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Unvermeidlich

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Unvermeidlich

Es war eine dunkle, schmale und kaum beleuchtete Seitenstraße. Ihre Augen suchten hektisch alles ab, doch es schien keine Seele an diesem kalten Ort zu sein. Langsam setzte sie sich in Bewegung, lief tiefer in die unheimliche Straße. "Noch scheint er nicht hier zu sein.", überlegte sie.

Abrupt blieb sie stehen. Ein Geräusch!

Sie lauschte angestrengt, doch nun hörte sie nichts mehr. Mit rasendem Herzen drehte sie sich um, blickte in die Dunkelheit. Aber es war immer noch nichts und niemand zu sehen. "Ist da wer? Zeig dich!", rief sie in die Stille der Nacht. Aber nichts als die Kälte antwortete ihr. Vielleicht war es doch nichts so gut so laut zu sein, wer wusste schon, was für Gestalten sich bereits hier hin verirrt hatten.
 

Vorsichtig schritt sie voran und kam an eine kleine Kreuzung, die von hohen Mehrfamilienhäusern bedrängt wurde. Die Straßenlaternen strahlten ihr fahles kaltes Licht auf die Straße und erhellten den Nebel. Ihr Pulsschlag hatte sich noch nicht beruhigt und ihr rauschte das Blut in den Ohren. Sie erwartete jederzeit eine kalte Hand auf ihrer Schulter und schaute sich nervös immer wieder um. Die Stille schien sie langsam erdrücken zu wollen. Sie ging noch weiter, in die nächste abgedunkelte Gasse. Angespannt versuchte sie so geräuschlos wie möglich aufzutreten und die Gasse zu überblicken, ihr Rock raschelte verhalten. In der Düsternis fühlte sie sich blind und riss hilflos die Augen auf.
 

Bei dem Gedanken an die entlaufenen Wesen, überrollte ein eiskalter Schauer ihren Rücken. Sie wollte ihnen auf keinen Fall begegnen! Sie blähte ihre Nase auf und sog die Nachtluft ein, um den Geruch so frühzeitig wie möglich zu bemerken und schritt langsam weiter. Wieso hatte sie sich auf dieses dumme Treffen eingelassen! Sie war viel gefährdeter als er! Sie hätte nicht so gedankenlos zustimmen dürfen. Jetzt war es natürlich zu spät und sie hoffte bloß, dass er tatsächlich so fähig war, wie es den Anschein gemacht hatte. „Hoffentlich findet er mich bald.“, schoss es ihr durch den Kopf. Sie merkte erst jetzt, dass sie nicht wusste, wie sie auf sich aufmerksam machen sollte. Vielleicht würde sie diese Nacht nicht überleben!
 

Vor Schock erstarrt pinnte sie ihre aufgerissenen Augen auf die Gasse vor ihr. Eine Dose war in ihr Blickfeld gerollt und knallte blechern an die Hauswand. War das ein Schnaufen gewesen? Oder bildete sie sich das in ihrer Panik bloß ein? Sie war zu einer Statue erstarrt. Was sollte sie tun? Laufen? Ein Schnüffeln klang ganz deutlich von der Gasse vor ihr zu ihr herüber und näherte sich. Zu schnell, so nah! Ihr Atem ging hektisch und war zu laut, aber in ihrer Panik konnte sie sich nicht beruhigen. Der Geruch erreichte sie und stach sich in ihre Nase. Sie würgte den Hustenreiz herunter.
 

Wohin? Wohin sollte sie fliehen? Konnte sie etwas gegen das Wesen ausrichten? Was konnte sie als Waffe benutzen, um sich zu verteidigen? Sie versuchte entsetzt einen Gegenstand in der Dunkelheit zu erkennen und wich zurück. Sie prallte gegen einen warmen Körper und eine kalte behandschuhte Hand legte sich auf ihren Mund. Ihr Atem ging hektisch und schnaufend und sie wagte nicht sich einen Millimeter zu rühren. Der Gestank schnürte ihre Kehle zu und ließ sie nicht frei atmen.
 

Jemand wisperte ihr mit einer beruhigenden Stimme ins Ohr: „Shhh, ganz ruhig. Schließen Sie die Augen. Und rühren Sie sich nicht.“ Lisa kämpfte gegen den Drang hysterisch zu kreischen und kniff ihre Lider verzweifelt zusammen. Die Panik ließ sie zittern.
 

Erneut flüsterte die Stimme sanft: „Wenn ich „Jetzt.“ sage, nehmen sie tief Luft und halten ihren Atem an.“ Sie wagte ein Nicken, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte. Die Angst ließ sie schwindeln und ihre Knie weich werden, aber sie bemühte sich ruhiger zu atmen, den Gestank bestmöglich zu ignorieren. Ihr Leben konnte davon abhängen! Die Hand ließ locker und sie spürte, wie der Jemand hinter ihr wieder an ihr Ohr kam. „Jetzt“, flüsterte er und sie sog so viel Luft ein, wie sie nur konnte und spannte ihre Brust an, um den Atem zu halten. Ihre Augen wagte sie nicht zu öffnen, zu viel Angst hatte sie vor dem, was vor ihr sein könnte.
 

Die Ungewissheit aber war schmerzhaft und unerträglich. Ein Auge wagte einen Blick. Hätte der Jemand hinter ihr sie nicht gehalten, wäre sie schreiend geflüchtet und sicherlich nach wenigen Sekunden erbeutet und zerfetzt worden. Wenige Meter vor ihr sah sie es. Das Grün schimmerte auf den sich hebenden und senkenden Flanken, wenn es schnaufte, stiegen die Atemwolken in die kalte Luft. Das wolfsähnliche Wesen lief auf seinen seltsam dünnen, gestelzten mit braunem Fell bedeckten Beinen auf allen vieren durch die Gasse und durchwühlte beiläufig im Vorbeigehen den Müll, der am Rand auftürmte. Die langen spitz zulaufenden Ohren bewegten sich in jede erdenkliche Richtung und die gelblichen Reißzähne waren gut in der Dunkelheit in den dunklen Lefzen zu erkennen. Ein helles Glühen am Kopf bannte ihren Blick. Die Augen des Wesens leuchteten gelb und durchdringend. Plötzlich wandte sich der langgezogene Schädel in ihre Richtung und starrte Sekundenlang auf die beiden. Lisa spürte das Pochen im Kopf und ihren Herzschlag durch den Körper pumpen. Ihre Lungen verlangten Sauerstoff und drückten wie im Würgreiz. Schwarze Punkte erschienen vereinzelt.

Abrupt wandte sich das Geschöpf ab und entsprang in die Nacht. Lisa sah noch, wie es an einer Hauswand hochsprang und die Krallen ins Gemäuer stieß, bevor ihr Blickfeld ganz schwarz wurde.
 


 

Sie hatte es doch gewusst! Sie hätte niemals nachts auf die Straßen gehen dürfen! Wäre sie einfach brav zu Hause geblieben, wär das nicht passiert! Aber was genau war noch mal passiert?
 

Lisa setzte sich zu schnell auf und ihr Blickfeld wurde von Pünktchen durchtanzt. Verwirrt registrierte sie, dass sie ihren weiten Rock anhatte und in einem Bett lag. Ungeduldig schlug sie die Decke zurück und stand auf. Das Zimmer war quadratisch und klein und auf keinen Fall ihres. Außer dem Bett, einem kleinen Nachttisch und einer Tür, war nichts zu entdecken. Auf dem Nachttisch brannte eine Kerze, die sie sich gleich griff, um zu erforschen, wo sie sich befand. Wo war sie? Wie kam sie hier her? Sie erinnerte sich an das grüne Biest aus der Gasse und ein Schauer der Furcht ließ sie in sich zusammensinken. Was war passiert? War sie ohnmächtig geworden? Unsicher beleuchtete sie mit der Kerze den Raum. Nichts Furchterregendes befand sich hier. Also trat sie an die Tür und drehte vorsichtig am Türknauf. Mit einem hässlichen Quietschen ließ sich die Tür öffnen. Schreckerstarrt blickte sie ängstlich in den nächsten, weitaus größeren Raum.
 

Das Mondlicht erhellte diesen und ließ ihn geradezu freundlich aussehen. Zwei große Fenster zur Linken ließen das Mondlicht ein und ein Tisch umgeben von drei Stühlen warfen ihre kalten Schatten. Die gegenüberliegende Seite lag im Dunkeln, weil eine Ecke das Licht aussperrte und grenzte sich vom Rest des Raumes ab. Obwohl Lisa nicht wirklich etwas erkennen konnte, erahnte sie eine Person in dieser Dunkelheit.
 

„Hallo?“, flüsterte sie zaghaft und wagte sich einen Schritt vor, stellte dabei die Kerze auf dem Tisch ab. „Danke für… das in der Gasse. Ich weiß nicht, ob ich das jemals überlebt hätte. Diese Wesen sind so… angsteinflößend und-“, sie unterbrach sich, als ein Mann aus dem Schatten trat. Er trug lockere schwarze Kleidung, in der man sich gut bewegen und in Schatten schmiegen konnte. Seine kurze Mähne war ebenso dunkel, doch im Mondlicht konnte man das nicht so genau bestimmen. Die Augen lagen im Schatten.
 

„Sie wollten etwas.“, kam er sofort zum Punkt. Lisa fragte sich, ob es tatsächlich eine so gute Idee gewesen war ihn zu kontaktieren. In der Gasse hatte er sehr viel netter geklungen. Jetzt wusste sie nicht, ob sie ihm wirklich vertrauen konnte. Er wartete einfach ab, ohne ein weiteres Wort von sich zu geben. „Ja, das stimmt.“, traute sie sich nun endlich. Sie hatte sich nun einmal dazu entschieden, es würde nur gefährlich werden, wenn sie jetzt ihr Angebot zurückziehen würde.
 

„Ich möchte, dass Sie dieses Etwas für mich herschaffen. Sie kennen mein Angebot mit dem Lohn.“
 

„5000 Goldstücke für ein lebendes Exemplar.“, erwiderte er daraufhin. Lisa nickte bloß und wartete auf eine Antwort. Sekunden, Lisa kam es wie Minuten vor, starrte er sie ungerührt an. Was dachte er jetzt? Würde er sie verlachen? Würde er sie eine Idiotin schimpfen und hinausjagen? Oder würde er annehmen?
 

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es machte sein Gesicht gleich viel freundlicher und innerlich atmete Lisa auf. „Sie glauben, dass man die Dinger fangen und zähmen kann, richtig?“ Er kam näher und beugte sich zu ihr: „Sie glauben, bloß weil sie Geld haben, könnten Sie alles bekommen, was Sie wollten, nicht wahr?“ ein amüsiertes und überhaupt nicht angenehmes Lachen entsprang seiner Kehle. Lisa konnte den Geruch dieser Viecher an ihm erkennen.
 

„Sie werden sterben.“, stellte er kalt fest.
 

In ihr machte sich eine Welle der Wut breit. Er verurteilte sie, ohne die Umstände in Betracht zu ziehen!

„Wir haben genügend geprüfte Geräte und Vorkehrungen getroffen, um sie im Zaum zu halten. Wir wollen sie nicht zähmen, wir wollen sie beobachten.“, triumphierend hob sie ihre Brust und begann ihm ihren Plan zu offenbaren: „Wir wissen nicht genau, wie es ihnen gelungen ist in unsere Welt zu gelangen, wir wissen nicht, woher sie überhaupt stammen und in welcher Umgebung sie aufgewachsen sind, wir wissen nicht einmal, was genau sie sind. Wir wissen gar nichts! Deswegen wollen wir sie untersuchen. Wir müssen in Erfahrung bringen, was genau sie an Nahrung zu sich nehmen und was schädlich für sie ist.“
 

In Rage geredet gestikulierte sie heftig mit ihrer Hand vor seinem Gesicht: „Wir wollen sie ein für alle Mal ausrotten! Sie zerstören unsere Stadt! Wir müssen etwas finden, womit wir sie angreifen können, was ihnen schadet!“

Mit wütender Entschlossenheit starrte sie ihn an. Er sah unterkühlt zurück.
 

„Sie haben mich nicht verstanden. Nicht Sie werden sterben. Diese Wesen werden es.“
 

Überrascht öffnete sie ihren Mund, wollte etwas sagen, wusste aber nicht was.
 

„Haben Sie sich diese Wesen auch nur einmal richtig angeschaut?“, wollte er mit süffisantem Lächeln von ihr wissen.
 

„Wie sollte ich? Ich hänge an meinem Leben und wollte nicht mit ihnen spielen!“, entgegnete sie aufgebracht. Was fiel ihm eigentlich ein! Sie hatte all ihre Überredungskunst nutzen müssen, um die Bürger in ihrer Umgebung von der Notwendigkeit dieser Vorgehensweise zu überzeugen. Wenn sie nicht bald wüssten, wie sie diese Monster endlich los werden würden, würden sie alle vor Hunger sterben oder von diesen Dingern zerfetzt werden!
 

„Sie haben doch das grüne Fell gesehen.“, sprach er weiter, „Diese Dinger sind nicht irgendwelche Wölfe. Sie sind Lebewesen, die wie Pflanzen Photosynthese betreiben. Wenn man denen das Licht nimmt, sterben sie ganz von allein.“
 

In ihrer Verwirrung wusste Lisa nicht, was sie antworten sollte. Photosynthese? Wovon sprach dieser Mann? Und wieso roch er so stark? War das, damit diese Monster ihn nicht angriffen, ihn als seinesgleichen ansahen? Sie vermutete es. Ihre Annahme war bestätigt. Dieser Mann wusste, wovon er sprach und was er tat.
 

„Sie sind blind, reagieren aber sehr empfindlich auf Bewegungen. Sie kennen doch diese Schlingpflanzen. Sie sind sogar so feinfühlig, dass sie Veränderungen in der Luft wahrnehmen und zuordnen können. Wenn man in ihrer Umgebung atmet, ist man geliefert.“, fügte er noch hinzu und wendete sein Gesicht dem Mondlicht zu. Desinteressiert verschränkte er locker die Arme und ignorierte das Schnauben seitens Lisas.
 

„Und was sollen wir Ihrer Meinung nach tun? Tee trinken und abwarten? Die Vorräte sind nahezu erschöpft und diese Biester jagen Menschen!“, voller Wut trat sie auf ihn zu: „Schauen Sie mich an, wenn ich mit Ihnen rede! Haben Sie eine Vorstellung, was das bedeutet? Haben Sie kein Mitgefühl mit all den Familien, die auseinander gerissen wurden, mit all den armen unschuldigen Menschen, die sterben mussten? Wissen Sie, was diese Dinger noch alles anstellen werden?“, mit brennenden Augen kam in Lisa die Erinnerung an ihre Mutter hoch, die nicht schnell genug gewesen war. Die es gerade geschafft hatte Lisa in einen Hauseingang zu stoßen, wo Lisa sich hinter die offene Tür drängte und ins Innere des Hauses flüchtete, während sie den entsetzlichen Schreien ihrer Mutter entfloh. Das wild gewordene Knurren und Fauchen dieses Biests drang noch jetzt an ihr Ohr.
 

Mit gesenktem Blick schluchzte sie auf: „Ich will nicht sterben! Ich will nicht einfach als Fraß enden!“
 

Der Mann blieb ungerührt stehen und ließ sie schluchzen. Nach einer Weile hatte sie sich wieder einigermaßen beruhigt.
 

„Woher wissen Sie eigentlich so viel über diese Dinger?“, wollte sie wissen und verfluchte innerlich das Weinerliche in ihrer Stimme. Was konnte sie bloß tun? Sie konnte doch nicht einfach herumsitzen und darauf warten von einem dieser Dinge wie ein Reh gerissen zu werden!
 

„Sie wollen wissen, woher?“
 

Etwas in seiner Stimme ließ sie furchtsam aufblicken. Obwohl das Mondlicht sein Gesicht weich machte, wirkte sein Blick starr und abweisend. Sein Kopf wandte sich ihr zu und in Lisa wallte der Drang auf sich in eine Ecke zu kauern und sich so klein wie möglich zu machen. Sie hob ihre Arme und versuchte Halt an sich selbst zu finden. Seine grauen Augen sahen sie unerbitterlich an.
 

„Meine Liebe, diese „Dinger“ sind meine Kinder.“, und ein warmes fürsorgliches Lächeln kam bedrohlich näher, „Ich fürchte, dass sie doch nicht so interessant sind, wie ich gedacht hatte. Es lohnt sich nicht wirklich sie am Leben zu halten, Miss.“
 

Der Mund, angefüllt mit kalten weißen Zähnen, der Mund, aus dem dieses heisere kecke Lachen entfloh, würde das Letzte sein, an das Lisa sich erinnern würde.



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