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Wurmlöcher

von

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Reflexion

26 – Reflexion
 

Hermine schluckte schwer. Sie konnte ihren Blick nicht von dem Voldemorts lösen.

Drückende Stille umhüllte sie, die immer schwerer zu werden schien, bis ein Krachen sie zerriss. Hermine zuckte zusammen, entspannte sich jedoch wieder, als sie zwischen ihnen einen Hauselfen erkannte.
 

Der kleine Kerl verbeugte sich tief vor Voldemort und verkündete zitternd: „Das Essen ist angerichtet, Milord.“

Voldemort nickte knapp. „Gut. Du kannst gehen, Tipsy.“

Mit einem zweiten Krachen verschwand der Elf wieder.
 

Voldemort blickte wieder zu Hermine auf. „Komm mit.“

Sie folgte ihm nach draußen auf den Gang.

„Merk dir den Weg“, murmelte er, während er Richtung Eingangshalle lief.

Sie nickte und folgte ihm. Sie gingen den gleichen Weg entlang, den Draco und sie heute schon in die andere Richtung gelaufen waren, bis sie den Speisesaal betraten, wo die beiden Tische schon relativ voll mit Todessern waren.
 

Hermine musste schlucken, als sie hinter Voldemort her zum Kopfende des einen Tisches ging. Er setzte sich direkt an die schmale Seite und winkte sie zu dem leeren Platz, der direkt neben ihm an einer der langen Seiten war. Darauf bedacht, keinen Todesser direkt anzusehen, setzte Hermine sich, der vielen Blicke, die auf ihr lagen, mehr als bewusst.
 

Voldemort klopfte einmal auf den leeren Tisch, und schon füllte er sich, wie Hermine es aus Hogwarts kannte, mit allem möglichen Essbaren. Unsicher wartete sie ab, bis er sich seinen Teller gefüllt hatte, dann erst nahm sie sich selbst etwas.

Eigentlich hätte es sie nicht wundern sollen, doch sie war dennoch positiv überrascht, wie gut das Essen schmeckte. Hauselfen. Natürlich.
 

Nach ein paar Bissen wagte Hermine es, sich umzusehen. Ihr gegenüber saß Snape. Als er ihren Blick bemerkte, runzelte er die Stirn und wandte sich ab. Sie presste einen Moment lang die Lippen zusammen und aß weiter. Klasse gemacht, dachte sie. Den Einzigen vergrault, der Kontakt nach draußen hatte und von sich aus freundlich zu ihr gewesen war.
 

Schwer schluckte sie den nächsten Bissen und blinzelte zu ihrer anderen Seite. Neben ihr saß Rodolphus Lestrange, und hinter ihm konnte sie seine Frau Bellatrix erkennen. Tief durchatmend senkte sie den Blick wieder. Sie war froh, dass Bellatrix nicht direkt neben ihr saß, auch wenn sie Rodolphus ebenso wenig einschätzen konnte. Er wirkte allerdings nicht ganz so wahnsinnig wie sie.
 

Schweigend leerte sie ihren Teller und suchte dann ein wenig unsicher Voldemorts Blick. Er wurde auch gerade fertig, schob seinen Teller von sich und beugte sich dann leicht zu ihr. Etwas beunruhigt stellte sie fest, dass sie keine Angst mehr vor ihm hatte. Vor den Todessern, ja, aber nicht mehr vor ihm selbst.

„Komm“, meinte er leise und erhob sich.

Sie folgte ihm, und die beiden verließen den Speisesaal.
 

Als sie außer Hörweite waren, brachte Hermine einen Gedanken zur Sprache, der schon eine Weile irgendwo in ihrem Hirn herumgegeistert war und jetzt Form annahm.

„Was hast du mit mir vor?“

Er blieb so plötzlich stehen, dass sie beinahe in ihn hinein gelaufen wäre.

„Wenn ich das wüsste“, murmelte er dumpf und so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob er das wirklich gesagt hatte. Sie schluckte und fragte nicht noch einmal.
 

Er schüttelte den Kopf, fuhr sich mit einer Hand darüber und meinte dann etwas lauter: „Komm. Ich bringe dich zu deinem Zimmer zurück. Wir reden morgen weiter.“
 

~*~
 

Hermine schlief nicht viel in dieser Nacht. Sie fühlte sich so wach wie schon eine ganze Weile nicht mehr. Kein Wunder nach fünf Tagen, die sie praktisch vollständig verschlafen hatte.

Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander, viel chaotischer, als es der Fall gewesen wäre, wenn sie sich auf etwas konzentriert hätte. Immer wieder tauchten alte Erinnerungen an den jungen Tom Riddle auf und vermischten sich mit Gesprächsfetzen von ihrem heutigen Gespräch mit Voldemort.
 

Je länger sie mit offenen Augen im Bett lag und in die undurchdringliche Dunkelheit starrte, desto öfter musste sie daran denken, dass er sich eine Entschuldigung von ihr gewünscht hatte. Alleine das zuzugeben musste einen Dunklen Lord einen Großteil seines Stolzes gekostet haben. Und im Lauf der stillen Minuten bildete sich langsam ein Knoten in ihrem Bauch, der sie schlucken ließ.
 

Sie hatte gedacht, das Richtige zu tun, ja. Aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, jemanden so hinterhältig zu manipulieren. Die Tatsache, dass sie ihn mit Freundschaft zu ändern versucht hatte und ihn in Folge dessen wirklich irgendwann gemocht hatte, war keine Entschuldigung.

Sie hatte ihn manipuliert. Daran gab es nichts zu rütteln.
 

Zwar war Manipulation etwas anderes als Folter und Mord, aber es war trotzdem eine Sache, die sie bei Voldemort und seinen Todessern – die Malfoys waren darin schließlich Meister - immer verteufelt hatte. Mal ganz davon zu schweigen, dass sie ihn auch erpresst hatte.

Wie konnte sie sich noch guten Gewissens zu den „Guten“ zählen, wenn sie die gleichen Mittel benutzte?
 

Wie konnte sie noch guten Gewissens behaupten, alles nur für den guten Zweck getan zu haben? Draco Malfoy war auch nur für seinen guten Zweck ein Todesser geworden – um den Dunklen Lord zu besänftigen und sich und seine Familie nicht in Gefahr zu bringen. Konnte sie damit die Dinge rechtfertigen, die Draco mit Sicherheit als Todesser tat? Nein.
 

Mit einem Seufzen drehte sie sich und blinzelte eine einsame Träne aus dem Auge, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie da war. Voldemort – nein, Tom – hatte Recht. Sie sollte sich entschuldigen. Dringend.
 

Sie war immer davon ausgegangen, dass er nie erfahren würde, was sie getan hatte und warum, und vermutlich hatte sie sich deswegen auch keine Gedanken darüber gemacht, wie er sich fühlen würde, wenn er es erfahren würde. Selbst vorhin bei ihrem Gespräch hatte sie nicht einmal eine Sekunde darüber nachgedacht.
 

Sie schluckte. Es war erstaunlich, wie sehr sie bei diesen Überlegungen verdrängt hatte, dass er auch nur ein Mensch war. Ein Mensch, der nicht viel Zuneigung in seinem Leben erfahren hatte und den das Wissen, dass ihre Zuneigung am Anfang gespielt und die echte niemals geplant war, tief verletzen musste. Tiefer als die meisten anderen Menschen, obwohl so etwas jeden hart traf.
 

Wieder wälzte sich Hermine herum und schniefte. Wann genau hatte sie angefangen zu weinen? Sie wusste es nicht.

Er hatte jedes Recht der Welt, wütend auf sie zu sein. Und sie konnte ihn zwar um Verzeihung bitten, aber sie wusste genau, dass er ihr nicht vergeben würde. Und sie konnte es ihm nicht einmal verübeln.
 

~*~
 

Ihrem Hunger nach zu schließen, musste es Zeit zum Frühstücken sein. Doch Hermine saß weiterhin starr ins Leere blickend auf ihrem Bett und rührte sich nicht.

Nach langen Stunden des Grübelns war sie letztendlich doch noch eingeschlafen und war viel zu früh wieder wach geworden. Sie fühlte sich wie gerädert. Nicht einmal die heiße Dusche hatte geholfen, und sie wusste auch, warum.
 

Es waren keine verspannten Muskeln oder so etwas. Es war das Wissen, dass sie Voldemort immer dafür verurteilt hatte, andere Menschen nicht zu wertschätzen, aber selbst nicht besser war. Sie hatte Tom, der noch lange nicht Voldemort gewesen war, manipuliert und teilweise auch für ihre Zwecke verwendet, ohne darüber nachzudenken, was er wohl davon halten würde, hatte es bis gestern Nacht nicht einmal in Zweifel gezogen, ob ihr Handeln richtig war.
 

Und sie wagte es nicht, ihm unter die Augen zu treten. Gryffindor hin oder her, sie konnte sich einfach nicht dazu aufraffen, aufzustehen und in den Speisesaal zu gehen. Das Wissen, dass er dort war, und dass sie direkt neben ihm sitzen würde, reichte, um ihren Hunger zu vergessen und stattdessen ihre Eingeweide zu verknoten.

Seufzend zog sie die Knie an, umschlang sie mit ihren Armen und stützte ihren Kopf darauf, während sie weiter ins Leere starrte.
 

~*~
 

Lord Voldemort war... beunruhigt. Hermine war nicht zum Frühstück gekommen. Während dem Essen hatte er versucht, den leeren Platz neben sich zu ignorieren, doch er hatte seine Blicke weit öfter auf sich gezogen, als es ihm selbst Recht war.
 

Himmel, sie hatte sein Leben beeinflusst wie niemand anders, hatte ihn verletzt und im Stich gelassen – und als er erfahren hatte, dass sie ihn doch nicht im Stich gelassen hatte, waren ihm im gleichen Moment ihre Erinnerungen an ihre gemeinsame Schulzeit ins Gesicht gesprungen, die für sie wohl nur eine Farce gewesen war.

Eine Farce, um ihn komplett umzukrempeln.
 

Das hatte ihn noch einmal tiefer getroffen als ihr Verschwinden. Und dann hatte sie noch nicht einmal einsehen wollen, dass sie vielleicht auch einmal Mist gebaut hatte, diese immer perfekte Alleswisserin...
 

Wütend stach er mit der Gabel auf sein Rührei ein und zerbröselte es dabei mehr, als dass er wirklich etwas aufspießte. Hatte sie überhaupt eine Ahnung, was sie getan hatte? Vielleicht sollte er sie ja solange in ihrem Zimmer einsperren, bis sie entweder zur Vernunft kam oder wahnsinnig wurde, das wäre dann auch kein großer Verlust, wenn sie es bis dahin nicht eingesehen hätte... Er schnaubte, als er feststellte, dass die Gabel wirklich nichts mehr nutzte, und griff nach dem Löffel.
 

Ein paar Bissen lang kam ihm der Gedanke brillant vor, dann machte sich bei der Vorstellung, Hermine einzusperren, Unbehagen in ihm breit. Als er das bemerkte, knirschte er mit den Zähnen. Das durfte doch nicht wahr sein!
 

Es war verdammte fünfzig Jahre her. Und seit sie vor sechs Tagen hier aufgetaucht war, war alles wieder hochgekocht, von dem er gedacht hatte, es vergessen zu haben. Nicht nur einfache Erinnerungen, nein, auch die Gefühle von damals. Und das hatte ihn, gelinde gesagt, ziemlich aus der Bahn geworfen. Genug, um seine Todesser eine Weile nicht mehr sehen zu wollen.
 

Doch die selbst verordnete Isolation hatte nichts geholfen. Im Gegenteil. Als er schließlich feststellte, dass seine Anhänger zu blöd waren, den Laden ein paar Tage ohne ihn am Laufen zu halten, hatte er mit einem Patronus Anweisungen geben wollen – doch es hatte nicht mehr funktioniert. Jedenfalls nicht mehr mit den Erinnerungen, die er bisher für seinen Patronus benutzt hatte. Stattdessen hatte sich immer wieder Hermines lachendes Gesicht in seine Gedanken geschlichen.
 

Nach dem zehnten Versuch hatte er schließlich seinen Widerstand aufgegeben und es mit dem Gedanken an Hermine versucht. Das Ergebnis hatte ihn wahrscheinlich nicht weniger erschreckt als seine Todesser.

Der Rabe hatte ihn nach Hermines Verschwinden noch ein paar Monate begleitet, aber er wurde nach seinem Schulabschluss, als er begann, sich mit den Dunklen Künsten zu beschäftigen, von einer Schlange abgelöst. Ihn jetzt wieder zu sehen, war ein Schock gewesen.
 

Seine Wut war zwar nicht weniger geworden, aber er war wütend auf sich selbst gewesen, weil er nicht mehr wütend auf sie war. Zumindest, bis sie ihm gestern mit gebrochener Miene, aber klarer Stimme ins Gesicht gesagt hatte, dass sie sich nicht entschuldigen würde. Doch auch da war seine Wut auf sie erschreckend schnell abgeflaut – und alles nur, weil sie gesagt hatte, dass es ihr am Ende auch nicht mehr gefallen hatte, ihn anzulügen. Das sollte ihm eigentlich egal sein, immerhin änderte es nichts daran, was sie getan hatte, verdammt! Warum war es ihm dann nicht egal?
 

Er knirschte erneut mit den Zähnen, schob seinen leeren Teller von sich und beschloss, ihr wenigstens zu zeigen, wo ihr Platz war.

Während er aufstand und durch die langen Gänge lief, formte sich eine Idee in seinem Kopf. Keine nette Idee. Er musste etwas tun, um sie auf Distanz zu halten – sonst würde er noch so etwas Idiotisches tun wie ihr zu verzeihen, ohne dass sie sich entschuldigt hatte, und das war absolut inakzeptabel.



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