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Seven Ways to Perdition

[NejiTen]
von

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Ira/Zorn

Magie. Eine übernatürliche Macht, die so alt ist, wie die Menschheit selbst. Doch wer kann Magie definieren? Ist Magie letztendlich nur ein Aberglaube derjenigen, die versuchen eine übernatürliche Instanz für Fehler verantwortlich zu machen? Ist es reiner Hokuspokus mit dem versucht wird leichtgläubige Menschen zu täuschen? Oder leben wir tatsächlich in einer Welt der Magie, wo das Unmögliche möglich gemacht werden kann? Auf der Insel Nehalennia soll dieses tatsächlich wahr geworden sein. Die Insel Nehalennia – benannt nach einer germanischen Gottheit – wird seid Generationen von der Familie Hyuuga bewohnt.
 

Einst soll die Insel ein Ort des Friedens und der Einkehr gewesen sein. Doch dann wurde sie von übernatürlichen Mächten heimgesucht – in Gestalt einer schönen Frau. Sie verzauberte die Männer des Hyuugaclans mit ihrem Charme und ihrer Anmut. So erlagen auch Hiashi und Hizashi Hyuuga, die Söhne des Oberhauptes, ihrer Schönheit. Doch waren die Zwillingsbrüder nicht bereit die Liebe der Schönheit zu teilen. So kam es dann, dass sie eine Entscheidung von ihr verlangten.

Doch sie konnte keine Entscheidung treffen und schlug den Zwillingsbrüdern einen Handel vor. Sie würde denjenigen wählen, der seine hohe Position für sie aufgeben würde und mit ihr die Insel verließ, um sich auf dem Festland ein neues Zuhause zu suchen. Zwar liebten die beiden Brüder sie sehr, doch waren sie derart an ihren Luxus gewöhnt, den sie durch ihre hohe Stellung hatten, dass keiner von ihnen bereit war ihre Position für die Liebe und ein einfaches Leben auszutauschen.
 

Als sie ihrer Angebeteten ihre Entscheidung mitteilten, geriet diese in Zorn. Denn sie sah, dass es in den Herzen der Brüder keine wahre Liebe gab, außer für sich selbst und ihren Reichtum. Zur Strafe legte sie einen Fluch auf die Familie Hyuuga. Von dem Tage ihrer fatalen Entscheidung an, solle die Familie Hyuuga für immer und ewig auf der Insel gefangen sein. Die einzelne Möglichkeit den Bann zu brechen, sei es die Quelle des Lebens zu finden…
 

Stirnrunzelnd blickte Tenten auf die gerade verfassten Worte hinab. Das Ganze hörte sich an, wie ein Märchen aus einem Kinderbuch. Dabei sollte es doch packend, spannend und vor allem geheimnisvoll klingen. Ein Mythos aus der uralten Zeit.

Doch zu etwas besserem als Märchengeschichten, war sie im Moment wohl nicht in der Lage. Was vermutlich daran lag, dass sie einfach nicht mit Elan und Eifer bei der Sache war. Doch wie sollte sie engagiert sein, wenn sie Geschichten für ein Käseblatt verfassen musste. Und mehr als ein Käseblättchen war „the mystical art“ wohl wirklich nicht. Doch leider arbeitete sie nun mal für eben jenes Blättchen. Also blieb ihr nichts anderes übrig als sich auf deren Niveau herab zu begeben. Und da war sie nun. Tenten Ama, kleine Brötchenverdienerin auf einer Fähre zu der Insel Nehalennia, auf der angeblich ein Fluch liegen sollte.
 

Tenten ließ ihren Blick schweifen. In der Ferne konnte man bereits die Umrisse der kleinen Insel erkennen. Doch Tenten fühlte sich viel mehr vom Wasser, als vom Land angezogen. Das Meer unter ihr war wild und ungezähmt. Mehrere mittelhohe Wellen ließen die Fähre bedenklich schwanken. Doch Tenten machte das nichts aus, im Gegenteil. Es gefiel ihr.

Sie mochte das Meer mit seinen vielen Stimmungen. Schon als Kind hatte sie es geliebt und sich immer gewünscht, am Meer zu wohnen.

Und wo hatte sie stattdessen gelebt? Im schönen Bundesstaat Colorado. Natürlich war das Gebirge wundervoll. Aber dennoch hätte sie die Klippen Maines liebend gern gegen die Rocky Mountains Colorados eingetauscht. Aber ihre Familie lebte nun mal in Colorado. Und sie hätten es nie geduldet, wenn Tenten in den „Menschen verlassenen Staat Maine“ – wie ihre Mutter es nannte - gezogen wäre.
 

Für sie war es immer eine Last gewesen eine Ama zu sein. Dieses ganze Etepetete-Verhalten, die ganzen Höflichkeitsregeln, die Kleiderregeln und Wohltätigkeitsbälle widerten Tenten an. Von daher war es schon ganz gut, dass sie aufgrund ihrer Arbeit viel reisen musste.

So musste sie sich auch nicht das ständige Gemecker ihrer Mutter anhören, dass sie ihr Leben verschwendete. Sie sollte sich endlich einen anständigen Beruf suchen, sich anständig anziehen und sich einen anständigen Ehemann suchen. Anständig war das Lieblingswort ihrer Mutter. Tenten verabscheute es.

Genau deswegen hatte Tenten auch immer das Gegenteil getan, was ihre Mutter wollte. Sie sollte elegante Kleider tragen, stattdessen trug Tenten ausgeblichene Jeans und T-Shirts. Sie sollte Ärztin werden, stattdessen wurde sie eine kleine Journalistin. Heiraten sollte sie, stattdessen genoss Tenten ihr Singleleben.
 

Die Fähre hatte inzwischen ihr Ziel erreicht. Tenten verliebte sich sofort in die kleine Insel. Hohe, raue Klippen, an denen sich die Wellen brachen, kleine Sandstrände die zum verweilen einluden und eine Flora und Fauna, wie Tenten sie schöner niemals gesehen hatte.

Fasziniert schritt Tenten den kleinen Steg hinab, sich ständig in der Gegend umsehend.

Sie konnte nicht glauben, dass auf so einer schönen Insel ein Fluch liegen sollte. Und überhaupt – wer würde freiwillig ein solches Paradies verlassen?

Diese unberührte Natur war einfach herrlich. Doch vielleicht sollte sie langsam ein Gasthaus aufsuchen, wo sie ihre Sachen unterbringen und sich ausruhen konnte. Jedoch konnte sie nirgends ein Gebäude entdecken.
 

Worüber sie eben gerade noch entzückt war, beunruhigte sie nun doch ein wenig. Hier musste es doch irgendwo Häuser geben. Zumindest eine Touristeninformation oder etwas Ähnliches. Schließlich fuhr hier ja eine Fähre hin.

Doch außer ihr waren nicht viele ausgestiegen, musste sie zugeben. Die meisten waren bereits auf einer der umliegenden Inseln ausgestiegen, auf denen die Fähre hielt.

Und jetzt? Kopf hoch Tenten!, ermutigte sie sich selbst und straffte die Schultern. Dann wandte sie sich in Richtung Westen – zumindest vermutete sie, dass sie nach Westen ging.
 

Nach circa zwei Stunden – die Tenten wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen waren – sah sie ein Haus. Es war ein rustikales Natursteingebäude mit kohlrabenschwarzen Dachpfannen. Es stand sehr nah an den Klippen und es sah fast so aus, als wäre es mit den Zeiten aus Stein gewachsen. Das Haus schien ebenso natürlich wie die Klippen selbst. Einen Moment lang blieb Tenten fasziniert stehen.

Doch dann wies ihr Magen sie durch ein Knurren darauf hin, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Außerdem war sie müde von der ganzen Fahrerei.
 

Also erklomm sie den steinigen Weg, der sie direkt zur Haustür führte. Eine Klingel gab es nicht, noch nicht mal einen Türklopfer. Tenten runzelte die Stirn. Dann beschloss sie einfach zu klopfen. Hoffentlich hatte sie Glück und man würde sie hören.

Doch anscheinend wurde sie heute vom Pech verfolgt, denn niemand öffnete. Und nun? Sie konnte doch nicht einfach wie Schneewittchen das Haus betreten und sich in eines der Betten legen. Außerdem war sie Tür sicherlich verschlossen.

Sie probierte es kurzerhand aus. Die Tür öffnete sich tatsächlich mit einem leisen Knarren. Unsicher steckte Tenten den Kopf durch die Tür. „Hallo? Ist da jemand?“

Sie trat einen zögerlichen Schritt vorwärts. Und machte dann einen erschreckten Satz zurück, als sie plötzlich in ein weißes Augenpaar blickte.
 

Schwer atmend presste sie sich eine Hand aufs Herz. „Sie haben mich vielleicht erschreckt!“ Vorwurfsvoll sah sie den Mann vor sich an. Ein durchaus ansehnlicher Mann, wie sie feststellte. Trotz seiner lockeren Freizeitkleidung erkannte sie seine durchtrainierten Muskeln. Sein braunes langes Haar umrandete sein ovales Gesicht. Doch seine Augen waren irgendwie … anders. Dieses harte weiß mit einem Stich ins fliederfarbene war seltsam. Sie sahen aus wie ein getrübter Spiegel.

Als sie realisierte, dass sie ihn anstarrte, räusperte sie sich. Der Mann der ihr gegenüber stand, hatte bisher noch keinen Ton gesagt. Er schaute sie einfach nur an. Und das nicht gerade freundlich.

„Ähm… also, ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich einfach so ihre Tür geöffnet habe, aber Sie haben mein Klopfen nicht gehört und da dachte ich…“

„Da dachten Sie, sie könnten hier so einfach reinspazieren?“

Eis. Seine Stimme war pures Eis. Tenten erschauerte. „I-ich, nein, natürlich nicht! Ich wollte nur nachsehen, ob wirklich niemand da ist. Ich bin schon lange unterwegs und das hier ist das einzige Haus weit und breit. Da wollte ich die Hoffnung einfach nicht so schnell aufgeben.“

„Was wollen sie überhaupt hier? Das hier ist keine Touristeninsel.“

„Ich bin auch kein Tourist“, fauchte Tenten. So langsam wurde sie wütend. Musste der Mann denn so unfreundlich sein? Sah er denn nicht, wie zerschlagen sie war? Konnte er nicht wenigstens Mitleid mit ihr haben?
 

„Was sind sie dann? Sie können wohl kaum zufällig auf die Insel gekommen sein.“

„Das bin ich auch nicht. Ich suche die Familie Hyuuga.“

Der Fremde verengte seine Augen zu Schlitzen. „Was wollen sie von uns?“

Auf einmal erhellte sich Tentens Gesicht. Vielleicht hatte sie doch nicht so viel Pech. War sie doch gleich bei den Hyuugas gelandet! Sie setzte ein gewinnendes Lächeln auf. „Mein Name ist Tenten. Ich habe ein wenig über ihre Familie gelesen, denn ich bin Journalistin und..“ BUMM. Fassungslos starrte Tenten auf die zugeschlagene Haustür. Sie brauchte noch einen Moment, bis sie realisiert hatte, was gerade geschehen war.

Dann begann die Wut wieder in ihr aufzulodern. „HEY! Sie können mir doch nicht einfach die Tür vor der Nase zuhauen!“ Während sie sprach – beziehungsweise schrie – hörte sie, wie ein Schlüssel in einem Schloss umgedreht wurde.
 

„Machen sie wieder auf!“ Wütend rüttelte Tenten an der Haustür, die sich keinen Millimeter öffnete. „Sie könnten mir wenigstens zuhören!“ Keine Antwort.

Okay, dann musste sie eben zu einer anderen Methode greifen. Sie versuchte ihrer Stimme einen flehenden Klang zu geben (obwohl sein natürlich immer noch wütend war). „Bitte! Ich bin schon den ganzen Tag unterwegs, um von Colorado hierher zu kommen! Ich bin müde und würde mich gerne wenigstens einen Moment ausruhen.“ Wieder keine Antwort.

Sie flehte, drohte die Haustür einzutreten, doch nichts half. Frustriert ließ sie sich an der Haustür hinunter sinken und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Dieser Kerl hatte kein Recht sie so einfach abzuweisen. Gut, sie hätte vielleicht nicht erwähnen sollen, dass sie Journalistin war, das war nicht sonderlich klug gewesen. Sicherlich reagierten nicht viele besonders erfreut darauf, wenn Journalisten in der Familiengeschichte gruben. Besonders wenn diese Geschichte kein Happy-End hatte. Seufzend sah Tenten zum Himmel auf, betrachtete die Wolken die vorbeizogen und schlang ihre Arme um den Körper. Es wurde langsam frisch.
 

~*~
 

Neji Hyuuga warf einen Blick durch das kleine Fenster neben der Tür. Sie saß also immer noch dort draußen. Nicht sein Problem, sagte er sich und ging in die Küche, wo er sich heißes Wasser für einen Tee aufsetzte. Während das Wasser kochte, dachte er über die Frau nach, die auf seiner Türschwelle saß. Eine Journalistin, die einen Artikel über seine Familie verfassen wollte, damit die ganze Welt erfuhr, wie die Familie Hyuuga sich von einer Frau hatte demütigen lassen. Zorn stieg in ihm auf. Sollte diese Frau doch da draußen erfrieren. Er würde sie garantiert nicht in sein Haus lassen. Das Haus gehörte nur ihm, es war sein Domizil, sein Besitz, sein einziger Ruheplatz. Und den wollte er sich sicherlich nicht nehmen lassen. Sie würde die Ruhe dieses Hauses zerstören, ihn mit zahllosen Fragen löchern. Fragen, auf die er keine Antworten geben wollte. Er wollte sich nicht zurück erinnern. Er hatte die Ereignisse in die hinterste Ecke seines Gehirns gedrängt und geglaubt, es überwunden zu haben. Doch nun kam diese Frau daher, die behauptete etwas über seine Familie zu wissen. Und alleine das reichte aus, um ihm alles wieder ins Gedächtnis zu rufen. Zum Teufel mit dieser Frau. Wäre sie nicht erschienen, hätte er nie mehr daran gedacht.
 

Jedermann kann zornig werden. Das geht leicht.

Aber der richtigen Person gegenüber zornig werden,

im richtigen Maß, zur rechten Zeit, zum rechten Zweck

und auf die richtige Weise - das liegt nicht in der Macht des Einzelnen.*1
 

Doch wem machte er eigentlich etwas vor? Er hatte die Ereignisse nie überwunden, sondern sie lediglich verdrängt, weil es so am einfachsten gewesen war. Die Vergangenheit verschwand nicht, nur weil man versuchte, nicht mehr an sie zu denken.

Und nun war er wütend auf eine Person, die er noch nicht einmal kannte. Sie hatte die Erinnerungen geweckt, die eigentlich im Verborgenen bleiben sollten. Doch konnte er sie dafür nicht verurteilen. Irgendwann hätte ihn die Vergangenheit eingeholt. Warum also sollte irgendwann nicht jetzt sein? Es gab nicht den richtigen Zeitpunkt, um sich zurückzuerinnern. Um all die Gefühle wieder hochkommen zu lassen.
 

Den Zorn, die Sünde ungezügelter Gefühlsregungen, die sich gegen seine Familie richtete.

Die Wut, die Quelle heftiger Emotionen, die sich unkontrollierbar in ihm ausbreitete.

Die Rachsucht, die Wurzel aus geschehenem Unrecht, die ihn von innen heraus auffraß.

Und der Wunsch nach Vergeltung, um seiner Familie mit gleicher Münze heimzuzahlen, was sie ihm angetan hatten. Doch halfen ihm all diese Gefühle nicht weiter. Sie machten ihn nur verzweifelter, zerstörten ihn von innen heraus. Es waren Laster, die er mit sich herum trug. Und er wusste, dass wenn er diese Laster nicht in den Griff bekam, er irgendwann etwas Schwerwiegendes tun würde, was er später bereuen würde. Beispielsweise eine unschuldige Frau vor seinem Haus sitzen und halb erfrieren lassen. Und das nur, weil sie unangenehme Fragen stellen könnte, die seine Laster wieder hervorrufen könnten. Neji stützte die Hände auf die Arbeitsfläche und schüttelte den Kopf. Was war nur aus ihm geworden, in all der Zeit, wo er alleine lebte?
 

~*~
 

Die Tür öffnete sich und Tenten zuckte zusammen. Sie war in einen schlummerartigen Zustand gefallen. Durch den Schreck war sie für den Moment jedoch wieder hellwach. Ruckartig drehte sie sich um. Doch da war niemand. Hatte sich die Haustür von selber geöffnet? Das konnte jedoch nicht sein, da sie abgeschlossen gewesen war. Also musste Herr Hyuuga sie geöffnet haben. Hatte er es sich nun doch anders überlegt? Zögernd stand Tenten auf und betrat das Haus. Sie schloss die Tür hinter sich, stellte ihre mitgebrachte Reisetasche im Flur ab und sah sich um. Das Haus war innen ähnlich beeindruckend wie außen. Der Hauptraum war riesig, da er bis unter das Dach reichte. An sich war alles sehr schlicht und geradlinig. Keine Bögen, keine Rundungen und keine Verzierungen oder Accessoires. Blickfänger war ein wunderschöner Kamin aus Granit, vor dem Tenten, wenn sie hier gewohnt hätte, ein gemütliches Sofa mit Kissen platziert hätte. Stattdessen fand man in diesem Raum verschiedene Einbauregale, eine kleine Garderobe und zahlreiche Türen, die zu den Wohnräumen dieses Hauses führen mussten.
 

Tenten begann einige Türen zu öffnen und kam zu der Überzeugung, dass der Mann hier alleine leben musste. Die edlen Designerstücke zeugten zwar von einem tadellosen Stil, doch es fehlte Tenten an Farben, an verspielteren Formen. Alles war so nüchtern und steril eingerichtet und Ton in Ton gehalten. Schwarz, grau und weiß waren die Farben, die dominierten. Es fehlte an Frische. Jedoch war alles in einem tadellosen Zustand und es war beinahe penibel sauber. Nicht ein Staubkorn war in diesem Haus zu finden.

Als sie die dritte Tür öffnete, fand sie den Mann des Hauses. Er lehnte an einer Arbeitsplatte und sah stumm zu ihr herüber. Mit einem etwas mulmigen Gefühl betrat Tenten endgültig die Küche. Der Blick aus seinen Augen war ihr nicht ganz geheuer, doch sie konnte nicht die ganze Zeit im Türrahmen stehen bleiben.
 

„Haben sie ihre Neugier befriedigt?“, fragte er plötzlich nach und Tenten musste sich beherrschen nicht zusammenzuzucken. Sein Ton war noch immer kühl. Außerdem war es ihr unangenehm, dass er wusste, dass sie sich umgesehen hatte. Aber was hätte sie auch anderes tun sollen? Stolz reckte sie das Kinn vor. „Ja, ich…“

„Ich habe Tee gemacht. Bedienen sie sich“, unterbrach er sie. Tenten nickte. Anscheinend wollte er keine Erklärungen oder Ausflüchte hören. Umso besser.

Er reichte ihr eine Tasse und lehnte sich dann wieder an den Tresen. Tenten schüttete sich währenddessen etwas von dem Tee ein, den sie dringend nötig hatte. Ihr war immer noch kalt. Nippend genoss sie das heiße Getränk. Dann sah sie wieder zu dem fremden Mann. „Darf ich mich setzen?“ Sie deutete auf einen der Stühle, die um einen kleinen Küchentisch platziert waren. „Nur zu. Mich wundert, dass sie überhaupt fragen.“
 

Tenten setzte sich, straffte die Schultern und sah ihn wütend an. „Hören sie mal, eigentlich ist es überhaupt nicht meine Art mir irgendwo unbefugt Eintritt zu verschaffen. Aber ich bin müde, da ich schon seid vier Uhr heute Morgen unterwegs bin. Ich war verzweifelt, als keiner auf mein Klopfen antwortete. Denn das hier scheint das einzige Haus in der Umgebung zu sein.“

„Es ist das einzige auf dieser Insel. Aber das sollten sie doch eigentlich wissen, oder? Ich dachte, sie wären über die Insel und meine Familie informiert. Schließlich wollen sie doch eine große Story herausbringen, oder nicht?“

Schuldbewusst senkte Tenten den Kopf. „Ich sollte es eigentlich, da haben sie Recht. Natürlich habe ich mich informiert, aber anscheinend wohl nicht gut genug.“

„Und? Wollen sie gar nicht nachfragen, was an all den Dingen wahr ist, die sie gelesen haben?“ Sie sah wieder zu ihm auf. „Ich will sie nicht gleich mit Fragen bombardieren. Vor allem nicht, da ich mehr oder weniger auf ihre Gnade angewiesen bin, da sich auf dieser Insel nur ihr Haus befindet.“
 

Neji hob die Augenbrauen und musterte die Frau genauer. Obwohl sie ziemlich geschafft aussah, hielt sie sich aufrecht. Das gefiel Neji.

Ihm fiel auf, dass sie weder Make-up, noch Schmuck trug. Zudem war sie auch kleidungsmäßig nicht besonders herausgeputzt. Sie trug eine modisch verwaschene Jeans und dazu ein weißes T-Shirt und eine schwarze Sweatshirtjacke. Er ließ den Blick zu ihrem Gesicht wandern. Das ausdrucksvollste waren ihre haselnussfarbenen Augen, die ihn misstrauisch musterten. Ihr Haar, welches dieselbe Farbe hatte wie ihre Augen, hatte sie zu zwei Knoten hochgebunden. Ihre Gesichtsform war eher rund, als eckig. Dennoch wirkte ihr Gesicht nicht zart. Dafür waren ihre Augen zu ausdrucksvoll, der Zug um ihren Mund zu hart. Anscheinend war sie sauer, dass sie freundlich zu ihm sein musste. Das erfreute ihn, denn er war auch nicht gerade begeistert über ihr Zusammentreffen. Doch wie auch immer seine Reaktion vorhin ausgefallen war und wie kalt ihn die Leute auch bezeichnen mochten, herzlos war er nicht. „Sie können hier bleiben. Aber sie müssen mit dem Sofa vorlieb nehmen.“
 

Tenten hätte nicht einmal mit so viel gerechnet. Sie hätte es ihm durchaus zugetraut, dass er sie wieder raus in die Kälte schickte. Doch anscheinend hatte sie ihn falsch eingeschätzt. Daher schenkte sie ihm nun ein kleines Lächeln. Ihr Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war. Es lag nicht in ihrem Wesen lange zornig zu sein. Es explodierte eher in ihr und legte sich dann schnell wieder.

„Danke, das reicht mir schon. Sehr nett von ihnen.“ Neji runzelte die Stirn. „Ich bin kein netter Mann. Das sollten sie sich gleich merken. Ich werde sie weder bewirten, noch werde ich irgendwelche Fragen beantworten, um meine Lebensgeschichte am nächsten Tag in irgendeinem Käseblatt zu lesen. Ich rate ihnen gleich hier nicht herum zu schnüffeln, denn sie werden nichts finden. Für die heutige Nacht können sie bleiben. Mehr kann ich ihnen nicht anbieten. Eine Decke und ein Kissen finden sie auf dem Sofa.“ Und mit diesen Worten verschwand er aus der Küche und ließ eine sprachlose Tenten zurück.
 

~*~
 

Tenten hatte beschlossen sich nicht mehr über das Verhalten des Hyuugas zu ärgern. Sie musste ihn ja auch nicht mögen. Sie musste nur eine Story über seine Familie schreiben. Und zum Teufel sie würde diese Story schreiben und sie würde sie gut schreiben. Nein, besser als gut. Sie würde fantastisch werden, nur um es diesem eingebildeten Hyuuga heimzuzahlen.

Zufrieden mit ihrem Plan schlug Tenten zwei Eier in eine Pfanne. Dann begann sie nebenbei etwas Brot zu toasten und sich darüber Gedanken zu machen, wie sie am besten etwas aus dem sturen Hyuuga herausbekommen konnte. Als ihr Plan stand, begann Tenten zu summen, während sie das Frühstück anrichtete.

Neji roch das Frühstück bereits von weitem. Es waren die Gerüche seiner Kindheit. Gebrutzelter Speck, getoastetes Brot, gebratene Eier, frischer Kaffeeduft. Und gerade weil es ihn an seine Kindheit erinnerte, wurde er wieder wütend.

Mit dem Ziel Tenten zur Raison zu bringen, betrat er die Küche – und erstarrte. Da stand sie, lediglich mit einem übergroßen T-Shirt bekleidet am Herd und wendete den Speck, während sie fröhlich sang. Sie hatte eine schöne Stimme, doch das minderte nicht im Mindesten seine Verärgerung. „Was machen sie da?“, stieß er deswegen unwirsch aus.
 

Tenten drehte sich schwungvoll um. „Frühstück!“, meinte sie strahlend und stellte die Pfanne mit dem kross gebratenen Speck auf den Tisch. „Ich wusste nicht, wie sie ihre Eier mögen. Ich mag es gerne, wenn das Eidotter noch flüssig ist. Ich kann es aber gerne für sie noch einmal von der anderen Seite braten, wenn ihnen das lieber ist.“

„Warum machen sie überhaupt Frühstück?“

„Sie haben doch gestern gesagt, dass sie mich nicht bewirten. Und irgendwas muss ich ja essen. Und als Dank für die Unterkunft habe ich für sie gleich etwas mit gemacht.“ Darauf wusste Neji erst einmal nichts zu sagen. Schweigend setzte er sich an den gedeckten Tisch. „Kaffee?“ Er nickte. „Schwarz?“ Wieder ein Nicken. Nachdem sie ihnen beiden eingeschenkt hatte – wobei sie ihrem Kaffee noch Zucker und Milch hinzufügte – setzte auch sie sich an den Tisch. „Guten Appetit.“
 

„Sind sie sicher, dass das Essen kein Bestechungsversuch sein soll?“, fragte Neji misstrauisch nach, häufte sich aber etwas von den Speisen auf seinen Teller und begann zu essen. Tenten ihrerseits lachte. „Nein. Es soll einer sein. Und, funktioniert es?“

Neji zuckte nur mit den Schultern und beschäftigte sich weiter mit seinem Essen, während Tenten schnell und heimlich unter dem Tisch ihr Aufnahmegerät einschaltete.

„Ich weiß, die möchten, dass ich ihnen keine Fragen stelle, aber dürfte ich wenigstens ihren Vornamen erfahren?“

„Neji.“

„Ah, ein schöner Name.“

„Hn.“

Der Kerl war wirklich ein harter Brocken, doch Tenten gab nicht so schnell klein bei. Sie wollte wieder etwas sagen, doch zu ihrer Überraschung hob Neji doch die Stimme.

„Und wie heißen sie mit Nachnamen? Sie haben mir nur ihren Vornamen genannt.“

Das war ihm also aufgefallen. Tenten biss die Lippen zusammen. Doch sie wusste, wenn sie etwas von ihm erfahren wollte, musste sie offen sein. „Mein Name ist Ama. Tenten Ama.“
 

Überrascht blickte Neji auf. „Ama? Wie die Modemarke?“

Tenten seufzte. „Ja, leider.“

„Ist es nur Zufall, dass sie diesen Namen tragen, oder sind sie mit Rei Ama, der Gründerin, verwandt?“ Neji hielt es für einfacher sie mit Fragen zu löchern, als umgekehrt.

„Sie ist meine Mutter.“

„Und dann sitzen sie hier um mich nach einer alten Legende zu fragen, anstatt Modekataloge durchzusehen?“

Tenten straffte die Schultern. „Ich gehe lieber meinen eigenen Weg, außerdem…“ Ehe Tenten es sich versah, war sie diejenige, die ins erzählen kam und über ihr Leben berichtete. Über das Leben in Colorado und ihre zugedachte Rolle, die sie nicht hatte spielen wollen.
 

„Tja, jetzt kennst du also meine ganze Lebensgeschichte“, sagte Tenten und lächelte. Während ihres Monologs war sie irgendwann automatisch zu der persönlicheren Anrede gewechselt.

„Und als Gegenleistung verlangst du nun meine?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe dir meine Geschichte freiwillig erzählt. Das erfordert keine Gegenleistung. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich an deiner Geschichte interessiert bin. Nicht nur beruflich. Was mich besonders interessieren würde, wäre was es mit diesem Fluch auf sich hat.“

„Das ist alles Humbug. Ammenmärchen. Es gibt keinen Fluch.“

„Und dennoch lebst du hier. Alleine.“

Das war keine Frage gewesen, doch Neji antwortete trotzdem: „Ja, aber nicht wegen eines Fluches.“ Einen Moment herrschte Schweigen. Tenten war klug genug, nicht sofort nachzufragen. Umso mehr man versuchte in Neji zu bohren, desto mehr verschloss er sich, das hatte sie in dieser kurzen Zeit bereits herausgefunden. Stattdessen nippte sie an ihrem Kaffee.
 

„Der Legende nach soll Kaori Nanami eine Hexe gewesen sein, die meinen Vater, seinen Bruder und den ganzen Hyuugaclan verzaubert hat. In Wahrheit war sie aber eine ganz normale Frau“, begann Neji zögernd zu erzählen, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Seine Worte schienen plötzlich aus ihm heraus zu dringen, wenn auch zunächst zögerlich. „Sie war eine Schönheit. Und sie war sehr intelligent. Eine gefährliche Kombination, die alle Männer auf dieser Insel faszinierte. Natürlich waren den Männern des Hyuugaclans schöne Frauen nicht unbekannt, doch schien Kaori Nanami etwas Besonderes an sich zu haben. Sie war anders erzogen als die Hyuugafrauen. Sie war offener, redseliger, tollkühner und brachte mit ihrer Fröhlichkeit neues Leben auf die Insel, auf der vorher ein sehr trister Alltag geherrscht hatte. Sowohl mein Vater, als auch mein Onkel verfielen ihrem Charme und begannen um sie zu werben. Sie ging auf dieses Werben ein und traf sich abwechselnd mit beiden Männern.“
 

An diesem Punkt brach Neji ab und starrte auf seine mittlerweile leere Kaffeetasse. Tenten erhob sich, um ihm das warme Getränk nachzuschütten. Während die einschenkte, fragte sie im sanften Tonfall: „War das ihr Vergehen? Das sie beide verführt hat?“

„Nein. Aber sie hätte sich für einen entscheiden müssen und nicht mit den Herzen beider spielen sollen.“

„Sie war anscheinend nicht in der Lage sich zu entscheiden. Sie hat beide geliebt.“

„So war es wohl. Aber dennoch hat sie das ganze Unheil herauf beschworen. Wäre sie nicht so schwach gewesen eine Entscheidung zu treffen, wäre das ganze nicht in diesem Desaster geendet. Stattdessen stellte sie die beiden vor die Wahl: Wer bereit war mit ihr die Insel zu verlassen, den würde sie wählen und ihm ihre alleinige Zuneigung schenken.“

„Aber keiner der beiden entschied sich für sie.“

„Nein. Die Insel ist seid Generationen der ganze Stolz der Hyuuga. Hier unterstanden sie keinem König, keinem Herrscher und auch keiner Politik. Auf dieser Insel hatten sie ihre eigene Macht, ihr eigenes Imperium.“
 

„Und diese Macht wollten sie nicht verlieren. Also entschieden sie sich für die Insel, statt für sie. Das hat sie sicherlich verletzt.“

„Natürlich. Sie war außer sich vor Trauer und Zorn und verließ fluchartig die Insel, doch nach ein paar Jahren kam sie zurück.“

Tenten riss überrascht die Augen auf. „Sie kam zurück? Warum das?“

Neji ballte die Fäuste. „Wegen mir.“

Tenten brauchte einen Moment um das Gesagte zu verdauen. „Sie war schwanger?“, brachte sie schließlich heraus.

„Als sie die Insel wieder betrat, hatte sie mich bereits geboren. Doch sie hatte nicht genügend Geld, um mich zu versorgen. Deswegen kam sie zurück, um den Clan um Hilfe zu bitten. Es war klar, dass einer der beiden Zwillingsbrüder der Vater sein musste. Doch es war nicht ersichtlich, wer von den beiden der Vater war. Vaterschaftstests gab es zu dieser Zeit noch nicht. Die beiden stritten sich wie nie zuvor, doch letztendlich kamen sie zu der Übereinkunft, sich beide um mich zu kümmern. So sollten wir eine große, schöne Familie sein.“
 

Nejis Stimme klang bitter, was Tenten verwunderte. „Was ist denn so schlimm daran?“

„Nichts. Daran war nichts verkehrt. Aber das meine Mutter bald wieder schwanger wurde, das war verkehrt.“ Nejis Stimme verwandelte sich von Bitterkeit langsam in Zorn. „Und dieses Mal war es klar, wer der Vater war, denn Kaori Nanami hatte nur mit meinem Onkel geschlafen, während mein Vater sich um mich kümmerte.“

„Dein Onkel und deine Mutter haben deinen Vater hintergangen?“, fragte Tenten entsetzt nach. Schon lange nicht mehr, dachte sie an ihre Story. Das Tonband, das immer noch mitlief, war vergessen. Nejis Erzählungen hatten sie viel zu sehr gefesselt. Nun hörte sich das ganze nicht mehr wie ein Märchen an. Eher wie eine Misere, oder eine ziemlich schreckliche Seifenoper.
 

„Ja.“ Neji stand auf, nicht fähig nun noch sitzen zu bleiben. Immer mehr steigerte er sich nun in seinen Zorn hinein, während er weiter redete: „Und nicht nur das. Als sie wusste, dass sie schwanger von meinem Onkel war, flehte sie ihn an zusammen mit ihr und ihrem ungeborenen Kind die Insel zu verlassen. Und sie erreichte ihr Ziel. Es liegt also kein Fluch auf dieser Insel, der alle Hyuugas daran hindert die Insel zu verlassen, denn mein Onkel konnte sich bequem verabschieden und meinen Vater mit all der Verantwortung zurücklassen. Und mit einem Kind, von dem er noch nicht mal wusste, ob es wirklich sein eigenes war. Und so zog er mich alleine groß, nur mit Hilfe von ein paar Dienstboten. Kein Wunder, dass er anfing eine bipolare Störung*2 zu entwickeln, die ihn immer mehr zerstörte. Kurz vor seinem Tod habe ich einen Vaterschaftstest machen lassen, der herausfand, dass ich tatsächlich sein Sohn bin. Doch was spielte das letztendlich noch für eine Rolle? Kaori und mein Onkel hatten ihn alleine zurückgelassen und ihn noch nicht einmal besucht, als er im Sterben lag.

Die letzten Bitten meines Vaters waren es, mich um diese Insel zu kümmern und meinem Onkel nicht zu grämen. Aber wie könnte ich das nicht tun? Was für einen Grund sollte es geben, ihn nicht zu hassen, nach allem, was er mir und meinem Vater angetan hat?“ Er drehte sich zu Tenten um und der Zorn stand in seinem Gesicht geschrieben.
 

Tenten selbst erschreckte dieser umfassende Zorn, auch wenn er nicht gegen sie, sondern gegen Nejis Mutter und seinen Onkel gerichtet war. Dennoch versuchte sie einen klaren Kopf zu bekommen, was ihr leichter fiel als Neji, da sie nicht persönlich in die Angelegenheit involviert war. „All die Jahre lebst du nun hier, so wie es dein Vater es von dir erbeten hat. Doch es lag sicherlich nicht in seinem Interesse, dass du dich hier verschanzt und deine Rachsucht und der Wunsch nach Vergeltung immer größer wird.“

Neji vergrub die Hände in seinen Hosentaschen. „Was weißt du schon?“

„Sicherlich weiß ich nicht alles. Aber man brauch ein kein Genie zu sein, um zu sehen, dass dein Zorn dich von innen heraus auffrisst.“

„Und was soll ich deiner Meinung nach dagegen tun? Ich habe versucht es zu kontrollieren und eine Zeit lang ist es mir auch recht gut gelungen. Aber es wird nie ganz verschwinden.“

„Du hast nicht dagegen gekämpft, du hast es verdrängt. Das ist ein Unterschied.“
 

Neji funkelte Tenten an. Der Zorn begann sich in Wut zu verwandeln, die sich nun auch gegen Tenten richtete. Im Gegensatz zu anderen fing er jedoch nicht an zu schreien, oder zu toben. Stattdessen wurde er eiskalt und wandte sich von Tenten ab. „Immerhin hast du jetzt eine tolle Story für dein Käseblättchen“, meinte er verächtlich. Für Tenten war es schlimmer als jedes geschrieene Wort, das er hätte an sie richten können. Diese kalte Verachtung in seiner Stimme, war mehr, als sie ertragen konnte. Seine Worte schmerzten sie.
 

Eine von Pfeilen verursachte Wunde vernarbt;

ein von der Axt niedergehauener Wald schießt wieder empor;

ein böses Wort, das die Zunge ausspricht, ist abscheulich;

eine durch verletzende Worte geschlagene Wunde aber vernarbt niemals. *3
 

„Für mich ist es nicht mehr eine bloße Story und das weißt du“, sagte sie leise.

„Ach ja? Warum sollte es?“

„Weil einen derartige Geschichten nicht unberührt lassen. Zumindest an mir geht es nicht spurlos vorbei. Und das solltest du wissen, denn wenn du mich anders eingeschätzt hättest, hättest du es mir sicherlich nie erzählt.“

„Menschen irren sich.“

„Das stimmt. Aber du bist ein sehr guter Menschenkenner.“ Tenten holte ihr Aufnahmegerät hervor und drückte auf den Stopp-Knopf. Dann nahm sie die Kassette heraus und begann das Band herauszuziehen und es zu zerknüllen. Neji stand fassungslos da. „Was machst du da?“
 

„Die Aufnahmen zerstören, wonach sieht es denn aus?! Ich gebe zu Neji, dass ich diese Story schreiben wollte und ich habe von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht. Als du mich so kühl behandelt hast wurde ich sauer und war erstrecht entschlossen die Story zu schreiben. Und es wäre wirklich gut geworden, eine nette Story. Doch nachdem ich die Geschichte kenne, kann ich sie nicht mehr schreiben. Denn es ist keine nette Story, sondern ein Familiendrama. Und das muss in keiner Zeitung für alle festgehalten werden.“ Neji wusste beim besten Willen nicht, was er darauf antworten sollte. Aber anscheinend erwartete Tenten auch gar keine Antwort. Stattdessen sagte sie: „Weißt du Neji, es gibt da ein französisches Sprichwort, welches lautet:

Drei Dinge lassen sich nur bei drei Gelegenheiten erkennen:

die Kühnheit in der Gefahr,

die Vernunft im Zorn

und die Freundschaft in der Not.

Du solltest es dir zu Herzen nehmen.“
 

Neji schüttelte verwirrt den Kopf. „Allmählich komme ich wirklich wieder zur Vernunft. Es tut mir Leid, was ich zu dir gesagt habe. Du hast meinen Zorn nicht verdient.“

„Und auch deine Mutter und dein Onkel nicht, Neji. Vielleicht war das, was sie getan haben nicht gerade lobenswert, aber jeder Mensch macht Fehler. Und du kennst nur die Fakten, aber nicht die Gefühle dahinter. Woher willst du wissen, was die Beweggründe deines Onkels waren? Vielleicht hat er sich einfach schuldig gegenüber deiner Mutter gefühlt und wollte es wieder gut machen, indem er mit ihr ging.“

„War er denn meinem Vater nichts schuldig?“

„Das kannst du nicht wissen, weil du zu jung warst, Neji. Vielleicht hatte er das ganze ja mit deinem Vater abgesprochen, vielleicht hatte er seine Erlaubnis. Warum sonst hätte dein Vater zu dir sagen sollen, dass du nicht auf deinen Onkel sauer sein sollst?“

„Er war einfach zu gutherzig, dass ist alles.“

„Und du bist es nicht?“

„Nein. Dafür trage ich diesen Zorn und Bitterkeit schon zu lange mit mir herum.“
 

Manch einer ist in seiner Erbitterung härter denn ein Stein, sein Herz aber ist voll von gärenden Träumen. *4
 

„Hm. Auf den ersten Blick scheinst du wirklich kaltherzig zu sein. Und du tust auch alles, um diese Fassade aufrecht zu erhalten. Aber du bist kein schlechter Mensch, Neji. Sonst hättest du mich nie bei dir aufgenommen.“

„Ich habe dich draußen vor der Tür sitzen lassen“, berichtigte er sie.

Sie schmunzelte. „Stimmt. Aber dann hast du die Tür geöffnet und das ist es, was zählt.“ Und er hatte ihr auch die Tür zu seinem Innersten geöffnet, zumindest einen spaltbreit, sodass sie hineinluken konnte. Und was sie dort sah gefiel ihr. Sie würde nicht zulassen, dass er mit diesem selbstzerstörerischen Verhalten weitermachte. Also beschloss sie, die Initiative ergreifen. „Weißt du was, Neji? Ich finde, du solltest deinen Onkel anrufen und die Sache ein für alle mal klären.“

Neji biss die Zähne zusammen. „Niemals.“

„Aber wie willst du sonst die Wahrheit erfahren?“

„Hast du mir nicht zugehört, was er alles getan hat? Er ist noch nicht einmal zu der Beerdigung meines Vaters gekommen!“

„Hast du ihn denn von dem Tod deines Vaters unterrichtet?“ Neji schwieg.
 

„Woher sollte er denn davon wissen, wenn du ihm nichts davon erzählt hast? Wie willst du verzeihen lernen, wenn du es nicht einmal versuchst.“

„Vielleicht will ich ihm ja gar nicht verzeihen.“

„Jetzt stellst du dich stur.“ Tenten schüttelte den Kopf und begann langsam den Tisch abzuräumen.

„Wieso mischt du dich überhaupt ein?“

„Ich habe dir schon gesagt, dass die Geschichte nicht spurlos an mir vorbei geht. Und du… bedeutest mir etwas.“
 

Sprachlos starrte Neji sie an. Tenten lachte anlässlich seines Gesichtsausdrucks. „Keine Angst! Das sollte keine Liebeserklärung sein. Ich mag dich, so einfach ist das. Da ist es auch egal, dass ich dich erst seit ein paar Stunden kenne. Ich will dir helfen. Ist das so schlimm?“

„Nein. Aber ich habe es bisher gut ohne Hilfe geschafft.“

„Stimmt. Aber es hat sie dir ja auch noch nie jemand angeboten, oder?“ Sie stellte die Teller in die Geschirrspülmaschine und drehte sich schwungvoll zu ihm um. Dann lächelte sie.

Und er konnte nicht darum herum, seine Mundwinkel ein klein wenig hoch zu ziehen. Es stimmte, was sie sagte. Mit allem, was sie zu ihm gesagt hatte, hatte sie Recht gehabt. Er war verbittert gewesen. Und er kannte auch nicht die ganze Wahrheit. Vielleicht war es aber endlich einmal an der Zeit diese herauszufinden. Er drehte sich um und ging in den Flur.

„Was machst du?“, rief Tenten ihm erstaunt hinterher.

„Ein Telefonbuch holen, was sonst?“
 

Zorn ist wie ein wildes Tier, das einen von innen heraus auffressen kann. Doch wenn es gelingt diesem Tier die Zügel anzulegen, kann man es kontrollieren und wieder derjenige sein, der man wirklich ist.
 

~*~

*1 Zitat von Aristoteles

*2 Vielen heute noch unter manischer Depression bekannt

*3 Fernöstliche Weisheit

*4 Zitat von Fjodor M. Dostojewski



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von: abgemeldet
2011-02-25T09:41:03+00:00 25.02.2011 10:41
Wow!
Ich finde die Geschichte toll!
Mir gefällt es wie du schreibst und ich finde Neji in der FF echt toll!
Ich musste ehrlich lachen, als ich mir Tenten vorgestellt habe, wie sie vor der Tür steht, bettelt, fleht und droht, nur um wieder rein zu können. :D
Einfach genial!
Von:  Kitty-inAcasket
2010-05-27T16:35:46+00:00 27.05.2010 18:35
hey ^^
danke fürs bescheid sagen
wiedermal eine sehr schöne geschichte zu den beiden und ich bin gespannt, was noch kommt ^^
Von: abgemeldet
2010-05-11T15:42:45+00:00 11.05.2010 17:42
Die Rund ens war eine gute Idee und ich bedanke mich recht Herzlich dafür :)
Also der esrte Teil war echt schön zu lesen.
Mir gefiel es wie die Gefühle beschrieben wurden und aus die Story wurde gut durchdacht.
Bin schon auf das nächste Kappi gespannt :)


Liebe Grüße Tentenmaus
Von:  Kerstin-san
2010-05-11T14:29:35+00:00 11.05.2010 16:29
Hey!
Echt gut geschrieben, dass muss ich schon sagen. =)
Die Legende am Anfang hat mir richtig gut gefallen, war eine gute Einleitung.
Auch gut fand ich die Beschreibungen von der Umgebung, das Meer konnte ich mir richtig gut vorstellen.
Etwas irritiert hat mich dann doch, dass Tenten sich scheinbar gar nicht vorher darüber informiert hat, obs da ne Herberge oder Hotels auf der Insel gibt.^^
Aber das erste Aufeinandertreffen mit Neji war toll. WIe er sie so feindeslig anstarrt und seine Stimme, ich hab ein genaues Bild vor mir gehabt bzw. konnte mir seine Stimme richitg gut vorstellen.
Allerdings fand ich Tenten in ihrer Wut etwas kindisch, aber andererseits auch sehr unterhaltsam. =)
Die Einrichtung von dem Haus oder Häuschen in dem Neji lebt, fand ich passend, passt zu Nejis Charakter, sehr sparsam, aber gepflegt und ordentlich.
Die Geschichte, was es jetzt wirklich mit der Legende auf sich hat, hat mich dann doch überrascht und ich musste wikrlich grinsen, als Tenten dachte, das das ganze was von einer Seifenoper hat, ging mir beim Lesen genauso. ^^
Die Zitate die du in den Text eingestreut hast, haben wirklich gut dazu gepasst, hat mir sehr gut gefallen.
Das Ende fand ich jetzt auch nicht zu kitschig, ich bin wirklich froh, dass da nicht noch irgendeine Liebeserklärung kam, dass hätte nämlich überhaupt nicht dazu gepasst.
lg
Kerstin


Von:  Sitamun
2010-05-10T20:00:54+00:00 10.05.2010 22:00
Die (Rund)ENS von eurem Zirkel kam wirklich passend - mein NejiTenTen-Flash lebt in letzter Zeit wieder ziemlich auf und ich hab bisher nur englische Ffs zu den beiden gelesen.
Eine deutsche Ff ist eine nette Abwechslung^^.

Und nicht nur deutsch, sondern auch noch recht gut geschrieben.
Ist die Idee mit der Insel von irgendeinem realem Mythos übernommen oder hast du dir das ausgedacht, ebenso wie den Ort (soll heißen, ist Colorado zufällig gewählt)?
Die Umsetzung ist dir gut gelungen, auch wenn ich finde, dass die Dialoge zwischen Neji und TenTen irgendwie ein wenig zu "fest" klingen, besonders die in dem Teil, in dem sie sich bereits duzen. Meiner Meinung nach wirken sie ein wenig stockend, nicht ganz fließend. (Kann sein, dass das auch nur reine Gefühlssache ist.)
Und hier und da sind ein paar Kommata zu viel, was, wenn man darauf achtet und die Pausen auch beim gedanklichen Lesen umsetzt, ebenfalls den Lesefluss unterbricht.

Aber davon mal abgesehen ... das wichtigste war ja an sich eigentlich die Darstellung der Todsünde Ira bzw Zorn und die hat sich wunderbar nicht nur in der Beschreibung der Schönheit und ihrem Fluch (irgendwie erinnert mich das Konzept ein wenig an Die Schöne und das Biest) wiederfinden lassen, sondern hat sich durchgehend durch den ganzen One-Shot gezogen. Dadurch, dass ich als Leser wusste, dass es um Zorn geht, hab ich auf Adjektive wie "wütend", "sauer", "zornig" und dergleichen noch mehr geachtet. Hat die ganze Sache noch mehr betont und hevorgehoben. Fand ich toll^^.

Kurzum: Ich find den One-Shot gut, bin froh, ihn gelesen zu haben und mag ihn, obwohl er AU ist^^.
Also vielen Dank für die ENS - die Zeit war's wert^^.
Von:  fahnm
2010-05-09T22:12:04+00:00 10.05.2010 00:12
Klasse Geschichte.
Bin mal gespannt wie esweiter gehen wird.

mfg
fahnm
Von: abgemeldet
2010-05-09T17:19:14+00:00 09.05.2010 19:19
das is echt genial geschrieben!


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