im Gedächtnis, ich hörte es, als ob sie hinter mir säße, doch ich wusste, dass sie das nicht tat. In der Nähe der Altstadt parkte ich den Wagen und ging ein paar Schritte. Die Blätter der alten Bäume bedeckten den Fußweg der an den Geschäften vorbei führte. Mein Blick lag leer am Ende der Straße, ich ließ meine Gedanken schweifen, ließ die Hände in die Taschen rutschen. Die Stadt war immer voll um diese Zeit, doch so wirklich nahm ich die Menschen nicht mehr wahr. Hochzeit, in Cornwall. Ich schüttelte verärgert den Kopf. Was verfiel den beiden denn bloß ein mein Leben zu verplanen ohne mich überhaupt zu fragen, ich hatte nie an eine Heirat gedacht, bis jetzt zumindest nicht. 25 Jahre, das Leben doch noch vor mir, vielleicht konnte man in vier Jahren über Hochzeit reden, aber doch jetzt noch nicht. Ich studierte und auch Sara hatte ihr Studium gerade begonnen. Berufserfahrung und eine eigene Wohnung, all so etwas. Na ja, sie wohnte ja schon bei mir, wenn auch nicht offiziell. Ich kickte einen Stein vor mir her, mittlerweile war ich im Stadtpark angekommen. Der Wind rauschte durch die Blätter der herbstlich gefärbten Bäume. Etwas kühl umwehte er meine Ohren und ich zitterte. Dieser Gedanke an meine fast verplante Zukunft ließ mich nicht in Ruhe, er machte mich so wütend und gleichzeitig auch nachdenklich. Es beschrieb eigentlich nur mein ganzes Leben. Meine Mutter bestimmte über mich und meine Schwester, seit ich denken konnte. Es war nicht meine Entscheidung Medizin zu studieren und Arzt zu werden und es war auch nicht der Wille meiner Schwester Klavier zu spielen, es war nicht mein Wille Sara kennen zu lernen, nein, auch das hatte meine Mutter eingefädelt. ’Sie passt so gut zu dir’ hatte sie gesagt und mir dir eigentlich mir gemeint, Sara passte zu ihr.

„Blaine?“, ich drehte mich um. Verwirrt und durcheinander.

„Blaine“, wieder, es war eine sanfte Stimme und ich sah mich um, von wem kam sie und wer rief mich da?

„Blaine“, jetzt stand sie vor mir. Lächelnd. Das hellblonde Haar offen, einen roten Mantel tragend, eine schwarze Strumpfhose umspielte ihre schlanken Beine und endete in ebenso schwarzen Stiefeln.

„Isadora“, murmelte ich etwas neben der Spur, ich hätte nicht damit gerechnet sie hier zu sehen.

„Blaine Whitecast“, sie schüttelte lächelnd den Kopf, ihre roten Lippen bewegten sich so wundervoll, wenn sie meinen Namen aussprach.

„Der bin ich, ja“, stellte ich fest und lächelte, ich lächelte und vergaß fast meine Wut bei ihrem wundervollen Lächeln und ich konnte mir wirklich nicht erklären wie sie das schaffte.

„Das will ich doch hoffen, so schnell vergesse ich Menschen nicht“, sie lachte und auch ich lachte leise, sie hatte so ein wunderschönes Lachen.

„Wir haben uns ja auch heute erst kennen gelernt, also so richtig mein ich, nein richtig war das auch nicht“, verlegen strich ich mir durch Haar, dass ohnehin schon vom Wind durcheinander gebracht wurde. Ich seufzte und griff intuitiv in meine Jackentasche, um meine Zigaretten heraus zu holen.

„Der verzeige Medizinstudent raucht also?“, sie hob die Brauen.

„Marotte, ja“, ich steckte die Schachtel wieder ein und bis mir nervös auf die Unterlippe.

„Rauch ruhig“, meinte sie und strich sich eine der hellblonden Strähnen hinters Ohr, sodass ein weißer Perlenohrring zum Vorschein kam.

„Nein, es ist eine schlechte Marotte, ich sollte aufhören“, ich zuckte die Schultern.

„Wenn du das sagst“, Isadora lächelte abermals.

„Ja, schließlich studiere ich Medizin und weiß, was das mit meiner Lunge anrichtet, hast du schon mal eine Raucherlunge gesehen? Widerlich… also wirklich. Ich habe eigentlich nur damit angefangen, um einmal Ruhe vor meiner Mutter und meiner Freundin zu haben, die ekeln sich vor dem Rauch“, ich musste schmunzeln, wurde aber gleich auch wieder unangenehm an meine Freundin, meine Mutter und ihre Hochzeitspläne erinnert.

„Ruhe? Wie soll ich das denn verstehen? Ich meine deine Freundin, ich dachte, dass du sie liebst und wenn man jemanden liebt …“, sie musste den Satz nicht beenden, sie schien es an meinem Gesichtsausdruck zu erkennen.

„Lass uns einen Kaffee trinken gehen“; schlug ich vor und sie stimmte mit einem Nicken ein.

„Kennst du das Parkcafé?“, fragte sie und schlenderte die Hände in die Taschen ihres Mantels geschoben.

„Ja, ich hab mich da früher immer mit Sara getroffen“, erwiderte ich und steuerte darauf zu.

„Sie heißt Sara? Ein schöner Name.“
 

Angekommen hielt ich ihr die Tür auf. Das Café war spärlich besetzt. Kleine Tische mit kleinen Teelichtlampen auf den Tischen, hübsche freundliche Vorhänge säumten die Fenster, die das Herbstlicht hinein ließen. Es roch nach Kuchen, Kaffee und einer Spur von Zucker und Zimt.

„Ich liebe den Geruch und die freundliche Wärme, wenn man das Café beritt“, sie strahlte förmlich und zog den Mantel aus, ich nahm ihn ihr ab und hängte ihn an die Garderobe und meine Jacke gleich daneben. Wir suchten uns einen gemütlichen Tisch in einer Nische und setzten uns gegenüber. Sie griff nach der Karte, ich bemerkte ihre matt lackierten Fingernägel, ich erkannte die Eleganz, die ich heute schon bei ihrem Klavierspiel beobachten durfte.

„Hm, ich glaube, dass ich einen Kakao trinke“, überlegte sie laut ohne mich wirklich dazu zu befragen, ich beobachtete sie, wie sie mit dem Finger über die Angebote der Karte vor. Aus den Lautsprechern, die verdeckt hinter den Vorhängen waren erklang leise Klaviermusik, eine wundervolle Musik und ich stellte mir vor, wie Isadora selbst an ihrem Flügel saß und die Melodie spielte, sowie sie heute die Ballade No. 4 von Chopin gespielt hatte und mein Herz damit berührt hatte, wie noch nie jemand es vorher getan hatte.

Sie riss mich allerdings schnell aus dieser kindlichen Fantasie in dem sie mir die Karte vorlegte.

„Was möchtest du trinken?“, fragte sie und legte den Kopf schief, sie musterte mich, lächelte, beugte sich zu mir rüber und fischte etwas aus meinem Haar.

„Was war da?“, fragte ich verwirrt.

„Ein Blatt, es ist Herbst … Autumn … von Vladimir Sterzer“, ich sah sie verwirrt an.

„Vladimir wer?“, ich musste in diesem Moment wirklich daneben ausgesehen haben, denn sie konnte nicht anders als zu lachen, so herzlich und klar.

„Ein Komponist. Das Lied… es heißt Autumn, es passt perfekt, findest du nicht?“

Der Norden der Welt, Tomte

Ich weiß nicht wie lang wir in diesem Café saßen, wir waren die letzten Gäste. Die Kellnerin war bereits dabei die anderen Tische zu reinigen, das Licht der Straßenlaternen glitt mit leichtem Schein durch die kleinen Fenster, doch trotzdem konnte ich meinen Blick nicht von Isadora lassen. Ihr Lächeln, wie sie mit dem Finger über den Rand ihrer Tasse fuhr und immer wieder von Musik erzählte, wie sie von ihrer Familie erzählte, von Portugal und wie sehr sie sich danach sehnte einmal wieder ihre Großmutter Ana zu besuchen, die zusammen mit ihrem Großvater ein kleines Fischerhaus nah der Stadt Faro besaß. Wie sie vor Freude strahlend von dem Klavier erzählte, dass gegenüber der Küche stand, wie sie es als Kind geliebt hatte ihren Großeltern die großen Werke der Klassik zu spielen, doch sie war gegangen vom Süden des Landes zum Norden der Welt in meinen Norden und so sehr ich ihre Sehnsucht auch spürte, desto mehr erfüllte es mein Herz, dass sie in meinen Norden gekommen war. Ich lauschte gespannt den Geschichten ihrer Kindheit, sog jedes Wort heraus, das ihre zauberhafte Stimme formte und konzentrierte mich genau auf ihre Mimik, während sie immer wieder eine neue Anekdote preisgab.

„Ich erzähle soviel“, lächelte sie leicht beschämt und ihre gebräunten Wangen erröteten leicht, verlegen strich sie sich eine hellblonde Strähne wieder hinters Ohr und lehnte sich zurück.

„Ich höre dir gerne zu, es sind wirklich wundervolle Erinnerungen“, versuchte ich sie wieder dazu zu bringen etwas Neues zu erzählen, doch Isadora lächelte nur schwach und deutete versteckt auf die genervt wirkende Kellnerin.

Diese trat auf den Tisch zu und räusperte sich.

„Ich möchte ja wirklich nicht stören, aber ich würde gerne schließen“, seufzte sie zuckersüß.

„Oh, ähm“, nun zuckte ich verlegen die Schultern, zog mein Portemonnaie aus der Hosentasche, ich legte eine zehn Pfundnote auf den Tisch.

„Das stimmt so“, ich zwinkerte ihr zu und die junge Kellnerin lächelte immer noch reichlich genervt und steckte es ein.

„Auf Wiedersehen“, presste sie noch mit leicht höflichem Unterton heraus und trat dann hinter die Theke, um sich weiter dem Aufräumen zu widmen.

„Ich hätte das auch selbst bezahlen können“, Isadora stand auf und schob ihren Stuhl wieder an den Tisch,

„Ach Quatsch, das ist schon gut so“, ich lächelte ihr freundlich zu und half ihr dann in ihre Jacke und zog danach meine an. Ganz wie ein Gentleman hielt ich ihr die Tür auf und schlüpfte hinter ihr in den angebrochenen Abend.

„Ich hätte nicht vermutet, dass es bereits zu spät geworden ist“, gab sie vergnügt zu und ging schlendernd neben mir her.

„Ich ehrlich gesagt auch nicht, aber mit manchen Menschen vergisst man einfach die Zeit“, ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie verzaubert ich von ihr war, wie unglaublich ich mich in diesem Moment nach ihren Lippen sehnte.

„Das stimmt wohl“, sie nickte zustimmend und blieb unter einer Laterne stehen, der Herbstwind wehte durch ihr Haar und ein paar Strähnen wirbelten umher, ehe sie wieder ihren Platz fanden.

„Was ist denn?“, verwundert blieb auch ich stehen und drehte mich zu ihr um.

„Blaine“, sie schluckte, ich sah es deutlich, sodass ich auf sie zu trat.

„Was ist denn?“, ich wollte meine Hand nehmen und ihre damit fassen, doch der Mut fehlte mir und so blieb ich reglos einen halben Meter vor ihr stehen und sah hinab in ihre rehbraunen Augen.

„Du solltest zurück zu Sara fahren und du solltest mit ihr reden“, der Ernst in ihrer Stimme ließ meine Hoffnung sterben, ich wollte nicht Sara, nein. Ich wollte keine Cornwall- Hochzeit und ich wollte gewiss nicht wieder zurück zu meiner herrschenden Mutter, die Sara über alles verehrte, ich wollte hier sein, ich wollte Isadora in diesem Moment so sehr.

„Was soll ich ihr noch sagen“, presste ich etwas später aus mir heraus.

„Dass du sie liebst, das tust du doch?“

„Das weiß ich nicht mehr, sie ist nicht mehr das Mädchen in das ich mich einst verliebt habe, sie ist eine Art Hochzeitsmonster geworden, dass einfach nur noch Wert darauf legt in der Gesellschaft gut zu stehen, aber das ist nicht das, was ich will, ich will kein aufgesetztes Püppchen, dass nur das macht, was man von ihm erwartet!“, meine Stimme hatte sich in die Höhe geschaukelt, ich hatte mich in Rage geredet, war schneller geworden und merkte fasst, dass ich außer Atem war.

„Das ist der gesellschaftliche Druck, es wird besser werden“, versuchte sie mich zu beruhigen, schien aber sonst unbeeindruckt von meiner kleinen Rede.

„Wird sie nicht, Isa“, ich seufzte und nahm ihre Hand.

„Blaine, nicht“, sie zog sie wieder weg.

„Verstehst du nicht, ich will das alles nicht mehr, ich will mehr vom Leben als das, ich will mehr als die Normen und Werte meiner Familie einhalten, ich will ein eigenes Leben, ich will eigene Erfahrungen und ich will meinen eigenen Weg gehen ohne auch nur eine Kontrolle von meiner Mutter oder sonst irgendwem, der sich dem anpasst, ich will jemanden, ich will … Isadora, ich will, dass du mich leitest, ich will so wunderbare Dinge erleben, wie du sie erlebt hast, ich will auch nach Portugal, ich will ans Meer, ich will sehen, wie der Süden ist, ich will wandern, weit weit wandern und zwar mit dir, du bist mein Licht, dass mich aus dieser engen Dunkelheit leitet, ich will dein Schatten sein und sehen was du siehst, ich will einfach nur deine wunderbare Musik hören und ich will einfach nur dich, dich allein!“

Wie gebannt nach meinem Geständnis schaute sie mich an, ihre Augen weit aufgerissen, verwirrt und durcheinander.

„Ich sollte gehen“, sagte sie matt und drehte sich um.

„Isadora, …“, ich schluckte und ärgerte mich selbst über das was ich eben getan hatte, nie ließ ich mich dermaßen hinreißen und redete so offen über meine Gefühle und meine Gedanken, nein. Diese waren immer fest verschlossen.

„Blaine“, sie seufzte und sah über die Schulter zu mir. Der Schein der Laterne ließ eine Träne auf ihrer Wange glitzern.

„Du …“, ich schluckte und ging auf sie zu.

„Nein, bitte“, sie sagte es so schwach, doch ich konnte nicht anders, drehte sie zu mir und schloss sie fest in meine Arme.

Der Wind umwehte uns beide und ihr herrlicher Duft stieg in meine Nase, während ich meinen Kopf in ihre Haare drückte. Ich wusste, dass ihre Tränen weiter auf meine Jacke sickerten, ich hörte ihr Schluchzen und gleichzeitig spürte ich jedoch, dass sie ihre Arme fester um mich legte.

Es hätte keinen Ort gegeben wo ich mich in diesem Augenblick lieber befunden hätte als hier und jetzt in ihren Armen, als sie hier und jetzt in den Armen zu haben, ihre Wärme zu spüren und ihren Duft zu atmen, bis …
 

„Blaine?!“, eine wuterfüllte Stimme tönte durch den Park, Sara.

„Blaine! Wo bist du, dein Auto steht hier!“, und die noch viel zornigere Stimme meiner Mutter.
 

„Du wirst gesucht“, schluchzte Isadora und machte sich aus meiner Umarmung frei.

Ich nickte nur und strich ihr die Tränen weg.

„Ich gehe jetzt“, lächelte sie schwach, doch das Lächeln erstarb innerhalb von Sekunden wieder.

„Ich weiß“, nickte ich abermals und küsste ihre Stirn.

Isadora drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit, mein Licht erstarb und ich drehte mich um, erneut wurde mein Name gerufen, Wut, Zorn und auch Trauer erfüllten sie und ich wusste, dass es keine angenehme Begegnung werden würde und für mich eine die endgültig sein würde. Ich würde mich trennen, ich wollte keine Sara, ich wollte keine Welt, die so war wie die meiner Mutter oder gar wie die, die sie sich für mich wünschte.

„Da bist du Blaine, du weißt gar nicht, was ich für eine Angst um dich hatte“, eine Hand landete auf meiner Wange, der Schmerz verging schnell und ich sah in das verweinte und von Zorn erfüllte Gesicht meiner Ex- Freundin.

„Du brauchst dir wohl kaum noch Sorgen um mich machen“, erwiderte ich gleichgültig und hielt sie von einer Umarmung ab.

„Aber Blaine“, ihre Stimme zitterte und sie trat einen Schritt zurück, als auch meine Mutter auftauchte.

„Du hast ihn gefunden. – Was fällt dir eigentlich ein, Blaine Whitecast, so habe ich dich nicht erzogen!“, schrie sie und ich lächelte nur müde und steckte die Hände in die Hosentaschen.

„Zeig gefälligst ein bisschen Respekt gegenüber deiner Mutter! Wir waren krank vor Sorge! Wir dachten schon dir sei etwas zugestoßen!“, die Zornesröte trat immer weiter in ihr Gesicht, doch ich konnte nicht anders als zu lächeln.

„Was fällt dir ein so zu grinsen!“, schrie sie erneut und ich zuckte nur gleichgültig die Schultern, während Sara wieder in Tränen ausbrach und sich in die Arme meiner Mutter warf.

„Das bist nicht du, Blaine“, schluchzte sie.

„Falsch“, entgegnete ich so voller Gleichgültigkeit, wie sie es noch nie von mir erlebt hatte.

Verwirrt blickten mich die beiden Frauen an.

„Du, Sara, bist nicht mehr die, die ich mal geliebt habe. Ganz und gar nicht. DU bist einfach nur noch eine Kopie meiner Mutter, der ihr Ruf wichtiger ist als der Spaß am Leben und ich sage dir eines und das auch nur einmal, ich liebe dich nicht mehr und ich werde es auch nie wieder tun, ich verabscheue das was du mittlerweile verkörperst, genau wie ich dich hasse Mutter, für das, was du mir und Myra antust. Diese schreckliche Oberflächlichkeit und die Arroganz und Eitelkeit! Du solltest dich schämen und du Sara solltest dich mal im Spiegel ansehen und dich fragen, ob es das ist was du willst, so zu werden wie sie“, er zeigte mit einem Blick von Verabscheuung auf seine Mutter und lächelte nur leicht.

Der Zorn seiner Mutter schien ins unermessliche zu steigen.

„Blaine Whitecast …“, doch Blaine ließ sie nicht ausreden.

„Nein, ich bin 25 Jahre alt und ich höre mit Sicherheit nicht mehr darauf, was du mir sagst, danke auch. Sara, es ist vorbei und Mutter,… ich ziehe aus und du wirst mich nur noch sehen, wenn ich Myra besuchen komme, hast du das verstanden?!“, er wartete keine Antwort mehr ab, sondern ging an den Frauen vorbei und stieg in sein Auto. Sein Triumph war gelungen, er hatte die Ketten gesprengt, er hatte sich endlich befreit und warum hatte er das getan, weil sein Licht ihn endlich aus der engen Dunkelheit gezogen hatte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2014-03-27T20:45:49+00:00 27.03.2014 21:45
Hey,

ich bin durch Zufall auf deine Geschichte gestoßen. Gerade als Musikstudentin hat mich das interessiert. Lustigerweise bin. Ich selber kein Fan von klassischer Musik und kann mir daher sehr gut vorstellen, wie sich dein Hauptcharakter (den Namen habe ich gerade vergessen xD) gefühlt hat. So ein ähnlich geflashtes Erlebnis hatte ich auch schon mal. Sehe gut umgesetzt!
Beim lesen habe ich mich jedoch gefragt, ob du selber so sehr mit dieser klassischer Musik konfrontiert wurdest.
Anderseits hätte ich als Musiker wiederum geschrieben, welcher Notenschlüssel der Ohrring der Klavierlehrerin hat.
Es ist natürlich nur eine Kleinigkeit, aber als Musiker fällt das natürlich auf! ;-)

Ansonsten bin ich gespannt, wie es weiter geht, wobei ich schon eine Idee habe. :-)

Weiter so! :-D


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