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Deutschland. Nichts geht mehr.

Aus glücklichen Familien besteht das Wohl des Staates.
von

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Fischers Fritze fischt frische Fische

Bei einer gewissen anderen Organisation lief alles nicht ganz so perfekt wie bei Bayern. Die angeraumte monatliche Besprechung fand zuerst einmal nicht in einer edlen Suite im 20. Stockwerk statt, sondern am Ufer eines Sees irgendwo in der Pampa von Mecklenburg-Vorpommern – ein Ort, an dem niemand, absolut niemand die Verbrechergruppe jemals finden würde. Dennoch saß man um einen Tisch herum, und alle waren anwesend, nur Sachsen-Anhalt waren nicht anwesend, denn sie hatten dringende Geschäfte zu erledigen und waren vom Vater, Schleswig-Holstein, freigestellt worden. Es war allerdings auch ohne ihr Fehlen eine unglaublich wichtige Konferenz, und man war um einiges stiller, friedfertiger und weniger temperamentvoll als im Süden. Leider bedeutete dieses fehlende Temperament auch, dass man für die restlichen Aufgaben, die im Alltag einer Mafia erledigt werden mussten, weniger Energie zur Verfügung hatte – und dieser Umstand könnte helfen, zu erklären, warum Dominus Tecum um so viel erfolgreicher war als ihr norddeutsches Pendant – Schwertfisch, bei der schon allein der Name andeutete, wie unterschiedlich die Auffassung von einer Mafiafamilie war. Auch an den Klamotten war ein deutlicher Unterschied zu sehen. Nur Brandenburg, ein relativ neues Mitglied, trug einen weißen Anzug, der Rest war in Alltagsklamotten erschienen.
 

Schleswig-Holstein ließ ein Diagramm herumgehen. Er strengte sich wirklich an, aber er konnte spüren, dass man unzufrieden mit ihm war. Glücklicherweise hatte sich noch niemand wirklich aufraffen können, sich gegen ihn zu verschwören, und langsam wurde es besser, langsam bekam er diese ganze Chef-einer-ganzen-Mafia-Sache in den Griff, obwohl er erst sechszehn Jahre alt war. Letztes Quartal, hatte er sich von seiner rechten Hand Mecklenburg-Vorpommern sagen lassen, waren die Bilanzen sogar wieder in den positiven Bereich gekommen! Das musste einfach etwas gutes sein.
 

Er räusperte sich und es wurde noch stiller als still. Nur in der Ferne zwitscherte ein kleines Vögelchen sein helles Lied. Jeder blickte den Chef gespannt an. Er holte tief Luft.

„Es gibt gute Neuigkeiten. Im letzten Quartal, äh, liefen die Geschäfte sehr gut.“ Auf ein paar Münder schlich sich ein Lächeln. Hans fummelte an einem Taschentuch herum, das er zwischen seinen Händen gepresst hielt. „Ich glaube, das liegt daran, dass-“ Er stockte und blickte Brandenburg neben ihm an, der fahl und ungesund wirkte. „B-Brandenburg...?“ Der Angesprochene schreckte auf und blickte alle in der Runde an. Jeder außer Fritz sah ihn neugierig an; Fritz betrachtete nachdenkliche die weite Seenlandschaft, die sich vor seinem Blickfeld erstreckte. So hübsch blau glitzernd, das könnte man ewig anstarren.

Albrecht versuchte sich an einem Lächeln, aber seine Mundwinkel waren nicht bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, und so sah er die anderen nur ernst an. Er durfte sich nicht verraten. Die Beilschmidts, hohe Beamte im Bundeskriminalamt, zählten bei der Zerschlagung von Schwertfisch auf ihn, den besten Ermittler seines Jahrgangs. Bei Erfolg würden all die Verbrechen aufhören, die Verbrechen, durch die er seinen kleinen Sohn verloren hatte, und nie wieder würde jemand so leiden müssen wie er, als er den toten Körper von Nikolai in seinen Armen gehalten hatte. Tief in ihm brannte ein Feuer. Aber sollten sie merken, dass etwas mit ihm nicht stimmte, sollten er unfähig sich, sich perfekt anzupassen, dann würde er nicht nur seine Stelle, sondern sein Leben verlieren. Das Feuer würde auf ewig erlöschen. Er schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut. Danke, Schleswig-Holstein.“ Etwas besorgt nickte Otto, dann wandte er sich wieder dem Rest seiner Familie zu. Egal, was kommen würde, er würde sie auf jeden Fall vor allem Bösen beschützen, und wenn er dafür einen aus den eigenen Reihen töten müsste!

Sachsen meldete sich zu Wort. „Dank Brandenburg läuft die Schutzgelderpressung um einiges besser als jemals zuvor. Das reicht, um-“ Er warf einen kurzen Blick auf einen altmodischen Notizzettel. „-die Prozentverluste im Waffengschäft wieder wettzumachen.“ Man murmelte aufgeregt, und Schleswig-Holstein nickte übertrieben ernsthaft. So hörte er gerne! Und jetzt... jetzt mussten einige Machtworte gesprochen werden. „Nordrhein-Westfalen, ich bin wirklich nicht so glücklich damit, wie sehr der Schmuggelgewinn in letzter Zeit abgenommen hat. Äh.... bitte mach das doch besser.“ Hans zuckte mit den Schultern. Er konnte ja nicht mehr geben als sein Bestes, und er gab schon sein Bestes. Wenn das nicht mehr gut genug war, dann war das bestimmt nicht seine Schuld. Georg neben ihm sah besorgt in die Runde. Würden sie nun auch auf das bei Weitem nicht mehr so gut florierende Drogengeschäft zu Sprechen kommen? Es war nicht seine Schuld, dass Niederlande nur noch selten an die Grenze kam zur Übergabe des Stoffs. Aber Otto überging ihn, und Georg runzelte in Gedanken die Stirn, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Hatte er die sinkenden Zahlen einfach vergessen? Sollte ihm Recht sein.

„Mit dem Rest bin ich zufrieden. Niedersachsen, du bist immer so stabil. Das finde ich toll! Und Mecklenburg-Vorpommerns Bordelle-“ Dabei wurde er ein wenig rot. „-laufen auch wie geschmiert. Nichts zu klagen, Jungs!“ Er strahlte fröhlich in die Runde. „Ihr seid entlassen!“ Zögernd machte man sich auf den Weg nach Hause; nur Brandenburg und Niedersachsen wurden gebeten, noch etwas zu verweilen.

Zuerst redete Schleswig-Holstein mit leiser Stimme zu Niedersachsen. „Sprich doch bitte einmal mit den Brüdern aus Bremen, wenn du die Gelegenheit hast, ja?“ Er versuchte, freundlich zu bleiben und nett. Wenn er einfach immer nett blieb, würden sie schon Erfolg haben, seine Jungs. Ganz, ganz sicher. „Die Drogen waren immer ein Hauptstandbein von uns.“ Georg sah ihn lange an und nickte dann indifferent, bevor er seiner Wege ging und der Chef sich Brandenburg näherte. Sie sahen sich in die Augen. Brandenburg versuchte wieder, zu lächeln, blieb jedoch ebenso erfolglos wie beim ersten Mal.

„Chef?“ fragte er mit relativ gefestigter Stimme. Schleswig-Holstein, der nur wenige Zentimeter kleiner war als er selbst, sah ihn mit stechendem Blick an. „Ich mache mir wirklich ein wenig Sorgen um dich. Komm schnell wieder auf die Beine. Wir brauchen dich hier!“ Er klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Albrecht war fähig, ein wenig zu lächeln. „Nimm dir einen Tag frei und ruh' dich aus. Dann geht es dir gleich viel besser, du wirst sehen! Vielleicht machst du eine kleine Bootstour? Egal was, vergiss einfach mal all deine Probleme.“ Schwach nickte Brandenburg, und während der Chef zu seinem alten, unauffälligen Auto lief, beobachtete er ihn ungerührt.
 

Er würde seine Probleme nicht vergessen können.

Denn er würde nicht vergessen können, dass er sich in seinen geheimen Informanten verliebt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  moi_seize_ans
2010-06-06T15:38:03+00:00 06.06.2010 17:38
Also, zu aller erste einen riesenpluspunkt für den verdammt geilen Titel. Komischerweise habe ich diesen Zungenbrecher auch als Kind nie hinbekommen, vielleicht lag es auch daran, dass ich den Namen Fritz nicht mochte. (Trauma im Kindergarten... @.@)
Heutzutage hat sich das natürlich geändert, und dein Kapi is großartig.
Man, die Schwertfische. Es ist einfach herrlich.!!!


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