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Was das Herz begehrt

Torchwood
von

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Ianto schreckt aus einem unruhigen Halbschlaf auf, als der SUV vor seinem Haus zu stehen kommt und Jack den Motor ausschaltet. Er blinzelt in die Morgensonne und versucht eine Bestandsaufnahme seines Körpers, bricht dann aber frustriert ab. Zu viele Schmerzmittel, um zu sagen, was genau weh tut, zu wenige, um gar nichts zu spüren. Oder zu schlechte. Wenn man lange genug bei Torchwood arbeitet, lernt man ein paar Eigenheiten schätzen. Ianto erlaubt sich ein paar Sekunden lang den Gedanken an den 'Harper Spezial', das Hauseigene Wundermittel, aber er hat Gwen den Vortritt gelassen. Man muss ab und zu Gentleman sein und wenn deine Kollegin angeschossen wird, ist es vermutlich eine gute Gelegenheit.
 

Zumal er sie gestern beim 'Letzter Kuss'-Spiel hat auflaufen lassen, für einen seiner kindischen Versuche, eine Reaktion aus Jack herauszubekommen, die persönlicher ist als „Danke für den Kaffee, Ianto“. In der Nacht, in der Lisa gestorben ist, hat Ianto zwei Menschen verloren. Der Captain mag ihm verziehen haben, Ianto hat seinen Job wieder, aber Jack hat er verloren. Und vielleicht hat er auch kein Recht darauf, dass Jack ihm verzeiht.
 

„Ich komme mit rein“, sagt Jack und ist schon halb ausgestiegen, bevor Ianto sich auch nur aufgerichtet hat. Keine Frage, keine Bitte. Ianto reibt irritiert an dem Striemen, den der Gurt an seiner Schläfe hinterlassen hat und denkt darüber nach, wie es möglich ist, diesen völligen Mangel an Taktgefühl und guten Manieren als Charme zu verkaufen.
 

Er öffnet seine Tür, als Jack gerade um die Motorhaube herum gekommen ist, sodass der Captain gezwungen ist, einen schnellen Schritt zur Seite zu machen, um nicht dagegen zu laufen. Es ist kleinlich und feindselig, genau wie seine verbale Attacke gegen Gwen, aber Ianto kann sich einfach nicht helfen. Es ärgert ihn noch mehr, dass er nicht herausfinden kann, was genau an Jacks Verhalten ihn wütend macht und ob Jack es mit Absicht tut.

Jack wirft ihm einen kurzen irritierten Blick zu, den er dann mit einer seiner Posen überspielt: Hände in den Manteltaschen, Blick zum Horizont, der Captain wartet.
 

Ianto hievt sich mühsam aus dem Sitz, sein rechtes Bein kribbelt, eingeschlafen oder nachlassende Schmerzmittel, jedenfalls humpelt er die ersten paar Schritte mehr schlecht als recht auf seine Haustür zu. Er weiß, dass Jack direkt hinter ihm ist. Für den Fall, dass er in Ohnmacht fällt oder Gott weiß was. Als er die Haustür erreicht, lehnt er schwer dagegen. Er lässt beinahe die Schlüssel fallen, braucht drei Versuche, um das Schlüsselloch zu treffen, weil seine Hände zittern. Müdigkeit, sicher.
 

Jack steht hinter ihm und es macht Ianto wahnsinnig, dass er ganz genau weiß, wo, ohne auch nur hinzusehen. Jack ist einfach viel zu da. Vielleicht ist es das. Dass Jack einfach so verdammt viel Platz einnimmt, so laut ist, so präsent. Man kann ihn einfach nicht ignorieren, selbst wenn man möchte. Ianto kann nicht ignorieren, dass Jack nicht mehr wie früher mit ihm spricht. Sie hatten etwas – zu seltsam für Freundschaft und ganz sicher keine Liebe – aber jetzt ist Jack so sorgfältig nur noch der Captain, dass Ianto ihm manchmal einfach den Schädel einschlagen möchte.
 

Die Tür geht endlich auf und Ianto verliert keine Zeit auf dem Weg zur Küche. Das Bedienen der Kaffeemaschine erfordert kein Nachdenken. Die vertrauten Geräusche der Kaffeemühle und des kochenden Wassers vermischen sich mit dem Geruch nach frischem Kaffee und Ianto hat zum ersten Mal seit Stunden, seit er in diesem Kellerloch aufgewacht ist, Tosh bewusstlos neben ihm, und für einen schrecklichen, langen Moment dachte, dass sie tot wäre, das Gefühl, dass er wieder frei durchatmen kann. Als ob ein Gewicht verschwunden ist, das auf seine Brust gedrückt hat.

Zuhause. In Sicherheit.
 

Er versucht seinen Atem zu beruhigen und Tränen wegzublinzeln, die ihm plötzlich in die Augen schießen wollen. Es hilft, dass er weiß, dass der Captain hinter ihm in der Küchentür steht. Er muss sich nichtmal umdrehen, er weiß es auch so: den Mantel über einen seiner Arme gelegt, gegen den Türrahmen gelehnt.
 

„Bist du sicher, dass Kaffee jetzt-“

Jack kommt nicht weiter, unterbrochen vom Scheppern der Kaffeetasse, die Ianto durch die Küche schleudert. Sie sehen beide einen Moment lang verblüfft zu, wie Kaffee zu Boden tropft. Weit genug von Jack entfernt, dass sich Ianto ziemlich sicher ist, dass er ihn nicht treffen wollte.
 

„Du bist wütend“, stellt Jack fest und er klingt ein bisschen erleichtert, so als hätte er endlich eine Antwort auf eine besonders schwierige Frage bekommen. Ianto wünscht sich eine Sekunde lang, er hätte Jack doch getroffen. „Es tut mir Leid. Ich weiß, die Mission-“

„Scheiß auf die Mission, Jack!“

Jack starrt ihn an, verwirrt und ein wenig kühl. „Ich kann gehen, ich wollte nur sichergehen, dass du-“ Diesmal unterbricht Jack sich selbst und blickt nach unten auf seine verschränkten Arme. „Du kannst heute frei nehmen. Und morgen.“

„Danke, Captain“, sagt Ianto mit beißendem Sarkasmus.
 

Jacks Kopf ruckt hoch, die Mundwinkel nach unten verzogen. Für einen Moment sieht er aus, als wollte er etwas sagen, aber dann schüttelt er nur kurz den Kopf, wie um sich selbst zu widersprechen und wendet sich ab.

Ianto atmet langsam aus und lauscht, wie sich die schweren Schritte von Jacks Stiefeln entfernen. Das Geräusch der Haustür kommt nicht, wenn er es erwartet. Auch nicht drei Sekunden später, auch nicht zehn.
 

„Jack?“
 

Er erschrickt darüber, wie dünn sich seine Stimme anhört. Er will Jack nicht sagen, dass er nicht okay ist. Dass er nichtmal bereit ist, über die Kannibalen nachzudenken, geschweige denn zu reden. Aber er will, dass Jack fragt. Dass es Jack interessiert, wie es ihm geht.
 

Er humpelt zum Durchgang in den Flur. Seine Hand, die ihn am Türrahmen abstützen soll, kommt da zu liegen, wo Jack gelehnt hat. Das Holz ist noch warm und von allen absurden Dingen, ist es das was Ianto am meisten zu schaffen macht.
 

Jack steht am Ende des Flurs. Er hat sich zu Ianto umgedreht und sieht müde aus. Wenn Jack müde aussieht, dann ist es nicht einfach ein Mangel an Schlaf. Da ist etwas - vielleicht etwas in seinen Augen oder ein Zug um seinen Mund herum oder etwas, das man gar nicht sehen kann – etwas, das älter und resignierter ist, als Müdigkeit. Ein neuzeitlicher Atlas, das Gewicht der Welt auf seinen Schultern und niemand, der es ihm abnehmen kann.
 

Ianto kommt sich plötzlich kindisch und ungerecht vor, mit seiner Wut auf Jack und den Vorhaltungen. Was auch immer sie hatten, Ianto hat es versaut. Er mag gute Gründe gehabt haben, aber das macht es nicht besser. Es ist vermutlich großmütig genug von Jack, dass er ihn noch als Kollegen behalten will.
 

Ianto war nie gut darin, über seinen eigenen Schatten zu springen, aber Jack ist immer noch hier. Das muss ein gutes Zeichen sein.

„Bist du okay?“, fragt er schließlich, den Blick fest auf seine Hand gerichtet.
 

Jack ist eine Bewegung in seinem Augenwinkel, ein dunkler Fleck in seinem hellen Flur.

„Ich bin immer okay.“
 

Ianto schnaubt abfällig und lässt seinen Kopf sinken, bis seine Stirn am Türrahmen lehnt. Er kann Jack nicht ansehen, wenn er es sagt. „Könnten wir... Ich-“ Er bricht ab und gibt es für den Moment auf. „Wenn du bleibst, lass deinen Mantel im Flur.“
 

Als er aufsieht, sieht Jack, wenn überhaupt möglich, noch müder aus. Sein Blick ist verschlossen und das 'Was willst du von mir, Jones?' könnte nicht klarer sein, wenn er es laut sagen würde. Ianto weicht dem Blick aus und geht zurück in die Küche, wo er die Kaffeemaschine anmacht, um nicht auf das Geräusch der Haustür lauschen zu müssen.
 

Er wartet bis auch der allerletzte Tropfen von der Maschine in die Tasse gelaufen ist und er keinen Grund mehr hat, sich nicht zum Eingang umzudrehen. Jack steht da, die Arme vor der Brust verschränkt, eine Geste, die gleichzeitig abweisend aussieht und als würde er sich selbst umarmen; wie so vieles, was Jack tut, ergibt sie nicht den geringsten Sinn.
 

„Kaffee, Sir?“, sagt Ianto und kann ein erleichtertes Lächeln nicht unterdrücken.

Jack sieht ihn an, als würde er an seinem Verstand zweifeln, aber sein Gesicht hellt sich ein wenig auf. „Sicher, ersetzen wir Schlaf durch Koffein...“ Vermutlich soll es absurd klingen, aber bei Ianto kommt es als valider Vorschlag an.

„Schlaf ist überbewertet“, sagt er mit einem Schulternzucken, das er auf halbem Weg abbrechen muss, weil es sich als Krampf in seinem Genick festsetzt. Ihm fällt viel zu spät auf, dass sie gerade eine Unterhaltung wiederholen, die sie vor ungefähr sechs Wochen geführt haben. Bevor alles so spektakulär in die Brüche ging.
 

Nicht dass davor alles in Ordnung gewesen wäre, Ianto würde es eher mit einem abgestürzten Flugzeug vergleichen. Trümmer vor und nach der quälend verzögerten Explosion. Vermutlich besteht der Unterschied nur darin, dass man früher noch erkennen konnte, was da vorher war, jetzt sind statt Bruchstücken nur noch rauchende Ascheklumpen da. Blackbox verschollen. Ianto hat eine morbide Faszination damit, sich Metaphern auszudenken, es hat etwas distanziert-poetisches, solange man nicht darüber nachdenkt, dass es um das eigene Leben geht.
 

Und jetzt wiederholen sie ihre eigenen Dialoge wie falsche Schauspieler in den gleichen Rollen. Ihre Blicke treffen sich und Ianto kann sehen, dass Jack es auch gemerkt hat. Jack senkt den Blick auf die Tasse in Iantos Händen (kleine Unterscheide: tatsächlicher Kaffee in dieser Szene) und Ianto reicht sie ihm mit einem Räuspern. Ihre Finger berühren sich, aber Ianto sieht Jack nicht an und grübelt die nächsten Minuten frustriert, ob es Absicht war, und wenn ja, wie Jack es gemeint haben könnte, während er sich selbst einen Kaffee macht. Er kommt sich dumm und jung vor und er hasst es.
 

Die Ironie ist ihm bewusst, aber er kann sie nicht so recht schätzen im Moment. Es ist einfach nur irritierend, nach allem, was Jack und er miteinander angestellt haben, dass ihn eine Berührung der Hand und die Frage, ob Jack ihn noch mag (großer Gott, im Grunde zu peinlich, um es laut zu denken), so aus der Bahn werfen können. Wenn er nicht so feige wäre, würde er Jack einfach küssen und damit leben, falls Jack... Himmel, er wünschte, Jack würde da nicht schweigend rumstehen.
 

Iantos Kaffee ist fertig und dann stehen sie sich gegenüber, starren abwechselnd den anderen an, oder in die schwarze, dampfende Flüssigkeit. Jack sieht verwirrt aus – vielleicht. Ianto ist sich nie ganz sicher, was Jacks Stimmungen angeht. Er will sich gegen den Küchentresen lehnen, trifft aber einen Bluterguss an seiner Hüfte und stellt sich wieder hin.
 

„Warum stehen wir in der Küche?“ fragt Jack. Es klingt neutral. Neutral ist gut, Ianto könnte amüsiert gerade nicht ertragen.

Er weiß nicht, worauf Jack hinaus will. „Kein bestimmter Grund.“

„Oh gut. Du schwankst nämlich.“ Jack macht mit seinem Kinn eine Geste zum Wohnzimmer. „Sofa?“

„Uhm, ja. Moment. Ich... können wir das hier machen?“

„Was machen?“

Ianto zögert einen Moment. „Reden?“

„Wir reden?“, fragt Jack so, als würde es ihn wirklich überraschen.

„Was denkst du, was wir machen?“ Ianto versucht angestrengt, nicht die Geduld zu verlieren und nicht die Augen zu verdrehen.
 

„Ich weiß nicht“, sagt Jack unwirsch, „es war verwirrend. Du hast eine Tasse nach mir geworfen und wolltest, dass ich hier bleibe. Gemischte Signale, würde ich sagen.“ Für einen kurzen Moment sieht Jack wirklich ärgerlich aus, aber dann kippt er den restlichen Kaffee hinter und atmet einmal tief ein. „Okay, gut. Wir reden. Hier“, fügt er etwas säuerlich hinzu. „Versuch bitte, dir nicht den Kopf aufzuschlagen, wenn du umkippst. Warum sind wir in der Küche?“
 

Ianto erinnert sich gerade noch früh genug daran, dass er nicht mit den Schultern zucken wollte. „Ich weiß nicht, ich wollte nur... irgendwo, wo wir nicht Sex hatten?“

Jack zieht beide Augenbrauen hoch und dreht sich kurz zum Kühlschrank um, neben dem... uhm ja, das war Ianto gerade entfallen. „Wie genau definierst du Sex?“

„Halt die Klappe, ich-“

„Wir könnten in den Garten gehen...“

„Vergiss es einfach, okay?!“
 

Ianto ist sich ziemlich sicher, dass Jack normalerweise grinsen und es ihm somit unmöglich machen würde, ihn nicht mit der zweiten Kaffeetasse tatsächlich zu erschlagen. Aber jetzt fährt sich Jack nur mit einer Hand über die Augen. „Okay“, sagt er müde.
 

„Okay“, sagt Ianto etwas unsicher. „Ich... wollte mich entschuldigen?“ Er weiß nicht, warum, es wie eine Frage klingt. Es soll keine Frage sein. Er kann es sich nicht als Fehler eingestehen, dass er Lisa retten wollte. Er kann sich selbst nicht verzeihen, dass Menschen gestorben sind. Aber in welche Rolle er Jack bei der Sache gedrängt hat, das tut ihm aufrichtig Leid.

„Nein, wolltest du nicht“, sagt Jack, in einem Ton, den Ianto nur zähneknirschend hinnimmt.

„Ach?“
 

„Lass mich raten: du entschuldigst dich und erwartest, dass ich mich entschuldige und dann sagen wir uns gegenseitig, wie Leid es uns tut, dass wir Sex hatten. Aber sorry, ich hab dich zu nichts gezwungen und du bist freiwillig zurück gekommen. Ich sehe nicht ein, warum ich mir Schuldgefühle für etwas einreden lassen soll, was bei den vielen Dingen, für die ich mich tatsächlich schuldig fühle, nichtmal auf dem Radar erscheint. Also tu uns beiden einen Gefallen und lass uns gar nicht mehr darüber reden.“
 

Ianto kann ihn einen Moment lang nur perplex anstarren. „Das meinte ich nicht.“

„Nicht?“, fragt Jack wachsam.

„Nein.“ Er schüttelt den Kopf, nur einmal, aber der Raum hört nicht auf zu schwanken.

Jack verschwimmt und steht plötzlich neben ihm, eine Hand an Iantos Schulter. Der Griff ist zu hart oder vielleicht tat die Schulter schon die ganze Zeit weh. „Ianto!“ Jack klingt alarmiert. „Couch. Sofort.“
 

Ianto ist sich ziemlich sicher, dass Jack überreagiert. Ihm war schwindelig, das ist normal, wenn man eine Gehirnerschütterung hat, aber er ist ganz sicher nicht kurz davor, vorn über zu kippen. Andererseits widerspricht man Jack nicht, wenn er in Ein-Wort-Sätzen spricht, also unterdrückt er den Impuls, Jacks Hand abzuschütteln und lässt sich kommentarlos in sein Wohnzimmer lotsen.
 

Die Couch ist weicher als Ianto sie in Erinnerung hatte. Er lässt sich in die Polster sinken und legt den Kopf auf die Rückenlehne. Als er die Augen schließt, versucht er angestrengt, nicht daran zu denken, wie seine dreckigen Sachen gerade die Polster ruinieren. Er würde sich umziehen gehen, aber Jack steht hinterm Sofa, neben Iantos Kopf gegen die Rückenlehne gelehnt und seine Hand liegt immer noch auf Iantos Schulter, so als würde er ihm nicht ganz trauen, nicht doch nochmal aufzuspringen.
 

„Was meintest du?“, fragt er. Ianto glaubt erst, dass seine Stimme sanft klingt, aber das ist es nicht ganz. Vorsichtig, misstrauisch.

„Ich meinte... ich weiß nicht. Alles? Wir waren-“ Für einen Moment will er Freunde sagen, aber es passt nicht und er verheddert sich auf der Suche nach einem passenden Wort. „... irgendwas“, murmelt er schließlich. Es ergibt alles keinen Sinn. Er versucht es einfacher. „Ich habe dich verletzt und das wollte ich nicht.“
 

„Hast du nicht“, sagt Jack sofort entschieden.

„Großartig!“ Ianto schlägt wütend seine Hand weg und sieht zu, wie Jack ein paar Schritte zurück macht.

Er hat für einen Moment Angst, dass Jack jetzt geht, aber dann senkt Jack den Blick und kommt ums Sofa herum. Er setzt sich neben Ianto, ihre Knie berühren sich und Ianto entscheidet, dass seine Entschuldigung angenommen wurde. Er lässt den Kopf wieder sinken und schließt die Augen. Er ist so verdammt müde, aber er weiß, wenn er versuchen würde zu schlafen, würden seine Gedanken nicht stillstehen.
 

„Ich wollte nicht sterben, weißt du?“, sagt er nach einer ganzen Weile, ohne die Augen zu öffnen.

„Hm?“

Er dreht den Kopf ein wenig und sieht Jack an, der seine Ellbogen auf den Knien abgestützt hat und aus dem Fenster zu gucken scheint. Er kann nur den gebeugten Rücken sehen und ein Stück des lächerlich heroischen Profils. „Als Tosh und ich gefangen wurden, da unten im Keller. Wir haben Schuhe gefunden, Kleidung und...“, er kommt ins Stocken, „Kühlschränke. Und ich bin in Panik geraten. Ich wollte nicht sterben.“
 

Jack wirft ihm einen langen, bedauernden Blick über die Schulter zu. „Das ist ganz normal.“

Er ist sich nicht sicher, ob er diese Art Blick mag. 'So jung und so kaputt', sagt der Blick und Ianto weiß nicht, wie er damit umgehen soll. „Nicht für mich“, sagt er leise und es klingt wie ein Geständnis. „Nicht in letzter Zeit.“
 

„Ianto.“ Jack dreht sich voll zu ihm um, ein Bein untergeschlagen auf der Couch. Es sieht einen Moment so aus, als wollte er seine Hand an Iantos Wange legen, aber dann bricht er die Bewegung ab und legt sie groß und warm auf Iantos Brust, über sein Herz. Ianto ist erleichtert, er ist kein Kind, das man trösten muss.
 

„Ich hätte es sowieso nicht gemacht“, sagt er schnell und ohne Jack anzusehen. „Ich hab dran gedacht, schon als Lisa noch lebte. Sie war manchmal tagelang nicht bei Bewusstsein, es hätte sein können, dass sie stirbt. Ich dachte, irgendwann käme ein Punkt, wo es einfach wäre, aber es ist-“ Er bricht ab, weil er nicht erklären kann, wie das ist, wenn alles so verdammt sinnlos ist, man aber einfach nicht den Mut aufbringen kann...

„Das ist keine Feigheit, das ist Instinkt“, sagt Jack, als könne er seine Gedanken lesen. „Man kann nicht anders, als sich vor Verletzungen zu fürchten.“
 

„Was waren wir?“, fragt Jack nach einer Weile.

„Hm?“ macht Ianto mit rauer Stimme. Er ist verwirrt, vielleicht war er eingeschlafen.

„Du hast gesagt, wir waren irgendwas“, sagt Jack, ungeduldig und ohne seinem Blick zu begegnen. „Ich hab dich nicht verstanden. Was waren wir?“

Ianto sieht ihn an. Jack sieht alt aus, müde. Er ist normalerweise so voller Energie und so völlig unerreichbar. „Wir waren gut“, sagt Ianto schließlich mit einem schwachen Lächeln.

Jack hebt den Blick und erwidert das Lächeln. Da ist ein bisschen von dem alten Blitzen in seinen Augen als er sich herunterbeugt, um Ianto auf den Mundwinkel zu küssen. „Hm ja, ziemlich gut.“
 

Ianto schließt wieder die Augen und hebt eine Hand, um Jack damit durch die Haare zu fahren. Die Situation hätte Potential, wenn er Energie für mehr hätte. So lauscht er für eine Weile einfach nur auf Jacks Atem.

„Wir könnten besser sein.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Anuri
2011-07-27T14:31:27+00:00 27.07.2011 16:31
Vielleicht schaff ich es heute noch alle zu kommentieren.
Aber jetzt zu der Geschichte.

Ich finde die Trennung die du hier darstellst sehr gut. Er hat seinen Job behalten und trotzdem ist es halt anders. Die Unterscheidung zwischen Captain und Jack finde ich sehr passend.
Auch die Beschreibung ihrer Beziehung die mal wohl erst so richtig einordnen kann in der zweiten Staffel. Zumindest von Iantos Seite.

Du hast die Atmosphäre zwischen den beiden sehr gut rübergebracht, wie sie irgendwo im Nichts schweben. Eine Kälte und Entfernung zwischen ihnen. Trotzdem Jacks Besorgnis, die immer sehr gut überspielen kann.

Wenn man das liest kriegt man fast die Krise, wie die beide sich anstellen und es sich noch schwerer machen. Genauso wie es immer machen. Du hast die beiden wie ich finde wieder einmal exzellent getroffen.

Das ist süß. Sie waren auf jedenfall gut. eigentlich erwartet man das jetzt nicht, sondern halt solche Worte wie Freunde oder Lovers oder so und trotzdem ist der Satz wohl die treffendste Beschreibung.


Von:  kia-chan23
2010-10-03T17:37:41+00:00 03.10.2010 19:37
Ist echt super geworden! Erinnert sehr stark an ihre ... naja was auch immer! Es störte mich etwas, dass sie das in der Serie nicht geklärt haben. Deine Story verströstet mich und würde so auch gut in die Serie passen.
Von:  Avrora
2010-07-27T14:38:40+00:00 27.07.2010 16:38
gefällt mir!
sher schön geschrieben und so wirr wie es irgendwie auch in der serie ist^^


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