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Bee-Verse

120 Oneshots
von

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Through the Fire

Es gab Engel und es gab Engel. Außerdem gab es noch Raziel, der sich mehr zu den Kriegern Gottes zählte, als zu den geflügelten Nasshosen, die ihn umgaben.

Genervt verdrehte er die Augen, als zwei Engel vom Feuer eines Drachen erfasst wurden und wie lebende, laut schreiende Fackeln das Schlachtfeld erhellten.

Nasshosen war das richtige Wort für die Bande aufgeschreckter, kopfloser Hühner, von denen nicht einer fähig war still zu stehen und seinen Tod zu ertragen wie ein Mann. (1)

Zwischen den Felsen der wüstenartigen Landschaft glühten einzelne Häuflein zu Asche zerfallener Engel, abertausende weißer Feder schwebten unheilvoll über den einzelne Gliedmaßen, die über den sandigen Boden verstreut lagen.

Durch sein eingeschränktes Sichtfeld konnte Raziel nur einen der beiden Drachen im Auge behalten. Seine Aufmerksamkeit galt dem brütenden Weibchen, für das die angehenden Gotteskrieger nur fliegende Häppchen darstellten.

Zu seinem Missfallen fraß das große, rote Ungeheuer gerade seinen Adjutanten, den er losgeschickt hatte, um das Drachenei zu vernichten.

Zumindest hatte der Grünschnabel es geschafft, die Feuerbarriere zu durchbrechen und war auch noch an dem korpulenten Männchen vorbeigekommen. Dieses Exemplar war das fetteste Drachenvieh, das Raziel je gesehen hatte. Der Drache hatte sich für mindestens dreitausend Jahre Winterspeck angefressen und war dementsprechend agil. Unbeweglich wie ein Kofferfisch fraß er nur die Engel, die so grenzdebil waren, ihm direkt vor der Schnauze zu fliegen.
 

Der kleine Edelstein in seinem Ohr vibrierte.

„Sir?“ Die Stimme seines Principatus klang angespannt. Vermutlich saß er gerade auf irgendeinem Berg und beobachtete das Szenario aus sicherer Distanz. Nicht, dass Chermes faul oder feige war – er war nur mordsmäßig verkatert. Vielleicht hätte Raziel den Heeresführer seiner Einheit nicht mit den Worten „Mach' mich stolz!“ ermuntern sollen, einem pensionierten Schutzengel zu zeigen, dass sein göttliches Feuer erst richtig anfing zu brennen, wenn gehörig Spiritus in die Flamme gekippt wurde.

Schutzengel neigten zu Alkoholismus und pensionierte Engel neigten allgemein zu Übertreibungen.

Sich deshalb schlecht zu fühlen, kam Raziel nicht in den Sinn, schließlich hatte sich Chermes selbst die Flasche Ouzo an die Lippen gesetzt und gezogen wie ein Vampir an einem Bluter.

„Sir!“

Die Stimme des Principatus klang gereizt. Vermutlich war er immer noch wegen Gabriels Eiszauber, der ihn und sämtliche andere Nachzügler aus dem warmen Bett geworfen hatte, verstimmt. Selbst schuld, dachte er, er hätte auch einfach aufstehen können, anstatt verschlafen 'Nur noch fünf Minuten, Mutti' zu murmeln und sich damit Gabriels Zorn, nebst mehreren Aeonen Urlaubssperre zuzuziehen.

„Ja“, murrte er und spürte wie sein Abzeichen, das ihn als Erzengel auswies, vibrierte. „Ich sehe es.“

„War das Euer Adjutant?“

„Ja.“

„Sieht so aus, als müsstest du dir deinen Kaffee wieder selber holen.“ Gabriels Stimme klang vollkommen entspannt. „Statusbericht?“

„Zwei Drachen auf der Gegenseite. Nur noch dreißig … zwanzig Engel meiner Einheit und vier Erzengel auf der unseren“, antwortete Chermes hastig.

Es folgte eine kurze Pause.

„Fünf Engel“, erwiderte Gabriel trocken, „und nur noch drei Erzengel. Uriel wurde gerade gefressen.“

„Wie sollen wir vorgehen, Sir?“ Der Principatus klang nicht sonderlich erfreut. Wenn man bedachte, dass fast seine komplette Einheit von zwei riesigen Drachen, von denen einer gar nicht hätte existieren dürfte, gefressen worden war, konnte man es ihm nicht verübeln.

„Wir töten die Drachen und zerstören die Eier.“

„Aber, Sir...“

„Anschließend ramme ich dem Cherubim, der nicht bis zwei Zählen kann und irgendwie vergessen hat uns zu sagen, dass wir auf ein brütendes, pissiges Drachenweibchen treffen, meine Faust so tief in den [MEEEP]!“

Die göttliche Verfügung griff und der Rest des Fluches wurde durch ein lautes Hupen zensiert. (3)

Zwei Minuten später hatten die Drachen das göttliche Regiment auf zwei Erzengel und einen Principatus reduziert, die zu dritt hinter einem Felsen saßen und ihr Möglichstes gaben, weiterhin einen souveränen Gesichtsausdruck zu bewahren.
 

„Nun gut.“ Gabriels Augen zeigten eine wilde Entschlossenheit, von der Raziel wusste, dass sie Chermes den Körper kosten würde.

„Wir machen das folgendermaßen... Chermes, du täuschst links an und gehst in der Mitte durch. Du kümmerst dich um das Ei.“

Gabriel starrte Chermes mit seinem durchdringenden 'Nicke, oder du wirst den kosmischen Zorn in Form meines Fußes in deinem Meep! spüren!'-Blick an – und er wirkte. Der Principatus, dem Raziel ansah, dass er sich mit seinem Schicksal abgefunden hatte, nickte.

In spätestens fünf Minuten würde er auch keinen Heeresführer mehr haben.

Gabriel würde recht behalten; Keinen Adjutanten, kein Heeresführer, keine einfachen Engel – Raziel würde sich seinen Kaffee wieder selbst besorgen müssen. Wie er Drachen hasste...
 

Er kalkulierte vage seine eigenen Chancen. Er mochte seinen, wenn auch nicht mehr ganz neuen, aber durch etliche Kampfnarben personalisierten Körper. Mit Stolz blickte er auf jede einzelne Narbe – abgesehen von der über sein fehlendes Auge. Verflixtes Einhorn!

„Wir beide kümmern uns um die Drachen“, sagte Gabriel und deutete mit seinem Schwert zwischen den Felsen durch.

Damit standen seine Chancen schlecht. Gegen Null.

„Du nimmst den Dicken, ich übernehme die fette Lady.“

Raziel nickte. Zumindest hatte er nicht die biestige Trulla abbekommen, sondern nur das fette Monster.
 

Synchron stießen sich die drei Engel vom Boden ab, drehten eine Schleife und stoben auseinander.

Der sandige Wüstenboden war übersät von kokeligen Überresten der Kameraden, von Gliedmaßen und Blut – die Drachen hatten ganze Arbeit geleistet.

Gabriel gab das Zeichen zum Angriff: Sein wild entschlossener Kampfschrei übertönte das ohrenbetäubende Gebrüll der überraschten Drachen.

[MEEEP!]

Raziel lachte nah dem Irrsinn, als er die Feuerwand auf sich zurasen sah. Es gab nur einen Weg – es gab immer nur den einen verflixten Weg.

Routiniert hielt er sein Schild vor sich, als er auf die Barriere traf und fluchte leise – und verständlich – als er zurückgeworfen wurde.

Durch die Wucht kam er ins Taumeln, seine Flügelspitzen ragten über den Rand des Schildes hinaus und verbrannten im Bruchteil einer Sekunde.

„VERDAMMTE -“ Er verkniff sich weitere Ausführungen; Einerseits trieb ihm der Schmerz Tränen in die Augen, andererseits machte er ihn rasend vor Zorn.

Das Männchen war fett – er war … gigantisch fett. Wie er sich noch bewegen konnte, war Raziel ein Rätsel. (4)

Durch ein komplizierten Mechanismus, der ein noch komplizierteres Ritual erforderte, bündelte der Erzengel seine Energie in die Klinge (5) seines Schwertes, das kurz darauf in gleißendem Licht erstrahlte.

In jenem Moment, als die Klinge die Schnauze des Drachen berührte, entlud sich der gebündelte kosmische Zorn und pulverisierten ihn innerhalb eines Wimpernschlages.
 

Eines der Probleme solcher Angriffe war die Geschwindigkeit, die Raziel zuerst aufbringen und dann schnellst möglich wieder verlieren musste. Etwas, das meisten nicht gelang.

Ungebremst schlug der Erzengel in den Wüstensand ein.
 

Seufzend lehnte er sich in dem riesigen Krater, den sein Aufschlag in den Sand gerissen hatte, zurück. Seine Flügelspitzen brannten. Als er eine seiner Schwingen neigte, sah er, dass diese nur noch zu Dreivierteln vorhanden war.

[Meep]“, hörte er plötzlich lautstark zwischen den Felsen hallen. „[Meep]!“

„Ja“, brummte Raziel zu sich selbst, „ganz meine Meinung.“
 

(1) Der Tod war für einen Engel nichts Endgültiges. Er war schmerzhaft, teilweise eklig (2) und mit einigen anderen negativen Aspekten verbunden, aber eben nur ein temporärer Zustand körperloser Existenz. Sobald ein Engel starb, formierten die kosmischen Kräfte einen makellosen neuen, vollkommen funktionsfähigen und nach altem Bild erschaffenen Körper für ihn.
 

(2) Eklig waren nur die ersten Stunden, in denen der neue Körper seine Funktionen austestete. Dementsprechend war das Erste, das ein Engel in seinem neuen Körper nutzte, ein Eimer und eine Toilette.
 

(3) Als Gabriel vor einigen Aeonen den guten Menschen von Benignus eine göttliche Offenbarung hätte bringen sollen, hatte es einen kleinen, unbedeutenden Zwischenfall gegeben.

Sein dramatisch theatralischer Auftritt, samt himmlischer Musik, wohlig duftenden Rauchschwaden und imposantem Lichtspiel war wie aus dem Lehrbuch gewesen, doch dann war alles ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Er war über einen betenden Hohepriester gestolpert und hatte sich versehentlich selbst mit dem göttlichen Feuer in Brand gesetzt. An sich hätte man die Situation vielleicht noch retten können – hätte Gabriel sein hitziges Gemüt zurückgehalten. Die wilden, unflätigen und vulgären Flüche aus dem Mund des gleißenden Engels hatten vereinzelte Gläubige geringfügig verstört - den Großteil jedoch in den Wahnsinn getrieben.

Solidarisch hatten sie sich mit in Brand gesteckt und die kleine Tempelanlage in ein tödliches Inferno für sich und alle anderen Sterblichen verwandelt.

Der Boss war über diesen Vorfall nicht erfreut gewesen und hatte Gabriels Wortschatz entsprechend zensiert.
 

(4) Tatsächlich bewegte sich der Drache nicht mehr aktiv, da er vor zwanzig Minuten schon einem Herzinfarkt erlegen war, seine Masse war lediglich noch in Schwung.
 

(5) So kompliziert war das Ganze nicht, jedenfalls nicht für Raziel, der das Prozedere mehrmals die Woche ausführte. Niedere Engel würden sich durch diesen Mechanismus die Dimension, in der sie sich gerade aufhielten, zerstören, sofern sie das Ritual nicht vorher selbst vernichtete.

Einem Erzengel hingegen kostete die Ausführung nicht mehr Kraft, als es ein Niesanfall auch täte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Rockryu
2011-12-27T16:04:21+00:00 27.12.2011 17:04
Ich will dich ja zu nichts drängen, aber könntest du bitte weiterschreiben? ich habs jetzt sicher 10mal gelesen und es ist immer noch unglaublich witzig.
Ich hab sogar auf "empfehlen" gedrückt, was ich sonst nie mache.
Von:  Rockryu
2011-12-25T20:28:31+00:00 25.12.2011 21:28
Oh mein Gott, ich glaube, der Club meiner Lieblings-Mexxautoren hat soeben ein neues Mitglied bekommen.
Ist das genial, ich wär fast erstickt vor Lachen.
Von: abgemeldet
2010-06-27T14:01:47+00:00 27.06.2010 16:01
Also bisher ist es ganz amüsant und alles andere als himmlisch *gg*. Schade das mit der Zensur.



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