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Reqium of Darkness & Quiet Symphony

Walker x Kanda
von

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Besuch bei Marshall Cloud

Die lange Reise führte uns am darauffolgenden Morgen also nach Frankreich. Die finstersten Stunden der Nacht hatten wir auf der Fähre verbracht und damit, uns in kleinen Nischen vor dem schneidigen Wind zu schützen. Das Schwanken des Schiffes war irgendwann und verbunden mit dem lauten und permanenten Rauschen zu einer Herausforderung geworden, die ich mit strapazierten Nerven meisterte. Nur selten hatte ich den festen Boden so zu schätzen gewusst. Ebenso die Stille der Finder, die sich mit bleichen Gesichtern und angespannten Mienen nahe bei uns hielten, als wir den Weg in der Dunkelheit fortsetzten.

Den Koffer sicher bei mir, entfernten wir uns von dem hell erleuchteten Hafen, drängten uns aus der nächtlichen Geschäftigkeit der Franzosen und zogen durch die engen Straßen. Permanent und durchaus etwas müde schallten die Schritte der Finder hinter mir. Ich nahm es nicht wirklich wahr. Nur einmal beiläufig, als einer von ihnen mit der für sie typischen Geschicklichkeit eine Bordsteinkante übersah.

„Kanda?“ Leisen Schrittes fand sich Miranda bald darauf neben mir ein. Fröstelnd zog sie ihren Mantel enger um sich, verschränkte die Arme vor dem Bauch und schickte den beiden Nachzüglern einen knappen Blick. „Könnten wir uns nicht erst einmal irgendwo ausruhen, bevor wir die letzte Etappe unserer Reise auf uns nehmen?“

Eine Sache, mit der ich nicht gerechnet hatte und kritisch spähte ich zu ihr. Ihre dunklen Augen versteckten sich hinter den wirren Strähnen ihres Schopfes, als sie zu mir gewandt blieb. Eine kühle Böe erfasste uns, drängte auch den Stoff meines Mantels eng um meinen Leib.

„Der Bahnhof ist keine zwei Stunden entfernt.“ Beiläufig stieg ich über ein Schlagloch hinweg und kurz darauf wurde erneut hinter uns gestolpert. „Paris höchstens fünf.“

Ein komisches Anliegen, nachdem sie zwei Stunden auf dem Schiff nur herumsaßen und keinen Finger krümmten. Neben mir zog sich die Frau die Kapuze über den Kopf, festigte sie aufmerksam mit der Hand, als sich die Böen verstärkten und ein leises Grollen über uns hinweg zog. Nur flüchtig blickte ich auf, umfasste den Griff des Koffers sicher und verschaffte mir auf einer Kreuzung Orientierung. Irgendwie war man überall schon einmal gewesen und ohne lange zu überlegen, überquerte ich die Straße und bog nach rechts.

„Es liegt nicht an mir.“ Problemlos hielt Miranda Schritt. „Aber den Findern ist immer noch etwas schlecht und sie sind müde. Sie bräuchten eine Pause.“

Wenn sie nicht soviel stolpern würden, bräuchten sie diese nicht. Ich verdrehte nur die Augen, schob mich an einer Kutsche vorbei und betrat den Gehweg.

Es war so belastend. Sie waren erwachsen, sollten sie ihre Probleme selbst regeln und mich nicht aufhalten. Ein Tag und eine Nacht waren bereits vergangen, ohne dass wir unser Ziel erreichten. Diese Mission sollte nicht ewig dauern und so behielt ich mein Tempo stur bei.

Spätestens am dritten Tag hatte ich zurück zu sein.

Ich denke, ich musste nichts mehr dazu sagen und bald darauf ließ sich Miranda zurückfallen, um sich um die zu kümmern, die ich geübt aus meiner Wahrnehmung ausschloss.

Nachts ließ es sich in Frankreich nur bedingt gut vorankommen. Gewissen Gegenden zog ich einen Umweg vor, an schmalen Gassen zog ich vorbei. Lieber war ich vorsichtig, als mich auf sinnlose, zeitraubende Auseinandersetzungen einzulassen. Eigentlich tat ich es immer, nur in dieser Nacht und mit diesem Gepäck besonders. Auf ausschließlich sicheren Wegen erreichten wir also nach einer guten Zeit das unauffällige Gebäude des Bahnhofes und beinahe flüchtend drängten sich die Finder hinter mir durch den schmalen Eingang. Hinein in die steinerne, alte Halle und hinaus aus dem Regen, der uns das letzte Stück des Weges begleitet hatte. Erleichtert erhob sich ihr Ächzen in meinem Rücken. Auch Miranda entledigte sich geräuschvoll des Mantels und während sie sich die Feuchtigkeit aus dem Schopf schüttelte und die Finder nach der erstbesten Bank suchten, hatte ich bereits den Plan erreicht. An einem hölzernen Brett erstreckte er sich vor mir und leise tropfte das Wasser aus meinem nassen, schweren Mantel, als ich mich in die Routen vertiefte. Unter den dünnen Rinnsälen blinzelnd, lehnte ich mich bald näher zu dem Aushang, verengte die Augen und schürzte die Lippen.

Ich mochte es, mich bestätigt zu sehen. Der richtige Zug würde keine halbe Stunde auf sich warten lassen, hätte es am nächsten Tag jedoch umso länger getan. Den Rest der Nacht in einer Herberge zu verbringen, wäre so fatal wie sinnlos gewesen und die Rückkehr nach drei Tagen undenkbar.
 

Der triefende Mantel hatte über der Lehne der hölzernen Bank seinen Platz gefunden, nicht weit von mir entfernt und noch immer tropfend. Die Beine von mir gestreckt, neben mir auf der Sitzfläche den Koffer, vertiefte ich mich in das Richten meiner Handschuhe und hatte es bequem, während nicht weit von mir permanente Gespräche geführt wurden. Die Stimmen der Finder und meiner Kollegin waren beinahe die Einzigen, die hier um diese Uhrzeit ertönten. Nur wenige Gestalten schlossen sich unserem Warten an, standen weit entfernt an den Gleisen, trotteten umher… und wurden keinen Augenblick lang aus den Augen gelassen. Bald schob sich auch ein Weiterer aus dem schüttenden Regen in den Schutz der kalten Halle. Nun saß er an dem gegenüberliegenden Steig auf einer Bank, rauchte eine Zigarette und schien unterdessen des Öfteren einzuschlafen.

„Ich war noch nie in Frankreich“, verkündete einer der Finder und entspannt zupfte ich an den einzelnen Fingern, tastete unter dem Ärmel. „Jetzt werde ich bestimmt länger hierbleiben.“

„Paris ist eine schöne Stadt.“

Miranda ging es vermutlich wie mir. Das erste Mal war es noch eine schöne Stadt und anschließend nur noch eine Stadt. Eine unter vielen, die man zu bereisen hatte. In diesem schäbigen Gebäude hatte ich bereits dreimal gesessen und auch diesmal hatte sich nicht viel verändert. Unter einem tiefen Atemzug stemmte ich den Ellbogen auf den Koffer. Eine gewisse Aufmerksamkeit konnte mir nicht entgehen und als ich das Gesicht zur Seite wandte, wurde mir auch schon der Rücken gekehrt. In ruhigen Schritten schlenderte der ältere Mann lieber am Gleis entlang, als mich weiterhin anzustarren und ich tat es noch einige Augenblicke länger, bevor ich zu der vergilbten Bahnhofsuhr spähte.

Nur noch wenige Minuten und wenn wir Glück hatten, trafen wir den Marshall noch bevor die Sonne aufging. Ein rasches Vorankommen, mit dem ich recht zufrieden war und die Lippen mit den Zähnen bearbeitend, fixierte ich mich auf eine weiße Taube, die neben mir ihrer Wege ging.
 

Als wir Paris erreichten, kündigte der Himmel den Sonnenaufgang erst mit einem satten, tiefen Blau-Ton an. Eine Fahrt ohne Komplikationen und das leise Zirpen der Grillen umgab uns, als wir auf einem bepflanzten Platz vor dem großen Bahnhof vorerst inne hielten.

Das schläfrige Gähnen und Ächzen der Finder zeugte davon, dass sie sich im Zug wieder hängen gelassen hatten. Das Jammern fiel ihnen einfach in jeder Lage leicht. Selbst nach einer ereignislosen und ruhigen Reise offenbarten sie eine Müdigkeit, von der ich mich noch weit entfernt fühlte. Selbst Miranda verfolgte mit wachen Augen, wie ich in den Taschen des Gürtels suchte, den Plan hervorzog und gemächlich entfaltete. Den Koffer zwischen den Stiefeln, schickte ich den Findern einen knappen Blick, betrachtete mir auch die dunkle Umgebung und senkte das Gesicht zu dem Papier. Der Marshall sollte sich nicht weit vom Bahnhof aufhalten und wirklich schien das Hotel nur wenige Querstraßen von uns entfernt zu sein. Ein Fußmarsch, der sich auf Minuten reduzieren ließ und eine Tatsache, die mich auch weiterhin zufrieden stimmte.

Wir waren wirklich gut vorangekommen. Die Verbindungen waren praktisch gewesen und nun standen wir hier und kurz davor, die Mission zu erfüllen.

Flüchtig raffte ich den noch immer nassen Mantel höher, runzelte die Stirn und suchte nach dem ersten Straßenschild. Neben mir verschränkte Miranda die Arme und ihr erschöpftes Schweigen hielt an, als sie sich meinen Beobachtungen anschloss.

Dort entlang. Nur vier Blöcke und dann war ich das Gestöhne der Finder los. Mit einer knappen Kopfbewegung ließ ich sie an meiner Einsicht teilhaben, behielt den Zettel in der Hand und bückte mich nach dem Koffer. Auch das geschäftige Treiben der Menschen ließ die frühen Morgenstunden vermuten. Hinter verschlossenen Türen trafen Händler in ihren Läden die letzten Vorbereitungen, müde schlürften Zeitungsverkäufer an uns vorbei und in der Zwischenzeit war ich nicht mehr der Einzige, der ihnen keine Beachtung schenkte. Selbst zum Jammern schienen die Finder zu müde zu sein, während sie auf den Boden starrten, permanent gähnten und glücklicherweise nicht einmal Lust an einem Gespräch zu finden schien. Eine wirklich angenehme Atmosphäre, in der wir das Ziel erreichten, ohne, dass meine Nerven vor weitere Herausforderungen gestellt wurden.

Imposant erhob sich das Hotel auf der anderen Seite eines großen Platzes. Das helle Licht hinter den sauberen Fenstern machte auf ein gewisses Innenleben aufmerksam, sowie ich hinter den gläsernen Türen auch so einige Bewegungen ausmachen konnte. Mitarbeiter eilten durch das Foyer, als wir das Gebäude erreichten und Mirandas Schritte verlangsamten sich beinahe erleichtert, als sie vor mir den Eingang passierte. Sich sofort umblickend, hielt sie mir die Tür auf und auch ich verschaffte mir einen ersten Eindruck von der noblen Umgebung, während die Tür hinter mir zufiel und ich mir einen gewissen Vorsprung sicherte.

Angenehme Wärme zog mir entgegen, nicht weit entfernt erschallte ein Glöckchen und raschelnd blätterte der Mann hinter der Rezeption in seinem Buch, als auf dem dunkelroten Teppich stehenblieb, den Mantel sicherer umfasste und zu der hölzernen, breiten Treppe spähte. Geschwungen führte sie in die erste Etage, hinter einem breiten Durchgang versteckte sich ein Restaurant und zu allen Seiten ragten Pflanzen aus ihren Töpfen. Es war überladen und ich rümpfte die Nase, achtete kaum auf die Schritte, die sich uns näherten.

„Ah, Hallo.“ Ein junger Finder hatte sich aus dem Restaurant geschlichen und nur flüchtig lugte ich zu ihm, bevor ich den Koffer absetzte, mir mit beiden Händen das Haar zurückstrich und entspannt an meiner Uniform rückte. Da waren wir also und hoffentlich nicht mehr lange. „Hatte ihr eine gute Reise?“

Sofort entbrannte das nächste Gespräch zwischen den Findern. Die Beiden fanden auch zur Sprache zurück und kurz darauf stand die Gruppe in meinem Rücken und tauschte sich aus.

„Wir hätten euch viel später erwartet.“

„Wir hatten gute Verbindungen.“ Miranda übernahm die Antwort und das laute Gähnen des einen Finders unterstrich ihre Worte glaubhaft. „Wie geht es dem Marshall?“

„Sie ist schon wach. Ich werde ihr gleich Bescheid geben.“ Ein Seufzen machte die Runde. „Schön, dass ihr schon da seid.“

Der Mann blätterte immer noch, blickte nur kurz zu mir auf und machte sich an der nächsten Mappe zu schaffen. Die Hände im Nacken, lugte ich zur Seite, rümpfte die Nase.

„Wir freuen uns auch. Die Reise mit dem Schiff war am Schlimmsten.“

„Ja.“ Ein Lachen erhob sich und ich verdrehte die Augen, nahm die Gruppe genervt in Augenschein. „Das kenne ich nur zu gut. Vor kurzem waren wir auch…“

„Wollest du nicht Bescheid geben?“ Gerne unterbrach ich das glückliche Wiedersehen zu meinen Gunsten, erwiderte die ernüchterten Blicke annähernd unbeteiligt. „Ich bin bestimmt nicht so weit gereist, um mir euer Gerede anzuhören.“

„Oh.“ Als hätte der Finder meine Anwesenheit gerade erst bemerkt, wirkte er beinahe überrascht, bevor ich ihm den Rücken kehrte und die Schnallen an meinem Kragen lockerte. „Ja… ähm… natürlich. Einen Moment.“

Kurz darauf schob sich der helle Mantel auch schon an mir vorbei und in meinem Rücken herrschte eine knappe, frustrierte Stille, als er die Treppe hinaufeilte und in der ersten Etage verschwand.

Warum nicht gleich so?

Über ihre Erfahrungen konnten sie reden, soviel sie wollten.

Sobald ich mir all das nicht mehr anhören musste.
 

Der Marshall ließ sich auf sich warten. Das unerwartet frühe Auftauchen zwang uns zur Geduld und so saßen wir bald darauf in einer versteckten, gemütlichen Lounge… und warteten.

Sofort hatten sich die beiden Finder auf einem entfernten Sofa niedergelassen. Nur leise drang ihr Tuscheln an meine Ohren, als ich mich in dem bequemen Sessel regte, die Beine von mir streckte und kreuzte. So schlecht tat das Sitzen doch nicht und ich vertiefte mich in die desinteressierte Betrachtung eines nahen Beistelltisches, während Miranda nahe einem bunten Gewächs saß und in dem Erkunden der Blüten und Blätter ausreichende Beschäftigung fand. Ihre Müdigkeit hatte keine sichtbaren Spuren hinterlassen, als sie an den Knospen zupfte und unter einem tiefen Atemzug stemmte ich den Ellbogen auf die gepolsterte Armlehne und die Wange in die Handfläche.

Unbeteiligt klickte der Zeiger einer nahen Wanduhr und führte mir mit jeder Umdrehung vor Augen, welchen Rang ich genoss. Das Herumsitzen drohte selbst mich müde zu machen und ergeben regte ich die Beine, schürzte die Lippen und blinzelte dem Eingang entgegen. Die wenigen Minuten hatten sich zu einer viertel Stunde ausgedehnt und nach dieser Zeit beließen es selbst die Finder bei der stillen Erholung und verschafften mir somit eine gewisse Eigene.

Mir gegenüber wurde weitergezupft und gestaunt und ich löste mich erst aus meiner Haltung, als sich die Klinke der massiven, hölzernen Tür senkte und wir endlich empfangen wurden. Es war eine lange Zeit vergangen, seitdem ich Marshall Cloud zuletzt begegnet war, doch sie schien sich kaum verändert zu haben. Ihr blondes, hochgestecktes Haar wippte unter ihren leichten Schritten, als sie die Tür hinter sich ließ und uns in allen Ecken des Raumes erspähte. Und nicht nur sie. Auch die dunklen, runden Augen Lau’s machten uns sofort aus. Ein leises Gluckern verriet das helle Äffchen, bevor es sich den Nacken der Frau hinausreckte und gemütlichen Halt auf ihrer Schulter fand.

Hinter ihr erschien auch der Finder im Türrahmen. Die Hand auf der Klinke, blieb er dort stehen und ich ließ den Arm auf das Polster sinken und rieb mir flüchtig das Gesicht.

Behäbig erreichte Cloud unterdessen die Sitzecke. Die Finder mit einem flüchtigen, grüßenden Nicken beachtend, bahnte sie sich einen Weg durch zwei Sessel, folgte dem Verlauf eines Rückenpolsters mit den Fingerkuppen und trat uns mit gelöster Miene entgegen. Sie wirkte entspannt… ruhig, als wäre sie seit längerer Zeit in keine Kämpfe verwickelt gewesen und doch schenkte ich für kurze Zeit dem Koffer mehr Aufmerksamkeit, als ihr.

„Danke, dass ihr so schnell gekommen seid.“ Ein zufriedenes Lächeln formte ihre hellen Lippen und verwandt griff sie nach der Hand, die sich ihr entgegenstreckte. Glucksend spitzte Lau die Ohren. „Miranda?“

„Ja.“ Auch Mirandas Miene verlor die letzten Überbleibsel der Reise. Sie erwiderte das Lächeln offen, schüttelte die Hand des Marshalls zurückhaltend und sah sich anschließend auch zu einer Verbeugung verleitet. „Es ist mir eine Freude, Sie wiederzusehen, Marshall.“

Jovial verfolgte diese die knappe Verneigung, vertiefte sich in ein stilles Nicken und fuhr den Stoff der dünnen Bluse mit der Hand nach. In derselben Bewegung wandte sie sich auch an mich, musterte mich mit einem Anflug von kesser Verlegenheit, während sich der dünne Schwanz des Äffchens um ihren Hals legte. Sie grübelte… und es hatte mich nicht zu verwundern, denn mein Name war unter den wenigen, die ihr oft entfielen.

Langsam löste ich den Arm von der Lehne, meine Augen drifteten ab und unter einem tiefen Atemzug richtete ich mich auf, rutschte zur Kante des Sessels. Und ich entschied mich dazu, ihr ein weiteres Mal zu helfen.

„Kanda.“

„Ah.“ Sofort erhellte sich ihr Gesicht in einem Lächeln. Die blonden Strähnen fielen tiefer in ihr Gesicht und verbargen die Narbe unter sich, als die den Kopf schief legte, mich annähernd verspielt mit ihren dunklen Augen musterte. „Dachte ich mir.“ Seufzend und behaglich streckte sie sich, bevor sie zu einem nahen Sofa trat, behutsam nach den Kissen tastete und sich einen Sitzplatz zwischen ihnen schuf. Auch dem Äffchen, das ihre Schulter mit einem zielstrebigen Satz verließ, nur kurz auf der Rückenlehne aufsetzte und sich schlussendlich an ihr Bein schmiegte. „Leiste mir doch Gesellschaft“, winkte sie auch Miranda näher, räkelte sich genüsslich auf dem Polster und schwang die Beine übereinander. Während sich so eine erneute Runde bildete, entging mir nicht, wie die beiden Finder mit dem anderen die Lounge verließen und die Tür hinter sich schlossen. Über Mirandas Schulter verfolgte ich all das mit einem knappen Blick, stemmte die Ellbogen auf die Knie und lugte zu einer der Pflanzen, als sich die schwarzhaarige Frau behaglich zurechtrückte, das Seufzen des Marshalles erwiderte und sich wohlzufühlen schien. Und nicht nur sie. Auch Cloud gab sich noch etwas den Kissen hin, rückte an ihnen und strich sich das Haar zurück.

„Hattet ihr eine gute Reise?“, erkundigte sie sich, während sie nach hinten tastete, dem Verlauf der kunstvollen Haarspange mit den Fingerkuppen folgte. Offen und ungetrübt blickte sie zwischen uns umher und aufmerksam schien sich das Tier ihrer Beobachtung anzuschließen. Die Pfoten auf ihrem Oberschenkel gebettet, wandte es den Kopf.

„Ja.“ Miranda musste nicht sonderlich schnell sein, um mir zuvorzukommen. Beschäftigt faltete ich die Hände ineinander, spreizte die Finger. „Wir sind schnell vorangekommen und wurden nicht aufgehalten.“

„Ach, das ist schön.“ Wieder seufzte der Marshall, bettete den Ellbogen auf der Rückenlehne und gestikulierte knapp mit der Hand. „Hier in Paris liegen die letzten Vorfälle weit zurück. Um an ein Quäntchen Entspannung zu kommen, ist keine Stadt besser geeignet.“

„Sie haben sich eine herrliche Unterkunft ausgesucht.“ Vor allem auf die Pflanzen machten ihre Kopfbewegungen aufmerksam und ich bearbeitete die Zähne mit der Zunge, betrachtete mir den eintönigen Teppich und lauschte dem darauffolgenden tiefen Atemzug.

„Da hast du völlig Recht, Miranda. Das Ambiente sagt mir auch sehr zu. Und die Masseusen vollbringen ganze Arbeit.“ Darbietend regte sie die Schultern und das Äffchen fand neues Interesse an den Kissen, beschnupperte sie neugierig. „Hin und wieder sollte man sich wirklich etwas leisten. Ach.“ Sie hielt inne. „Habt ihr, worum ich gebeten habe?“

Erst jetzt wurde sie auf den Koffer aufmerksam, erspähte ihn zwischen den Tischbeinen.

„Das haben wir“, bezeugte Miranda sofort, wippte etwas auf dem Polster und faltete die Hände auf dem Schoß. Von dem Koffer richteten sich die Augen des Marshalles abermals und flüchtig auf mich.

„Das ist gut. Hat Komui noch etwas gesagt?“

„Ähm…“ Das erste Mal fehlten Miranda die Worte. Ihr Gesicht offenbarte überstürzte Grübeleien, doch als sie sich hilfesuchend an mich wandte und ich den Kopf schüttelte, war auch diese Frage geklärt und der Weg für die Nächste geebnet. Die Kissen regten sich unter den Bewegungen des Tieres. Geschwind hatte es sich zwischen sie geschoben und kurz darauf verschwand auch der Schwanz zwischen den Stoffen.

„Ihr solltet das Essen probieren. Es ist exzellent.“ Die Stille hielt nicht lange an und während Miranda die Brauen hob, blickte auch ich auf. Erwartungsvoll wurden wir gemustert. „Ihr seid doch nicht gezwungen, gleich wieder abzureisen, oder?“

Waren wir das nicht? Um ehrlich zu sein, war genau das Inhalt meiner Vorstellungen.

Drei Tage, ohne zuviel Zeit zu vergeuden…

Sinnierend und durchaus skeptisch wandte ich das Gesicht ab. Mir gegenüber regte sich Miranda auf dem Polster.

„Um ehrlich zu sein, haben wir uns seit Beginn der Reise keine Pause gegönnt.“

Wie bitte? Das Schiff? Der Bahnhof?

Es war ihnen nicht viel abverlangt worden, doch auch Cloud teilte meine Meinung nicht.

„Wie bitte?“ Ungläubig richtete sie sich auf. „Dann schlage ich vor, dass ihr erst einmal etwas esst. Auch geschlafen solltet ihr haben, bevor ihr euch auf den Rückweg macht. Ihr müsst doch müde sein.“

„Mm-mm.“ Dagegen schien Miranda nichts zu haben. Unter einem leichten Nicken presste sie die Lippen aufeinander, unterdrückte ein scheues Lächeln. „Der Meinung bin ich auch.“

„Tut euch ruhig etwas Gutes.“ Großzügig präsentierte Cloud die Umgebung mit einer galanten Handgeste. „Leistet mir doch Gesellschaft. Ich möchte mich gerne etwas unterhalten und Neuigkeiten hören. Viel dringt leider nicht bis zu mir durch.“

Daraufhin seufzte auch sie und ich löste die Hände voneinander, ertappte meine Augen dabei, wie sie zu der Uhr zurückdrifteten. Um fünf…
 

Es war beschlossen, wenn auch von meiner Seite aus mit mangelndem Einverständnis. Ich war der Einzige, der den nächsten Schritt bereits plante, der sich ein Zeitlimit setzte und doch gab ich nach. Mein rumorender Bauch und das nicht zu verdrängende Hungergefühl führten mich aber erst einmal in das Restaurant, in dem ich eine Kleinigkeit zu mir nahm. Miranda war in der Lounge geblieben, leistete dem Marshall Gesellschaft, die Finder ließen sich nicht mehr blicken und so genoss ich es doch, einfach nur dort zu sitzen und den lauten, öffentlichen Speisesaal gegen das ruhige Restaurant zu tauschen, das zu dieser frühen Stunde nur von mir besucht wurde. Ich ließ mir Zeit, aß entspannt und zufrieden und fand anschließend zurück in die Lounge.

Und dort fühlte ich mich bald darauf etwas fehl am Platz. Ich hielt eine warme Tasse zwischen den Händen, starrte etwas gedankenverloren in den aufsteigenden Dunst des Tees und regte mich nur selten in dem Sessel. Dass ich nicht in das Gespräch der beiden Frauen einbezogen wurde, sah ich weniger als Störfaktor an. Viel eher beschäftigte es mich, dass ich ohne Grund und tatenlos hier saß, während in meinem Kopf ein Meer aus Gedanken tobte, mich unweigerlich zu dem Wunsch nach Taten driften ließ. Es gab soviel zu tun. Die Zeit war gnadenlos und das Einzige, was ich tat, war, die Tasse zu den Lippen zu heben, an dem Tee zu nippen und mich in das Gefühl der Wärme zu vertiefen, die bei jedem Schluck meinen gesamten Leib zu durchfließen schien.

Ich hätte gehen können. Miranda war der Rückweg auch alleine zuzumuten und was für Vorteile hätte ich aus einem einsamen Weg gezogen. Welche Angewohnheit hätte sich bestätigt gesehen aber ich blieb sitzen, fühlte mich in eine seltsame Reglosigkeit versetzt, in der es auch bei dem stillen Wunsch, mich nützlich zu machen, blieb. Nur selten dachte mein Körper anders, als mein Kopf und ziellos regte ich die Beine, versuchte durch den Tee den Grund der Tasse zu erkennen.

Das Gespräch, das nicht weit geführt wurde, war nun abermals an der Thematik der Pflanzen hängen geblieben. Die Worte strömten, wurden nur unterbrochen von dem leisen Gluckern des Rotweines, den der Marshall in zurückhaltenden Schlücken genoss. Wie lange sie schon uninteressante Themen umkreisten, wusste ich nicht. Die Zeit war meiner Wahrnehmung irgendwie entglitten und ich erwachte erst zum Leben, als Miranda auf die Beine kam. Scheinbar hatten sie das Gespräch gerade beendet und stumm verfolgte ich, wie sie kurz die Kissen in ihre alte Ordnung brachte, ihr Mineralwasser mit wenigen, letzten Schlucken leerte und sich an mich wandte.

„Ich gehe schlafen“, meinte sie guten Mutes und ich wandte den Blick ab, wendete die Tasse zwischen den Händen und lauschte den letzten Worten, die sie wechselten. Ob wir dem Marshall am nächsten Tag erneut begegneten, war fraglich. Sie hätte die einen oder anderen Geschäftigkeiten zu klären und nach einem wilden Austausch von Komplimenten und Freudesbekundungen, verließ sie die Lounge, schloss die Türe hinter sich und ließ mich mit dem Marshall zurück.

Warm stieg noch immer der Dunst aus der Tasse und von der Tür blickte ich zurück zu dieser, empfand die plötzlich zurückgekehrte Stille als äußerst angenehm. Nur das leise Ticken der Uhr machte die Atmosphäre aus, während das Äffchen reglos und halb unter den Kissen verborgen, neben dem Marshall lag und schlief. Nur selten wackelte eines der Ohren und schräg gegenüber wurde abermals nach der Weinflasche gegriffen. Ich schürzte die Lippen, schöpfte tiefe Atem und lauschte dem leisen Gluckern, als sich das Gebräu in dem kunstvollen Glas ergoss, anschließend sofort zum Mund gehoben wurde. Entspannt nippte sie, löste sich von der Rückenlehne des Sofas und wandte sich mir in einer zielstrebigen Bewegung zu. Ich spürte es. Spürte ihre Aufmerksamkeit und ihre Augen, die mich geduldig studierten, verfolgten, wie ich eine Hand von der Tasse löste, um nach einer Schnalle zu tasten, sie zu lockern. Mir stand nicht der Sinn nach Unterhaltungen. Das tat es nie und es vergingen weitere Momente, bis ich dennoch aufspähte. Sie hatte sich von dem Sofa erhoben und den Rotwein im Glas schwenkend, schob sie sich einfach an dem schmalen Tisch vorbei, näherte sich mir ohne zu zögern und machte es sich in einem nahen Sessel gemütlich. Ein behagliches Seufzen entrann ihr, als sie sich zurechtrückte, sich den langen Schopf von der Schulter streifte und erneut an dem Wein nippte.

Nur kurz hatte ich sie angesehen und der nächste Blick zur Uhr führte mir vor Augen, dass ich seit knapp einer Stunde hier saß… ohne ein Wort zu verlieren, ohne wirklich anwesend zu sein. Doch nun war sie zu mir gekommen und ich bereitete mich auf Einiges vor, verharrte entspannt und an der Tasse interessiert.

„Kanda…“ Leise murmelte sie meinen Namen, weniger an mich gerichtet, als grüblerisch und trotzdem lugte ich zu ihr, erblickte eine befreite Miene, die sich in kecker Nachdenklichkeit

verzog. Und sie musterte mich weiterhin. „Du gehörst zu Froi’s Gruppe, nicht?“

Ich antwortete mit einem ruhigen Nicken, wandte mich wieder der Tasse zu und setzte sie an die Lippen. Neben mir lehnte sich der Marshall zurück, stieß einen geräuschvollen, verträumten Atemzug aus. „Ihn habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen. Es kommt so selten dazu, dass sich unsere Wege kreuzen.“ Sie seufzte wieder, bettete den Ellbogen auf der weichen Lehne. „Solche Zufälle gibt es leider nicht oft.“

„Mm.“ Unter der angenehmen Hitze des Tees senkte ich kurz die Lider, schmeckte das Aroma noch an meinen Lippen und wurde kaum aus den Augen gelassen. Die Wange auf die Schulter gestützt, den Rotwein beiläufig schwenkend, musterte sie mich, als würden sich ihr mit jedem Augenblick Neuigkeiten meiner Person eröffnen.

„Mit Froi unterhalte ich mich gern“, fuhr sie leise fort und ich rümpfte nur die Nase.

Natürlich… mit niemandem konnte man sich besser und länger unterhalten. Er war auch der Einzige, bei dem all meine Versuche, einem Gespräch zu entkommen, kläglich scheiterten.

„Er… erzählt auch viel von dir.“

Worte, die mich unweigerlich zu einer Reaktion zwangen. Verstrickt in plötzliche Befürchtungen erwiderte ich ihre Aufmerksamkeit und tat es vielmehr ernüchtert, als neugierig.

Ich hätte es mir denken können… er kannte einfach nicht die Grenzen des Privaten.

Von Schlamasseln in der frühen Kindheit bis hin zu meinen gegenwärtigen Gewohnheiten. Der Verdacht, sie wüsste mehr über mich, als ich vertrug, gefiel mir nicht und ich scheute jede Anstrengung, diese Tatsache zu verbergen. Es genügte, wenn sich mein Meister seinen Spaß daraus machte. Frustriert schluckte ich den Tee hinter und ließ die Tasse sinken. Mir gegenüber wurde sanft geschmunzelt.

„Du sollst ein außerordentlich talentierter Schwertkämpfer sein…“, das Schmunzeln vertiefte sich zu einem vergnügten Lächeln, „… aber ein völlig untalentierter Zeichner.“

„Was?“ Säuerlich erwachte meine Miene zum Leben und während ich meinen Ohren nicht traute, bestätigte sie diese Information mit einem verschmitzten Nicken.

Was sollte man noch dazu sagen?

Für wenige Augenblicke saß ich nur dort, umklammerte die Tasse und verzog den Mund.

„Ich hab so einen Blödsinn nie ausprobiert“, verteidigte ich mich letztendlich frustriert und schüttelte unter einem kapitulierenden Ächzen den Kopf.

Tiedoll’s Fluch verfolgte mich scheinbar auf Schritt und Tritt. Nicht einmal hier war ich vor seinen Sprüchen sicher und das leise Lachen des Marshalles machte mich auch nicht zufriedener.

„Nimm es uns nicht übel. Er ist auf jeden seiner Schüler stolz. So ist er einfach.“

Ja, so war er und dennoch machte es die Sache nicht leichter. Er wusste, wie man unvergessen blieb und ich nippte an meinem Tee, runzelte die Stirn. Auch der Marshall genoss ihr Getränk.

„Du hattest einen guten Lehrer, Kanda.“ Leise traf das Glas auf die saubere Fläche des Tisches und als ich aufblickte, musterte sie mich verspielt, setzte sich zurück. „Und er einen ebenso guten Schüler.“

Das Lächeln auf ihren Lippen verblasste. Sie meinte es ernst und erwiderte meinen Blick, ohne Erwartungen zu hegen. Dazu hatte sie auch keinen Grund. Ich wusste, wie sie es meinte… nur nicht, ob ich es zu schätzen wusste und so beließ ich es letztendlich bei dem alten Schweigen, presste die Lippen aufeinander und senkte die Lider.

Einen guten Lehrer hatte ich wirklich…

„Du hast dich entwickelt.“ Sie blieb dem Thema treu und ich hatte es nicht erwartet, behielt meine ziellose Betrachtung bei und folgte der glatten Oberfläche des Porzellans behutsam. Eine seltsame Begebenheit, dass sie nach dem Kreisen um außergewöhnliche Pflanzen und stilvoller Kleidung auf eine solche Materie übersprang. In solchen Situationen hatte ich bisher nur selten gesteckt. „Du scheinst stärker geworden zu sein und dabei lebst du genau wie ich in einer so komplizierten und gefährlichen Welt.“

Verwerfend winkte ich ab. „Man findet seine Wege.“

Ich war nur einer unter vielen.

„Nicht jeder tut das.“ Sofort kam sie meinem Versuch, nicht weiterhin in diese Richtung abzuschweifen, bei und war sich so sicher in ihrer Meinung. Es ähnelte einen Widerspruch, als wolle sie mir die Augen öffnen. Aber meine Augen waren offen, sie waren aufmerksam, nur nicht auf das gerichtet, was ich nicht zwingend sehen musste. Dinge, die keine Rolle spielten. Über gewisse Tatsachen hatte man nicht unbedingt zu diskutieren, ihnen keinen übertriebenen Wert aufzulasten und so schwieg ich weiterhin, blies warmen Atem über die Oberfläche des Tees und verfolgte aus den Augenwinkeln, wie sie sich den Oberschenkel rieb.

Sie hatte eine Atmosphäre ausgelöst, die ich nicht deuten konnte und ihrem Gesicht war anzusehen, dass es sich um eine Thematik handelte, die sie beschäftigte, die sich nicht mit den Worten abtun könnte, die mir völlig genügten.

„Noch wichtiger, als dass andere euch schätzen, ist, dass ihr euch selbst schätzt und eure Leistungen.“ Mit fürsorglicher Wärme lächelte sie mir entgegen. „Nimm nicht alles als Selbstverständlichkeit. Ihr vollbringt mehr, als jeder andere Mensch eures Alters. Ihr tragt eine Verantwortung, wie sie andere nicht kennen.“ Sie hob die Hand, wies in meine Richtung, als wolle sie sich an mir orientieren. „Und ihr tragt sie mit soviel Stolz und Würde.“

Flüchtig verzogen sich meine Brauen und bevor ich mich versah, hatte ich mich scheinbar grundlos zurechtgerückt, nach einer Bequemlichkeit gesucht, die mir nie fehlte.

„Mm…“ Ein undeutliches Brummen war alles, was ich hervorbrachte und letztendlich konnte ich selbst nicht sagen, was es zum Ausdruck brachte. Einen zurückhaltenden Widerspruch? Die Kapitulation, in der ich diese Anerkennung einfach für mich annahm?

Ich hatte mir solche Fragen nie gestellt. Ich führte nicht so ein Leben.

Die alte Stille war über uns gekommen und ich passte mich ihr an, genoss meinen Tee und hatte nichts darauf zu sagen. Ich kannte keine Antworten, auch keine angemessene Reaktion auf die permanente Beobachtung, unter der ich stand. Sie schlug die Beine übereinander, bearbeitete das kunstvolle Polster behutsam mit den Fingernägeln und schien in die alte Nachdenklichkeit abzudriften.

„Vermutlich verfehlen meinen Worten die Wirkung…“, unvorhergesehen und ruhig ließ sie die Stille enden, „… wenn dich etwas beschäftigt.“

„Mich beschäftigt nichts.“ Eine Antwort, zu der ich sofort und ohne Umschweife fähig war. Eine Antwort, hinter der ich stand und skeptisch sah ich sie an. So war es, ganz genau so. Ich war nur zu unerfahren in solchen Gesprächen und ihre Erfahrung nahm in meinen Vorstellungen annähernd schaurige Ausmaße an, als sie den Blickkontakt abwartend aufrecht erhielt. Es war verwirrend. Dem, was sie vermutete, war ich mir nicht bewusst und nach wenigen Momenten runzelte ich die Stirn, zeigte meine Bestürzung offen.

„Was soll mich beschäftigen?“, erkundigte ich mich erneut und verlor auch den letzten Überblick, als sich ein bedauerndes Lächeln auf ihrem Gesicht entfaltete.

„Kanda.“ Ihre leise Stimme wurde von einer unauffälligen Enttäuschung geprägt. „Ich bin eine Frau. Ich durchschaue. Obwohl es in dieser Zeit wohl gar keine so hohe Kunst mehr ist, denn völlig unbesorgt ist niemand.“

Ein Widerspruch…

Ich konnte es mir nicht erklären, doch mein Körper sah sich sofort dazu verleitet. Viel schneller, als mein Verstand und so bewegte ich die Lippen nur stumm, versuchte mich mit einem Blinzeln zu sammeln und blickte suchend um mich.

Wo war der Sinn?

Ich wusste meine Reaktionen zu deuten und still wurde mir Zeit gelassen.

Ich fühlte mich nicht ertappt, nicht schuldig und verstrickt in plötzliche Grübeleien, presste ich bald nur noch die Lippen aufeinander und verharrte reglos.

Es waren die Erinnerungen an einen steinernen Gang, die mich einholten. Zuhause gab es viele von ihnen und ich sah mich dort stehen und mich verabschieden.

Ein weiteres Mal… es geschah so oft und war trotzdem immer etwas Besonderes.

Flüchtig streifte mein Zeigefinger das Kinn des Jungen, der entspannt vor mir lehnte, mir nachblickte, als ich mich abwandte und ging.

‚Pass auf dich auf.’

Seine Stimme erreichte mich, als würde sie sich zu genau diesem Zeitpunkt erheben. Hier und jetzt und in dieser Situation, die der Vergangenen überhaupt nicht ähnelte. Ich hatte in jeder Regung innegehalten und bemerkte es nicht. Es war ein weiterer, vergangener Moment, der mich unweigerlich in seine Richtung zwang, ihn dort auf dem Tisch sitzen sah. In dem schäbigen, dreckigen Zimmer, in welchem wir uns zuletzt sahen.

‚Du…’, erhob sich seine Stimme gedämpft und er verengte verspielt die Augen. ‚Ich profitiere zwar davon, wenn du im Krankenflügel zu Enthaltsamkeit gezwungen wirst, aber…’,

Diese Fürsorge…

‚… komm mir diesmal trotzdem gesund zurück.’

Nur ein Nicken, in dem ich mich auch schon abwandte.

Die Gefahren, die mich betrafen, beschäftigten mich in diesen Momenten nicht. Ich zweifelte nicht daran, seinen Erwartungen gerecht zu werden.

Ich würde zurückkehren…

Und ich wäre gesund…

Ich.

Meine Lippen öffneten sich einen Spalt weit und kurz blickte ich zu dem Marshall.

‚… hätte vor knapp zwei Tagen von seiner Mission zurückkommen sollen’ Schemenhaft drängte sich auch die bekannte Stimme Lavis in mein Bewusstsein, ließ mich zurück auf den Boden starren.

‚Jeder Kontakt zu ihm ist abgebrochen.’

‚Der Finder hat ihn verloren.’

‚… einfach verschwunden. Seit zwei Tagen und zwei Nächten.’

‚… bisher gibt es keine Spur.’

„Ich mag es nicht, so junge Menschen, wie dich, besorgt zu sehen.“ Eine klare, gegenwärtige Stimme ließ mich all die Erinnerungen von mir streifen und in die Realität zurückkehren, in der ich mich aufrichtete und aufmerksam wurde.

Nun waren es Tatsachen. Sichere Begebenheiten und Gedanken, die der Marshall sah, ohne dass sie es war, die all das mit sich herumtrug. Ich war derjenige und mir dessen erst wieder in diesen Momenten bewusst. Eine seltsame Einsicht, eine ernüchternde Einsicht und wieder sah ich sie nur an, wurde fürsorglich in Augenschein genommen. „Es stimmt mich traurig. Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens und auch ihr solltet sie bestmöglich genießen… wirklich, so weit es geht. Ich weiß, dass es nicht einfach ist.“

Sie hatte so Recht.

Zu gewissen Zeiten…

Sinnierend schweiften meine Augen ab.

„Ich mache mir keine Sorgen“, beharrte meine Stimme, ohne meine Empfindungen zu fragen. „Alles kommt so, wie es kommen muss.“

Eine schonungslose Ansicht. Ich wusste es und konnte diese Facette an mir trotzdem nicht verleugnen. Mir gegenüber rauschte ein tiefer Atemzug.

„Um diese Einstellung beneide ich dich.“ Nur leise erhob sich ihre Stimme. „Ich bin so oft besorgt.“

So einfach?

Meine Gedanken drifteten von einer Richtung zur anderen und ich nahm die drückende Atmosphäre stärker wahr, denn je, während wir uns in den nächsten Momenten nur ansahen und eigenen Grübeleien nachhingen. Ein Gegenstand der Unterhaltung, den ich nicht erwartet hatte. Sie rüttelte an einer Festigkeit, die mich beruhigte. Ich mochte es nicht. Ebenso wenig, wie weitere Worte zu diesem Thema zu verlieren. So gab ich mich kurz darauf nur meinem Tee hin, ohne Anstalten zu machen, weiterhin darauf einzugehen.

„Was trinkst du da die ganze Zeit?“

Ihr Gespür war horrend und ließ mich wiederum innehalten, aufspähen.

„Grünen Tee.“ Nur kurz löste ich die Lippen von der Tasse, bevor ich einen weiteren Schluck nahm und der Marshall gab sich der alten Entspannung hin, räkelte sich behaglich an der gepolsterten Rückenlehne und seufzte genüsslich.

„Es ist schön, sich mit dir zu unterhalten“, stellte sie fest und so etwas hörte ich wirklich zum ersten Mal. „Erzähl mir etwas von dir.“

Stirnrunzelnd ließ ich von der Tasse ab, schürzte die Lippen.

„Was soll es zu erzählen geben?“

Es gab wirklich nicht viel.

Nicht viel, was ich erzählen ‚wollte’ und unerwartet erhob sich ein leises, klares Lachen in dem Zimmer. Sie schüttelte den Kopf, war aus einem mir unbekannten Grund amüsiert.

„Du bist wirklich genauso, wie Froi dich immer beschrieben hat.“

Wollte ich es wissen?

Meine Begeisterung ließ zu wünschen übrig, als ich die Tasse auf den Schoß sinken ließ, sie sicher dort hielt und unentschlossen zu den Gewächsen starrte. Wenn ich es mir recht überlegte, wollte ich nicht fragen, doch sie erbrachte die Antwort auch ohne Aufforderung.

„Niedlich“, wisperte sie mit der alten Verspieltheit und auf meinen ersten, entgeisterten Blick folgte ein kesses Zwinkern.

Sie genoss es.

Sie genoss es wirklich und ich hatte mich noch nie so herabgewürdigt gefühlt. Ich schnitt eine Grimasse, hielt mich davon ab, auf ein erneutes Zwinkern zu warten und meine Augen von ihrem Gesicht fern.

Was zur Hölle sah Tiedoll in mir!

Noch nie war ich so überfordert und planlos auf der Suche nach einer Antwort und wieder lachte sie, machte sich nicht viel daraus und die schockierte Atmosphäre zunichte.

„Wusstest du, dass Verschlossenheit andere nur noch neugieriger macht und dich selbst viel interessanter?“, erkundigte sie sich und mit allerlei Eifer verdrehte ich die Augen. Sie führte mir eine Tatsache vor Augen, die mir nicht fremd war. Man machte mich permanent darauf aufmerksam, praktizierte diese Begebenheit, indem man meinte, auf heitere Gespräche mit mir hoffen zu können. „Wenn du Aufmerksamkeit wirklich aus dem Weg gehen willst, solltest du es anders anstellen.“

„Um andere geht es mir nicht. Die sind mir egal.“

„Ja, du bist vermutlich wirklich so.“ Sie zuckte mit den Schultern und ich ließ mich noch etwas in der neu erweckten Verachtung treiben. Zu manchen Zeiten ließ ich auch bewusst nichts unversucht und kam letztendlich dennoch nie um anstrengende Begegnungen. Kopfschüttelnd und finster erinnerte ich mich und vollends entging mir die annähernd verstohlene Aufmerksamkeit des Marshalles.

„Eines musst du mir noch sagen.“ Als ich zu ihr spähte, schien sie von einem neuen Eifer ergriffen. Annähernd heimlichtuerisch rutschte sie zur Kante des Sessels, verengte die Augen. „So einer, wie du…“ Sie schien darauf zu warten, dass ich den Rest der Frage erahnte aber ich wusste nicht einmal, ob ich es wollte. Kritisch starrte ich sie an und sie schürzte die Lippen, blieb dem kessen Schmunzeln treu. „Auch, wenn das Leben eines Exorzisten weniger dafür geeignet ist… es gibt so manche, die haben trotzdem einen Freund oder eine Freundin.“

„Ts.“ Das war ja wohl die Höhe. „Die interessieren mich nicht.“

„Haben sie auch gar nicht.“ Sie wirkte verwundert, hob die Brauen. „Es geht um dich.“

Mit einer Kopfbewegung unterstrich sie den Bezug zu mir und flüchtig lockerte sich mein Griff um die Tasse. Spielte sie etwa wirklich darauf an?

Mit offenem Mund führte ich ihr erneut meine Fassungslosigkeit vor Augen, brachte sie jedoch nicht dazu, ein neues Thema anzuschneiden. Sie wollte es wissen und ich war dem Unbehagen so nahe, wie lange nicht mehr, regte die Füße und entschied mich dazu, die Augen in eine andere Richtung zu lenken.

„Gibt es etwa kein Mädchen, das du magst?“

Sie tat es wirklich!

Ein leises Räuspern war vorerst das Einzige, wozu ich imstande war und konzentriert festigte ich den alten Griff um die Tasse. Nur selten hatte ich so im Mittelpunkt gestanden – eine Position, die mir nicht gefiel und ich scheute mich nicht, es ihr zu zeigen. Über so etwas sprach ich nicht, doch das einzige, was sie dafür übrig hatte, war ein Seufzen. Beinahe so, als würde sie mich durch ihre Vermutung bedauern. Durch das, was sie aus meiner Situation ableitete.

„Och…“

Wäre ich wirklich in einer solchen Lage, täte ich ihr vermutlich richtig leid. Es war so verwirrend, sie übersprang eine meiner Grenzen nach der anderen und tat es dennoch auf eine Art und Weise, für die ich sie nicht verachtete. Sie war eine Frau… bestimmt hatte man sich auf solche Themen einzurichten, wenn man einer von ihnen ausgeliefert war.

„… das kannst du mir nicht weismachen.“ Ihr Lächeln vertiefte sich zu einem Grinsen, als sie wieder nach ihrem Rotwein langte. „So einer wie du will keine Freundin haben?“

„So etwas interessiert mich nicht.“ Nur leise gab ich ihr den nächsten, unauffälligen Schubser in eine andere Richtung, rückte mich zurecht und schüttelte den Kopf.

Somit floss die erste Lüge in das Gespräch ein aber es war zu meinem Besten. Ich wusste nicht, wie man so etwas in Worte fasste und auch nicht, wo die Lust abgeblieben war, mit beinahe wildfremden Menschen darüber zu sprechen.

„Das finde ich traurig.“ Sie nippte an dem Glas, fand endlich meine alte Aufmerksamkeit und zupfte an ihrer Bluse. „Dabei bist du so ein Hübscher.“

Beiläufig erwähnte sie es, sehr entspannt, bevor sie sich daran machte, das Glas zu leeren und kurz stand mir der Sinn danach, wirklich zu verschwinden. Die Tür visierte ich schon an, doch letztendlich blieb es bei einem überflüssigen Kratzen meiner Wange und einem weiteren, überforderten Räuspern. Ich war wirklich erschrocken und wollte diesen Worten keinen Glauben schenken, während ich zwischen Verlegenheit und Missmut pendelte.

Männern sagte man so etwas nicht… man tat es einfach nicht. Es schnitt meine Erziehung, die Sitten meiner Herkunft. Doch sie hatte andere Wurzeln.

„Und bescheiden auch noch.“ Galant wurde das Glas sinken gelassen und als ich mich vorsichtig dazu entschied, zu ihr zu spähen, betrachtete sie mich träumerisch. „Wäre ich jünger, würde ich vermutlich ein Auge auf dich werfen.“

Seit einiger Zeit war ich so still, wie ich es von mir gewohnt war. Und daran würde sich auch nach diesen Worten nichts ändern. Ein verdattertes Zucken durchfuhr meine Miene und die letzte Rettung war, sich mit der Tasse abzulenken. Rasch nahm ich einen Schluck, sehnte mich danach, mich aus ihrem Sichtfeld zu retten.

So deutlich…!

Ich schluckte hinter, trank weiter und runzelte gehemmt die Stirn.

Im Gegensatz zu Lavis fragwürdigen Kommentaren, waren diese hier von schauriger Ernsthaftigkeit! Ich fühlte mich wirklich unwohl und das nächste Seufzen des Marshalls war beinahe alarmierend.

„Aber ich bin schon eine alte Frau“, beruhigte sich mich mit bedauernder Miene, bettete die Fingerkuppen auf ihrem freiliegenden Schlüsselbein und folgte dem Verlauf schwelgend. Nur kurz wurde ich darauf aufmerksam, bevor ich den Anblick meiner Tasse als interessanter einstufte und diese Bemerkung frei im Raum stehen ließ.

Schweigend befasste sie sich mit ihren Haaren, drehte den dünnen Hals des Glases zwischen den Fingern und wippte mit dem Fuß. Aber ich hatte immer noch nichts zu sagen und nach wenigen stillen Augenblicken kapitulierte sie.

„Mm.“ Sie sah mich beinahe enttäuscht an, ließ mich die Brauen heben. Plump ging ihre Hand auf das Polster nieder.

War sie durch irgendetwas gekränkt?

Hatte sie erwartet, dass ich widersprach?

Ich verstand Frauen nicht und gab mich unbeteiligt. Es gab immer Dinge, die mir zu kompliziert waren. Nicht das Führen des Schwertes, keine Strategien… doch Frauen…?

„Na ja.“ Sie schürzte die Lippen, sah sich verschnupft um und richtete sich flüchtig auf, um ihr Knie zu reiben. „Wir reden wohl wirklich von komplizierten Dingen.“

Wie wahr und endlich riss ich mich von der Tasse los.

„Weißt du…“

Der veränderte Klang ihrer Stimme ließ mich zuversichtlich werden, dass das unangenehme Thema endlich verschoben wurde. Sie sprach ruhig und abermals ernsthaft und als sich unsere Blicke trafen, ließ sie den Hinterkopf gegen die Lehne sinken, rutschte etwas tiefer in die Kissen und schöpfte geräuschvoll und entspannt Atem.

„Noch bedeutsamer als eine Freundin, sind ohnehin die Kameraden.“

Erwartend hielt sie den Blickkontakt aufrecht und ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Lippen. Ich war aufmerksam, sah sie an.

„Den Umgang mit diesen sollte man immer pflegen und somit auch die Zusammenarbeit. Ich kenne nichts Wichtigeres, als das.“ Sie zwinkerte entrückt. „Hast du Kameraden, denen du vertraust?“

Kurz suchten meine Augen nach dem Tisch und schon richtete ich mich auf, stellte meine Tasse auf ihm ab. Nur beiläufig nickte ich und tat es, ohne zu überlegen.

„Ja.“

„Mm.“ Darüber schien sie sich zu freuen. „Starke Mitstreiter, denen du dein Leben anvertrauen würdest?“

So fand ich wieder meine Bequemlichkeit in den Polstern, bettete die Ferse auf dem Knie und sah die Antwort abermals nicht als Schwierigkeit. Fragen dieser Art wusste ich einfach zu beantworten. Für mich selbst jederzeit und hier, wo wir alleine saßen, ebenso problemlos.

Auch, wenn sie es vielleicht nicht wussten.

Ich nickte.

„Jedem von ihnen.“

Und sofort kehrte das alte, warme Lächeln zurück.

„Das freut mich für dich. Und besitzt du auch ihr Vertrauen?“

„Ich stelle solche Fragen nicht.“

Ich wusste, was ich empfand, wusste, welchen Platz ich in dieser Gesellschaft einnahm. Diese Faktoren waren mir wichtig, mit diesen Faktoren konnte ich gut arbeiten.

„Natürlich“, murmelte sie verständnisvoll.

Ich tastete nach den Handschuhen, die über der Sessellehne ihren Platz gefunden hatten, zog sie zu mir und machte mich an meinen Händen zu schaffen. Entspannt rieb ich sie aneinander.

„Ich denke, mit dir kann man gut klarkommen.“

Ich blickte auf, sah, wie sie sich grüblerisch das Kinn rieb.

„Weißt du… ich habe mir eine These aufgebaut. Aus Lebenserfahrung und vielen Begegnungen.“ Von ihrem Kinn sank ihre Hand zu ihrer Brust, bettete sich auf dieser. Und ich wartete. „Menschen“, hob sie an, als würde sie jedes Wort genießen und genau wählen, „… die sich mit Fragen und Offenheit zurückhalten, die Sympathie und Vertrauen nie in Worte fassen…“, herzlich blinzelte sie zu mir, regte die Hand auf ihrer Brust, „… behalten sich umso mehr davon in ihrem Inneren. Sie sind soviel reicher an Zuneigung und Vertrauen, als die, die es zu jeder Möglichkeit erwähnen.“

Am heutigen Tag hörte ich Vieles zum ersten Mal und unauffällig zuckte ein kurzes Grinsen an meinem Mundwinkel. Wenn sie es sagte?

Ich hatte dazu keine Meinung. Ich kannte mich und musste über so etwas nicht grübeln.

„Du musst nichts sagen.“ Sie deutete meine Reaktion sofort, hielt mich von weiteren unangenehmen Situationen fern. „Sammle noch mehr dieser Eigenschaften in deinem Inneren.“ Sie verstummte, bettete die Hand auf ihrem Bauch und legte den Kopf schief. „Du bist einer der menschlichsten Exorzisten, die mir jemals begegnet sind. Und mir sind viele begegnet.“

„Mm…“

„Bin ich der erste Mensch, der dir so etwas sagt?“, erkundigte sie sich, als würde sie auch aus einer ausbleibenden Reaktion lesen aber ich winkte nur ab.

„Ich brauche keine Schmeicheleien.“

„Mm.“ Ihr Gesicht schien zu erstrahlen, ich fühlte mich wieder erneut und intensiv beobachtet und lugte flüchtig zu der Uhr.

„Ich weiß, wer ich bin“, raunte ich währenddessen. „Das reicht mir.“

„Ach, ich mag dich.“

Abrupt schloss ich den Mund, befeuchtete die Lippen mit der Zunge und antwortete nach irritierten und überstürzten Grübeleien nur mit einem undeutlichen Brummen.

Es drohte erneut abzudriften… und ich wusste immer noch nicht, wie man darauf reagierte. Was man zu sagen hatte, um sie zufrieden zu stellen. Man sagte mir so etwas nicht. Ich wollte so etwas gar nicht hören, doch ihr amüsiertes Lachen verhinderte die Rückkehr der beklemmten Lage. Gleichzeitig begann sie sich zu regen.

„Du kannst dich jetzt ruhig schlafen legen, wenn du möchtest“, grinste sie und um ehrlich zu sein, klang das nicht schlecht. „Wenn wir noch weiterquatschen, wirst du keine Gelegenheit haben, dich von der Reise zu erholen und für die Rückreise gestärkt zu sein.“ Kurz gestikulierte sie gen Koffer. „Den lass ruhig hier.“

„In Ordnung.“

Damit war ich einverstanden.

Es hätte mir nicht wehgetan, länger zu bleiben, solange sie sich von etwaigen Anspielungen ferngehalten hätte aber auch den Schlaf benötigte ich. Besser sofort, als später. Umso eher verließen wir auch Paris und kehrten zurück. Entspannt nach den Handschuhen gegriffen und war zur Sesselkante gerutscht, um auch an die Tasse zu gelangen. An einen solchen Tee kam man nicht oft und so leerte ich die Tasse mit wenigen Schlucken, stellte sie behutsam zurück und kam auf die Beine.

„Es war schön, sich mit dir zu unterhalten.“ Es ähnelte dem Abschied und schweigend nickte ich zurück. Auch, wenn sie mich überrascht hatte… es hatte in mir keine Einwände gegeben und so hob ich die Hand, erwiderte die Verabschiedung stumm und schob mich gemächlich an dem Tisch vorbei.

„Auf Wiedersehen.“

„Ja, mach es gut.“ Auch sie winkte mir, bevor ich mich abwandte und die gemütliche Sitzecke verließ. Vielleicht drei oder vier Stunden… mehr benötigte ich nicht, um zur alten Aufmerksamkeit zurückzufinden und bereits auf diesen nächsten Schritt fixiert, ließ ich die Pflanzen hinter mir und erreichte die Tür.

Es war wirklich an der Zeit und so hob und senkte ich die Hand zur Klinke, spürte ihre kühles Metall und wurde auch auf die hölzernen Verzierungen der Tür aufmerksam. Ich blickte auf, blickte über die Maserung hinweg und presste die Lippen aufeinander.

Der nächste Schritt…

Auf den einen folgte ein anderer. Es lagen so viele vor mir und in nur wenigen Stunden sah ich mich wieder im Hauptquartier. Zurück in der Situation, der ich mich durch diese Mission entzogen hatte.

Und ich blieb stehen, hielt die Klinke lediglich umschlossen und senkte die Lider.

Nur wenige Stunden, bis ich Antworten erhielt, bis ich Tatsachen begegnete, vor denen ich tief in meinem Inneren Respekt hatte… und ohne es meinem Körper zu befehlen, wandte er sich um. Ich drehte mich zurück zu dem Raum, sah den Marshall noch immer dort sitzen und zu mir aufblicken.

Nachdenklich nahm ich sie in Augenschein, folgte dem Verlauf der Klinke mit den Fingerkuppen und ließ sie kurz darauf von ihr rutschen.

Es drängte zu stark ich mir… ich kam nicht dagegen an und schöpfte leisen Atem.

„Sie sind oft besorgt?“

Das hatte sie gesagt und diese Tatsache beschäftigte mich plötzlich so eindringlich, dass ich mich dem nicht entziehen konnte.

Kurz wirkte sie überrascht. Verwundert, dass ich innehielt und Fragen stellte, obwohl ich es bisher allein ihr überlassen hatte und auch nicht der Mensch dafür war. Doch ich meinte es ernst, wartete auf ihre Antwort und erblickte ein mattes, sanftes Lächeln, unter dem sie den Kopf senkte.

„Ja, um viele, die an meiner Seite kämpfen. Um Menschen, die mir wichtig sind.“

Die Brauen verziehend, kehrte ich der Tür den Rücken.

„Wie gehen Sie damit um?“, erkundigte ich mich, machte mich gemächlich daran, die Handschuhe unter den Gürtel zu klemmen.

„Ich bewahre mich immer davor, zu optimistisch zu sein.“ Sie streckte den Rücken, bettete die Hände auf den Knien und sendete mir ein seltsames Lächeln. Zuversicht drückte man anders aus und ich studierte diese Mimik genau, löste die Hand von dem Gürtel und ließ sie sinken. „Wenn man sich durch zu utopische Gedanken beruhigt, kommt man nur der Selbstbelügung näher, die die Tatsachen anschließend noch schmerzhaftere Auswirkungen haben lassen. Ich denke nüchtern, nicht hoffnungslos… nur realistisch.“

Das war die Antwort…?

Ich blickte zu Boden, bewegte die Lippen aufeinander und spreizte die Finger.

Bereute ich es, die Frage gestellt zu haben?

Hatte ich richtig gehandelt oder war ich einfach nur ich selbst gewesen?

„Man glaubt es kaum aber es kommt oft vor, dass die Realität einen nicht enttäuscht.“

Ich hatte nicht erwartet, dass sie fortfuhr, hob den Kopf und begegnete ihren Augen.

Wieder… ich wurde durchschaut, doch ich störte mich nicht daran.

„Verliere nicht den Glauben in sie. Selbst in diesen Zeiten gibt es glückliche Wendungen.“ Sie zuckte mit den Schultern und das Lächeln vertiefte sich glaubwürdiger. „Nenn sie ‚Wunder’.“

Wunder…

Ein seltsames Wort, das ich schwer in mein Leben einzubauen wusste.

Und doch, als ich ihr abschließendes Nicken sah und das sichere Ende unseres Beisammenseins, meinte ich, mich etwas besser zu fühlen. Es gab jemanden, der meine Zuversicht teilte… der mir das Gefühl gab, mit meiner Meinung, mit meiner Sorglosigkeit, keinen Fehler begangen zu haben.

Flüchtig strich ich mir das Haar zurück, vertiefte mich an Ort und Stelle in diese Worte und erwiderte ihr Nicken durchaus überzeugter.

Ich würde es nicht bereuen…

Und nach einem letzten, verabschiedenden Blickkontakt, trat ich erneut an die Tür, drückte die Klinke hinab und schob mich aus der Lounge, um in einem der Zimmer noch etwas Ruhe zu finden.
 

~*tbc*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-11-25T12:11:31+00:00 25.11.2010 13:11
Cloud! *-*
Ich find das cool dass du soviele Leute mit einbringst!!!
Von: abgemeldet
2010-11-13T17:36:35+00:00 13.11.2010 18:36
Ich mag clou total.
Ist mein favo Chara <3


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