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Das Band, das uns verbindet

von

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~2~

Manchmal wache ich auf und bin noch ganz orientierungslos, dann denke ich, ich wäre wieder elf Jahre alt und nichts hätte sich verändert. Aber es hat sich geändert, alles ist anders.

Nachdem unsere Eltern gestorben waren, kamen Leila und ich bei entfernten Verwandten unter. Es war keine schöne Zeit und ich erinnere mich nur ungern an die Ablehnung und Verachtung in den Augen unserer „Zieheltern“. Wobei der Begriff an sich schon maßlos übertrieben ist, wenn ihr mich fragt. Angesichts ihrer Gefühlskälte bin ich mit Leila abgehauen, da war ich ungefähr 16 Jahre alt. Wir haben es dort nicht mehr ausgehalten, Leila zog sich immer weiter zurück, je länger wir dort wohnten. Also entschloss ich, dass es Zeit sei von dort zu flüchten. Im Nachhinein war es das Beste, was ich hätte tun können, auch wenn es mir damals nicht so vorkam. Erklärt eurem Mieter mal, warum ihr als 16 Jähriger eine eigene Wohnung mieten wollt und dazu mit einem zehn Jahre alten Mädchen im Schlepptau. Natürlich wohnten wir in keinem angesehenen Viertel und auch die Wohnung hatte eindeutig bessere Zeiten gesehen, aber der Mann stellte keine Fragen.

Allerdings war das noch nicht der Gipfel meiner Sorgen, immerhin musste ich Leila in der Schule anmelden und ich wusste nicht, wie ich das schaffen sollte. Ich hielt mich schon damals nur mit „Gelegenheitsjobs“ und Schwarzarbeit gerade so über Wasser. Dennoch wollte ich für Leila nur das Beste, sie sollte einen guten Schulabschluss und etwas aus ihrem Leben machen. Das war ich ihr schuldig.

Schon kurz nachdem wir eingezogen waren, machte ich diverse Termine mit einigen gut angesehenen Schulen. Ich hatte nicht viel Hoffnung, dass sie Leila annehmen würden, aber versuchen musste ich es einfach. Die Hoffnung stirbt doch zuletzt, oder nicht?

Nach drei Nieten wollte ich schon fast aufgeben, weil ich das Schulgeld nicht aufbringen konnte doch bei der Letzten hatte ich Erfolg, so viel schon vorausgenommen. Die Direktorin sah sehr spießig aus und ihre Blütezeit war wahrscheinlich auch schon lange vorbei, aber sie lies mich in ihr Büro und ich konnte ihr mein Anliegen vortragen. Selbstverständlich erwähnte ich nicht, dass ich mit meiner Schwester allein lebte und ich für sie sorgte. Als sie nach unseren Eltern fragte, schwieg ich. Was sollte ich auch sagen? Egal welche Lüge ich ihr erzählen würde, sie würde es mir nicht abkaufen, das wusste ich sofort. Immerhin stand mir die Verzweiflung förmlich auf der Stirn.

Sie setzte sich halb auf ihren Schreibtisch und musterte mich von oben bis unten. So genau hatte mich noch niemand angesehen.

Glaubt mir ihr wollt nicht wissen, welchen Preis ich zahlen musste. Anfangs schämte ich mich, weil ich so tief gesunken war, dass ich mich verkaufen musste, doch den Gedanken verwarf ich sehr schnell wieder. Heiligt der Zweck nicht immer die Mittel? Ich wusste wofür ich es tat und deswegen kam ich damit klar. Leila wusste von dem natürlich nichts und ich tat alles, damit das auch so blieb.

Mit der Zeit habe ich gelernt, dass jeder Mensch eine Schwachstelle hat, einen wunden Punkt, mit dem man ihn aus der Reserve locken kann. Bei der Direktorin waren es junge Männer, die ihr ohne Wiederworte zu Diensten waren.

Erstaunlicherweise funktionierte unser stilles Abkommen und Leila konnte auf eine gute Schule gehen. Sie ist wirklich intelligent und ich zweifle nicht daran, dass sie ihr Abitur mit links schafft, bis dahin sind es nur noch zwei Jahre.

Müde erhebe ich mich aus meinem Bett, ihr müsst wissen, dass ich ein Morgenmuffel bin und morgens eigentlich zu nichts zu gebrauchen bin. Ein Glück ist Leila da ganz anders. Sie war schon eine Weile wach, obwohl es Samstag ist, ich wünsche ihr einen schönen guten Morgen und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. Ja ich weiß, ihr denkt jetzt „Ihh wie Kitschig“, aber so mache ich es schon seit ihrem ersten Schultag auf der neuen Schule, es ist zu so einer Art Tradition geworden. Auch sie wünscht mir einen guten Morgen, hatte ich erwähnt, dass sie wieder spricht? Nicht? Dann werde ich dazu später noch kommen. Wir frühstücken gemeinsam, heute habe ich mir frei genommen, um etwas mit ihr zu unternehmen.

„Was würdest du heute denn gerne machen?“

Sie lächelt nur, ab und zu verfällt sie wieder in ihr altes Verhalten zurück und schweigt lieber. Mir macht das nichts aus, ich weiß auch ohne Worte was sie sagen will. Dieses Mal besagt ihr Blick „Egal Hauptsache wir sind zusammen.“ Ich verdrehe die Augen, sie weiß, dass wir auf das Geld achten müssen und bittet mich nie um etwas, aber ab und an nagt es an meinem Ego und dann muss ich sie förmlich „zwingen“ etwas anzunehmen.

„Na gut, was hältst du von Shopping? Ich bin der Meinung, du bräuchtest mal wieder neue Kleidung.“ Noch bevor sie den Mund zum Wiedersprechen aufmachen kann, schüttle ich entschieden den Kopf. „Keine Angst, ich habe das Geld dafür schon länger angespart, also keine Wiederrede.“

In solchen Momenten hat sie einen sonderbaren Blick, ich kann es schwer beschreiben, vielleicht soll es einfach nur Danke heißen oder weiß was ich, aber mir wird jedes Mal warm ums Herz…



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