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Der Pfau

Deutschland, das sind wir selber
von

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01 - Blauweiß

BLAUWEISS
 

„bin mit karl schon aufm weg. freia und hoffi bleim zuhaus. tätsch du ion wegschicke? der soll unsre jungs ja net störe gell ;-) holsch mich gege neune am hbf ab?? ade, max

ps: ich bring wein mit, brausch kei bier kalt zu stelle! bitte ned!!! lol :-)“
 

Diese Hieroglyphen schmückten Berlins Handydisplay mitten in Berlins Straßen, die von trauernden Hertha-Fans bevölkert wurden. Der erste Mai 2010, der Abstieg war besiegelt, es gab keinen Weg zurück und die Stadt verharrte ein paar Stunden lang in Traurigkeit, bis sie am nächsten Tag wieder zu ihrer üblichen schizophrenen Mischung aus Nichtstun und Geschäftigkeit zurückkehren würde. Die SMS war vor einigen Stunden abgeschickt worden. Baden hatte bei sich zuhause nur einen ganz kleinen Flughafen, im Gegensatz zu Berlin; Tegel war cool und er würde nicht zulassen, dass Albrecht Schönefeld so ausbaute, dass er geschlossen werden müsste. Er hatte schließlich schon Tempelhof verloren. Na, zurück zum Thema, Max würde also per Bahn kommen, hatte er ja auch angekündigt (wenn Paul das richtig verstanden hatte).

Hertha stand neben Berlin. Noch war er ein Erwachsener, aber in der nächsten Saison würde er wieder ein Jugendlicher sein. Zweite Liga. Nach so vielen erfolgreichen Jahren erste Liga. Der Fußballklub wischte sich ein paar Tränchen aus den Augenwinkeln und hielt seinen Fußball fest in seinen Armen, als könne er ihm Trost spenden. „Gute Neuichkeiten, Hertha, dein kleener Freund kommt vorbei!“ Augenblicklich hellte sich das Gesicht des Klubs auf. „KSC?! Dit jibt's nich!“
 

Aber das gab es doch, wie Hertha es feststellen durfte, als Karl aus dem ICE hinausrannte und ihn noch auf dem Bahnsteig in eine feste Umarmung zog mit dem Ziel, nie wieder loszulassen. Baden folgte ihm und seufzte, und man konnte die beiden Fußballklubs nicht voneinander trennen, bis sie in einem von Berlins Häusern angekommen waren, ein kleines Häuschen in Spandau in einer gutbürgerlichen Nachbarschaft. Während sich die beiden Länder im Wohnzimmer niederließen und Berlin die PS3 mit dem neusten FIFA-Spiel anschaltete, verzogen sich die Klubs in eins der Kinderzimmer, und trotz ihrer Kuschelei und der allgemeinen Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung kamen sie dazu, ein paar Worte auszutauschen.

„Diese scheiß Levakusena, was für Seggele!“ Man hielt sich mit Dialekt zurück, schließlich wollte man sich ja verstehen. Sprachbarrieren waren was schreckliches. Mit 'man' wird in diesem Text übrigens nur Hertha bezeichnet, denn obwohl Karl es ernsthaft versuchte, bewahrheitete sich Max' Werbeslogan – alles außer hochdeutsch.

„Mhm. Ick bin doch eijnlich nich so... also... du weißt ja, was ich meine.“ Dann war wieder Redepause, denn man war mit anderem beschäftigt. Max verlangte anderswo, dass Paul die Lautstärke aufdrehen sollte (und die Zigarette ausmachen sollte - „Aber dit is' erst meine dritte heute!“ - „Awwah, nie, des isch deine dreihundertschde!“), und brach sein zweites Weinglas an, während Paul sein drittes Rotkehlchen köpfte.

„Naja, wenigschdens sind wir jezed wieder zämme!“ Das entlockte Hertha ein Lächeln.

„Freust dich schon, wa?“

Keine Antwort. Wieder wurde Paul gebeten, die Lautstärke aufzudrehen.

Bis zum Maximum, was der Fernseher hergeben konnte.
 

Man fuhr am nächsten Tag wieder ab. Am Bahnhof flossen viele, viele Tränen, bis Max seinen Fußballklub in den Zug ziehen konnte. Hertha rannte dem Zug nach, der KSC klebte an der Scheibe, und als man sich nicht mehr sehen konnte, ging das Geplärre wieder los.
 

Aber das nächste Wiedersehen war nicht mehr weit entfernt, und die beiden waren sich sicher, dass sie gemeinsam aufsteigen würden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  pokingmadness
2011-10-06T21:15:06+00:00 06.10.2011 23:15
"Tegel war cool und er würde nicht zulassen, dass Albrecht Schönefeld so ausbaute, dass er geschlossen werden müsste."
traurige musik jetzt bitte abspielen


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