Neue Feststellungen und ein Anfall von Nettigkeit
"Ding, Dong."
Es kingelte zum Ende der Stunde in die 20 Minutenpause.
Ich rieb mir die Augen. Die allgemeine Klassenstunde, war
wirklich,wie immer total unspannend. In einer Klassenstunde
wurde immer über anstehende Schulfeste, Klassengemein-
schaft, Schulprojekte, Stundenplanänderungen und so weiter
diskutiert oder informiert. Je nach belieben.
Herr Scholz, unser Klassenlehrer, rückte seine Brille zurecht.
Er war wie meistens gestresst. Das lag wohl an den Schülern
in meiner Klasse, die wie schon erwähnt, am liebsten
querbet durch den Raum redeten. Ich glaube, dass meine Klasse
noch mit eine der Lautesten auf dem Flur der zehnten Klassen
war.
Heute hatten wir über eine anstehende Klassenfahrt geredet.
Diese war schon letztes Jahr geplant gewesen, aber irgendwie
kamen wir nie auf den Punkt. Da waren so viele ungeklärte
Fragen. Wohin? Wann? Wie? Was?
Für mich war es eh egal. Ich würde sowiso nur mitkommen, weil
es eine allgemeine Pflicht war. Lieber hätte ich mir mein
eigenes Grab geschaufelt, als mit denen mehr Zeit als nötig zu
verbringen!
Doch war da ja noch mein perlweißlächelnder Freund, welcher
neben mir saß und die ganze Zeit am Grinsen war. Es war einfach
nicht normal. Mittlerweile war er bereits eine Woche da und
hatte sich innerhalb dieser kurzen Zeit ganz gut in die neue
Klassengemeinschaft integriert. Klar, er war nicht der
Beliebteste, aber er boxte sich erstaunlich gut durch. Über ihn
hagelte es nicht so arg mit bösen Sprüchen, wie über mir. Das
lag wohl auch ein wenig an seiner Körpergröße und seiner
daraus resultierenden Kraft. Bei dem Hopper hatte er es ja
schon bewiesen.
Außerdem stellte sich dazu herraus, das er nicht nur ein
verdammter Dauerlächer war, der mir mit seiner ekligen,
guten Laune so früh am Morgen einen flauen Magen bereitete,
nein. Er war verdammt gut in Basketball, war immer
freundlich zu jedem, und ...er war Raucher.
Das fand ich etwa drei Tage nach unserem Kennenlernen
herraus.Schrecklich! Eklig! Wiederlich! Und was mir noch so
dazu einfiel.
Ich erinnerte mich noch gut an diesen Tag!
Es war Schulschluss.
Geplagt von seinem Dauergrinsen und seinem nicht enden
wollenden Redefluss,hatte er mich wieder an den Rand des
Wahnsinns getrieben.Doch es ging noch besser.
Als wir an der Bushaltestelle ankamen,zündete er sich
eine Zigarette an.
"Iiiihhh!! ", gab ich angewiedert von mir.
Hinter uns stand das Hoppertrio, das zu uns rüberstarrte
und anfing zu leise zu lachen. Sie kannten meine
Abneigung.
Luka schaute erst mich, dann die Hopper an. Diese
liesen sich nicht beeindrucken, wendeten sich dann aber
wieder ihren eigenen Sachen zu.
Nicht weiter darauf achtend, wendete er sich wieder mir zu.
"Hm? Was ist denn jetzt los?", er lächelte.
Ich wich ein Stück weiter von ihm.
"Du bist...Raucher?", ich verzog das Gesicht.
Luka legte den Kopf schief. "Ja, wieso?"
"Wieso? Das ist doch eklig, es stingt, und es macht krank!"
Luka grinste,"Ja, das weiß ich, aber ich weiß auch, dass
man auch ohne Zigaretten krank werden kann."
Seine Reaktion ließ mich stocken. Er klang dabei sogar
ein wenig belustigt. Na toll, machte er sich etwa über mich
lustig?
"Aber...du hast doch die ganzen letzten Tage nicht einmal
geraucht. Bist du etwa von heute auf morgen Raucher
geworden oder was?", fragte ich empört.
Luka ergriff wieder das Wort.
"Naja,..", er kratzte sich am Hinterkopf, "Ich habe schon
geraucht, aber erst als ich wieder zu Hause war. Ich bin
Gelegenheitsraucher, weißt du?"
Gelegenheitsraucher? Deswegen hatte ich also die
ganze Zeit nichts bemerkt. Dazu kam noch, dass er an
sich keine Anzeichen dafür hatte, das er Raucher war.
Kein Raucherhusten! Kein Rauchergestank! Und...
verdammt noch mal! Keine gelben Zähne! Sie waren
weiß! Perlweiß! Wie die aus dieser verdammten
Zahnpastawerbung! Und mit diesen Zähnen raubte er
mir seid unserer ersten Begegnung den letzten Nerv!
Ich war nur froh, das er mir den Rauch nicht ins Gesicht
blies, so wie das Deppentrio.
Aber...Zurück zum Thema.
Im Schulischen war er eher Durchschnitt, normal eben.
Bei seinem tollen Aussehen, und seinem Sonnenwesen hätte
ich zumindest erwartet, dass er noch auserordentlich gut in
der Schule war. Naja, vielleicht hatte ich ja zu früh geurteilt
und dann kam die ernüchternde Überraschung.
Eines Tages merkte ich, wie er tief seufzte. Wir hatten Mathe.
Ich liebte dieses Fach. Keine nervende Grammatik, keine
Ausdrucksweise, einfach nur logisches Denken. Herrlich.
Doch diese Form von Denken war wohl nich seine Stärke.
Ich beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Ich konnte ihm
an der Nasenspitze ansehen, wie er innerlich fluchte. Und
irgendwie beruhigte mich das. Nicht, dass er schlecht in Mathe
war, sondern die Tatsache, dass es etwas gab, was ihm sein
nervtötendes Grinsen vergehen lies.
Eigendlich hätte ich jetzt zufrieden sein können, aber das
trat nicht ein. Eine Innere Stimme sagte mir, dass ich ihm
helfen musste. Verflucht! Warum konnte die nicht einfach
still sein? Raus aus meinem Kopf! Aber diese Stimme dachte
nicht daran.
Genervt tippte ich ihn an und zeigte auf mein Heft, wo die
richtige Gleichung stand. Sogleich wurde ich dankbar
angelächelt, mit diesem... Zahnpastalächeln! Es war so
grausam. Am liebsten wäre ich schreiend davon gerannt.
Eine Weile war es dann noch ruhig, bis der Lehrer seine
Stimme erhob.
"Robert und Angelina, wärt ihr wohl so freundlich euer
tieferes Gespräch auf die Pause zu verschieben? Wir
haben Untericht!"
Robert war einer der Hopper und so wie es schien, war er
mal wieder ganz heftig am flirten.
Die Klasse fing an unruhig zu werden und überall tuschelte
es. Damit hatte der Lehrer den Stein wohl selbst ins rollen
gebracht.
Robert grinste breit.
"Ach Herr Schierling nun sein sie mal nicht so, ich musste
meiner Süßen doch sagen, wie sehr ich sie liebe. Und
das ist doch wesentlich spannender, als dieser öde
Matheunterricht."
Kichern.
Herr Schierling war sichtlich erbost. Es war nicht das
erste mal, das Robert oder einer seiner tollkühnen
Kumpels die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zogen.
Und somit, war die Ruhe entgültig dahin.
Den Rest des Unterrichts konnte man vergessen. Es
endete so wie jedes mal. Mit einer Außereinandersetzung.
Es nervte einfach nur.
Luka sagte dazu nichts weiter, er verzog nur einmal
genervt das Gesicht und versuchte sich wieder an seinen
Aufgaben an denen er kläglich scheiterte.
Am Ende der Stunde war meine Laune wieder auf dem
Tiefpunkt angelankt.
Doch das lag nicht hauptsächlich an Roberts aufstand,
sondern viel mehr an Luka.
"Was zum Teufel hat dich da nur wieder geritten?", fragte
ich mich selbst. Erst noch war ich zufrieden gewesen, aber
dann in meinem kurzen Anfall von Nettigkeit, hatte ich
etwas getan, was ich sonst nie getan hätte. Und so wie
es aussah, würde ich es bereuen. Der Grund war, das Luka
nun noch mehr an mir klebte und sich noch mehr als 100
mal bei mir bedankte für meine Güte und das, obwohl er
am Ende doch wieder gescheitert war. Wieso also konnte
er es nicht einfach mit dem einen "Danke" abtun? Das hätte
mir vollkommen gereicht, aber nein! Er musste mich noch
anstrahlen, mit diesem Lächeln. Ich glaube ja, das seine
Zähne heute noch weißer waren, als sonst. Sie blendeten
regelrecht. Es war der Horror.
In einem unbeobachteten Moment verdrückte ich mich
aus Lukas Reichweite. Er hatte mich heute bestimmt schon
gefühlte 1000 Mal in den Wahnsinn getrieben. Wann immer
sich die Gelegenheit bot, strahlte er mich an, oder quasselte
mich zu, oder beides. Langsam glaubte ich sogar an einem
soganannten Verfolgungswahn zu leiden. Denn...
mitlerweile entwickelte ich die Angewohnheit mich alle
paar Minuten umzusehen um mir auch sicher zu sein, dass
Luka mir nicht an den Hacken klebte.
Am Ende meiner kleinen Flucht, kam ich in der
Schulbücherei an. Hier war es so wunderbar ruhig. Die
wenigsten aus meiner Klasse verirrten sich mal hierhin. Ich
ging durch die Gänge der Bücherregale hindurch zu einem
der Fenster. Es regnete schon wieder. Wieder mal musste
ich feststellen, das der Wetterbricht von heute morgen nicht
so wirklich auf den neusten Stand der Dinge war. Das
Schlimme war, das ich wieder ordentlich Haarspray in den
Haaren hatte, und der Regen, das so genannte "Kühle Nass",
würde meine Frisur zerstören. Tolle Aussichten!
Ich seufzte resigniert auf diesen Gedanken und schreckte
auf, als ich eine mir bekannte Stimme hörte. Luka! Und
ich hörte noch eine weitere Stimme. Es war eine weibliche
Stimme und sie klang ziehmlich schüchtern.
Noch ehe Luka mich bemerken konnte, versteckte ich mich
hinter einem der Bücherregale, er musste ja nicht merken,
dass ich auch hier war und sein kleines Gespräch...nunja
zwangsläufig belauschte.
"So, was ist los, worüber wolltest du mit mir sprechen?",
begann Luka das Gespräch.
"Nun ja...weißt du...", stotterte die weibliche Stimme, "...
ich habe dich beobachtet seid dem du in die Parallelklasse
gekommen bist. Und...ich glaube...ich habe mich in dich
verliebt.", gestand sie ihm.
Verliebt? In Den? Ohje...doch ehe ich meine Gedanken
weiterführen konnte, ergriff Luka auch schon das Wort.
"Oh,...das tut mir sehr leid. Aber...ich kann deine Gefühle
nicht erwiedern.", seine Stimme klang kein bisschen
überrascht, auch nicht treumpfierend über seine
Errungenschaft, einem Mädchen das Herz gestohlen zu
haben,nein, seine Stimme klang regelrecht sanft und
entschuldigend.
Die Stimme des Mädchens jedoch zitterte.
"Was? Warum nicht? Bin ich dir nicht hübsch genug?
Oder...liebst du bereits eine Andere?", doch Luka
stoppte ihren Redefluss.
"Nein, es ist keins von beiden. Es ehrt mich wirklich, das
ein so hübsches Mädchen wie du sich in mich verliebt hat,
aber ich kann deine Gefühle nicht erwiedern, weil ich
nicht in dich verliebt bin. Bitte versuch das zu
verstehen.", er bewahrte weiter die Ruhe und redete
liebenswert sanft auf sie ein. Es lief mir regelrecht eiskalt
den Rücken runter. So wie er sie mit seiner Liebenswürdigkeit
einlullte, musste er ja ziehmlich geübt darin sein.
Normalerweise war es so, das die Mädchen, die von ihrem
Liebling abserviert wurden anfingen zu weinen und versuchten
sich ihnen trotzdem an den Hals zu werfen, doch Luka hatte
sich so geschickt rausgeredet, dass es erst gar nicht dazu kam.
"Okay...", murmelte das Mädchen, nur ganz leise bekam ich
noch mit, wie er ihr etwas ins Ohr flüsterte und dann hörte ich
eine der Türen klaken. Als ich schon glaubte, wieder allein zu
sein,hörte ich ein tiefes Seufzen. Das hatte mich so irritiert,
dass ich über irgendeinen Krümmel stolperte, der auf dem
Boden lag und mit einem "RUMS" auf dem selben landete.
Ich rieb mir den Kopf, "Aua...", als ich nach oben schaute,
stand da eine mir sehr bekannte Person, Luka. Er sah ein
wenig überrascht aus. Dann grinste er wieder. Peinlich!
Verdammt, schon wieder so viel Glück. Was hatte ich Gott
eigendlich getan, das er mich so hasste. Noch ehe ich aber
anfangen konnte über mein Unglück zu fluchen, hielt Luka
mir die Hand hin. Ich nahm sie Zögernt an und ehe ich
mich versah, hatte er mich wieder auf die Füße gezogen.
Dann grinste er mich wieder an mit seinen perlweißen
Zähnen. Ich konnte in seinem Blick sehen, wie amüsiert
er war. Am liebsten wäre ich wieder davon gerannt.
Verdammter Luka!
"Na du bist mir ja einer...hast du uns etwa belauscht?"
wollte er wissen.
Ich spürte plötzlich, das ich irgendwie ...peinlich berührt
war. Und so redete ich wieder schneller als ich denken konnte.
" Das war bestimmt nicht meine Absicht! Es interessiert
mich nähmlich nicht die Bohne mit welchem der Mädchen
du was hast oder nicht!", brummte ich ungehalten und
machte auf dem Absatz kehrt. Ich hatte das Gefühl,
das sogar ein wenig Wut in meiner Stimme wiederhallte.
Halt, stop! Wieso Wut? Da lief doch irgendwas schief!
Aber ganz gewaltig!
"Okay? Aber sag mal, warum bist du eigendlich so
sauer?", fragte er und wirkte ein wenig irritiert.
"Das...Das bildest du dir nur ein!" beharrte ich auf meinem
Standpunkt.
"Hm? Aber du...wenn ich dir irgendwas getan habe,...dann
sag es mir ruhig, ich reiß dir bestimmt nicht den Kopf ab."
Ich spürte...wie ich immer wütender und genervter wurde.
"Lass...mich einfach in Ruhe okay?", versuchte ich meine
Fassung zu wahren, drehte wieder mich um, und ging
schnellen Schrittes in Richtung Büchereitür.
Doch noch bevor ich durch sie hindurch gehen konnte,
klebte er mir auch wieder auf den Fersen. Was
mich überraschte war, das er mich gar nicht zufaselte. Im
Gegenteil, er war ruhig. Nur eines wollte ich noch wissen.
"Warum folgst du mir?", fragte ich wieder genervt,
"Na der Unterricht beginnt doch in eine paar Minuten, und
wir müssen in die gleiche Richtung. " Verdammt, er hatte
recht. Und ich hatte wieder eine dämliche Frage gestellt.
Klasse!
Nach diesem Gespräch blieb es auch weiterhin ruhig um
ihn. Er redete nicht ununterbrochen, er strahlte mich nicht
einmal mehr an mit seinem Perlweißlächeln.
Das ging noch bis zum Ende des Unterrichts.
Okay, und das war jetzt irgendwie grusellig. Denn das
war so gar nicht der Luka, den ich kannte. Er konnte einen
mit seinem Dauerlächeln und seiner ewigen guten Laune
echt in den Wahnsinn treiben, aber das er jetzt schon die
ganze Unterrichtszeit, bis zum Ende, dieses schrecklichen
Schultages so still war, war irgendwie total eigenartig.
Es machte mich irgendwie genauso Wahnsinnig.
Als er mich schließlich, plötzlich wieder ansprach, hatte
ich fast einen Herzkasper.
"Du Mio,...", ich schrak auf, "Alles okay?", fragte er so gleich.
Er sah sogar eine wenig besorgt aus.
"Äh...ja...ich war nur grad in Gedanken.", antwortete ich
schnell ein wenig brummig.
"Okay, was ich fragen wollte; Hättest du vielleicht lust
morgen mit mir in die Stadt zu fahren?", fragte er mich
dann und strahlte mich dann wieder mit seinem
perlweißen Zahnpastelächeln an, dass mir schlecht wurde.
Ich hatte mitlerweile bemerkt, das ich nicht mehr zu 100%
klar denken konnte, wenn er dieses Lächeln einschaltete.
Und plötzlich schaltete sich mein Hirn wieder aus, wodurch
meine Antwort wieder schneller kam, als ich denken konnte.
"Äh...klar.", gab ich kleinlaut von mir. Als ich bemerkte,
was ich da gerade gesagt hatte,...war es zu spät.
Verdammt, was hatte ich mir da nur eingebrockt!?