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Wurmlöcher

von

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Neue alte Schule

5. Neue alte Schule
 

Als Hermine am nächsten Morgen erwachte, schliefen die anderen noch. Es war zwar Montag, doch entweder war sie ungewöhnlich früh aufgewacht, oder sie war in einem Jahrgang voller notorischer Langschläfer gelandet. Rasch warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war erst sechs Uhr morgens.
 

Sie runzelte die Stirn, während sie dem Sekundenzeiger mit den Augen folgte. Funktionierte die Uhr seit der Zeitreise überhaupt noch richtig?

Sie schlug die Bettdecke zurück, tappte barfuß durch den runden Schlafsaal und lugte vorsichtig auf Laurens Uhr. Sechs Uhr. Sie funktionierte.
 

Mit einem Lächeln suchte Hermine sich ihre Klamotten zusammen und ging ins Badezimmer. Dumbledore musste das gedreht haben. Ob es diesem hier oder dem aus der Zukunft zu verdanken war, war unwichtig. Oder?
 

Während sie das warme Wasser über ihren Körper laufen ließ und sich langsam einseifte, drehten ihre Gedanken im Kreis. Wenn es der aus dieser Zeit gewesen war, war alles ganz simpel - er hatte einfach in einem unbeobachteten Moment die Uhr auf die hiesige Uhrzeit eingestellt. Der aus der Zukunft - hätte er es überhaupt gekonnt? Ja, gab sie sich sogleich die Antwort. Er hatte seine Erinnerungen durchforstet nach einem geeigneten Zeitpunkt, da hatte er natürlich auch gewusst, wie spät es zu diesem Zeitpunkt gewesen war. Es war für beide ohne große Schwierigkeiten möglich gewesen, also war es unwichtig.
 

Sie trocknete sich ab, zog sich an und kämmte ihre Haare. Bildete sie es sich nur ein, oder waren die über Nacht noch buschiger geworden? Rasch murmelte sie einen Zauber, und die gröbsten Knoten lösten sich. Sie band die Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Heute hatte sie Kräuterkunde und Zaubertränke, da wollte sie sie nicht im Weg haben.
 

Als sie wieder in den Schlafsaal trat, saß eins der anderen Mädchen gähnend in ihrem Bett. Delia Stone hieß sie, wie Hermine sich erinnerte. Ihre langen, schwarzen Locken ringelten sich auf ihrem hellgelben Nachthemd, das ihre helle Haut in der Morgensonne noch blasser wirken ließ.

„Morgn“, nuschelte sie, als sie Hermine erkannte, und tappte ins Bad.
 

Hermine sah sich um, ob die anderen vier noch schliefen, und als sie feststellte, dass sie es taten, fischte sie ihre alles fassende Tasche unter dem Bett hervor, wo sie unter der Illusion eines Schrankkoffers verborgen gewesen war.
 

Sie hatte nachgeforscht - es gab zwar bereits alles fassende Taschen, aber diese waren definitiv größer, unförmiger, schwerer und vor allem war der Zauber nicht unortbar zu machen, wie sie es mit ihrer Tasche getan hatte. In der Zukunft war das nur eine kleine Modifikation gewesen - hier jedoch arbeitete bereits der Grundzauber ganz anders. Sprich, Hermine musste diese Tasche verstecken, sollte nicht bekannt werden, dass sie aus der Zukunft kam.
 

Sie verwandelte eine einzelne Socke in einen echten Schrankkoffer. Das war ein schönes Stück Arbeit, doch sie schaffte es. Da hinein kamen alle ihre Schuluniformen, Umhänge, Roben, Blusen und Röcke. Die Hosen blieben in ihrer Tasche. Frauen trugen im Jahr 1945 noch keine Hosen. Auch das würde sie verraten.

Die Schulbücher hatte sie gestern in der Bücherei noch so verzaubert, dass sie wie ihre älteren Auflagen aussahen, und sich die Bücher, die mittlerweile durch andere ersetzt worden waren, ausgeliehen. Die neuen Bücher, die nicht zu ihren Schulbüchern gehörten, blieben auch in der Tasche, während sie eine zweite Tasche, diesmal eine normale, aus der alles fassenden zog. Ihre alte Schultasche.

Rasch stopfte sie Bücher, Pergament, Federn und ihr verkleinertes Zaubertrankset hinein und steckte dann die alles fassende Tasche verkleinert in ihre Rocktasche.
 

Mit der Schultasche bewaffnet trat sie aus dem Schlafsaal, bevor noch mehr von ihren neuen Klassenkameraden aufwachten. Sie hatten sie zwar alle sehr freundlich begrüßt, doch Hermine verspürte keinen großen Drang, sich mit ihnen anzufreunden. Bei dem, was sie tat, waren Freunde, die nicht in Slytherin waren, sowieso eher lästig.
 

Im Gemeinschaftsraum angekommen, drehte sie sich einmal um sich selbst und sog die neuen Eindrücke in sich auf. Der Ravenclawturm war ihr bisher nicht viel anders vorgekommen als der Gryffindorturm, doch gestern Abend hatte sie feststellen müssen, dass die beiden nicht unterschiedlicher hätten sein können. Ravenclaws waren Kopfmenschen, Rationalisten, und die Einrichtung entsprach ihrer Denkweise: Kühl und pragmatisch.
 

Die Sofas und Sessel waren zwar bequem, aber im Gegensatz zu Gryffindor, wo der Gemeinschaftsraum aussah wie ein riesiges Wohnzimmer, nahmen sie nicht einmal die Hälfte des Platzes ein. Stattdessen standen hier viele Schreibtische und Bücherregale mit Nachschlagewerken und sämtlichen Schulbüchern. In der Ecke gegenüber der Tür stand eine Statue von Rowena Ravenclaw. Bilder gab es keine an den Wänden, nur blaue und bronzene Stoffbanner - dafür waren in zwei Wänden viele hohe Bogenfenster, die einen atemberaubenden Blick über das Schlossgelände und den See preisgaben, während die Decke offensichtlich mit dem gleichen Zauber belegt war wie die der großen Halle und gerade einen blassen Sonnenaufgang im Nebel zeigte.
 

Hermine sog all das in sich auf und durchquerte den Raum dann, um zum Frühstück zu gehen. Sie öffnete die schlichte Holztür, die ihr am Vorabend statt einem Passwort ein Rätsel präsentiert hatte, und lächelte. Es war keine narrensichere Methode, um Nicht-Ravenclaws draußen zu halten, doch das sollte es auch gar nicht. Jeder, der Ravenclaws würdig war, war eingeladen, hereinzukommen. Hermine mochte den Gedanken, der dahinter steckte. Es war bei weitem nicht so stumpfsinnig wie das Passwort, das sich Gryffindors und auch Slytherins merken mussten.
 

Sie stieg die lange, enge Wendeltreppe nach unten und durchquerte dann den Westflügel. Es war noch niemand auf den Gängen zu sehen, doch sie hielt sich trotzdem von allen Geheimgängen fern und nahm den langen Weg nach unten in die Große Halle, genau den Weg, den Lauren gestern mit ihr gegangen war.
 

Als sie wieder einmal auf eine der Treppen wartete, die ihre Richtung nicht ändern wollte, beschloss sie, gleich nach dem Unterricht eine inszenierte Erkundungstour durch die Schule zu machen. Sie hasste das Haupttreppenhaus. Hier hatten die Treppen den Raum, die Richtung wie wild zu ändern, und taten nie das, was man gerade brauchte. In den Geheimgängen war meist rechts und links von einer Treppe Wand, sodass sie immer in die gleiche Richtung und in das gleiche Stockwerk führte.
 

Außerdem würde sie heute Abend wieder einmal "Eine Geschichte von Hogwarts" durchlesen. Sie kannte das Buch zwar bereits auswendig, doch wenn sie es gelesen hatte, konnte sie ohne zu lügen behaupten, sich zumindest grob in Hogwarts auszukennen und niemand würde Verdacht schöpfen. Sie würde zwar gegenüber den Ravenclaws etwas vorsichtiger sein müssen, als sie es von ihren Gryffindors gewohnt war, doch wenn sie die Ravenclaws nicht täuschen konnte, wie wollte sie dann Tom Riddle etwas vormachen?
 

Sie betrat die Große Halle, stellte mit einem Blick auf den Himmel fest, dass immer noch dichter Nebel herrschte, und sah sich um. Fast wäre sie zum Gryffindortisch gegangen, doch sie blieb noch rechtzeitig stehen, bevor es jemandem auffallen konnte. Die Halle war relativ leer, es war gerade erst sieben. Dumbledore saß bereits an seinem Platz und aß munter vor sich hin lächelnd ein Brot mit - Nutella? Nun, bei Dumbledore sollte es sie nicht weiter wundern. Sie nickte ihm zu, als er sie breit anlächelte.
 

Am Ravenclawtisch saßen bereits ein paar ältere Schüler, doch sie kannte keinen davon. Vom Hufflepufftisch winkte ihr jedoch eine bereits putzmuntere Lucy zu. Hermine lächelte und setzte sich zu ihr.
 

„Guten Morgen!“, meinte Lucy überschwänglich.

„Morgen“, antwortete Hermine und griff nach der Teekanne. Lucy strahlte geradezu.

„Bist du morgens immer so gut gelaunt?“

Lucy nickte. „Ich bin eine ziemliche Frühaufsteherin. Meine Freunde haben mir sogar schon mal Traumlosschlaftrank verpasst, damit ich sie am Wochenende nicht aufwecke.“
 

Hermine grinste und nahm einen Schluck schwarzen Tee. Sie selbst war zwar keine Langschläferin, aber ganz auf Touren war sie morgens ohne ihren Tee nicht.

Lucy warf einen Blick in Hermines Tasse und schüttelte sich. „Du trinkst den Tee schwarz? Da würde es mich schütteln.“

Sie füllte ihre Tasse erneut und griff nach der Zuckerdose, die zwar einen Fluchtversuch unternahm, aber von Hermines strengem Blick gestoppt wurde.
 

Lucy seufzte. „Danke. Irgendwie mögen mich die Zuckerdosen nicht... Wie machst du das?“

Hermine schnappte sich die Schüssel mit den gebackenen Tomaten und lud sich den Teller voll.

„Ungesagter Impedimenta“, meinte sie kurz angebunden und begann zu essen. Jetzt erst bemerkte sie, dass sie Hunger hatte.

Lucys Augen wurden groß. „Ohne Zauberstab?“
 

Hermine blickte auf und verfluchte sich im nächsten Moment selbst. Zauberstablose Magie sollte sie eigentlich noch nicht beherrschen. Das war, wenn überhaupt, Stoff der siebten Klasse. Hermine hatte es während ihrem Duelltraining für den Kampf gegen Voldemort gelernt. Jetzt musste sie sich etwas einfallen lassen.

Sie dankte Merlin dafür, dass sie wenigstens nur Lucy vor sich sitzen hatte und nicht Lauren.
 

Sie zuckte mit den Schultern. „Manchmal kann ich das. Nicht immer. Ich weiß selber nicht, wieso.“

Lucy nickte stumm, mit Bewunderung in den Augen. Hermine atmete innerlich auf. Lucy hatte die Geschichte geschluckt. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass sie es nicht Lauren erzählte. Die würde nämlich mit Sicherheit nachbohren. Sie hatte sie gestern schon am längsten gelöchert.
 

Schweigen kehrte zwischen ihnen beiden ein. Hermine ließ den Blick durch die Halle schweifen - und konnte sich gerade noch davon abhalten, zusammen zu zucken.

Tom Riddle hatte gerade die Halle betreten, zusammen mit zwei Jungen in seinem Alter, die Hermine irgendwie bekannt vorkamen.
 

Sie war sich sicher, diese Gesichtszüge schon irgendwo gesehen zu haben, wusste nur nicht mehr genau, wo. Rasch verglich sie die Gesichter mit denen aller Zauberer, die in ihrer Zeit Professor McGonagalls Alter gehabt hatten, doch es wollte ihr keiner einfallen.

Vielleicht Väter von jemandem, den sie kannte? Doch dann konnte sie nicht mehr vergleichen - immerhin hatten die Söhne sicher auch Merkmale von ihren Müttern.

Sie beschloss, es auf sich beruhen zu lassen, obwohl ihr Gehirn sich am liebsten zu einem Fragezeichen verbogen hätte. Wenn diese Personen wichtig für Tom Riddle waren, würde sie schon noch erfahren, wie sie hießen.
 

Ihr Blick kreuzte den von Tom Riddle. Kaum einen Moment später spürte sie wieder den mentalen Fühler in ihrem Geist, der gestern schon versucht hatte, ihre Barrieren zu durchbrechen. Sie legte den Kopf schief, setzte ihr süßestes Lächeln auf und katapultierte ihn wieder heraus.

Diesmal zog er eine Augenbraue hoch, nickte ihr dann jedoch zu und setzte sich an den Slytherintisch. Hermine grinste innerlich, während sie weiter aß.
 

Es schien fast so, als hätte sie ihn auf sich aufmerksam gemacht, weil sie Okklumentik beherrschte - oder auch nur bemerkte, dass er in ihren Geist einzudringen versuchte. Er stellte sich geschickt an, krachte nicht mit voller Wucht gegen ihre Schilde, sondern schob langsam und bedacht einen Fühler an sie heran, in der Hoffnung, ein kleines Schlupfloch zu finden.
 

Sie war sich sicher, hätte sie keinen Unterricht in Okklumentik und auch Legilimentik gehabt, sie hätte ihn nicht bemerkt. Das wiederum ließ sie vermuten, dass Tom bei jedem, der ihm gerade über den Weg lief, Legilimentik anwendete.
 

Die Vorstellung war erschreckend; allein die Tatsache, dass er auf sie aufmerksam geworden war - und zwar mehr als auf einen normalen neuen Schüler - passte ihr gut ins Konzept.

Ein Problem weniger, über dass sie sich Gedanken machen musste.
 

~*~
 

Eine halbe Stunde später hatte auch Lauren, die sich wenig später zu ihnen gesetzt hatte, fertig gefrühstückt und die drei drehten eine Runde über die Ländereien, am See vorbei, bis zu den Gewächshäusern. Hermine warf einen Blick auf Hagrids Hütte. Es war bereits Hagrids Hütte, da war sie sich sicher.
 

Sie erinnerte sich noch daran, dass Harry ihr erzählt hatte, Tom hätte die Kammer in seinem fünften Jahr geöffnet. Als sie diesen Gedanken weiter dachte, musste sie schlucken.

Myrthe war bereits durch Toms Hand gestorben. Dieser Junge war gefährlich.
 

Bevor sie jedoch weiter darüber grübeln konnte, ob es das Risiko wert war, sich mit ihm einzulassen, waren sie angekommen und betraten Gewächshaus vier, wo bereits ein freundlich lächelnder Professor in einem braunen, abgewetzten Umhang vor dem großen Arbeitstisch wartete.
 

„Das ist Professor Merrythought“, flüsterte Lauren ihr zu. „Er ist ziemlich gutmütig und macht gerne lustigen Unterricht, aber seine Prüfungen sind gnadenlos.“ Hermine nickte, als die Glocke läutete und der Unterricht begann.
 

Sie stellte schon nach zwei Minuten fest, dass sie das Thema der Stunde bereits kannte, und ihre Gedanken schweiften ab, zurück zu Tom Riddle und der Kammer des Schreckens. Doch sie drehte sich im Kreis.
 

Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu dem Punkt zurück, an dem sie selbst vor so langer Zeit in ihrem Taschenspiegel zwei große, gelbe Augen gesehen hatte, hinter der nächsten Ecke ein Zischeln gehört hatte - und dann rückwärts umgefallen war, ohne die Möglichkeit, sich zu bewegen.
 

Ihre Augen waren zu dem Zeitpunkt offen gewesen, und ihr Bewusstsein war nicht mit eingefroren worden. Die folgenden Wochen hatte sie auf der Krankenstation verbracht, teilweise schlafend mit offenen Augen, teilweise hellwach.
 

Sie musste sich mit Gewalt davon abhalten, wieder zu zittern. Immer, wenn sie an diesem Punkt ihrer Erinnerungen angelangt war, begann sie zu zittern. Und das seit Jahren.
 

Sie hörte Madam Pomfrey förmlich vor sich, wie sie sagte: „Es ist einfach sinnlos, zu einer versteinerten Person zu sprechen.“

Das bewies nur, dass Madam Pomfrey selbst noch niemals versteinert gewesen war. Denn es stimmte einfach nicht.
 

Hermine hatte zwar nicht antworten oder sich anderweitig bemerkbar machen können, doch sie hatte jedes Wort verstanden, das in den langen Wochen damals zu ihr gesagt worden war. Sie hatte mitbekommen, was um sie herum geschah.
 

Sie hatte jede einzelne Sekunde ihr Schicksal verflucht - nur dazuliegen und nichts, absolut gar nichts tun zu können, sich nicht einmal kratzen, wenn es sie irgendwo juckte, oder die Augen schließen, wenn sie schlafen wollte.
 

Sie konnte von Glück reden, dass ihr Stoffwechsel von Madam Pomfrey mit eingefroren worden war. Jedenfalls soweit, wie es möglich war. Ansonsten... Hermine schüttelte sich bei dem Gedanken an Magensonden, Infusionen und Windeln, die auch in der magischen Medizin eingesetzt wurden, weil es einfach keine magischen Entsprechungen gab. Die Nährstoffe mussten nun einmal in den Körper und der Abfall wieder heraus.

Sie war heilfroh, dass ihr zumindest diese Peinlichkeit erspart geblieben war. Es war schwer genug gewesen, all die langen Tage nicht wahnsinnig zu werden.
 

Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, beschloss, ab sofort wieder einen Spiegel mit sich herumzutragen und konzentrierte sich auf ihre Pflanzen, die sie umtopfen sollte.

Einzig der Gedanke, dass die Kammer des Schreckens wohl nicht mehr geöffnet werden würde - sie wüsste es sonst! - gab ihr ein wenig Ruhe wieder, doch die Angst vor dem Basilisken blieb.
 

~*~
 

Nach dem Kräuterkundeunterricht verabschiedete sich Lucy in der Eingangshalle von Lauren und Hermine und marschierte in ihre Verwandlungsklasse. Lauren und Hermine jedoch machten sich auf den Weg in die Kerker, zu Zaubertränke.
 

Lauren beschrieb Hermine den Weg und zeigte ihr Türen und Statuen, an denen sie sich orientieren konnte, denn, wie sie sagte waren die Kerker berüchtigt dafür, dass sich Erstklässler darin verliefen.

Hermine wunderte sich kein bisschen, dass diesmal mehr Schüler den gleichen Weg wie sie gingen - welche Ravenclaws waren auch so verrückt, in den Kerkern nach Geheimgängen zu suchen?
 

Als sie bei ihrem Klassenzimmer angekommen waren, setzte Lauren sich mit einem entschuldigenden Blick zu Hermine neben eine Slytherin, mit der sie schon nach einem Moment ein scheinbar anregendes Gespräch begann. Es gibt also auch nette Slytherins, dachte Hermine, während sie sich nach einem freien Platz umsah.
 

Sie waren wohl ziemlich spät gekommen, denn so gut wie alle Plätze waren bereits besetzt. Der einzige freie, den Hermine auf die Schnelle entdeckte, war neben ihm.

Tom Riddle.
 

Sie holte tief Luft. Es war also so weit.

Sie straffte die Schultern und durchquerte rasch den Klassenraum, bis sie neben seinem Tisch stand.

„Ist hier noch frei?“, fragte sie, und beglückwünschte sich selbst dafür, dass ihre Stimme nicht zitterte. Sie hatte Angst vor ihm, das war ihr gerade in Kräuterkunde mehr als alles andere bewusst geworden.

Er war der Dunkle Lord. Er wusste es zwar noch nicht, aber die Veranlagung besaß er bereits.
 

Er blickte sichtlich überrascht auf, musterte sie einen Moment und nickte schließlich. Kaum hatte sie sich gesetzt, spürte sie wieder den Fühler in ihrem Geist. Sie seufzte, stellte ihre Tasche ab und sah ihm dann ins Gesicht, während sie den Fühler beseitigte.
 

„Wie wäre es, wenn du dich erst mal vorstellst? Dann kannst du mich gerne fragen, was du von mir wissen willst, und wir sparen uns dieses Theater“, meinte sie leise.
 

Tom blickte wieder überrascht. Hermine musste sich ein Grinsen verkneifen. Es fühlte sich gut an, ihn überraschen zu können. Doch schon nach einem Moment hatte er wieder seinen ausdruckslosen Blick aufgesetzt, was ihren Triumph etwas dämpfte. Er streckte ihr seine rechte Hand hin.

„Gestatten, Tom Vorlost Riddle, Vertrauensschüler aus Slytherin“, sagte er übertrieben gekünstelt.
 

Hermine zog eine Augenbraue in die Höhe, ergriff seine Hand jedoch. Sie war überrascht, als sie seine warme Haut und seinen festen Händedruck spürte. Irgendwie war sie immer davon ausgegangen, dass seine Haut kalt wäre... Doch warum sollte sie das sein? Im Moment war er ein Mensch wie jeder andere auch.

Diese Erkenntnis erschütterte sie ein wenig, aber nicht genug, als dass sie ihre verschlossene, freundlich Miene aufgegeben hätte.

„Ich nehme an, du hast meinen Namen noch nicht vergessen?“, gab sie zurück. „Trotzdem. Ich bin Hermine Wilson. Schön, dich kennen zu lernen.“

Er nickte knapp. „Ebenfalls – auch wenn das überflüssig war.“
 

Sie lächelte schmal und ließ seine Hand genau in dem Moment los, in dem Professor Slughorn das Klassenzimmer betrat. Sie musste schlucken, als sie ihn wieder erkannte. Er war noch nicht ganz so ausladend wie zu ihrer Zeit, und seine Haare waren noch voll und strohblond. Alles in allem sah er beinahe gut aus, mit seinem beinahe doppelt so großen Bart wie in ihrer Erinnerung und seinen blitzenden Augen.
 

Er ließ den Blick suchend über die Klasse wandern, bis er an ihr hängen blieb. „Miss Wilson! Herzlich Willkommen in meinem Kurs! Ich freue mich außerordentlich, Sie hier zu sehen! Professor Dippet hat mir gegenüber erwähnt, dass Sie Zaubertränke an Morgana mit Ohnegleichen abgeschlossen haben, stimmt das?“

Hermine nickte.

Slughorn lächelte breit. „Nun, dann werde ich hoffentlich von Ihnen heute nicht enttäuscht werden!“
 

Er wandte sich wieder an die ganze Klasse. „Ich werde jedem von Ihnen jetzt eine Phiole mit einem Ihnen unbekannten Trank geben. Bis zum Ende der Stunde analysieren Sie mir bitte diesen Trank, und als Hausaufgabe erwarte ich einen Aufsatz, in dem Sie Ihr heutiges Vorgehen beschreiben sowie den Trank, den Sie erhalten haben, mit seinen Zutaten, Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten!“
 

Er schnippte mit dem Zauberstab, und auf jedem Platz erschien eine kleine Phiole.

Hermines war ein durchscheinender, blauer Trank, der ein wenig blubberte, fast wie Mineralwasser. Sie entkorkte das Fläschchen, roch daran und musste lächeln, als sie ihn als Heiltrank erkannte. Was genau er heilte, sah sie zwar noch nicht, doch da sie wusste, dass es ein Heiltrank war, wusste sie auch, mit welchen Lösungsmitteln sie die einzelnen Substanzen isolieren konnte.
 

Sie stand auf und sah sich kurz um, bis ihr Blick auf den offenen Zutatenschrank fiel, bevor sie dorthin ging. Die meisten anderen durchblätterten ihre Bücher, ein paar schnüffelten schon fast an ihren Tränken, doch alle saßen noch auf ihren Plätzen.

Fast alle.
 

Tom hatte das Klassenzimmer lautlos eine Bankreihe weiter durchquert und kam gleichzeitig mit ihr am Schrank an. Während sie sich ihre Zutaten zusammensuchten, meinte er leise: „Ohnegleichen? In Hogwarts wäre das mit Sicherheit nur ein „Erwartungen übertroffen“. Morganas Standards sind bei weitem nicht auf Hogwartsniveau.“

Hermine schnaubte nur und murmelte: „Wir werden sehen.“
 

Die beiden kehrten schweigend auf ihre Plätze zurück und begannen zu arbeiten. Hermine wusste, dass er ein Genie war, doch sie konnte nicht anders, als beeindruckt zu sein, bei jedem Blick, der auf seine Bankhälfte hinüber schweifte, während sie auf eine Reaktion ihres Tranks wartete. Er arbeitete schnell, geschickt und präzise. Keine einzige Bewegung wurde ohne Sinn und Ziel ausgeführt, keine Anstrengung zu viel unternommen, nicht einmal die Stirn hatte er gerunzelt.

Er hatte entweder einen leichter in seine Bestandteile zu trennenden Trank bekommen, oder er war schlichtweg schneller als sie.
 

Jedes Mal, wenn sie das feststellte, kehrte sie nur noch verbissener an ihren eigenen Trank zurück. Ein Gedanke hatte sich erst nur ganz leise, dann immer lauter in ihrem Kopf festgesetzt: Ihn zu übertreffen. Ihm zu zeigen, dass er nicht unschlagbar war. Dies in dieser Zeit auf so viel simplere Weise tun zu können als in ihrer, hatte sie beflügelt.
 

Dennoch brauchte sie fast die ganze Stunde, um ihren Trank in seine Bestandteile zu zerlegen und zu analysieren, in welcher Reihenfolge sie zugegeben worden waren und reagiert hatten, während er bestimmt die letzten zwanzig Minuten lang schon an seinem Aufsatz saß.
 

Es wurmte sie mehr, als sie sich selbst eingestehen mochte, dass sie ihn nicht hatte übertreffen können, so dass sie beim Klingeln aufsprang und, ohne sich von ihm zu verabschieden, wie sie es ursprünglich geplant gehabt hatte, aus dem Klassenzimmer rauschte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  EvelynPrice
2010-06-01T20:28:44+00:00 01.06.2010 22:28
Nutella???^^
Also war wieda supi geschrieben^^
bin schon gespannt wie oft Mine sich noch verplappern wird
es würde mich natürlich besonders freuen, wenn du Tommi noch mit
weiteren "Peinlichkeiten" ausstatten würdest ;D
Vielleicht kann Mine ihn ja mit ihrem Aufsatz übertrumpfen?
lg
Evy
Von:  SnoopFroggyFrog
2010-06-01T19:45:21+00:00 01.06.2010 21:45
Echt, deine Einfälle, was Dumbledore betrifft, sind klasse XDDDD ich wette, das stimmt, nach dem, was man von Dumby weiß^.~
Aber Tom hast du echt gut hingekriegt, so schweigsam. Passt vollkommen, auch wenn ich mir wünschen würde, dass er öfter auftauchen würde ;P Bin nun mal ein Fan von ihm XDDD
Das kann aber auch noch was werden, willst du vielleicht darauf hinaus, dass das jetzt ein ewiger Konkurrenzkampf wird?^^ Könnt's mir ja vorstellen, bei Hermine :P da haben beide mal ernsthafte Konkurrenz bekommen XD

Tja, ich freu mich schon auf das nächste Kappi von dir, meine Meinung solltest du ja kennen^.~
Lg, YunYun^-^
Von:  Gelosia
2010-06-01T16:54:09+00:00 01.06.2010 18:54
Dambi ist doch immerwieder für Überraschungen offen oder? - Nutella, ich mein' 'Hallo'?? Wenn das wahr ist, ess' ich mein Radiergummie xDD
Ich hab' da so das Gefühl, dass Mine sich nicht gerne übertrumpfen lässt ^^'

freu mich schon auf's nächste 'Pitel x33
lg
ヤミ


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