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Gesuchte der Jäger

von

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Kapitel 5

HUNTER
 

Hunter kniff die Augen zusammen. Er konnte einfach nicht glauben, dass diese Stammesgefährtin tatsächlich zu Dragos Leuten gehörte, doch der Jäger wusste auch, dass der Vampir der zweiten Generation vor nichts halt machte.

Schaden würde es allerdings keinen machen, er fand es nur merkwürdig, da Hunter in Miras Vision ja von ihr seinen Namen erfahren hatte. Was für eine Scheiße das alles doch war.

„Mein Name ist Hunter“, antwortete er also widerwillig mit zusammen gebissenen Zähnen und ging zum anderen Bett hinüber.

Mirabelle, deren Gesicht starr wie der einer Leiche blieb, sagte nichts mehr, sondern beobachtete ihn nur dabei, wie er das Bett mit erstaunlicher Leichtigkeit hoch hob und vor der Tür aufrecht hinstellte, damit die Stammesgefährtin nicht abhauen konnte, solange er ins Bad ging um seine Wunden zu behandeln.

„Das wäre nicht Notwendig gewesen, chasseur“, murmelte Mirabelle und der Jäger hörte nur noch ein leises Rascheln der Bettlaken, ehe er die Tür hinter sich schloss um einen Augenblick Ruhe zu haben. Ihre Stimme jagte ihm nämlich ungewollte Schauer über den Rücken und zu allem Übel waren diese verdammten Augen hypnotisierend. Noch nie hatte er so etwas gesehen. Ihre ganze Erscheinung war bereits verrückt; aber jedenfalls verrückt genug um jemanden wie ihn zu faszinieren. Der einzige Makel an ihrem sonst so Statuenhaften Gesicht war diese üble Brandnarbe an ihrer rechten Schläfe und selbst die stellte Mirabelle zur Schau, beinahe schon stolz darüber, wenn er nicht gesehen hätte wie sie zusammengezuckt war als eine ihrer langen Haarsträhnen ihr ins Gesicht gefallen war.

Kaum zu glauben, dass er sie mit der unschuldigen, kleinen Mira verwechselt hatte. Tiefes Schuldgefühl nagte an ihm, und Hunter wusste nicht genau, wem es eigentlich galt.

Um sich etwas von seinen düsteren Gedanken abzulenken, begann Hunter damit seinen Arm zu versorgen der höllisch schmerzte, doch er hatte gelernt die Wunden zu ignorieren, nicht ehe ein Auftrag zu Ende ausgeführt war.

Hunter hatte bereits gemerkt, dass die gebrochenen Knochen falsch wieder zusammen wuchsen und er sie erneut brechen musste, wenn er seinen Arm noch zukünftig benutzen wollte.

Er legte besagtes Körperteil auf den Rand der Badewanne und sog noch einmal scharf die Luft ein, ehe er mit seiner gesunden Hand darauf schlug und ein erschreckend lautes Krachen ertönte.

Hunter fühlte sich, als hätte man ihm den Arm abgerissen, statt gebrochen und er brauchte einen Moment, um das schmerzhafte Pochen, dass durch seinen ganzen Körper strömte, unter Kontrolle zu bringen. Anschließend ließ er sich in einen Schneidersitz fallen und legte den Kopf in den Nacken. Bei Gott, er hoffte, dass er hier schnell wieder wegkam.
 

In den nächsten, verstreichenden Stunden, kam Hunter ab und zu wieder in das Zimmer, um nach Mirabelle zu sehen, die entweder schlief oder an die Decke starrte und Däumchen drehte. Jedenfalls verging die Zeit für beide viel zu langsam, doch sie hatten keine Schwierigkeiten damit zu schweigen. Es fühlte sich sogar behaglich an, wenn Hunter genauer darüber nachdachte. Sie verlangte nicht von ihm ein Gespräch am Laufen zu erhalten, wie so manche andere Stammesgefährtin in der Zentrale, und nicht zuletzt Mira.

„Wie lange arbeitest du schon für Dragos?“, fragte Hunter nach einer Weile dann doch, weil er bereits zu angespannt war, um weiterhin still sitzen zu bleiben. Die Sonne würde bald untergehen und bis dahin brauchte er eine sinnvolle Beschäftigung, ehe die Krieger eintrafen. Und es würde gewiss nicht schaden, die Informantin noch etwas auszuquetschen.

Mit undurchdringlicher Miene neigte sie den Kopf zur Seite und folgte mit ihren Augen dem Jäger, der wie ein Raubtier in einem Käfig umher tigerte.

Je crois … seit meinem zwölften Lebensjahr. Wie alt ich jetzt bin, weiß ich nicht genau. Die Zeit vergeht in Dragos‘ Nähe in Zeitlupe.“

„Was für einen Wert hast du für ihn?“, fragte der Jäger und er betete für sie, dass sie nicht dasselbe durchmachen musste, wie die vielen anderen entführten Stammesgefährtinnen, die Dragos als Brutmaschinen benutzt hatte, um seine Privatarmee von Gen-Eins Jägern zu erschaffen.

Mirabelle schwieg und sah demonstrativ weg. Diese Frage würde sie ihm nicht beantworten, das stand schon einmal fest.

Der Grund dafür konnte jedoch nicht allzu traumatisch sein, wenn sie es noch schaffte die Mundwinkel trotzig zu verziehen.

Wieder breitete sich Stille aus und überdeckte beinahe den penetranten Geruch ihres Blutes, der den Jäger in der Nase kitzelte.

„Deine Freunde haben es wohl nicht so mit Pünktlichkeit“, bemerkte Mirabelle mit unterschwelligem Hohn.

Mit einem Knurren riss Hunter das Bettlaken vom Fenster. Der letzte Sonnenstrahl war schon längst am Horizont verschwunden und präsentierte ihnen nun die dunkle Seite von Paris.

Normalweise hätte es Hunter nicht gekümmert, wann die Krieger aufgetaucht wären, doch Mirabelles pure Anwesenheit machte ihn allmählich verrückt. Nicht nur dass er das Böse, dass sie auszuströmen schien, beinahe schon mit Händen fassen konnte, nein, er musste auch noch ständig die Vision ihres Todes vor Augen haben. Noch dazu hörte sich jedes Wort, das ihren Mund verließ, wie eine Beleidigung an. Zwar hatte Hunter einen langen Geduldsfaden, aber selbst der drohte bei ihrer Unverschämtheit bald zu reißen.

Schritte vor dem Hotelzimmer lenkten den Jäger von seinen düsteren Vorstellungen fort und er schnappte sich sein Jagdmesser, dass er jedoch getrost sinken ließ, als er Tegan rufen hörte.

„Hunter? Wo steckst du, Mann?“

Der Jäger stellte das Bett, das die Tür versperrt hatte, wieder an seine ursprüngliche Stelle und ließ den blonden Krieger eintreten. „Bist du bereit?“, fragte er und warf einen skeptischen Blick auf die Stammesgefährtin, den sie gleichgültig erwiderte.

Hunter nickte, schlüpfte in seinen noch immer nassen Mantel und verstaute seine Waffen. Dann wandte er sich an Mirabelle und befreite sie vom Klebeband. Ihre Handgelenke waren stark gerötet, aber sie beklagte sich nicht und ließ sich von Hunter unwirsch aus dem Motel ziehen.

Rio wartete in einem französischen Mietwagen vor dem Eingang und stieß einen leisen Pfiff aus, als Hunter Mirabelle auf den Rücksitz drückte und sich neben sie setzte.

Tegan nahm wieder seinen Platz auf dem Beifahrersitz ein und warf immer wieder einen kurzen Blick in den Rückspiegel.

„Na da hast du aber einen Fang gemacht, amigo“, bemerkte Rio trocken und ließ seine topasfarbenen Augen provozierenden über Mirabelles Aufzug streifen, ehe er sich wieder kommentarlos nach vorne drehte und Gas gab.

Hunter sagte nichts dazu. Auch wenn man es ihm nicht anmerkte, machte es ihm ziemlich zu schaffen, wenn Mirabelle so dicht neben ihm saß und aus dem Fenster starrte, während die erleuchteten Straßen von Paris an ihnen vorüber zogen.

„Wohin fahren wir?“, fragte Mirabelle schließlich und strich sich eine Strähne hinter das Ohr, die sich wieder über ihre Narbe zu legen drohte.

Die Krieger wechselten einen Blick untereinander.

„Du bist eine Stammesgefährtin. Wir bringen dich in einen Dunklen Hafen, wo sie sich um dich kümmern werden.“

„Das geht aber nicht. Ich muss mit euch kommen.“

„Wieso?“, fragte Rio misstrauisch. Ihm war anzuhören, dass er nichts von dieser Idee hielt. Tegan und Hunter waren ebenso begeistert darüber.

Mirabelle zuckte mit keiner Wimper, als sie sagte: „Ich habe wichtige Informationen über Dragos, die ich euch geben möchte. Jedoch nur eurem Anführer persönlich.“

„Warum hast du das Hunter nicht schon eher gesagt?“

Sie warf einen Blick auf den Mann neben sich und musterte ihn von oben bis unten. Hunter hatte nicht den Hauch einer Ahnung was sie möglicherweise denken mochte.

„Er ist ein Jäger. Ich konnte ihm nicht trauen, solange ich alleine mit ihm war. Ich denke allerdings, dass meine Informationen beim Orden in guten Händen sind.“

„Du weißt mehr, als gut für dich ist“, bemerkte Hunter warnend und vermied es mit aller Macht sie noch einmal anzusehen. Mirabelle brachte seine Sinne durcheinander und rief das Tier in ihm hervor. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er sie einfach packen und an sich drücken oder mit seinen Fangzähnen zerfleischen wollte.

„Also was ist nun? Werdet ihr mich in dem Dunklen Hafen absetzten, oder interessiert ihr euch doch für mein Angebot? Bedenkt, damit könntet ihr Dragos endlich vernichten. Für meinen Geschmack arbeitet ihr viel zu langsam.“

„Vorsicht“, knurrte Hunter und legte eine Hand in ihren Nacken. Nur ein leichter Druck, und Mirabelle würde in seiner Hand wie ein Zweig zerbrechen.

Sie spannte sich an, in Erwartung, dass der Jäger seine Drohung wahr machen würde. „Pardon“, murmelte sie, da sie wohl merkte, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hing.

Widerstrebend ließ Hunter sie los und starrte aus dem Fenster. In dem Glas spiegelten sich die Konturen seiner Kameraden wieder, die sich so leise flüsternd, dass die Stammesgefährtin es nicht hören konnte, berieten. Hunter hatte noch kein Mitspracherecht, um etwas zu diesem Gespräch beizusteuern.

Nach einer Weile drehte sich Tegan in seinem Sitz herum und wandte sich an die Menschenfrau. „Und was verlangst du im Gegenzug? Ich vermute mal nicht, dass du das aus reiner Herzensgüte machst.“

„Selbstverständlich nicht“, lautete ihre frostige Antwort, als wären die vielen Leben die auf dem Spiel standen völlig irrelevant. „Ich möchte, dass ihr meine Schwester rettet, die zu Dragos gefangenen Stammesgefährtinnen gehört.“

Der blonde Krieger überlegte einen Augenblick, dann nickte er. „In Ordnung, aber wir können es nur versuchen. Es gibt keine Garantie. Sonst noch etwas?“

„Ja, ich will dabei sein, wenn ihr Aufbrecht, um Dragos zu töten.“

„Warum solltest du das wollen?“

Mirabelle neigte den Kopf leicht zur Seite und lächelte den Krieger so gefühlskalt an, wie eine Puppe. „Das ist eine persönliche Angelegenheit.“

„Dann haben wir einen Deal?“, fragte Tegan und streckte ihr die Hand aus.

Sie machte keine Anstalten ihn anzufassen, besann sich jedoch eines besseren und legte ihre zierliche Hand in seine.

Tegan drückte zu, und Hunter bemerkte wieder, wie sich Mirabelles Haltung veränderte.

Der Jäger wusste, dass der Mann mit den grünlichen Augen seine Empathie einsetzte, was bei ihm selbst immer zu großem Unbehagen geführt hatte, doch die Frau blieb völlig ruhig und wartete geduldig darauf, bis er sie wieder los ließ.

Tegan runzelte die Stirn, warf einen letzten Blick auf Hunter und setzte sich dann wieder.

„Ein Jet wird uns in zwei Stunden am Flugplatz erwarten“, sagte Rio.

„Wir müssen vorher noch einen Abstecher bei mir zu Hause machen“, ließ Mirabelle in den engen Raum fallen. „Ich habe dort einen USB versteckt, der einige wichtige Daten beinhaltet, die dazu beitragen, euch meine Geschichte zu bestätigen.“

Das war schlau, dass musste selbst Hunter zugeben. Hieß das etwa, sie hatte Dragos schon seit geraumer Zeit aus von innen infiltriert? War sie deshalb seine Informantin geworden? Oder gab es einen anderen Grund dafür, weshalb sie solange bei ihm blieb? Hunter wurde schlecht bei dem Gedanken, Mirabelle wäre von dem abtrünnigen Vampir abhängig geworden. Aber erklärte das ihre Einstellung?

Nein, nicht im Geringsten.

Rio wendete und fuhr an die Adresse, die die Stammesgefährtin ihm diktierte und hielt kurze Zeit später neben einer Wohnsiedlung, bestehend aus eingezäunten Bäumen; Wohnhäuser, die so dicht aneinander gepresst waren, dass kein Zentimeter zwischen sie gepasst hätte und all das bestehend aus Backstein, von dem bereits die Farbe abblätterte.

Auf eine Schräge Art und Weise, machte die Siedlung einen wohlhabenden und gleichzeitig schmuddeligen Eindruck, aber was verstand schon ein Jäger von Architektur, wo er sein halbes Leben in einer spartanisch eingerichteten Zelle verbracht hatte?

„Warten Sie hier“, sagte sie und stieg aus.

„Bestimmt nicht“, erwiderte Hunter und folgte ihr.

„Es ist nicht nötig, mit mir zu kommen, chasseur. Es dauert nicht lange, und jetzt, da wir einen Deal haben, hätte ich auch keinen Grund zu fliehen.“ Mirabelle erklomm athletisch die Treppen und warf einen kurzen Blick über die Schulter.

„Du bist eine von Dragos Leuten. Ich bin nicht der einzige, dem man nicht trauen kann.“

„Touché“, sagte sie. Er meinte sogar, einen schwachen aber dennoch amüsierten Ton aus ihrer Stimme herauszuhören.

Im vierten Stock blieben sie endlich vor einer Tür stehen. Mirabelles Atem ging etwas schneller als zuvor, aber ansonsten zeigte sich nicht, dass sie erschöpft war. Hunter ging es körperlich bereits besser, als noch vor wenigen Stunden und mit gebrochenem Arm. Er spürte die Heilung nun zwar stärker voranschreiten, doch auch das würde sich bald ändern, wenn er demnächst nicht wieder auf Nahrungssuche ging. Der Hunger zehrte bereits wieder an ihm.

Hunter fragte nicht weiter, warum die Frau ihre Wohnung nicht absperrte als sie die Tür aufdrückte und ins Innere trat. „Warten Sie hier“, wiederholte sie ihre Worte von vorhin, doch diesmal blieb Hunter ausnahmsweise gehorsam und sicherte das Stockwerk.

Mirabelle würde ohnehin nicht verschwinden können. Die einzigen Wege waren eine Feuerleiter, vor der die Krieger parkten, und den anderen Ausgang bewachte Hunter.

Ihre letzte Chance, aus dem ganzen Schlamassel wieder herauszukommen, war der Orden. Er hoffte für sie, dass sie es nicht vermasselte.



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