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Unleben

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Unleben

Langsam ziehst du die Vorhänge beiseite und zartes Licht scheint durch den Spalt. Du flüsterst sanft in mein Ohr: „Die Geburt des Morgens steht bevor, Liebling.“

Die Verbände lösen sich, fallen zu Boden – niemand ist hier im Raum. Auf den Fluren herrscht dieselbe Stille, die immer schon da gewesen ist. So ruhig die Zimmer, in denen die Ärzte ihre blutigen Hände waschen. Sie waschen. Und waschen. Die Geräte reinigen. Das Skalpell …

Wie die Nachwehen eines Bebens fühle ich noch immer deinen unsichtbaren Kuss. Das Morphium auf deinen Lippen. Deine künstliche Stimme vibriert in meinen Knochen, scheuert im Blutkreislauf, wie Sand im Getriebe. Verfault bereits das Blut in meinen Venen?

Ein trüber, unwirklicher Engel oder der Geist eines Geistes bleibt zurück. Bleibt bei mir. Dein Gesicht und deine Gestalt, aber doch nicht wahr. Ich warte auf deine Rückkehr.

Ich warte.

Werfe mich in die Schmerzen, lasse sie kommen, ertrage sie. Für mich ist es die einzige Möglichkeit, mich wieder lebendig zu fühlen. Ich schließe die Augen.

Heute Nacht werde ich warten. Auf dich.

Ich werde sie rufen; werde sie rufen und der Gang wird nicht länger in Stille getaucht sein, wenn sie kommen. Und das Skalpell …

… wird dir eine Karte mit dem Weg zu mir zeichnen.
 

Die Sonne hat meine Flügel verbrannt. Funkelnd, voller Grazie und traumhafter Schönheit. Ich selbst bin im Feuer gestanden, aber ich habe gewusst, dass mir nichts geschehen kann. Die Show muss weitergehen. Ich muss weiterwandern. Seit dem Tag im Krankenhaus bin ich der Klatsch und die Glorie. Der Unbrauchbare und der Verwendete.

Ich bin die Zurückweisung.

Gibt es einen Grund dafür?

Mein Herz ist verbraucht, zerstört. Trotzdem pumpt es weiter. Es versorgt einen Organismus, der lebt, obwohl …

Als du dich damals umgedreht hast, bist du von innen verbrannt. Hast du der Sonne geglaubt? Du bist gestorben. Die Sterne haben bei deinem Begräbnis gefunkelt.

Noch heute warte ich darauf, dass mich deine vertrauten Arme umfassen. Du hast mir meine Flügel genommen, denn du warst das sengende Licht. Ich hoffe, dass dich der Tod so sehr liebt, wie ich es getan habe, als du mich gebraucht hast. Aber in dieser Nacht werde ich kommen.
 

Ich habe bereits einmal gebrannt und würde es wieder tun, wenn du die Wärme brauchst und allein bist. Dort wo du bist.

Oft haben wir unter Brücken, zitternd in löchrigen Decken geschlafen. In Kellern, wo unsere Geheimnisse begraben sind. Noch heute?

Ruinen, nichts als Staub und Steine.

Machst du dir Sorgen, was aus mir geworden ist? Läufst du etwa vor dem Tag weg, an dem du mich ins Krankenhaus gebracht hast? Der Tod wäre nur eine Entschuldigung, um dich zu vergessen und selbst das ist mir verwehrt. Lass den Kelch an dir vorrübergehen und öffne die Augen.

Sie haben die Zeugen verbrannt. Niemand weiß davon.

Läufst du weg?

Nimm die Zigarette, die noch nicht zur Asche zurückgekehrt ist und verjag deine Gedanken von Reue und Trauer. Mach dir um mich keine Sorgen.

Verzeihen und vergessen. Wieder erleben und bedauern. Ein Teufelskreis.

Der Morgen wird weitergehen, ohne dich. Nur mit mir. Ich werde marschieren. Über die Ebenen der ewigen Dämmerung. Die Sonne hat ihre Kraft längst verloren, mit der sie mich einst gebrandmarkt hat.

Ich atme für mich allein. Ich bin einsam. Nur Staub und Finsternis. Vages Licht.

Brennen, trotz Kälte. Lebend brennen, nur für dich. Ohne Hoffnung.
 

Die Tauben und Blinden haben den Frieden gefunden, schon lange, und ich werde ihn nie erreichen. Ewige Verdammnis. Leben als Un-leben. Ihre Art von Geschenk.
 

Ich gehe auf dem Sternengürtel des Orion. Ich gehe in die eine und in die andere Richtung. Sterne verglühen und Planeten sterben. Und werden neu geboren. Ich bewundere sie um diese Gabe, wenn man dies als Gabe nennen kann, und ich wandere weiter, immer weiter, bis ich eine neue Sonne finde, die mir das Licht zurückgibt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-06-14T06:20:40+00:00 14.06.2010 08:20
Nochmals danke. XD.
Von:  RedSky
2010-06-13T18:54:59+00:00 13.06.2010 20:54
Sehr schön geschrieben. Sehr flüssige Formulierungen und ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Es liest sich wirklich gut! ö.öb
Es klingt sehr düster aber trotzdem auch facettenreich...... Auf alle Fälle interessant.
Von: abgemeldet
2010-06-07T06:23:54+00:00 07.06.2010 08:23
Danke. :)
Von:  Kristallini
2010-06-06T21:43:22+00:00 06.06.2010 23:43
"Ich habe bereits einmal gebrannt und würde es wieder tun, wenn du die Wärme brauchst und allein bist."

Der Satz ist wirklich traumhaft
bin am Anfang etwas schwer reingekommen, aber stimmt es ist wirklich
sehr fließend und stimmig, die Passagen gleiten gut ineinander über
auch wenn ich den Wechsel von Selbstbetrachtung, Erinnerung und
Beschreibung des Partner des Erzählers teilweise etwas zu verwirred finde
das Vokabular ist wie schon gesagt sehr hübsch gewählt
auch wenn man aneinigen Stellen merkt, dass du krampfartig Wörter
eingesetzt hast um auf Teufel komm raus etwas zu sagen was so komisch
klingt (zB. das mit dem Kelch) ist vielleicht geschmackssache
aber lass das weg bzw. ist sowas in meinen Augen etwas gekünstelt

trotzdem guter Text, hat von mir nen Favo ^^
Von: abgemeldet
2010-06-06T10:24:28+00:00 06.06.2010 12:24
Doch, eigentlich schon! xD.

Aber lassen Wir die Vergangenheit ruhen~

Danke. :3
Von: abgemeldet
2010-06-06T10:16:39+00:00 06.06.2010 12:16
Wirklich sehr schön geschrieben!
Liest sich flüssig und hat eine schöne Wortwahl.
Respekt und hoffe die Zeit war nicht allzu schlimm!


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