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klopf an die Tür

von

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Wiedergeburt?

Tage vergehen wie im Flug wenn man sie zwischen Suff und bekifft sein nicht wirklich mitbekommt. Ich bin der zahnlose Penner der immer im Eingang der Mall sitzt und ständig auf allem Möglichen ist, nur bin ich nicht zahnlos und liege nicht in der Mall sondern im Bad und warte auf Erlösung. Das schwierige an der Erlösung ist, dass man nicht drauf warten kann sondern: man muss aktiv sein. Und trotzdem so sehr man sie herbei sehnt…ich will wissen was als nächstes passiert, wenn es noch so schmerzhaft ist.

Ich hasse das Leben, aber irgendwie doch nicht. Das Telefon ist ausgestöpselt. Der Rest der Wellt kann mich mal.

Es ist meine Schuld. Sie ist aggressiv gefahren, wegen mir, es verfolgt mich egal wie betrunken ich bin. Alkohol und Drogen machen es nicht sehr viel leichter, manchmal machen sie es schlimmer und man verliert sich in Gedanken, Was-wäre-wenn-?.
 

Es klingelt an der Tür, 4 mal, bis ich es irgendwie schaffe aufzustehen und irgendwie schaffe zur Tür zu kommen. Als ich die Tür öffne, rechne ich mit nichts vor allem nicht mit ihr. Wie hieß sie noch?

„Ah. Hi…“, nuschel ich.

„Hi. Du…Du siehst furchtbar aus!“, wie charmant, die hatte ich anders in Erinnerung. Mein One-Night-Stand von letztens.

„Komm doch rein.“, sage ich und mache ihr Platz. Sie kommt genau richtig.

Die Details behalte ich für mich, aber es dürfte klar sein was passiert ist. Als sie gehen will bringe ich sie zur Tür, mit obligatorischem Abschiedskuss, nebenbei der 2. Doch sie geht nicht sofort sondern sieht mich an mit forschendem Blick und lässt eine Lawine los.

„Ich will mehr.“

„Mehr was?“. Ich spiele den Verständnislosen.

„Ich will mit dir zusammen sein.“

„Warum?“. Die Frage, sie liegt mir jedes mal auf der Zunge wenn eine öfter als einmal auftaucht.

„Was warum?!“

„Na warum du mit mir zusammen sein willst?! Du willst es nicht, glaub mir. Ich bin kein Mensch, ich bin ein Stein.“. Ich sehe in ihrem Blick, dass sie keine Antwort weiß, dass sie nur aus einer Laune heraus gefragt hat, dass es an den Hormonen liegen könnte, dass sie im Grunde zu dumm ist meine Frage wirklich zu erfassen, geschweige denn zu beantworten. Ich hasse sie, gerade jetzt in diesem Moment und es tut gut. Ich schlage ihr die Tür vor der Nase zu und renne zurück ins Bad, mir ist kotzübel. Doch als ich die Kloschüssel erreiche stelle ich fest, dass es nicht vom Alkohol kommt, mir ist schlecht vor Trauer. Ich wünschte die Tränenschleusen würden sich endlich öffnen. Sie tun es nicht.
 

Tage vergehen. Gott weiß wie viele. Sie ziehen vorbei wie die Landschaften wenn man Zug fährt, man kriegt gerade genug mit um einen Überblick zu haben, doch die Details der Umgebung verschwimmen im Fahrtwind.

Gott, wer soll das eigentlich sein? Ich hab´s nie verstanden: ist es nun Jesus oder Jesus Vater? Fest steht nur: Jesus gab es. Schon mal super, dafür würd ich ihm die Hand schütteln. Mich gibt´s auch, kein Grund zum gratulieren. Aber Gott? Lächerlich, er ist eine jener Ausreden die Menschen haben um leben zu können. Aber wer ist man schon wenn man ein übernatürliches Wesen, dessen Existent man nicht mal beweisen kann als Sinn erwählt? Wenn es so einfach ist erwähle ich hiermit den Politiker, der die unverblümte Wahrheit spricht, als meinen Gott, seine Existent ist ebenfalls nicht bewiesen von daher passt´s ja. Und, mal ehrlich das wäre noch immer glaubwürdiger als die Existenz irgendeines christlichen Gottes.

Die Sonne scheint und ich bin sicher sie tut es extra, um mich auszulachen, um all meine sonnigen Tage als selbst-gewähltes-Glück-was-leider-nicht-so-ist zu deklarieren. Ich liege mit nacktem Oberkörper wie ein Baby auf dem Bett und die Strahlen scheinen mich zu verbrennen, doch aufzustehen und den Schatten zu begegnen wäre weitaus beängstigender. Dieser Tage hasse ich die Sonne, meine einzige Liebe.
 

Es klingelt wieder an der Tür, ich sollte den Draht kappen oder sowas. Warum will die Welt mich nicht in Ruhe leiden lassen? Es klingelt Sturm und klopft abwechselnd. Dann eine weibliche Stimme, die sich anhört als gehöre sie einer Gefängniswärterin. Sie ruft meinen Nachnamen, doch ich antworte nicht.

„Es geht um ihre Schwester!“, brüllt Mr. Wärterin durch die Tür.

„Ich weiß bereits, dass sie tot ist. Lassen Sie mich in Ruhe!“, brülle ich mit rostiger Stimme zurück.

„Ja.. wissen Sie... aber es geht nicht direkt darum!“.

„Achja? Was denn?“

„Machen Sie doch auf! So kann ich nicht mit Ihnen reden!“

Und nun ist es wieder die Neugier die mich tatsächlich dazu bringt aufzustehen, zur Tür zu gehen und diese zu öffnen. Was vor mir steht sieht aus wie eine typische Sozialbeamte. Blauer Rock, blauer Blazer, schwarze hochhackige Schuhe, ein Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Ich erschrecke mich ein wenig vor den kalten Augen und dem angespannten Mund. Selbstverständlich hat sie keine Falten, weil sie keine Mimik hat die diese verursachen könnten. Was sie an der Hand hat lässt mein Herz für einen Moment still stehen, es ist ein kleines Mädchen. Wie konnte ich das vergessen? Wieder wird mir schlecht und ich presse die Hand vor den Mund. Die Sozialbeamte lässt ihre Augen über mein Erscheinungsbild gleiten, 3- oder 5 (oder mehr?)-Tage Bart, vermutlich blutunterlaufene Augen, halbnackt. Sie lässt sich nichts anmerken, vermutlich kann sie das auch gar nicht mehr. Ich sehe an ihren Augen, dass es so ist, dass sie mal lächeln konnte und mal fühlen konnte doch irgendwann hatte sie wahrscheinlich genug Leid gesehen und die lästigen Gefühle in die Biotonne geworfen, wo der zahnlose Penner aus der Mall sie gefunden hat.

„Nun. Sie sehen ziemlich fertig aus.“, sagt sie abschätzend.

„Sie können sich jawohl denken warum!“

„Wie dem auch sei…dies ist Ihre Nichte Irene. Sie sind der einzige Angehörige und somit der einzige der über ihr Schicksal bestimmen kann. Natürlich können Sie sie adoptieren und selbst aufziehen oder sie in ein Heim bringen und dort verrotten lassen bis sie mit 18 an Drogen oder ähnlichem zu Grunde geht.“. Leute die ohne umschweife zur Sachen kommen kann ich gut leiden, doch es stört, dass sie es völlig emotionslos sagt als würde sie einen lang geübten Dialog runterbeten.

„Ich bin sicher meine Schwester hätte beides nicht gewollt. Hat sie nicht was hinterlassen…im Testament oder so?“. Es ist als wäre das Mädchen nicht da, sie sieht nicht mal auf.

„Dort stand nur, dass sie über die Kleine verfügen sollen.“

„Ist das so? Ich muss Ihnen leider sagen, dass in meinem Leben kein Platz für eine solche Zeitverschwendung ist. Ob es nun das Kind meiner Schwester oder Gottes ist…Machen Sie mit ihr was Sie wollen.“ Mit diesen Worten schlage ich die Tür zu und lehne mich von innen dagegen.

„Ich werde sie hierlassen.“, sagt die Frau von der anderen Seite der Tür.

„Das werden Sie nicht!“, brülle ich wütend. Sieht sie nicht, dass ich nicht mal mit mir selbst klar komme? Getuschel auf der anderen Seite, dann höre ich ihre Schuhe durch das Treppenhaus klappern. Es ist still. Sie wird sie doch nicht wirklich einfach dagelassen haben? Ich rutsche an der Tür hinunter auf den Boden und lausche. Stille. Nach etwa 10 Minuten öffne ich vorsichtig die Tür. Das Mädchen steht da, wie zuvor und sieht auf den Boden. Sekunden vergehen in denen ich fieberhaft nachdenke. Es hilft nichts.

„Komm rein und mach die Tür hinter dir zu.“, sage ich und setze mich aufs Bett, mit dem Gesicht zum Fenster. Ich will sie nicht ansehen. Ich höre wie die Tür ins Schloss fällt, mehr nicht.

„Mach´s dir gemütlich.“, aber es passiert nichts. Ich frage mich ob sie von außen die Tür zu gemacht hat und einfach gegangen ist, es wäre das Beste. Immer noch kein Laut, mittlerweile bin ich sicher, dass sie nicht da ist. Braves Mädchen, so ist es das Beste. Doch schon tauchen Bilder in meinem Kopf auf von einem kleinen Mädchen, nicht mal 5 Jahre alt, welches alleine mit seinem Rucksack durch die Straßen geht. Ich denke an Fremde alte Männer die es ansprechen und von Süßigkeiten oder Hundebabys erzählen. Mir stockt das Herz. Ehe ich wirklich nachdenke was ich tue springe ich vom Bett auf und will zur Tür rennen. Doch, da steht sie und sieht mich aus großen Augen an, die unmissverständlich eine Frage stellen.
 

Und plötzlich springe ich etwa 20 Jahre in der Zeit zurück und sehe dasselbe Gesicht, nur etwas älter mit der gleichen Frage. Es war Sommer, es war heiß und trotzdem hat es geregnet, die Luft war so dick, dass es schwer war zu atmen. Das Begräbnis unserer Mutter war schon vorbei, trotzdem standen wir drei noch vor dem Grab, Ich, Dad und Chris, als erwarteten wir, dass sie jeden Moment wie ein Zombie daraus auferstehen würde, doch es geschah nichts. Chris drehte sich zu mir um als ihr klar wurde, dass nichts geschehen würde, dass wir alleine waren. Diesen Gesichtsausdruck habe ich nur einmal gesehen, genauso war es das einzige Mal, dass sie mich um Hilfe bat. Sie sagte es nicht so, aber ihre Augen sagten es.

„Warum, Seth?“, dann weinte sie. Ich konnte ihr nicht helfen, ich hatte es noch nicht begriffen und selbst wenn ich es hätte, hätte ich ihr nicht helfen können. Damals habe ich nicht geweint, auch später nicht, weil ich es nie wirklich begriffen habe. Ich dachte sie würde eines Tages wiederkommen, als das nicht passierte, vergas ich einfach.
 

Und dieses Gesicht begegnet mir heute wieder. Ein Klon, meine Schwester hat sich klonen lassen! Nein. Sie ist tot. Sie wird nie wieder kommen. Es wird mir klar und spült mich fort wie ein Tsunami während ich immer noch in das kleine Gesichtchen blicke, das ebenso das von Chris sein könnte. Wenn ein Tsunami kommt reißt er alles mit sich, die Wassermassen sind so übermächtig dass ich nicht mal merke wie meine Beine einknicken, wie ich mein Gesicht in den Händen verberge, wie die Tränen fließen, wie ich schluchze und heule wie ein kastrierter Hund. Eben war ich ein Stein, nun bin ich ein Häufchen Asche und wenn meine Zeit kommt kann ich daraus wiedergeboren werden wie ein Phönix. Nur werde ich nie ein Phönix sein, sondern ein Rabe, schwarz, schreckliche Stimme. Ich ernähre mich davon was andere übrig lassen, wenn das nicht reicht töte oder stehle ich. Aber besser als ein Stein...



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