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Just one week.

Between bets and Creek
von

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VI - Samstag

Kapitel 6
 

Ich belog Menschen ziemlich oft. Und ich belog mich selbst ziemlich oft. Aber damit war ich nicht alleine. Meiner Meinung nach bestand die ganze Welt aus einem riesigen Haufen Lügner. Jeder tat es ab und an mal. Der Unterschied zwischen mir und dem Rest der Welt war jedoch: Ich gab es zu, hatte es akzeptiert, und lebte damit. Ich mochte es sogar. Die anderen nicht.

Menschen redeten sich schon seit Anbeginn der Zeiten Dinge ein wie: “Ich bin nicht dick, das macht der Spiegel!”, oder, “Nicht ich bin das Problem, die anderen verstehen mich nur einfach nicht!”. Sie beruhigen sich selber. Sie tun so, als wäre alles in Ordnung. Warum sie das tun? Es macht sie glücklich.
 

Gestern Nacht, als ich nach Tweeks und meiner kleinen Nacht-und-Nebel-Aktion nach Hause gekommen war hatte ich mir tatsächlich wie gesagt eine Pizza gemacht. Ich hatte am Küchentisch gesessen und gedacht: morgen gehe ich zu Clyde und regle das mit ihm, ganz bestimmt.

Der Gedanke hatte mich für diesen Moment zufrieden gestimmt, ich war glücklich gewesen.

Doch ich tat es nicht..

Er würde mir gar nicht erst die Tür aufmachen. Wir würden sowieso nur wieder aneinander geraten. Mir fallen eh nie die richtigen Worte für so was ein. Eigentlich will ich mich doch gar nicht mit ihm vertragen.

Tausend Ausreden hatte ich mir einfallen lassen und mir schließlich eingestehen müssen, dass ich einfach feige war. Dass ich ein größerer Lügner war, als ich gedacht hatte. Das Ding war nur, je mehr Ausreden ich mir einfallen ließ, desto leichter fiel es mir, damit umzugehen. Ich tat also genau das, was alle anderen Menschen auch taten.
 

Aber wie bereits erwähnt, war ich da noch ein wenig anders. Ja, ich schaffte es, damit umzugehen, verdammt. Aber ich war nicht glücklich. Ich konnte mir vielleicht einreden, dass ich glücklich war, schaffte es sogar, dies für einen gewissen Zeitraum zu glauben. Doch im Grunde genommen, war ich es nicht. Denn ich wusste, dass ich mich selbst belog. Und das pisste mir wiederum ganz gewaltig ans Bein.

Die gute Laune von gestern Nacht war wie verflogen, stattdessen fühlte ich mich ziemlich zermatscht, platt, wie durchgekaut und ausgekotzt, während ich regungslos in meinem Bett lag und mir wünschte, der Morgen wäre nicht ganz so schnell gekommen. Hätte mich nicht ganz so schnell zurück ins Hier und Jetzt befördert. Hätte mir noch ein kleines bisschen Ruhe gegeben, vor diesem abartigen Gefühl in meinem Bauch. Sicherlich bahnte sich da eine Erkältung an, oder so. Anders konnte ich mir meinen Gemütszustand nicht erklären.
 

Ich hörte wie meine kleine Schwester unsere Treppe runter polterte.

Sie war gerade in diesem Alter, wo man in jedem Fußbodenbelag eine kleine Herausforderung sah, eine Art Spiel. Zum Beispiel, dass man penibel darauf achtete, bei den Gehwegen auf keine einzige Fuge zu treten. Oder die wenigen, hellen Pflastersteine nicht zu berühren. Sowas eben.

Damals, als ich jünger gewesen war, hatte ich immer gedacht, ich wäre seltsam, weil ich so etwas machte. Dann war mir aber bei genauem Hinsehen aufgefallen, dass fast alle in meinem derzeitigen Alter solch komische Anstalten beim Gehen gemacht hatten. Clyde zum Beispiel war einmal, als er nach der Schule mit zu mir gekommen war, auf jeden einzelnen, verfluchten Ast getreten, der uns im Weg gelegen hatte. Jetzt war das natürlich nicht mehr so, wie waren älter geworden.

Wie auch immer. Meine Schwester hatte es sich also angewöhnt jetzt jedes Mal wenn sie unsere Treppe hinunter ging die oberste Stufe, zwei aus der Mitte und die vorletzte am Fuße zu überspringen. Das waren alle Treppenstufen, die ein Knarren von sich gaben, wenn man sie betrat. Jetzt konnte man sich vielleicht fragen, warum ausgerechnet ich als 17-Jähriger so etwas wusste. Aber wie gesagt, ich war auch mal in dem Alter gewesen…

Neben dem Gepolter meiner Schwester hörte ich nur ein wenig später die schlurfenden Schritte meiner Mutter. Sie machte sich nicht die Mühe, unsere knarrenden Stufen auszulassen. Ich glaube sie hätte nicht einmal gewusst welche es gewesen wären. Sie war erwachsen, da hatte man den Kopf mit anderen Dingen voll, als knarrenden oder nicht knarrenden Treppenstufen.

Wenn man mich jemals gefragt hätte, ob mir unser Haus gefiel, hätte ich ‘Nein’ gesagt. Auch wenn ich es liebte zu Lügen und daraus bereits eine richtige Leidenschaft gemacht hatte… in diesem Thema wäre es lächerlich gewesen, unehrlich zu sein.

Es lag nicht direkt an unserem Haus, dass ich es nicht mochte. Viel mehr an der Atmosphäre. Die Stille hier fühlte sich erdrückend an. Man hörte es zwar nicht, aber man spürte förmlich die Präsenz meiner unzufriedenen Mutter, wie sie einsam am Küchentisch saß und sich fragte, ab welchem Punkt ihres Lebens es so bergab gegangen war und was sie hätte anders machen können.

Man spürte förmlich wie erschreckend schnell sich meine Schwester in genau die selbe Richtung entwickelte, welche ich eingeschlagen hatte: vollkommene Abschottung, Resignation. Sie führte ihr eigenes Leben. Vielleicht war das ja sogar das Beste was sie tun konnte.

Und dann war da noch unser Vater, der trotz allem jeden Abend wenn er nach Hause kam gemeinsam mit uns zu Abend aß und einfach wie bisher weiter machte, anstatt sich zu fragen, warum meine Mutter kaum noch lächelte, warum meine Schwester nie etwas von Freunden oder Erlebnissen erzählte, so wie es für Kinder typisch war. Warum die meisten unserer ‘Konversationen’ darin bestanden, uns gegenseitig den Mittelfinger zu zeigen.

Man spürte einfach in jeder einzelnen Gott verdammten Sekunde, dass wir alle ein riesiger Haufen Lügner waren, indem wir so taten, als wären wir eine Familie.
 

Normalerweise kam ich mit dem Kram ganz gut zurecht. Solange ich in meinem Zimmer blieb war alles okay, da befand ich mich eh in meiner eigenen Welt. Aber jetzt gerade drückte alles auf mich nieder, machte mich aggressiv und ließ mir keine Ruhe. Vielleicht, weil es mir ohnehin beschissen ging. Ich war ja auch so kein Sonnenschein in Person, sondern schlicht gesagt ein riesengroßer Pessimist. Aber jetzt gerade… die Sache mit Clyde ging mir ganz schon an die Nieren. Scheiße, er war nun mal mein bester Freund, auch wenn ich mir nicht sicher war, warum überhaupt. Wenn ich an ihn dachte, fiel mir grundsätzlich nur ein, wie nervtötend er sein konnte, wie oft ich mir vorstellte, ihn bei seinem Gefasel, Gemecker und Geheule einfach an den Haaren zu packen und seinen Kopf gegen die nächste Wand zu klatschten. Oder auf die nächst gelegene Tischplatte, von mir aus. Und trotzdem konnte ich mir einfach nicht vorstellen, ohne ihn zu sein. Als wäre ich dann unvollständig.

Wer sich jemals mit einem sehr guten Freund gestritten hatte, der würde wissen, was ich meinte. Man fühlte sich hundeelend, so als ob jemand gestorben war und man selbst hätte es verhindern können.

Und dann war da noch Tweek, welcher immer wieder in meinem Kopf auftauchte, ohne, dass ich ihn heraufbeschwört hatte. Einfach so, war er immer wieder ganz plötzlich da und ließ sich nicht mehr vertreiben. Es pisste mich an. Vielleicht war auch das der Auslöser für dieses beschissene Gefühl in meiner Magengegend. So genau wollte ich es gar nicht wissen…

Was mich tierisch störte war nur, wie anders es war, wenn sich Tweek wirklich in meiner Nähe aufhielt und nicht nur in meinem Kopf. Dann fühlte ich mich nicht so wie jetzt, nicht ansatzweise. So wie am Donnerstag, als noch Schnee gelegen hatte, oder gestern, im Freibad. Manchmal hatte er dieses gewisse Lächeln, das mir schon von Anfang an aufgefallen war. Ich hatte noch nie jemand anderes auf diese Art und Weise lächeln sehen. Und jedes mal wenn ich es sah, war ich mir ziemlich sicher, dass er in diesen Momenten verdammt glücklich sein musste, ohne dass ich wusste, was wirklich in ihm vor sich ging.

Ich musste hier raus. Ich brauchte dringend Ablenkung. Frische Luft.
 

                                       *

Obwohl es mir so schlecht ging, schien draußen noch immer fröhlich die Sonne. Ziemlich ironisch wie ich fand. Als wolle mir das Leben extra auf die Nase binden, wie unbedeutend es war, wenn sich das Leben eines 17-Jährigen in eine Katastrophe zu verwandeln schien. Denn die Welt drehte sich weiter, alles nahm seinen gewohnten Lauf. Sicherlich war das gut so, besonders ich als Gewohnheitsmensch sollte ja froh darüber sein. Das Problem war nur eben, dass ich die Rolle des Angearschten hatte übernehmen müssen.

Ein paar Kids fuhren auf ihren Skateboards an mir vorbei, während ich den Gehweg entlang ging, und unterhielten sich genervt über Inlineskater. Skateboardfahrer hassten Inlineskater, aber sie hassten zum Beispiel auch Fußballspieler und Streber. Ich glaube, Skater mochten nur sich selbst. Bei uns damals war das anders gewesen, wir waren Skateboard gefahren, weil es Spaß gemacht hatte. Wir haben Leute gehasst, weil sie echt scheiße gewesen sind. Und nicht aufgrund ihrer Freizeitaktivitäten. Da hatte man Cartman gehasst. Oder Butters. Und auch Tweek. Aber das war ja auch egal.

Trotz des schönen Wetters hatte ich mir meinen blauen Lieblingshoodie übergezogen. Damit fühlte ich mich wohler. Die Hände hatte ich tief in dessen Taschen vergraben, wo ich unbewusst mit einer Zigarette hantierte. Ich hatte immer ein, zwei Zigaretten in meinen Taschen. Einfach so, aus Angewohnheit. Ich wusste, dass meine Finger nun nach Nikotin riechen würden, aber das störte mich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich mochte den Geruch, er gehörte zu mir. Alles was ich besaß roch nach Zigaretten, nach Nikotin. Es beruhigte mich.
 

Am Anfang war ich nicht genau sicher gewesen, wohin ich überhaupt hatte gehen wollen. Es passte nicht zu mir, desorientiert und ziellos durch die Gegend zu latschen. Trotzdem war ich ein wenig verwirrt, als ich schließlich vor einer mir ziemlich bekannten Haustür stehen blieb und auf den Klingelknopf drückte. Ich kam nicht oft hierher, schon gar nicht also versehentlich, niemals aus Gewohnheit. Und ganz besonders kam ich nicht unter solchen Umständen hier her.

Ich wusste nicht, was mich zu diesem Entschluss geritten hatte. Und dennoch hatte ich nicht das Gefühl, umdrehen zu wollen…

“Craig, das ist ja eine Überraschung. Komm doch rein!”

Ich war mir ziemlich sicher, dass Tokens Mum meinen schlechten Ruf kannte. Sie wusste, dass ich kein guter Einfluss war, dass ich oft Mist baute und nicht weniger oft nachsitzen musste. Trotzdem war sie nie unfreundlich zu mir gewesen. Vielleicht, weil sie genauso wusste, dass Token sich nie irgendwo mit reinziehen lassen würde. Oder weil sie wusste, dass ich auch ganz in Ordnung sein konnte, keine Ahnung. Aber sie schien mich zu akzeptieren, vielleicht mochte sie mich sogar ein wenig.

Token hatte nicht viele Freunde. Eigentlich nur Clyde und mich. Aber nicht, weil er unbeliebt war. Damals war das so gewesen, da hatten die anderen ihn nicht leiden können, wegen seiner Hautfarbe, wegen seines Geldes, seiner hochgestochenen Art. Heute war das anders. Da machten ihn genau diese Dinge zu etwas Besonderem, und so was mochten die Leute. Individualität.

Bei Gott, nein, Token hätte denke ich viele Freunde haben können, wenn er wollte. Aber das tat er nicht. Umso öfter wunderte es mich also, dass er ausgerechnet mich und Clyde freiwillig ertrug. Vielleicht sollte ich ihn mal fragen, obwohl ich noch im selben Moment wusste, dass es eh nie dazu kommen würde. Vielleicht war ja auch das der Grund, warum Tokens Mutter mich zu mögen schien Ihr Sohn hatte nicht viele Freunde, war aber auch nicht dumm… Er würde schon ziemlich genau wissen, wen er sich an seine Seite holte.

“Danke Mrs. Black. Sie sehen gut aus, waren sie beim Friseur?”

Ein winziger Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen, während sie peinlich berührt, vielleicht auch geschmeichelt abwinkte. Es war lustig anzusehen, das Rotwerden meine ich. Wegen ihrer dunklen Hautfarbe. Die Stellen, in welche das heiße Blut schoss, wurden ganz hell.

Mit einem freundlichen Grinsen ging ich an ihr vorbei, den kurzen Flur entlang und bog in Tokens offen stehendes Zimmer. Hinter mir schloss ich die Tür, rein aus Gewohnheit. So fühlte ich mich wohler.

“Du sollst aufhören meine Mutter anzugraben, Tucker”, grummelte Token mir entgegen, der noch im selben Moment ein wichtig aussehendes Buch zu klappte und mich dann abschätzend ansah, “du hast dich noch nicht mit Clyde vertragen?”

Das vorige Thema war mir lieber gewesen, aber das konnte ich ja schlecht zugeben. Ich machte einen gleichgültigen Gesichtsausdruck und ließ mich auf sein bonziges Sofa fallen, bevor ich die Schultern zuckte.

“Nope. Hast du das an dem Schild auf meiner Stirn gelesen, oder was?”

Ein Augenrollen seinerseits. Das machte Token oft, wenn er Clyde oder mir stumm zeigen wollte, für wie kindisch er uns doch hielt.

“Craig, ganz ehrlich. Du kommst mich sonst nie alleine besuchen… ergo gehe ich davon aus, ihr zickt euch immer noch an, wie Pussys.”

Ärgerlich ließ ich ein kurzes Schnauben von mir hören und sank noch weiter in die gemütlichen Kissen. Erneut fragte ich mich, warum ich ausgerechnet zu Token gegangen war. Andererseits… wir waren befreundet, oder? Sowas machte man wohl, wenn man schlechte Laune hatte. Man drückte sich bei seinen Freunden herum, bis es einem besser ging. Und da die Option Clyde ausgeschlossen war…

“Wenn hier wer ne Pussy ist, dann er, okay? Woher weißt du das überhaupt mit dem Streit? Hat er sich etwa schon wieder schön über mich ausgekotzt? Hat er wenigstens dolle geflennt?”, gab ich zerknirscht von mir. Ich hörte es zweimal leise Zischen, jedes Mal viel kurz darauf klimpernd etwas zu Boden. Mit einem resignierenden Kopfschütteln setzte sich Token mir gegenüber und reichte mir eine dieser kleinen Colaflaschen aus Glas. Die echten meine ich, die man immer in der Werbung sehen konnte. Oder die es im Kino immer gab. Kein gefakter Schrott. Bei uns gab es so was nicht, da trank man seine Cola aus der Plastikflasche. War viel billiger. Scheiß Bonze.

“Ihr solltet das klären, echt jetzt. Clyde ist ziemlich fertig deswegen. Er hasst es mit dir zu streiten. Und du wirkst auch nicht unbedingt sehr ‘ausgeglichen‘.”

“Na und? Ich hasse auch einiges… wenn es ihn so stört, dann soll er gefälligst bei mir angekrochen kommen, und nicht umgekehrt.”

Wir nahmen jeder einen großen Schluck Cola. Token dachte nach, das konnte ich genau an seinem Blick erkennen. Wenn Token über etwas nachdachte, so was wie das, was jetzt in seinem Kopf vor sich ging, dann wirkte er nicht abwesend. Sein Blick war dann ziemlich wach und er schaute einen mit diesem ‘wissenden’ Blick an. Das konnte einem echt Angst machen.

“Ich glaube es geht hier um viel mehr, als um diesen Streit.”

“Ach wirklich? Und an was denkst du da?”, gab ich unbeeindruckt von mir, zog die Augenbrauen etwas höher. Token sah mich noch ein paar Sekunden mit diesem Blick an, er schien mich dadurch förmlich analysieren zu können. Auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut und ich war froh, etwas langärmliges anzuhaben.

Nach ein paar Sekunden des Schweigens zuckte er leicht die Schultern und lehnte sich weiter zurück.

“Ich denke… du bist nicht wirklich auf Clyde sauer. Dich beschäftigt was. Also gehe ich davon aus, du bist hier, um mit mir darüber zu reden… ist das so?”

Ich hasste ihn. Er war ein verdammter Klugscheißer, als ob der irgendwas über mich wissen würde, verdammt. Trotzdem schien mir der Gedanke, ihn an zu blaffen irgendwie unpassend…

“Gott, es ist einfach… ich glaube einige Dinge sind anders, als ich dachte, verstehst du?”, seufzte ich irgendwann resignierend und fuhr mir mit einer Hand durch die schwarzen Haare. Meine Mütze hatte ich wie gestern schon zuhause gelassen.

“Und Token, Alter. Du weißt, ich hasse Veränderungen…”

Token nickte stumm, natürlich wusste er es. Der Kerl kannte mich besser, als ich selbst. Und auch, wenn ich nicht viel gesagt hatte, irgendwie fühlte ich mich gleich ein wenig besser. Ich hatte nämlich wirklich das Gefühl, dass er es verstand. Und trotz seiner kühlen und sarkastischen Art nahm er mich mehr oder minder ernst.

Es wäre nicht gut gewesen, hätte er mich jetzt weiter ausgefragt. Auch das wusste Token natürlich. Ohne große Absprache begannen wir also mit irgendeinem sinnlosen Videospiel, lachten ab und an ein wenig (nicht so viel, wie wenn Clyde dabei war… obwohl dann sowieso er derjenige war, der am meisten von uns lachte) und ich erzählte ihm wie es zu dem Streit gekommen war. Denn Clyde hatte sich zwar anscheinend wirklich bei ihm ausgeheult, jedoch nicht erwähnt, was nun genau passiert war.

Auch die Wette kam einige Male auf und wir diskutierten ein wenig darüber, wie wenig Zeit mir noch blieb, während ich ihm von meinem bisherigen Stand erzählte. Natürlich in ein wenig abgewandelter Form…

Denn auch wenn Token ein Hellseher zu sein schien. Er konnte nicht alles wissen und das musste er auch nicht.

Trotzdem musste ich aber zugeben, dass es mir gefiel mit ihm darüber zu reden. Zumindest besser, als ich es mir mit Clyde vorstellte. Token blieb sachlich, ich hatte ihn noch nie “Freak” sagen hören, soweit ich mich erinnerte. Irgendwie schien der Bastard wohl reifer zu sein als ich und Clyde es jemals sein würden. Und mit solchen Leuten konnte man immer gut reden.
 

“Die anderen wollen sich heute am See treffen und ein Lagerfeuer machen. Um zu feiern, dass wieder Juli ist. Da könntest du ihn einfach abfüllen und dann mit ihm reden. Dann ist dein Problem gelöst.”

Ich warf ihm einen flüchtigen Blick von der Seite zu, bevor ich mich wieder auf das Spiel konzentrierte.

“Häh, wen meinst du jetzt?”

Wieder ein kurzer Blickaustausch, welcher mir soviel sagte wie ’such es dir aus’. Daraufhin musste ich wieder kurz lachen, ich hatte gar nicht gewusst, dass Token so skrupellos sein konnte. Vielleicht war er ja doch nicht so reif, wie ich angenommen hatte? Denn solche Spielchen fielen meiner Meinung nach irgendwie unter die Kategorie Kindergarten. Was aber nicht heißen musste, dass ich mich selbst nicht auch dort einordnete…

“Ich soll also Clyde und Tweek abfüllen, mich mit dem einen vertragen und den anderen gleichzeitig zu einem Liebesgeständnis bringen?”, fragte ich noch einmal amüsiert nach. Dabei entging mir nicht, dass Token mich aufmerksam von der Seite beobachtete. Ich nutzte diesen Moment und zog ihn voll in dem Rennspiel ab, welches wir gerade laufen hatten. Mit elektronischer Stimme verkündete der Fernseher, dass ich der Sieger sei, dann ließ ich den Controller sinken und wandte mich mit nun ungeteilter Aufmerksamkeit an den Anderen.

“Aber vielleicht ist das wirklich keine so schlechte Idee... Und Clyde will da auch hin?”

“Er meinte, wenn ich gehe dann kommt er auch. Fragt sich nur ob Tweek da hinkommen wird…”

Ich wusste was Token damit sagen wollte. Clyde war nicht das Problem, sondern der blonde Kaffeejunkie. Tweek war sonst nie auf irgendwelchen Partys, dafür war er schlichtweg zu unbeliebt. Und niemand ging freiwillig an Orte, von denen er wusste, dass er da nicht erwünscht war.

“Ich krieg das schon irgendwie hin”, antwortete ich zuversichtlich. Ich war Craig Tucker, wenn ich Tweek nicht zu dem Lagerfeuer überreden konnte, wer dann? Außerdem, vielleicht freute er sich ja sogar, wenn er mal zu so was eingeladen wurde.

Es war seltsam darüber nachzudenken, aber vielleicht wäre diese Wette morgen um diese Zeit schon längst beendet. Ein Gedanke, der mir bis vor Kurzem noch so unendlich weit weg vorkam…

“Dann geht’s heute Abend also zum See, huh?”

Token zuckte nur neuerlich die Schultern und schlug dann in die Hand ein, welche ich ihm hinhielt. So langsam wusste ich wieder, warum Token und ich Freunde geworden waren. Es war unkompliziert. Wir kamen gut aus miteinander.
 

Danach spielten wir erneut Videospiele, diskutierten noch einmal kurz über Tokens Mum, nachdem ich das Thema angeschnitten hatte.

Ich blieb nicht lange. So langsam wurde mir nämlich klar, warum genau ich zu Token gegangen war. Auch wenn es sich schwul anhörte, ich hatte jemanden zum Reden gebraucht, wenigstens ein bisschen. Jungs gaben so was nicht gerne zu, das war ganz natürlich. Trotzdem brauchte ich das ab und an mal.

Als wir aufstanden und ich in Aufbruchstimmung geriet, fiel mir jedoch noch etwas ein. Unser Plan für heute Abend stand zwar fest, aber bei einer Sache war ich mir trotzdem noch nicht so ganz sicher.

“Hey Token”, sprach ich ihn an, als er gerade die leeren Colaflaschen wegräumte, “Weißt du… warum Clyde und ich überhaupt befreundet sind? Ich meine, er kotzt mich echt an, ich ihn genauso… das ergibt doch keinen Sinn.”

Token schaute gar nicht erst auf und zuckte wieder nur etwas desinteressiert mit den Schultern. Dann antwortete er mir so leichtfertig, als habe ich ihn gerade gefragt, wozu man atmen müsse.

“Ich glaube ihr braucht das einfach ab und an mal. Und weil ihr beide so riesige Idioten seid, schafft ihr es auch, euch immer wieder zusammen zu raufen. Das bringt nicht jeder fertig also… gehe ich davon aus, ihr macht euch gegenseitig glücklich.”

Ich wusste nun nicht, ob ich mich durch diese Antwort beleidigt und angegriffen fühlen sollte, oder ob er tatsächlich recht hatte. Kurz ließ ich nur ein etwas angesäuertes “Hmpf” von mir hören, als wir uns auch schon Richtung Haustür bewegten.

Ungerührt trat ich über die Schwelle, er selbst blieb im Türrahmen stehen. Ich drehte mich nicht noch einmal um, trotzdem konnte ich noch seine tiefe und ruhige Stimme hinter mir hören.

“Du vergisst einfach viel zu oft, dass man Menschen braucht, die einen glücklich machen, egal auf welche Art und Weise. Man sollte sie nicht einfach wegschmeißen, dafür findet man sie zu selten… denk mal drüber nach.”

Ich wusste nichts darauf zu antworten, irgendwo in meinem Innern klingelte es leise, aber ich ignorierte es noch im selben Moment, wo ich es bemerkte. Wieder machte sich dieses dumpfe Gefühl in mir breit.

Ich hob nur einmal kurz die Hand über die Schulter, dann hörte ich die Haustür ins Schloss fallen und ich vergrub meine Hände neuerlich in den unendlichen Weiten meiner Taschen, ließ die Schultern noch etwas mehr hängen als sonst.
 

                                       *

Ein kleiner, rauchiger Ring flog direkt vor meiner Nase in die Luft und löste sich langsam auf. Dann noch einer. Und noch einer. Der Geschmack von Rauch und Nikotin auf meiner Zunge und das Gefühl von eben diesen in meinen Lungen ließ mich für einen Moment vergessen, wie scheiße doch alles war.

Ich hatte bereits gar nicht mehr daran gedacht, wie gut eine Zigarette im Juli tun konnte, draußen in der Sonne, wenn nur ganz lauer Wind wehte und der Himmel so blau war, dass man dachte, über einem befände sich ein Ozean.

Als ich mich auf diese Holzbank hier gesetzt hatte -oder besser gesagt auf die Rückenlehne der Bank- war ich der Meinung gewesen, ich müsste dringend über einiges nachdenken. Aber jetzt schien mir nichts ferner als genau dieser Gedanke. Warum auch nachdenken, wenn doch gerade alles in Ordnung zu sein schien?

Abwesend senkte ich meinen Blick auf die halb verglühte Zigarette in meinen Händen und drehte sie leicht hin und her, als ich auf etwas anderes in meinem Blickfeld aufmerksam wurde. Direkt zu meinen Füßen, inmitten des Grüns wuchs unverkennbar ein einziges weißes Gänseblümchen…
 

Einerseits ist das Gänseblümchen hier zwischen uns so unauffällig, dass man kaum Kenntnis von ihm nimmt. Gleichzeitig sticht es aber derartig hervor, wie ein totaler Außenseiter, hier mitten im grünen Gras.

Ich komme mir dumm vor, aber trotzdem stelle ich mir die Frage, ob…
 

Wie ein Echo hallten die Worte in meinem plötzlich ganz leeren Kopf wieder. Die Gedanken, welche mir am Donnerstag durch den Kopf gewuselt waren, als Tweek und ich zusammen auf dem kleinen Flecken Gras gelegen hatten, zwischen uns das unscheinbare Gänseblümchen.
 

…ob er sich wohl mit ihm vergleicht…?
 

Irgendwie schien sich in diesem Moment alles um mich herum schlagartig zu verändern, ohne dass ich hätte sagen können, was genau es war. Meine Zigarette schmeckte plötzlich bitter und fast wurde mir übel von dem Rauch.

Meine Mundwinkel verzogen sich, ohne dass ich es gewollt hatte und ich fühlte mich nicht mehr ansatzweise so ausgeglichen wie vor ein paar Sekunden noch. Ich war mir nicht ganz sicher, warum sich meine Stimmung so plötzlich geändert hatte, aber jetzt nervte mich der blaue Himmel und die strahlende Sonne. Alles kam mir falsch und heuchlerisch vor. Mit mir stimmte wirklich irgendetwas nicht. Wie gesagt… ganz bestimmt Grippe.
 

Vielleicht hätte ich einfach aufstehen und nach Hause gehen sollen. Das wäre sicherlich das Beste gewesen. Aber ich wusste ja in diesem Moment noch nicht, was auf mich zukommen sollte. Es war genauso wie am Montag. Hätte ich da von meinem Schicksal gewusst, dann hätte ich so einiges anders gemacht. Dann wäre ich gar nicht erst zur Schule gegangen, hätte nicht so lange im Klassenzimmer gesessen, um an der Diskussion mit Cartman teil zu haben. Diese ganze verfluchte Wette wäre nie gewesen, wenn ich auch nur ein einziges Detail verändert hätte.

Jesus, aber schon da hatte ich mir ja klar machen müssen, dass man Dinge nicht wissen konnte, bevor sie passiert waren. Ich konnte gar nicht verhindern, was sich nicht verhindern ließ.
 

“H-hey Craig!”

Eher teilnahmslos hob ich den Kopf, obwohl ich sowieso schon wusste, welches blonde Nervenbündel direkt vor mir stehen geblieben war. Ich wusste nicht womit ich es verdient hatte, dass ausgerechnet Tweek mir nun über den Weg gelaufen war. Gut, Clyde wäre wohl noch weniger prickelnd gewesen, aber mal ehrlich… warum ausgerechnet Tweek, wo ich doch gerade jetzt absolut gar nicht in Stimmung war, irgendwas von wegen ‘Hey, ich bin deine Große Liebe’ vorzutäuschen.

Mein Gehirn begann bereits damit, sich irgend eine Ausrede einfallen zu lassen, womit ich ihn wieder hätte loswerden können. Ich könnte erzählen, dass meine Tante gestorben war und ich deswegen allein sein wollte. Oder, dass ich irgendeine gruselige, ansteckende Krankheit hatte. Oder dass ich nur ein Alien, getarnt als Craig Tucker sei.

Ich war mir ziemlich sicher, dass Tweek mir all dies geglaubt und so schnell wie möglich die Flucht ergriffen hätte. Aber dann kam mir ein anderer Gedanke. Nämlich, dass ich noch immer eine Wette zu gewinnen hatte, zu welcher unweigerlich ein Lagerfeuer gehörte, zu dem ich den Kaffeesuchti einzuladen hatte. Außerdem, war nicht gerade das meine Stärke, die ich unter Beweis stellen sollte? Dass ich es schafte den Menschen immer und überall etwas vorzumachen?

Gib dir einen Ruck, Tucker, dachte ich also seufzend und versuchte es mit einem Lächeln, doch irgendwie merkte ich noch im selben Moment, wie kläglich ich daran scheiterte. Tweek schien das ebenfalls zu bemerken, trat ein wenig nervös von einem Fuß auf den anderen, sagte aber nichts. Ganz schlechte Atmosphäre hier, dachte ich mir.

Erst da fiel mir der leere Korb in den Händen meines Gegenübers auf, dessen Griff er fest umklammert hielt, so als wäre darin flüssiges Nitroglycerin, welches er unter keinen Umständen fallen lassen durfte.

Fragend hob ich eine Augenbraue und zog nochmals an der Zigarette, die nur mal so nebenbei bemerkt immer noch keinen Deut besser schmeckte.

“I-ich soll -gah- e-einkaufen gehen…”, kam es von Tweek, wie aus der Pistole geschossen, dann ein schüchterner Blick. Wäre Tweek ein Mädchen, hätte ich es als süß empfunden. Ganz ehrlich. Aber, Gott, in diesem Moment nervte es mich einfach nur. Ich war mir nichteinmal sicher warum, schließlich hatte er ja nichts falsches gesagt. Er war genauso wie immer. Wie die ganzen Tage zuvor auch schon. Aber dennoch machte mich seine beschissene Art gerade dermaßen wütend, dass ich ihm am lebsten einfach meine Zigarette ins Gesicht gedrückt hätte um ihn dann mit einem Wink meines Mittelfingers links liegen zu lassen.

Innerlich sträubte sich irgendetwas in mir gegen diese Gedanken und sagte mir, dass nicht er der Grund für meine schlechte Laune sei, dass ich noch gestern gedacht hatte, wie beruhigend seine freakige Art in Wirklichkeit auf mich wirkte. Doch ich war ganz gut darin, es einfach zu verdrängen und gar nicht erst herausfinden zu wollen, auf was oder wen ich wirklich wütend war.

Die Wette, Craig, denk einfach an die Wette, schoss es mir neuerlich durch den Kopf, ohne dass sich meine gleichgültige Miene änderte.

“Was dagegen, wenn ich mitkomme?”, fragte ich also gerade heraus, wobei ich nicht halb so motiviert klang, wie ich es gerne getan hätte.

Tweeks Miene schien sich ein wenig zu erhellen, trotz meines schroffen Untertons. Ich wusste, dass er sich freute. Ich wusste auch, dass er sicherlich noch tausendmal an gestern Abend, beziehungsweise Nacht gedacht hatte. Ich wusste auch, dass er eigentlich darauf wartete, ich würde ihn noch einmal darauf ansprechen. Doch ich tat es nicht..

Ich wartete gar nicht erst auf eine Antwort, schnipste meinen glimmenden Zigarettenstummel auf den Boden und trat nur wenig später auf eben diesen, als ich wieder festen Grund unter den Füßen hatte. Dass ich dabei auch das kleine Gänseblümchen erwischte und somit skrupellos niedertrampelte, tat mir nur wenig leid. Oder gar nicht, wie auch immer.
 

Als wir nebeneinander her gingen, sagten weder Tweek, noch ich ein Wort. Ich war mir ziemlich sicher, dass er bereits bemerkt haben musste, wie schlecht gelaunt ich war. Ziemlich missmutig schlurfte ich neben ihm her, die Hände wieder tief in meinen Taschen vergraben und den Blick stur auf den Asphalt vor mir gerichtet. So als wäre ich gar nicht freiwillig mitgekommen, sondern dazu gezwungen worden. Aber irgendwie war es ja auch so gewesen, oder nicht? Ich hatte mich dazu zwingen müssen, mitzugehen. Als ob ich sonst jemals freiwillig Zeit mit so nem Spinner verbringen würde, das war doch echt…

Tweeks Unsicherheit schien fast zum Greifen nahe. Genauso wie meine pissige Laune, denke ich. Er wusste nicht, was los war, da war ich mir sicher. Gestern noch hatten wir zusammen gelacht und jetzt benahm ich mich ihm gegenüber so, wie vor dieser Wette - von der er ja natürlich nichts wusste. Der einzige Unterschied war, dass ich ihn nicht beleidigte, oder auslachte. Das Problem war aber, dass nicht einmal ich selbst wusste, was los war. Alles in mir kochte, meine Hände sehnten sich danach, irgendetwas zu zerstören und all den unerklärlichen Frust heraus zu lassen.

Aber es ist nicht Tweeks Schuld, schlich es mir erneut dumpf und leise durch den Kopf. Obwohl ich mir nicht sicher war, warum mich jedes Zittern, jedes Zucken und jeder Blick von ihm nur noch mehr zu Weißglut brachte. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich wirklich gleich etwas zerstörte, wenn ich so weiter machte. Nämlich das kleine bisschen Vertrauen zu Tweek und die einzige Chance, diese Wette so schnell wie möglich zu gewinnen - und zu beenden.

Am besten wäre wohl gewesen, ich hätte ihm jetzt irgendetwas gesagt, das alle Zweifel weg wischte, so wie die letzten Tage auch immer. Dass wir so was wie gestern öfter machen mussten. Oder wie beknackt meine Familie war und ich mich schon den ganzen Vormittag über sie aufgeregt hatte. Dann hätte er denken können, nicht er wäre der Grund für meine schlechte Laune.

Aber ich tat es nicht. Warum konnte er nicht einfach so sein, wie jeder andere Mensch auch und sich solche Dinge selber einreden? Warum musste ich Tweek sagen, dass die Welt nicht so schlecht war, wie er dachte? Auch wenn das eine Lüge war, die wir alle zu akzeptieren hatten? Warum, verdammt noch mal, konnte er das nicht selber?!

Weil Tweek anders ist, fiel es mir in diesem Moment ein. Weil Tweek ein guter Mensch ist, der niemanden belügt nichtmal sich selbst. Der jedem alles glaubt, nur sich selber nicht. Besonders nicht, wenn er sich einzureden versucht, dass er an etwas keine Schuld trägt, oder dass die Welt in Ordnung sei.
 

Und so schwiegen wir also den ganzen Weg. Ich wusste, dass Tweek sich dadurch nicht gut fühlte, dass er sich Sorgen machte und noch unsicherer war als sonst. Ein Satz von mir hätte genügt. Aber es war mir egal. Ich war ein Egoist und einfach kein guter Mensch. So war das schon immer gewesen. Und ich hatte nicht vor, das zu ändern.
 

                                       *

“I-Ich würde gerne eigene -ngh- eigene Erdbeerpflanzen haben, a-aber Mum meint, sie- gah- sie würden sterben, w-weil unsere Sommer zu kurz sind”, stotterte Tweek, als wir gerade an einem großen Fach voller Erdbeeren stehen geblieben waren. Behutsam griff er nach einem der kleinen Plastikbehälter, gefüllt mit den Früchten, packte ihn in seinen Korb und machte dann ein Kreuzchen auf seinem Einkaufszettel. Ein kleines Lächeln bildete sich auf Tweeks Gesicht, als er dann zu mir empor schaute.

“M-magst du auch Erdbeeren?”, fragte er, weil ich noch immer kein Wort gesagt hatte. Das war nun schon der dritte Versuch von ihm, mich zu einem Gespräch anzuregen, seit wir den Supermarkt betreten hatten. Und das, obwohl ich wusste, wie wenig Tweek zu der Sorte Mensch gehörte, die immer reden mussten. Aber diese komische Stimmung zwischen uns, die Tatsache, dass ich mich so anders verhielt, schien er wohl noch weniger leiden zu können, als gedrungene Gespräche zu führen. Zumindest machte er ganz deutlich diesen Eindruck.

Ich schaute Tweek stumm an, dann zu den kleinen, roten Früchten und wieder zu ihm. Noch immer wartete er hoffnungsvoll und ganz schüchtern lächelnd auf eine Antwort von mir. Ich bemühte mich gar nicht erst um einen einigermaßen freundlichen Blick. Meine Laune hatte sich nämlich noch immer kein Stück gebessert.

“Nein”, meinte ich schroff als ich den perplexen Gesichtsausdruck meines Gegenübers sah, der mich wie ein Auto anschaute, oder wie ein Reh, dessen Mama gerade eben totgefahren worden war, ging ich einfach weiter.

Warum störte mich in diesem Moment bloß alles so arg? Nicht nur die schleppende Ladenmusik, welche gute Laune vorgaukelte, sondern wie bereits erwähnt das Gezucke und Gezitter von Tweek. Sein Lächeln. Seine Stimme. Seine Art. Die kleinen Hände wie sie etwas aufhoben, wenn es herunter gefallen war. Die unergründlichen, kaffeebraunen Augen. Der kleine, runde Leberfleck, welcher manchmal hervorblitzte, wenn sein T-Shirt an der Schulter verrutschte.

Vielleicht war ich so wütend, weil mir gerade diese Dinge auffielen, dachte ich mir. Weil ich nicht auf so etwas achten sollte, zumindest nicht bei Tweek. Das war nicht normal. Das war nicht ich.

Ablenkung, ich brauchte dringend Ablenkung.
 

Noch zwei weitere Male versuchte der kleine Kaffeejunkie irgendwie ein Gespräch zu beginnen und immer wieder blockte ich eiskalt ab, bis er es schließlich aufgab und wir nur noch Schritt für Schritt seine Liste abarbeiteten. Das Seltsame daran war, dass ich dabei nicht einmal so was wie Reue verspürte, gerade ging mir das alles ziemlich am Arsch vorbei. Zumindest redete ich mir das ein. Das einzige was ich wirklich verspürte war Wut, Wut und nochmals Wut. Ich fühlte mich grässlich, während dieses seltsamen Konflikts in mir, denn Himmel, es war nichts anderes. Ehrlich. Jedes Gestotter, jedes Zucken und was nicht noch alles brachte mich dazu, Tweek unglaublich zu hassen, mir zu wünschen es befände sich mindestens ein halber Kontinent zwischen mir und ihm. Und gleichzeitig jagten mir diese Gedanken, jeder unfreundliche Blick und jede ignorierte Frage, welche er mir stellte, ein Messer in die Magengegend sodass ich mich schrecklicher denn je fühlte.
 

Sicherlich fragte er sich bereits, warum ich überhaupt mitgekommen war. Prüfend warf ich einen Blick zur Seite, wo Tweek neben mir her tapste und ein ziemlich trauriges Gesicht machte. Noch im selben Moment blickte er ebenfalls verstohlen zu mir hinauf - es erstaunte mich immer noch, dass er einen ganzen Kopf kleiner war, trotz des geringen Altersunterschieds von nur einem Jahr - jedoch schaute er sofort wieder weg, nachdem sich unsere Blicke begegnet waren. So als wäre der Blickkontakt zu mir verboten und ich würde ihn gleich verprügeln oder sowas. Aber sicherlich machte ich gerade genau diesen Eindruck.

Mit zittrigen Fingern kramte er nach seiner Liste und entfaltete sie umständlich. Tomaten, stand da in schön geschriebener Handschrift, als einziges Wort, welches noch nicht abgehakt worden war.

Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte mich endlich zusammen zu reißen.

“Zwei Reihen weiter”, meinte ich und trotz aller Anstrengung klang meine Stimme so tot und unmotiviert wie nie zuvor. Tweek neben mir zuckte zusammen, was mich nicht überraschte. Anscheinend hatte er nicht mitbekommen, dass ich ihm über die Schulter gesehen hatte. Zögerlich nickte er, dann gingen wir weiter.
 

                                       *

Als sich die Glastür automatisch vor uns aufschob, kam uns eine Welle schwüler Mittagsluft entgegen. Der Parkplatz wirkte noch trister als sonst und war bis auf ein paar einzelner Autos komplett leer.

Ich hätte mir vielleicht doch ein T-Shirt statt des Hoodies anziehen sollen, schoss es mir durch den Kopf, als ich bereits im Inbegriff war, den Rückweg anzutreten. Erst nach ein paar Schritten fiel mir auf, dass Tweek stehen geblieben war und hektisch in seinem Einkaufskörbchen kramte, bevor er mich mit großen Augen ansah.

“Was?”, seufzte ich unfreundlich, was ihn kurz zusammen zucken ließ. Ich redete mir ein, dass er genauso reagiert hätte, wäre mein Tonfall anders gewesen. Weil Tweek immer zusammenzuckte, egal was passierte, egal wie man redete. Ich redete mir etwas ein, das ganz offensichtlich eine Lüge war.

“I-Ich glaube ich hab -gah- ich hab mein Portemonnaie a-an der Kasse vergessen”, stotterte er kleinlaut, “a-aber wenn ich jetzt mit dem Korb wieder reingehe, dann denkt die -ngh- die Kassiererin bestimmt ich hätte davon etwas n-nicht bezahlt und… oh Gott! Was, wenn sie dann die Polizei ruft?! Ich hab den Kassenbon gar nicht mitgenommen! G-Gah!”

Erneut seufzend schaute ich ihn missmutig an und wartete gar nicht erst, bis er sich wieder beruhigt hatte. Normalerweise hätte ich das wohl getan. Normalerweise hätte ich mir Mühe gegeben, ihn wieder runter zu bringen. Stattdessen drehte ich mich wortlos um und ging geradewegs an ihm vorbei, zurück in den Laden um das Teil zu holen.

Im Nachhinein denke ich, dass das mein Fehler gewesen ist. Ich hätte ihn nicht alleine draußen warten lassen sollen. Es war wie immer das altbekannte Thema. Hätte ich etwas anders gemacht, wäre mir eine Menge Ärger erspart geblieben.
 

Bereits als ich erneut nach draußen trat, diesmal mit Tweeks Portemonnaie in meiner Hosentasche, hatte ich dieses dumpfes Gefühl gehabt, welches sich nicht beschreiben ließ. Der kleine blonde Spinner stand nicht wie eben noch vor den großen, sich automatisch öffnenden Glastüren des Supermarktes, auch so konnte ich ihn nicht entdecken

Nachdenklich wanderte mein Blick über den weiten, grauen Parkplatz. Eine Mutter, die mit einem Baby auf dem Arm an mir vorbei ging, verschwand im Laden. Eine Oma fuhr mit ihrem Wagen davon. Ansonsten war da nur noch etwa sechs Meter weiter eine Traube von Jugendlichen, die sich über irgendetwas lustig machten. Ich hatte die Typen noch nie zuvor gesehen, also interessierte es mich anfangs nicht weiter.

Vielleicht ist er schon vorgegangen, ging es mir durch den Kopf, bis mich ein paar spöttische Rufe erneut auf die Gruppe Jugendlicher aufmerksam machten.

“Was ist los, du Freak? Kannst du dich nicht wehren?!”

Fast schon automatisch zogen sich meine Augenbrauen ein Stück zusammen, während ich näher trat. Gelächter drang mir entgegen, diesmal ein wenig lauter.

Erst als ich einigermaßen zwischen zwei der dicht stehenden Gorillas hindurch sehen konnte, wurde mir klar, was hier vor sich ging und am liebsten hätte ich mir eine mentale Ohrfeige verpasst.

Klein und wehrlos befand Tweek sich in der Mitte der Gruppe von Halbstarken, die ihn gehässig spottend und grob hin und her schubsten, von einem zum Nächsten. Wütend dachte ich, warum er sich nicht wirklich zu wehren versuchte, bis mir klar wurde, dass diese Typen so groß waren wie ich, also jeder mindestens einen Kopf größer als Tweek. Außerdem war da noch etwas anderes…

“Fre-ak, Fre-ak, Fre-ak~”, sang ein großer, blonder und äffte Tweek nach, welcher ganz verzweifelt zu sein schien und sich die Hände auf die Ohren presste, während er vom nächsten Typen grob an den Schultern gepackt und wieder weg geschleudert wurde.
 

“Gott! I-ich meine, seit wann redest du plötzlich mit mir? Und seit wann -gah- seit wann hilfst du mir bei den Hausaufgaben?! U-und warum lädst du mich zu dir ein?! Oh Gott, das -ngh- das ist doch nicht normal, oder?!”

“Hmm… warum denn nicht?”

“W-Weil… ich ein Freak bin!”
 

Wie betäubt fühlte ich mich, als sich die Szene vom Donnerstag vor meinem geistigen Auge abspielte und mir plötzlich wieder klar wurde, wie schwer Tweek es hatte. Für manch anderen mochte das Wort ‘Freak’ vielleicht nicht so schlimm sein, für ihn war es reine Tortur. Wahrscheinlich hatte er es schon so oft ertragen müssen, so genannt zu werden, dass er mittlerweile selber glaubte ein Freak zu sein.

Ein Ziehen breitete sich in meiner Brust aus und ich spürte, wie die Wut erneut in mir hoch kochte. Diesmal jedoch noch intensiver als die ganze Zeit zuvor schon Und diesmal wusste ich auch, auf wen ich sauer war.. Ich verachtete diese Kerle für das, was sie da veranstalteten, aber noch viel wichtiger war, dass ich mich selbst verachtete. Denn in just diesem Moment wurde mir klar, dass ich der Grund für meine schlechte Laune gewesen war. Die ganze Zeit. Ich bin auf mich selbst wütend gewesen, weil Tweek mir mitlerweile mehr zu bedeuten schien, als mir lieb war. Und es war hart, sich das einzugestehen. Innerlich hatte ich die ganze Zeit über gewusst, dass nach dieser Wette, egal wie sie ausginge, nichts mehr so sein würde, wie zu Anfang. Und das hatte mich angepisst, das tat es noch immer, aber wenigstens war mir dies nun klar geworden. Ich mochte keine Veränderungen, ich war ein Gewohnheitsmensch, aber Dinge welche einmal ihren Lauf genommen hatten, konnte ich nicht ändern. Ich war praktisch machtlos.

Und diese Erkenntnis hatte mich unglaublich fertig gemacht, da war ich mir nun zu hundertprozent sicher.
 

Ohne zu zögern drängelte ich mich zwischen zwei der Idioten hindurch, genau in dem Moment, als Tweek erneut geschubst worden war. Nur dass er diesmal nicht in die Hände von jemandem geriet, der ihn erneut nach vorne schleuderte, sondern mitten in zwei Arme die ihn schützend an sich drückend. Zitternd und auf wackeligen Knien wartete er auf den nächsten Stoß -ohne dass dieser kam.

“Gibt’s irgendein Problem?”, gab ich zerknirscht aber ruhig von mir, über Tweek hinweg den Kerl anschauend, welchen ich als Anführer der Truppe ausgemacht hatte. Bei meiner Stimme zuckte der Junge in meinen Armen stark zusammen und schaute ganz perplex zu mir auf. Es war nicht schwer zu erraten, dass die Tränen in seinen Augen dem Überschwappen nahe waren.

“Verpiss dich, das geht dich nichts an!”, fauchte Angesprochener und machte einen zielstrebigen Schritt auf mich zu. Ich konnte spüren, wie sich Tweeks Finger verzweifelt in meine Arme gruben und er weiter zurück zu weichen versuchte – was ja nicht ging, der ich hinter ihm stand. Vorsichtig löste ich einen Arm um den bibbernden Körper, ließ den anderen locker auf Tweeks Schultern liegen und streckte dem Typen meinen Mittelfinger entgegen.

Ein paar höhnische Gluckser ertönten, ohne mich aus dem Konzept zu bringen.

“Oho~ soll ich jetzt Angst bekommen?”, gab der Alphagorilla spottend von sich und trat so nah an mich heran, dass ich seinen widerlichen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte.

“Wäre vielleicht besser…”, zischte ich angriffslustig zurück und hielt dem Blick meines Gegenübers stand, nur darauf wartend, dass er den Anfang machte. Ich hatte keine sonderliche Angst vor einer Prügelei, schließlich wäre es nicht die erste in meinem Leben gewesen. Außerdem kochte mein Blut vor Ärger so sehr, dass ich mir eine heftige Außeinandersetzung fast schon ersehnte, nur um Dampf abzulassen. Vielleicht hätte mich die Tatsache, dass ich eindeutig in der Unterzahl war, etwas zurückhalten sollen. Tat sie aber nicht.

Ängstlich drehte sich Tweek unter meinem Arm hinweg und schob sich zwischen den Typen und mich, mir das Gesicht zugewandt. Vorsichtig stemmte er seine kleinen Hände gegen meine Brust und versuchte mich zurück zu drängen.

“C-Craig ist… ist schon gut, b-bitte lass uns… einfach -ngh- einfach gehen…!”, stotterte er kleinlaut, den Blick auf den Boden gesenkt.

Schritt für Schritt ließ ich mich langsam zurück schieben, ohne den Blick dabei von dem Typen mir gegenüber zu nehmen, der mich noch immer feindselig anfunkelte, ehe sich ein dreckiges Grinsen auf seinem Gesicht bildete.

“Genau, hör besser auf den kleinen Freak!”

Bäm!

Ein widerliches Knacken ertönte, als meine Faust mitten in dem rundlichen Gesicht des Arschlochs landete und ihn schmerzhaft aufschreien ließ. Tweek vor mir hatte die Augen zugekniffen und krallte sich ängstlich in meinen Hoodie, die Nase in dem blauen Stoff vergraben.

“Scheiße!”, fluchte der Schrank wütend und starrte mich in etwa so an, als wäre er ein Stier und ich ein zum Leben erwachtes, rotes Tuch. Ein schiefes Grinsen trat auf mein Gesicht als ich arrogant meine Augenbrauen in die Höhe zog und ihn abwertend ansah. Genugtuung beflügelte mich und verstärkte das Gefühl des Hochmuts in mir.

Fast schon vor Wut schnaufend registrierte er, wie seine Nase zu bluten begann, starrte mich erzürnt aus zusammengekniffenen Schweinsäuglein an und war mit einem Satz so schnell vor geprescht, dass ich gar nicht so schnell gucken konnte, als auch er einen gezielten Schlag mitten in mein Gesicht abfeuerte.

Sein Schlag hatte eine solche Wucht besessen, dass ich drei Schritte zurückgestolpert war. Zornig wischte ich mir über die aufgeplatzte Unterlippe. Der Geschmack metallischen Blutes machte sich in meinem Mund breit und fast konnte ich spüren wie sich mein Blick noch ein wenig mehr verdunkelte, während sich der dumpfe Schmerz in meinem Unterkiefer ausbreitete und ich mit zielstrebigen Schritten den neuen Abstand zwischen mir und dem Kerl wieder einzuholen versuchte.

“C-Craig! Hör… hör auf! Bitte!”, jammerte Tweek, als ich kurz etwas des roten Blutes ausspuckte und schon wieder auf den Typen losgehen wollte. Ein jähzorniger Ausbruch einer bislang ungehörten Stimme jedoch, ließ mich unterbrechen und icht nur mich aufschauen.

“Wenn ihr euch prügeln wollt, macht das woanders!”, keifte der Ladenbesitzer, welcher anscheinend alles von drinnen mit angesehen zu haben schien, “Und ihr Bengel aus North Park, ich will euch hier nicht haben, kapiert?! Macht bei euch Ärger, aber hier habt ihr nichts verloren!”

Kurz passierte nichts. Ich konnte sogar noch aus der meterweiten Entfernung erkennen, wie auf der Stirn des Mannes wild eine Ader pochte.

“Oder soll ich erst die Polizei rufen?!”

Diese Worte schienen selbst den Letzten der Typen überzeugt zu haben. Leise grummelnd, aber doch irgendwie feige, senkten sie ihre Köpfe und machten sich daran, abzuhauen.

Böse funkelte mich der Typ mit dem Nasenbluten ein letztes Mal an, ehe sie um die nächste Ecke verschwanden und man wenig später ein paar Reifen quietschen hören konnte.

Auch uns funkelte der Mann mit Halbglatze nicht sehr freundlich an. Ich spürte wie sich mein Gesicht bitter verzog. Wortlos griff ich nach Tweeks Hand und zog ihn hinter mir her, griff energisch nach dem Korb, der da mutterseelenallein herumstand und stampfte wütend vom Parkplatz.
 

“D-Du hättest das -ngh- das nicht tun sollen!”, murmelte Tweek nach kurzer Zeit des Schweigens und blieb ruckartig stehen. Traurig sah er mich an und es war nicht schwer zu erraten, dass er sich das eben Geschehene zum Vorwurf machte. Betroffen wanderte sein Blick von meinen tiefblauen Augen ein Stück hinab, zu der Stelle wo ich meine blutende Lippe vermutete.

“Ach nein? Und was wäre deiner Meinung nach richtig gewesen? Einfach zuzusehen?”, maulte ich ihn immer noch viel zu wütend an, was ihn gleich wieder ein ganzes Stück beschämter aussehen ließ. Trotzdem antwortete er nichts. Was hätte er auch sagen sollen? Ganz kurz blieb es still zwischen uns.

“Verdammt Tweek…”, seufzte ich dann und fuhr mir mit der freien Hand durch die schwarzen Haare, ehe ich ihn ehrlich ansah, “Niemand darf dich so behandeln, okay? Und außerdem wollte ich dir ja helfen… das alles war nicht deine Schuld.”

Vorsichtig hob der Junge sein Gesicht etwas und schaute mich so an, als könne er mir das eben gesagte nicht ganz abkaufen. Ich wusste seinen Gesichtsausdruck kein Stück zu deuten, als sein Blick zwischen meinen Augen hin und her wanderte. Erst als ihm aufzufallen schien, wie offensichtlich er mich ansah, wandte er das Gesicht wieder dem Boden zu.

“Aber vorhin… ich dachte nicht… ich dachte, dass -gah- dass du vielleicht nicht mehr mit mir befreundet sein willst”, platzte es kleinlaut aus ihm heraus. Natürlich wusste ich, was er damit meinte und ich konnte gar nicht leugnen, wie sich das unterdrückte schlechte Gewissen ganz plötzlich in mir breit machte.

“Will ich aber, okay? Ich hab dich echt gern, Tweeky”, meinte ich entschieden, mit einem leisen Lächeln im Gesicht und zerwuschelte ihm einmal die ohnehin wirren, blonden Haare.

Das entlockte auch ihm ein winziges Lächeln, das selbe, welches mir auch schon die ganzen Tage zuvor aufgefallen war und ich einfach nicht mehr aus dem Kopf bekam.

Damit schien das Thema beendet und wir setzten uns schlendernd wieder in Gang.

Auch wenn es irgendwie ziemlich beschissen war, dass erst soetwas zustande hatte kommen müssen, um mir die Augen zu öffnen... war ich irgendwie froh in diesem Moment. Ich fühlte mich um einiges besser, jetzt wo ich wieder im Reinen mit mir selbst war.

“Craig?”, murmelte Tweek plötzlich doch noch mal.

“Hm?”

“Magst du -gah-… magst du wirklich keine Erdbeeren?”

Ich konnte nicht anders, als lachen zu müssen. Gott, wie hatte ich vorhin bloß denken können, dass diese Art von ihm mich wütend machte?

Das Klingeln meines Handys unterbrach mich und als ich auf den Display schaute fiel mir etwas ein, das ich bei dem ganzen Gefühlswirr-warr in mir fast vergessen hätte. Vielleicht auch bewusst.

„Hey Token, was gibt’s?“
 

                                       *

Ich konnte nicht sagen, warum, aber ich fühlte mich unwohl.

Vielleicht hätte ich es gekonnt, wenn ich weiter darüber nachgedacht hätte, aber ich tat es nicht, Stattdessen lenkte ich mich ab, mit dem Schein des Feuers oder dem schwappenden Wasser im Hintergrund.

Ich denke Tweek neben mir ging es nicht sehr viel besser, wir beide redeten kein Wort, weder miteinander noch mit irgendwem anders. Es versuchte aber auch niemand mit uns zu reden. Nicht mit mir, weil es für mich nicht ungewöhnlich war, so da zu sitzen. Ich mochte es für mich selbst zu sein, oder wenn nicht, dann eben nur mit Token und Clyde. Und das wusste jeder.

Und nicht mit Tweek, weil ihn nunmal kaum jemand leiden konnte. Das wusste ebenfalls jeder, genauso wie er selbst. Die ganze Zeit schon warf er mir daher unsichere Blicke zu, die mir immer wieder die Frag evorwarfen, warum ich ihn hierher geschleppt hatte.

Ich war mir nicht einmal ganz sicher, wie ich es angestellt hatte, ihn zu überreden, mitzukommen. Hundertmal hatte ich ihm versprochen, aufzupassen, damit nichts geschah. Ziemlich lächerlich, aber der gewünschte Effekt war trotzdem eingetreten.

“Hör zu, niemand hier will dir was Böses, okay? Und wenn doch, dann bin immer noch ich da, um dich zu beschützen. Zur Not gehen wir halt einfach wieder”, erklärte ich ihm leise und nachdenklich, als er mich eneut mit diesem nervösen Blick zu foltern begann. Und als ich den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht erkennen konnte, schmerzte es mit einem Mal ganz höllisch in meinem Bauch.

Ich hätte das wieder auf irgendeine erfundene Grippe zurückführen können, aber wenn ich ehrlich war, wusste ich, woher dieses scheußliche Gefühl kam. Das nannte man wohl schlechtes Gewissen, denn die einzige Person, die Tweek heute Abend tatsächlich etwas Böses wollte, war ich höchst persönlich. Schließlich war ja der einzige Grund, weswegen ich ihn hierher geschleppt hatte der, dass ich ihn stark unter Alkohol stehend zu einem Liebesgeständnis bringen wollte, nur um ihm direkt darauf das Herz zu brechen.
 

Abwesend biss ich mir leicht auf die Unterlippe, die noch immer von vorhin ein wenig schmerzte. Ich würde diese Wette zu Ende bringen.

Es stört mich nicht, redete ich mir ein. Dass ich dabei etliche nicht unbedingt schlechte Erinnerungen aus meinem Kopf verbannte, war mir egal. Es geht nur um diese Wette. Ging es die ganze Zeit schon. Und ich schaffte es, mir selbst zu glauben. Wie immer belog ich mich selbst, so wie alle anderen Menschen es auch taten. Hatte ich nicht heute morgen noch darüber philosophiert, wie normal das war und warum Menschen sowas taten?
 

Mit einem mal wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als sich jemand neben mich setzte.

“Craig, Tweek”, meinte Token leicht nickend zur Begrüßung und öffnete mit einem Feuerzeug sein Bier, “Haben irgendwie die Zeit vergessen.”

Bei dem Wort 'wir' wanderte mein Blick zu dem braunhaarigen Jungen, der sich uns gegenüber neben Kevin und Bebe gesetzt hatte und mir flüchtig einen Blick zuwarf, den ich nicht deuten konnte. Clyde.

“Hm…”, machte ich nur abwesend und zog mein Handy aus der Hosentasche um nachzusehen, ob es wirklich schon so spät war.

00:01, zeigte mir der Display in grünen Lettern an. Sonntag.
 

Heute würde ich die Wette zu Ende bringen.

Ich komme damit klar, sagte ich mir selbst. Ich belüge andere. Ich belüge mich selbst. Und ich komme damit klar.

Und trotzdem hörte ich ganz weit entfernt, irgendwo eine winzig kleine Stimme flüstern:
 

“Und… bist du auch glücklich?”
 

___________________________________
 

Ohhh Gott D:

Das Ende rückt immer näher... fragt sich nur, warum ausgerechnet ICH deswegen aufgeregt bin!
 

Der "Samstag" hat mir so ziemlich alle Nerven geraubt und ich finde ihn immer noch nicht sonderlich prickelnd, aber natürlich hoffe ich wie immer, dass ihr trotzdem Spaß beim Lesen hattet :)
 

Was nun bei dem Lagerfeuer passiert seht ihr dann im "Sonntag", dem Grande Finale! Aber natürlich ist die FF dann noch nicht zu Ende... aber das werdet ihr dann ja selbst sehen. Auf jeden Fall erwartet euch jetzt nicht dieses typische 'Party-Klischee' im nächsten Kapitel ;D

Bin sowieso gespannt ob jemand mit dem rechnet, was ich nun für das Ausgehen der Wette geplant habe... höhöhö
 

Gut, aber ich laber schon wieder viiieeel zu viel Mist (falls das hier überhaupt jemand lesen sollte...)

Auf jeden Fall möchte ich mich noch für die ganzen tollen Reviews bedanken und die 48 Favo's :')

Danke liebe Leser, ich liebe euch alle! (Sogar die Schwarzleser!)

Wir sehen uns im "Sonntag" (?) Greezes! <3



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  East
2015-03-04T13:42:40+00:00 04.03.2015 14:42
Sabrina, ich schwöre bei Gott. Lade das letzte Kapitel hoch (SCHREIB ES??) oder ich komm persönlich zurück in dieses scheiß Kaff und nötige dich! BITTE
Von:  Sternenschwester
2013-02-24T19:06:27+00:00 24.02.2013 20:06
salute,
also bis hier her hat mir die Story sehr gut gefallen, auch wenn die Idee nicht ganz taufrisch ist, bringst du sie irrsinnig gut rüber. Bin mal gespannt, ob du noch irgendwann einmal das letzte (???) Kapi postest....
lg, Sternenschwester

Von:  SaRiku
2012-12-05T15:12:39+00:00 05.12.2012 16:12
Oh Mann, muss ich mir gerade das Quietschen verkneifen!!! >//x//<

Meine Güte, was für eine spannende ff! *___* Du hast es so drauf!! Und irgendwie... hach, ist sie sowas unglablich besonderes! <333 Als Craig den Rasen für Tweek freigeschaufelt hat, da wäre ich schon fast geschmolzen, aber die Szene im Schwimmbad... wow-wow-wow-wooow.... Das war... d-das... uuuh~ da fehlen mir die Worte! X//////X *blush*
Und jetzt hat Craig Tweek auch noch verteidigt, vor irgendwelchen Rowdys. :'3
Ich glaube, ich liebe deinen Craig. Und Tweek sowieso, der Süße. <3

Das einzige, was mich an deiner ff etwas unglücklich macht, ist.... naja, das Hochladedatum des letzten Kapitels. Dabei brennt man nach Kapitel 6 so unendlich sehr darauf, weiterzulesen! >///<
Hast du nicht Lust, uns allen zu Weihnachten eine kleine Freude zu machen und... weiterzuschreiben? *möglichst lieb guck*

Naja, wie auch immer du dich entscheidest: Bisher echt super Leistung! Eine der besten Fanfictions, die ich bisher zu den beiden gelesen hab! ;D

PS: Ob sich wohl noch aufklären wird, dass Craig Erdbeeren mag? >w<
Von:  Rockstar
2012-06-27T13:05:52+00:00 27.06.2012 15:05
In der Regel wage ich mich nicht in den South Park Bereich vor, was wohl auch daran liegt, dass ich mit noch noch großartig weiter mit der Serie auseinander gesetzt habe.
Immer mal wieder reingeschaut wenn die Glotze nix gescheites hergab und hier und dort geschmunzelt, aber ein motivierter Verfolger der ganzen Bande bin ich nie gewesen. Und ich weiß ehrlich gesagt immer noch nicht, wie ich überhaupt hierher gekommen bin, aber...
Fuck yeah.
Deine Geschichte ist so abartig Zucker und N'awwwww und Liebe, das ich dir am liebsten huldigen möchte. Es ist alles so wunderbar, so detailreich und so liebevoll geschrieben, dass ich die Geschichte eben gerade in einem Rutsch durchgelesen habe. Das werde ich wohl auch gleich nochmal tun, aber ich wollte erst noch einen Kommentar hinterlassen, du weißt schon - keine Macht den Schwarzlesern. *g*
Tatsache ist, dass mir deine Geschichte einfach wahnsinnig, wahnsinnig gut gefällt. Die Rechtschreibung ist super, die Wortwahl grandios und Craig ist so ein liebenswerter, nörgerliger und hinreißender kleiner Bengel - ich habe ihn ständig mit diesem abgefuckten Gesicht vor Augen und finde es großartig. *g*
Und Tweek ist einfach nur Zucker - tatsächlich ging er mir in der Serie eher auf den Geist (Die paar Folgen die ich geschaut habe und wo er auftauchte) aber irgendwie schaffst du es hier mehr als nur perfekt, seine Unsicherheit für so gut wie alles rüber zu bringen.
Wunderbar.
Du hast ja nun schon eine Weile nicht mehr gepostet, aber ich hoffe inständig dass du die Geschichte noch nicht at Akta gelegt hast und sie nochmal weiter schreibst. Denn ehrlich, sie wirklich unglaublich schön.
Also - Arsch hoch und weiter schreiben, Madame. ;-D

P.S.: Twees Lieblingsfarbe ist blau, ne? Ich musste so grinsen.
Von:  Aka_Samurai_Kurogane
2011-12-20T21:46:59+00:00 20.12.2011 22:46
Aww!! schon wieder so ein schönes Kapp^^ ich weiß nicht ob ich die schonmal gelesen habe oder nicht xD und wenn gefällt sie mir nochmal*lach*
aw...Clyde sitzt neben Kevin?*hibbel* die sind sooo süß zusammen >///< kommt da noch was zwischen denen? auch wenns creek ist XDD

und ich bin gespannt was passiert wenn tweek voll ist XDDD

Aka
Von:  -lyra-
2011-11-02T18:49:38+00:00 02.11.2011 19:49
ich freu mich schon wenns weiter geht :D

dein schreibstil is wirklich klasse. die story selber is einfach klasse :D

hoff du brauchst ned allzu lange mitn weiterschreibn ;)
Von:  -Nox-
2011-10-27T05:07:58+00:00 27.10.2011 07:07
Genial. Wirklich endgenial.
Angefangen bei deinem Schreibstil der wirklich wunderbar zu der ganzen Geschichte passt bis hin zu jeder einzelnen Idee. Ich hätte gerne jedes einzelne Kapitel kommentiert um die Kommis ein wenig zu pushen aber dafür fehlt mir im Moment leider die Zeit ;)
Also fasse ich alles in einem Kommentar zusammen.
Die ganze FF über konnte ich unglaublich gut mit den Charakteren mitleiden. Ich verstehe Clydes Gefühlswelt unglaublich gut und zeitgleich verstehe ich auch Craig das ihn das ganze so dermaßen anpissen muss. Mich pisst auch vieles an *lach* Die FF hat mir gestern als ich sie gelesen habe auch sehr mit einem Problemfall geholfen. Craigs einstellung sei dank..
Die Idee mit der Lieblingsfarbe - Oh Gott.
Ich habe in meinem Lesefluss inne gehalten und erst einmal geschmunzelt. Wieso? Die Farbe blau kann man so unglaublich gut mit Craig identifizieren. Das hat einfach wie die Faust aufs Auge gepasst.
Und die angedeutete Prügellei, eine richtige war es ja noch nicht - Love pur. Ich hatte gehofft das so etwas passiert *~*
Whatever - leider muss ich los zur Arbeit daher beende ich diesen Kommi und hoffe auf ein baldiges neues Kapitel und...
Weiter so!
Von:  Klein_Ryu
2011-08-17T13:30:26+00:00 17.08.2011 15:30
oh nein wie tolli♥
büdde schnell weiter >.<
Von: abgemeldet
2011-06-29T17:48:02+00:00 29.06.2011 19:48
Hey~~
sorry dass ich erst jetzt dazu komme das Kapi zu lesen, aber hatte letztens ziemlich viel um die Ohren ><'
aber dieses Kapitel hat mich eine halbe Stunde davon befreit *w*
ich weiß nicht was du hast, ich finde es ist dir sehr gelungen ! ^.^
Es gehört eben auch zum Leben dazu, dass es einmal langweilig und unangenehm sein kann, vor allem im Leben eines Craig Tuckers! XD
das ist mit dem stummen Hin- und Hergewandere bis zu dem Vorfall mit den North Park Raudis sehr gut geschildert x3
Und auch auch die Ansatz-Prügelei hast du klasse beschrieben! Ich muss immer noch lachen wegen 'Alphagorilla' XDDDD danach konnte ich mir den Idioten richtig vorstellen! xD
Ich bin ja mal gespannt wie es nun mit Tweeky und Craig weiter geht und ob Tucker anfängt auf nie dagewesene, unangenehme Stimmen in seinem Kopf zu hören~ ich hoffe doch allein um Tweeks Willen, dass er es tut >.<
Wieder mal klasse Kapitel, ich freu mich schon auf das nächste ^.^
*knuffz* *Kekse da lass*
n_m_g
Von:  Hero
2011-06-24T15:00:47+00:00 24.06.2011 17:00
Aw, deine FF ist so mega awesome *____*
Ich liebe sie an <3
Ich hab, bevor ich deine FF gelesen hab South Park nicht wirklich gemocht, aber jetzt find ich es awesome :D
Ich warte auf den Sonntag *______*


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