Gegen Gefühle kommt man nicht an!
Noch eine ganze Weile hatten Elias und ich so da gesessen. So lange
bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Eli drehte sich zu
mir um, um mir meine Tränen weg zu wischen. Er wuschelte mir
durch die Haare. Diesmal nahm ich es ihm nicht übel. Zu liebevoll
war seine Geste. Es beruhigte mich noch etwas mehr. Eli war einfach
immer da, wenn ich ihn brauchte.
"Gehts wieder?", fragte er still und geduldig auf meine Antwort
wartend. Ein Schniefen meinerseits.
"Ja, ein bisschen. D...danke...", stotterte ich peinlich vor mich hin.
Ich war nur froh, dass es nur mein bester Freund war vor dem ich
misch schon wieder so peinlich aufführte.
Noch immer ein wenig verheult schaute ich zu ihm auf. Erneut
wischte er mir eine Träne aus dem Gesicht.
"Ach, keine Ursache. Dafür sind beste Freude doch da oder?", meinte
er ruhig, stubste meine Nase. Ein Kichern seinerseits. Ich hielt seine
Hand fest.
"Aber hätte ich es denn nicht eigendlich selber merken müssen?"
Mein Kopf senkte sich nach unten.
"Ich bin ein Idiot!"
"Hmm? Hehe, irgendwie schon. Aber...weißt du, wenn man das erste
mal verliebt ist, merkt man das nicht unbedingt immer. Aber du
musst schon zugeben, das du ziemlich lang auf der Leitung standest.",
meinte er und grinste.
"J...ja, schon aber...ich konnte doch nicht ahnen, das ausgerechnet
ich mich verliebe. Dazu noch in einen Jungen. Ich meine...wie wird
er darüber denken...?"
Genau. Wie würde er darüber denken? Ob er sich bereits für ein
Geschlecht entschieden hatte? Oder war er vielleicht Bi? Ich hatte
bis besagtem Zeitpunkt immer angenommen, ich würde ganz normal
auf Mädchen stehen. Wer ahnte denn sowas? Ich erinnterte mich
daran, das ich noch nie besonders viel für Mädchen übrig hatte.
Nicht mal eine Freundin hatte ich gehabt. Aber ich war ja auch erst
15. Ich war da noch nicht so weit wie viele meiner werten
Klassenkameraden.
"Hmm, wieso nicht? Weil du, du bist? Jeder verliebt sich irgendwann
mal. Man kann dieses Gefühl nicht steuern. Es passiert einfach. Und
das Geschlecht ist doch unwichtig. Wichtig sind die Gefühle.
Wie er darüber denkt kannst du nur herrausfinden, in dem du ihn
einfach mal darauf ansprichst."
Ansprechen? Wie dachte er sich das denn? Ich war doch nicht er.
Ich war nicht gut darin mit anderen ins Gespräch zu kommen. Sicher
war das mit Luka gar nicht mal so schwer gewesen, da ja er die
meiste Zeit einfach drauflos gequasselt hatte, ohne ein wirkliches
Thema. Das entwickelte sich dann irgendwann von allein. Es fing mit
ganz belanglosen Sachen an. Luka schien einfach ein Talent dafür
zu haben. Sein größtes Talent war es allerdings , die Blicke der
Menschen um ihn herrum, auf sich zu ziehen. Für ihn war
Kommunikation sicher kein Inbegriff des Grauens. Bei mir war es
das genaue Gegenteil. Ich war nicht wie Luka, der einfach so auf
andere zu gehen konnte und ich war auch nicht so gesellig mein
bester Freund. Alles in Einem betrachtet, war ich da eher ein
Einzelgänger.
Dazu kam noch, dass mich Lukas Nähe einfach nur total nervös
machte. Sicher würde ich keinen vernümpftigen Satz
herrauskriegen.
"Ohje...", ich seufzte über meine Gedanken.
"Hey, mach dir nicht so viele Gedanken, dass wird schon..."
Gerade als Eli mich wieder in den Arm nehmen wollte, wurde die
Tür aufgerissen.
"Milo? Hörst du nicht? Der Besuch ist da, würdest du bitte runter
kommen um deine Großerltern und deine Tante zu begrüßen?",
gab meine Mutter mit einem betont genervten Ton von sich.
"Ich rufe dich schon seid mindestens 5 Minuten, beeil dich!", fügte
sie noch hinzu.
Dann viel ihr Blick auf Eli.
"Elias, ich würde dich gern bitten...", begann sie, gerade wollte ich
etwas erwiedern, "...zu gehen...ja, ja, ich weiß schon...", beendete
Eli ihren Satz und lächelte dazu.
"Schön das wir uns verstehen.", meinte Mutter noch und verließ das
Zimmer.
Ich schaute zu ihm rüber, senkte wieder den Kopf.
Mit der einen Hand zog ich an seinem Shirt.
"Ich will nicht das du gehst.", murmelte ich. Eli seufzte tief.
"Ich auch nicht...aber, wenn wir faxen machen, darf ich dich
irgendwann vielleicht nicht mehr besuchen. Du weißt wie deine
Mutter ist..."
Ja, das wusste ich nur zu gut. Vor etwa 2 Jahren, als ich anfing
mich so zu kleiden, mich zu schminken und so, da war meine
Mutter schon mal so darauf. In ihren Augen war Eli für diese
Veränderung verantwortlich. Da Eli ja etwas älter ist als ich, hatte
er diesen Stiel ja schon einige Zeit. Auch machte sie ihn für meine
Schulischen Leistungen verantwortlich, weil er mich ja sozusagen
da mit rein gezogen hatte. Dabei stimmte das nicht. Ich selbst war
es der irgendwann mal bei Eli danach gefragt hatte und nun war
ich eben so, wie ich war.
Meine Mutter verbot mir darmals mich weiter mit ihm zu treffen.
Als sie bemerkte, das wir uns dann heimlich trafen und das nichts
brachte, gab sie auf und Eli durfte mich wieder besuchen.
Ein zweites Mal wollte ich das auf keinen Fall, das er mich nicht
besuchen durfte.
"Okay.", murmelte ich. Wie standen dann beide auf.
"Gut. Und denk darüber nach was ich gesagt habe. Frag ihn einfach
mal. Er wird dir schon nicht den Kopf abreißen.", meinte er dann.
"J..ja,..", wieder wurde ich rot und es kribbelte wieder so in meinem
Bauch. Luka war schon wieder in meinen Gedanken und irgendwie
fühlte sich dieses Gefühl immer noch so seltsam an. Es verwirrte
mich einfach. Wie sollte ich ihm morgen nur gegenüberstehen. Wie
sollte ich es schaffen mich nicht aufzuführen, wie der letzte
Vollidiot.
"Hey, Süßer, krieg ich noch nen Kuss?", unterbrach Eli meine
Gedanken.
"Hm?", verwirrt sah ich ihn an. Ich war ganz durcheinander,
"Äh...ja...sorry."
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und Eli senkte sich ein wenig
zu mir herunter. Dann konnte ich ihm einen Kuss auf die Wange
geben. Eli tat es mir gleich.
"Danke, das wird uns beiden Glück bringen.", dann zwinkerte er
mir geheimnisvoll zu. Da war doch irgendwas...es war eigenartig,
aber ich harkte nicht weiter nach. Dazu war jetzt auch keine Zeit
mehr. Meine Mutter rief schon wieder. Es dauerte ihr wohl alles
wieder zu lange.
"Ich bin gleich da.", rief ich genervt zurück.
"Hehe, lass uns lieber mal gehen.", meinte Eli, nahm sein
Skateboard, das er unauffällig neben meinem Bett gepart hatte
und wir gingen gemeinsam runter.
An der Tür angekommen, zog er sich noch eben die Schuhe an.
"Also dann, machs gut...bis dann.", als meine Mutter gerade aus
dem Wohnzimmer gelatscht kam, drückte er mich noch mal.
Das war Absicht! Denn er lächelte fröhlich, munter vor sich hin.
Das war wieder eine seiner Verzögerungstaktiken, um auch ja
noch ein wenig Zeit herraus zu schinten.
"Ja, du auch, bis dann.", dann war Eli aus der Tür, ich schloss
sie und seufzte tief.
"Da bist du ja, ich dachte schon, dieser Abschied dauert wieder
Stunden. Ihr tut immer so,als würdet ihr euch tausend Jahre
nicht mehr sehen.", grummelte sie.
"Ach so schlimm ist es nicht.", meinte ich knapp.
Meine Mutter schüttelte mal wieder den Kopf über ihren
eigenartigen Sohn.
"Die Gäste sitzen im Wohnzimmer.", und schon zeigte sie in die
Richtung. "Begrüß sie schon mal, ich hol eben Kaffee und Kuchen
aus der Küche.", fügte sie noch hinzu.
"Hmm...", brummte ich genervt.
Als ich das Wohnzimmer betrat, vielen die Blicke der drei Gäste
sogleich auf mich.
"Hallo.", begrüßte ich meine soganannte "Familie".
"Oh, guten Tag Milo, wie geht es dir?", begrüßte mich Tante Susi.
Der Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Das fing
ja gut an.
"Ganz gut.", brummte ich.
"Das ist ja schön zu hören, stetz dich doch, und steh nicht so rum.",
meldete sich meine Oma zu Wort. Und ich setzte mich langsam auf
einen einzel stehenden Sessel. Der Abstand, der zwischen ihnen
und mir war, war kaum einen Meter, aber denndoch, schien der
Graben zwischen uns tiefer zu sein, als man es auf den ersten Blick
vermuten könnte. Doch das wusste hier jeder in diesem Raum.
Die Blicke der drei Menschen in diesem Zimmer ruhten die ganze
Zeit auf mir. Ich mochte es nicht.
Denn die Art und Weise wie sie es taten, war einfach nur kalt und
ungenehm.
Sie brachten mir keinerlei Freundlichkeit entgegen. Meistens
vernahm ich Verachtung in ihren Augen. Sie bemühten sich nur
zum Schein freundlich zu sein. Doch innerhalb der Familie wurde
fast nur gelästert.
Nicht nur über mich, sondern über Alles und Jeden.
Und seid meiner Veränderung, besonders über mich. Sie Alle
waren der gleichen Meinung wie die Hopper in meiner Klasse.
Schminken war ja schließlich nichts für Jungs, das machten nur
Mädchen. Und besonders Ansehnlich war ich ja schließlich auch
schon nicht, da ich ja so klein und zierlich war. Da könnte ich doch
wenigstens ein bisschen was aus mir machen und so sein wie mein
ach so toller Coisin, der sich bei jedem einschleimte und bestimmt
schon zig Freundinnen hatte. Er schrieb gute Noten und war bei
den Meisten in seinem Jahrgang beliebt. Doch er tat immer nur so
beschissen oberfreundlich. Die Wahrheit sah da ganz anders aus.
Auch er warte den Schein nur nach außen. Doch die Familie sah das
nicht. Sie sah in ihm immer nur einen vorbildlichen jungen Mann
mit großen Changsen im späteren Berufsleben.
Er war wie die Meisten aus meiner Familie. Furchtbar eingebildet
und nervend.
"Und? Wie läuft es denn in der Schule? Hast dich langsam mal
verbessert? So wie ich gehört habe, soll es ja nicht so super laufen.",
meinte meine Oma. Und meine Tante nickte dazu. Sie hatte die
Beine übereinander geschlagen.
"Geht so.", brummte ich.
"Achso, aber so kann es doch nicht weitergehen.", meinte Oma
wieder und schüttelte den Kopf. Ich seufzte innerlich genervt.
Musste das jetzte sein?
Dann kam meine Mutter herrein. Sie setzte sich auf einen freien
Platz.
"Oh, schon im Gespräch?",
"Ja, sieht so aus. Sie diskutieren garade über Milos Noten in der
Schule.", meinte mein Opa. Meine Mutter schenkte Kaffe ein.
"Oh, ja, zur Zeit ist glaub ich Sturm was seine Noten angeht, aber
das wird sich sicher wieder bessern. Nicht wahr Milo?"
Meine Mutter lächelte.
"Ja, bestimmt.", murmelte ich mehr in mich selbst hinnein.
"Na schön wäre es ja. Wie soll denn was aus dir werden, wenn du
nicht genug für die Schule lernst?", stellte meine Tante die Frage,
die eigendlich keine Frage war. Für sie war sie schon beantwortet.
"Ja, das is wohl wahr. Möchte jemand Kuchen?", sie nickten
allesamt.
"Wie läuft es eigendlich bei Karin? Hat sie sich mal wieder zu
ihren Heiratsplänen geäußert?", wollte meine Mutter wissen.
"Ja, es soll wohl so in zwei Monaten passieren, zumindest war
das geplant."
"In zwei Monaten also, aber wieso "war"."
"Tja, laut dem was einige Stimmen so sagen, sind sie wohl nicht
mehr so verliebt wie noch vor einem Jahr. Irgedwann ist die
Luft einfach raus, bei dem Einen eher, bei dem Anderen später."
Davon konnte meine Tante wohl ein Liedchen singen. Sie war
schon 3 mal verheiratet gewesen. Alle warteten auf den Tag, an
dem sie sich auch von ihrem vierten Mann scheiden ließ.
So ging die Diskusion weiter.Die drei Stunden in denen sie da
waren, kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Fast die ganze Zeit
wurde über irgendwelche Familienmitglieder gelästert. Ich
hatte es einfach satt. Und dazu musste Eli auch noch gehen.
Zum Glück ließen sie Eli aus ihrer Diskusion herraus. Das hätte
mir auch gerade noch gefehlt.
Auch bei ihnen war es das Lästerthema Nummer eins gewesen,
als das mit mir angefangen hatte. Da war ganz sicher der
komische Freund schuld.
Nach gefühlten 100 Ewigkeiten und einer Kaffeerunde später,
verabschiedeten sich die Mitglieder meiner Familie auch wieder.
"Gut meine Liebe, wir müssen dann mal wieder gehen,
Termine.", meinte meine Tante. Sie hatte die Nase mal wieder
viel zu hoch getragen.
"Ja, bis dann.", verabschiedete sich meine Mutter und zwang
auch mich mit einem Blick sie alle zu verabschieden.
Als sie weg waren, schloss sie die Tür.
"Hm, siehst du? War doch gar nicht so schlimm.", meinte meine
Mutter.
Nein, es war nicht schlimm gewesen, es war der Horror!
"Wenn du meinst...Ich bin in meinem Zimmer.", brummte ich
nur. Noch ehe meine Mutter etwas erwiedern konnte, war ich
auch schon oben.
Es war bei fast jedem Besuch das Gleiche. Immer standen
meine Noten oder irgendeine andere Lästerei im Vordergrund.
Immer wurde darüber diskutiert.
Das es doch nicht sein kann, dass ich mich bessern musste, dass
nichts aus mir werden würde. Das ging doch Jedem irgendwann
auf den Keks. Und motievierend war es auch nicht gerade.
Gen Abend machte ich mich dann Bettfertig. Irgendwie war ich
müde. Genau genommen hundemüde.Nicht mal Hunger hatte ich.
Meine Mutter hatte noch versucht mich zum Essen zu überreden,
doch ich kriegte keinen Bissen herrunter. Denn, wie sollte es
anders sein, meine Gedanken hingen mal wieder bei Luka.
Morgen würde ich ihn wiedersehen. Bei dem Gedanken allein
drehte sich mir der Magen um.
Wie sollte ich das nur überleben. Denn, da war ja noch mein
schlechtes Gewissen, das mich jetzt wieder einholte.
Als wir uns gestern das letzte Mal gesehen hatten, war ich nicht
gerade freundlich zu ihm gewesen. Ich hatte ihn abgewiesen.
War einfach davon gerannt. Dabei hatte er mir doch die Haut
gerettet. Mal wieder.
Und mal wieder hämmerte mein Herz wie verrückt in meiner
Brust. Ich hatte das Gefühl, das es raus wollte. Fliehen. Einfach
vor allem davonfliegen. Doch mein Verstand sagte mir, dass, das
keine Lösung war. Doch seid wann hörte ich eigendlich auf meinen
Verstand? Zumindest in letzter Zeit hatte mir dieser nicht
gerade viel gebracht. Nein! Anstatt mir zu helfen schaltete sich
mein Verstand, mein Hirn, einfach aus. Und das jedes Mal, wenn
Luka vor mir stand.
Ich war nicht mehr in der Lage einen vernümpftigen Satz über
meine werten Lippen zu bringen. Konnte nicht mehr atmen,
nicht mehr denken. Ich konnte nur noch peinlich vor mich hin
stottern und rot anlaufen wie eine dämliche Tomate.
Es war ein Trauerspiel.
Erst mein bester Freund musste herrausfinden, das ich, Idiot
vom Mond, verliebt war. Ich war doch einfach zu dämlich. Dabei
war es so offentsichtlich gewesen.
Sicher hätte das jeder andere mitgekriegt, nur ich mal wieder
nicht. Aber ... Ich kam ja vom Mond, oder so ähnlich.
Als ich dann fertig war, legte ich mich in mein Bett. Ich kuschelte
mich an meinen lila Teddy. Versuchte die Gedanken an morgen
zu verdrängen, doch es ging nicht. Stattdessen wurde ich immer
nervöser. Sicher würde diese Nacht, entweder unterträglich lang
werden, oder aber viel zu kurz.
Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass diese Nacht eindeutig
viel zu kurz war. Denn ich hatte mal wieder viel zu schlecht
geschlafen. Mein Schlafproblem hatte sich mal wieder gemeldet.
Super. Ich war bestimmt zwei oder drei mal aufgewacht, ehe ich
es trotz meiner Nervosität schaffte endlich einzuschlafen. Das
war mein neuer, persönlicher Rekord.
Auch meinen Träumen blieb Luka nicht fern.
Es war der Horror, denn als mein Wecker dann klingelte, wachte
ich mit knallrotem Gesicht und hämmernden Herzen auf.
Nur langsam quälte ich mich aus dem Bett. Das Erste was ich
tat, war ein Blick in den Spiegel. Das hätte ich mal lieber nicht
getan. Dieser zeigte mir die Ausmaße dieser Nacht in meinem
Gesicht.
"Scheiße!", fluchte ich. Da hatten sich wieder tiefe Krater unter
meinen Augen gebildet und meine Haare sahen einfach
schrecklich aus.
So konnte ich Luka auf keinen Fall unter die Augen treten.
Es reichte schon, das ich mich so peinlich aufführte, weil mein
Hirn jedes mal aussetzte, sobald ich auch nur an Luka dachte.
Da musste ich nicht auch noch so aussehen.
In einem nicht gerade raschem Tempo machte ich mich dann
fertig für die Schule. Viel lieber wäre ich heute zu Hause
geblieben. Doch das würde meine Mutter nicht dulden. Mir
blieb also nur der Sprung direkt ins freigeschaufelte Grab.
Wenn ich mich nicht altzu dämlich aufführte, würde ich es
vielleicht sogar schaffen halbwegs diesen ganz wunderbaren
Schultag zu überleben. Wenn auch mit rotem Gesicht und
einem Herz, dass schon wieder raste, als gäbe es keinen Morgen
mehr.
Schon der Gedanke daran machte mich wahnsinnig.
"Milo, du musst los.", hörte ich meine Mutter von unten rufen.
Ich war gerade dabei meine Tasche zu packen, die ich wie
üblich nicht vorbereitet hatte. Es war mal wieder spät geworden.
"Ja, ich komme."
Noch zog ich meinen Eyeliner zuende, schnappte mir meine
Tasche und rauschte dann nach unten, wo meine Mutter wie
üblich mit dem Schulbrot auf mich wartete. Viel lieber hätte ich
mich davor gedrückt.
"Da bist du ja, jetzt aber los.", und schon schob sie mich
durch die Tür, sobald ich meine Schuhe angezogen hatte.
Da war ich nun. Nun gab es kein Zurück mehr.
Ich schaute auf mein Handy.
"Scheiße!", und schon hechtete ich wie automatisch los. Wenn
ich mich jetzt nicht beeilte, würde ich den Bus nicht mehr
bekommen. Zumindest das, war wir fast jeden morgen.
Als ich an der Bushaltestelle ankam, war ich total aus der Puste.
Und da stand er auch schon. Luka. Mit dem Rücken zu mir
gewendet.
Ich spürte auf einmal wie ich knallrot anlief. Mein Herz, es
raste schon wieder. Mir stockte der Atem. Ich blieb stehen und
machte anstalten wieder umzudrehen. Bestimmt bemerkte er
es gar nicht.
Doch dann hörte ich, wie er meinen Namen rief.
"Mio.", er winkte mir zu. Und er lächelte. Da war es wieder.
Dieses Zahnpastalächeln, das mich sonst immer aus allen
Wolken fallen ließ, das mich aufregte, als sei das das
schlimmste auf der Welt, das mir einen flaune Magen bereitete.
Und seine Stimme, sie klang wie immer. So total fröhlich. So
als sei nie etwas gewesen. Als hätte er das von Samstag
vergessen. Doch wie konnte er nur so ausgelassen sein? Ich war
doch so unfreundlich zu ihm gewesen.
Wie angewurzelt blieb ich stehen.Unfähig mich zu rühern.
"Hey Mio, was ist? Komm, sonst fährt der Bus ohne uns.",
rief er mir zu. Ich hatte gar nicht mitgekriegt, das der Bus
auf einmal da war. Doch ich konnte nicht. Ich begann zu
zittern und musste schon wieder weinen. Verdammt noch
mal. Ich war einfach nicht mehr in der Lage, es zu
unterdrücken. Und auf einmal war der Bus abgefahren und
Luka stand immer noch da. Er schaute mich an, mit diesen
Augen. Sein Lächeln war verschwunden.
Langsam ging er auf mich zu und plötzlich spürte ich, wie
sich zwei Arme um mich legten, mich fest an diesen warmen,
großen Körper drückten.
Ich schniefte plötzlich laut auf . Da hielt mich nun der
Mensch in den Armen, in den ich mich verliebt hatte. Ganz
langsam hatte sich dieses Gefühl angeschlichen. Es wollte
einfach nicht wieder gehen. Es war nicht abzuschütteln.
Ich war hilflos und war nicht in der Lage irgendwas zu sagen.
"Hey, lass uns zu mir gehen und dann erzählst du mir alles
ja?", nein. "Ja.", es war zwecklos.
Gegen meine Gefühle kam ich nicht an.