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Runenherz

Weltenwandler Chroniken Teil 1
von

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Am Ende des Weges

Die Suche nach Yaris stellte sich als schwerer heraus als gedacht. Es war seltsam plötzlich die Jägerin zu sein und nicht mehr die Gejagte. So musste Runa nun umdenken und sich eben ab und zu doch Hilfe von Anderen erbitten. So fragte sie herum, doch brauchbare Hinweise kamen in der ersten Zeit absolut keine. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass der Herbst ins Land gezogen war und die Nächte kälter und länger wurden. Die Blätter färbten sich erst in den wunderschönsten Farben, bis sie schließlich tot zu Boden fielen und nur noch ödes Geäst zurückließen. Außerdem wurde mit jedem dahinziehenden Tag die Einsamkeit in ihr größer und größer. Besonders Spot vermisste sie und wenn sie eine Amsel sah, dachte sie oft, es würde sich um ihn handeln, doch sie alle flogen verwirrt weg, wenn sie auf die Vögel zustürmte. Das Federvieh hielt sich eben von Wölfen fern, so gehörte es sich auch, doch in ganz seltenen Fällen gab es eben doch einmal eine Ausnahme.
 

Das Rudel von Yaris konnte in dem felsigen Gebiet sehr gut überleben. Zum Jagen eignete sich natürlich die ebene Grasfläche, die auch zum Revier gehörte, viel besser, aber ansonsten gab es alles was man benötigte bei den Höhlen, die von den Wölfen in Beschlag genommen worden waren. Innerhalb des unterirdischen System fand man sogar einen kleinen See, etwas Schöneres hatte Runa nie zuvor gesehen, denn an diesem Ort ragten Kristalle aus den Wänden und wenn durch die Decke, die einige Löcher hatte, etwas Licht hereinfiel, glitzerten diese in den wildesten Farben. Von dem Gewässer führte ein kleiner Bach weg und wenn man dem eine Weile folgte, kam man nach draußen in einen Garten, wie die Gelbe es nannte. Dort gab es eine Menge Blumen und Pflanzen und irgendwie hatte sich dieser Ort zu ihrem Lieblingsplatz entwickelt. Inzwischen wusste jeder im Rudel, dass die Alphawölfin sich dorthin zurückzog und somit traf man an diesem Platz auch keinen anderen Wolf an, außer Yaris suchte nach seiner Gefährtin.

Die junge Fähe saß am Wasser und blickte auf ihr Spiegelbild, das durch die leichte Strömung ziemlich verwischt aussah. Heute konnte man ihr die Traurigkeit richtig ansehen, etwas was sie nur hier herauslassen durfte, ansonsten musste sie immer die Starke spielen, immerhin führte sie jetzt ein Rudel an. Die Sonne schien ihr auf den Pelz, doch sie wärmte kaum, da man noch die Nachwirkungen des Winters spürte. Trotzdem sprießten schon die ersten Knospen aus dem Untergrund, die bald den ganzen Garten in ein Meer aus Farben tauchen würden. Nicht einmal dieser Gedanke erheiterte die Wölfin. Plötzlich landete eine Amsel mit einem weißen Punkt auf der Stirn in ihrer Nähe und unterbrach ihre Träumerei. Frech hüpfte diese näher und holte sich ein Korn, das neben Runas Pfote lag.

Dann sah er ihr in die grünen Augen und legte den Kopf schief: „Gratuliere.“

„Bitte was?“ Die Empörung über diese Unverschämtheit hörte man deutlich aus ihrer Stimme heraus. Vögel wagten es normalerweise nicht Wölfe anzusprechen.

„Na, es ist doch in aller Munde. Die Leitwölfin vom dunklen Rudel ist trächtig“, bekam sie als Antwort.

„Aber…“ Weiter kam sie nicht, denn das bittere Gefühl in ihrer Magengegend verschlug ihr die Sprache, so dass sie nur den Kopf senken und versuchen konnte den Störenfried zu ignorieren.

Doch dieser ließ sich nicht so leicht abwimmeln: „Naja, glücklich scheinst du ja nicht darüber zu sein.“

„Was geht dich das an?“, kam ein Knurren zurück. „Es hat dich nicht zu interessieren.“

„Ja, da hast du Recht.“ Er drehte sich um und wollte schon gehen, doch dann entschied er sich anders und meinte: „Keine Ahnung warum es für mich so wichtig ist, vielleicht liegt es daran, dass ich dich schon kenne, seit dich denken kann.“

„Was redest du da?“

„Erinnerst du dich nicht? Der Zoo. Mein Nest lag in den Bäumen des Wolfkäfigs. Dort bin ich geschlüpft und dort sah ich dich größer werden. Du warst etwas Besonderes, das habe ich gesehen. Ein magisches Wesen.“

Verwirrt schüttelte sie den Kopf: „Nein, hör auf. Ich will das nicht hören. Magie bringt nur den Tod, das musste ich lernen. Für immer werde ich sie hassen.“

„Am Tod deiner Schwester trägt nur einer Schuld. Ohne seinen Angriff…“

„SCHWEIG!“ Woher der Vogel überhaupt davon wusste, war ihr nicht ganz klar, aber in dem Moment erachtete sie das auch nicht als wichtig.

„Runa, du solltest gehen. Fliehe von hier so weit du kannst. Schon deinen Welpen zu liebe.“

„Still, du hast kein Recht das zu sagen.“ Wütend stand sie auf und rannte weg.

„Er bringt dir nur Verderben. Denke wenigstens über meine Worte nach!“
 

Das lange Herumreisen machte sie müde, nur der Hass auf ihren ehemaligen Gefährten trieb sie weiter. Als die ersten Schneeflocken fielen, die allerdings nicht liegen blieben, weil es noch viel zu warm war, fand sie schließlich die richtige Spur und erreichte nach zwei Tagen den Ort, an dem sich Yaris mit seinem Rudel aufhielt. Wie zu erwarten, hatten sie sich in einem Gebiet am Fuße eines kleinen Berges niedergelassen, dort fühlten sie sich eben am wohlsten. Steile Felsen erstreckten sich vor der Gelben und sie wusste genau wie gefährlich der Weg in höhere Gefilde sein würde, trotzdem ging sie ohne zu Zögern weiter. Sie blieb vorsichtig, um nicht vorzeitig entdeckt zu werden und schaffte es bis zum Platz, an dem sich die Rüden und Fähen aufhielten. So viele bekannte Gesichter erblickte die Gelbe dort, von den meisten wusste sie, dass sie alle etwas Gutes in sich hatten und eine zweite Chance verdienten. Nur einer tat das nicht und dieser trat gerade aus seinem Bau und schaute nach unten über die steinerne Landschaft, die aus spitzen Felsen bestand. Das erkannte die junge Fähe als perfekte Gelegenheit. Wenn sie ihn richtig erwischte, konnte sie ihn einfach in den Abgrund schmeißen, ohne sich einen Kampf mit ihm liefern zu müssen. All ihre Sinne konzentrierte sie auf ihren größten Feind, dann schoss sie aus ihrer Deckung und sprang auf den überraschten Alphawolf. Doch dieser erwies sich als stärker als gedacht und wirkte ihrer Kraft mit seinem massigen Körper entgegen, so dass ihr Plan nicht aufging. Mit brutaler Gewalt schleuderte er sie von sich weg. Hart landete sie auf dem Boden, doch den Schmerz spürte sie kaum, sie rappelte sich wieder auf und warf eine magische Feuerwelle auf ihn. Der Runenstein schien zu funktionieren, denn sie kontrollierte ihre Magie wie nie zuvor in ihrem Leben. Allerdings setzte der Rüde einfach Wasser dagegen ein, was natürlich die heiße Attacke vollkommen nutzlos machte.

„Sag mal, spinnst du?“, brüllte er ihr entgegen.

„Selbst schuld! Du hast sie alle getötet.“ Daraufhin kam ein Blitz auf ihn zu, den er gekonnt auswich.

Keuchend musste Runa feststellen, dass sie jetzt vielleicht ihre Magie unter Kontrolle hatte, aber Yaris mit seiner Erfahrung das locker wieder ausgleichen konnte. Sie würde chancenlos gegen ihn sein. Vielleicht hätte sie trainieren sollen, sich einfach ohne Vorbereitung in die Schlacht zu stürzen, kam ihr plötzlich unglaublich dumm vor. Ihre Macht zu verwenden, kostet so unglaublich viel Kraft, sich nach diesen zwei Angriffen auf den Beinen zu halten, war schon eine Kunst für sich.

Die blauen Augen von Yaris glitzerten sie an: „Jetzt hast du wohl deinen Verstand verloren, meine Liebe. Niemand habe ich getötet.“

„Lüg nicht.“ Diese Worte gaben ihr neue Energie.

Wieder griff sie an, dieses Mal entschied sie sich allerdings für ihre Klauen und Zähnen, auch wenn ihr durchaus bewusst war, dass sie dem Rüden körperlich unterliegen würde. Sie wollte ihre Magie aber so nah wie möglich an seinem Körper anwenden, damit er nicht auswich. Doch das Männchen fetzte so schnell auf sie zu, dass sie nicht mehr zu zaubern kam. Er schlug ihr mit der Pfote gegen Kopf, wodurch sie nur noch Sterne sah. Unsanft schmetterte sie auf den Untergrund und versuchte verzweifelt wieder auf die Beine zu kommen, was ihr aber nicht gelang. Plötzlich erfasste sie, wie gefährlich nahe sie am Abgrund lag und Yaris sich mit einem fiesen Grinsen näherte.

„Steh auf!“, befahl er streng.

Irgendwie schaffte sie es auf die Pfoten und legte ängstlich die Ohren an.

„Ich habe dich geliebt, Goldlöckchen. Ich gab dir alles, was du brauchst, aber du hast mich immer nur enttäuscht“, gab er ihr zu verstehen.

„Nein, du weißt nicht was Liebe ist“, entgegnete sie mutig, auch wenn es ihr selbst nicht klar war, woher sie diesen Mut eigentlich hernahm. Sterben würde sie sowieso, also warum sollte sie sich jetzt noch unterwürfig verhalten?

Der große Rüde biss nach ihr, so dass sie zurückweichen musste, ob sie wollte oder nicht. Ihre rechte Hinterpfote stand so nah am Abgrund, dass sie immer mehr Probleme hatte das Gleichgewicht zu halten. In dem Moment wurde ihr klar, dass es kein Entkommen gab. Dieses Mal würde Yaris ihr nicht verzeihen und vielleicht war es sogar das Beste, immerhin hätte sie sowieso nach der Begegnung mit der Menschenkugel tot sein müssen. So ganz begriff sie nicht, warum das Lichtwesen sie zurückgeschickt hatte, denn wenn man es jetzt betrachtete, änderte sich rein gar nichts. Wie dadurch eine ganze Rasse gerettet werden würde, diesen Zusammenhang konnte wohl nur jemand verstehen, der klüger war als die gelbe Wölfin. So blieb ihr nichts anderes übrig, als dem Tod ins Auge zu sehen und zu leugnen, dass sie nicht trotz des Wissens, dass etwas danach kam, keine Angst hatte, wäre nur Selbsttäuschung gewesen. Jedes Lebewesen trug diesen Überlebenswillen in sich und es musste schon sehr viel passieren, das zu übergehen. Ganz tief blickte sie in die Augen ihres Mörders und merkte trotz seiner Vergehen, wie die Wärme der Liebe in ihr aufstieg. In diesem Moment verachtete sie sich selbst dafür, denn sie sollte ihn besser hassen, als ihn Gefühle entgegenzubringen, die er in nicht im Geringsten verdiente. Immerhin hatte er ihre ganze Familie umgebracht, wenn er sterben würde, sagte zumindest ihr Verstand, wäre das für die Welt sicher kein Schaden. Nur ließen sich Herz und Verstand manchmal nicht in Einklang bringen und verursachten dadurch ein Gefühlschaos, auf das man verzichten konnte. Es kam so, wie es kommen musste, Runa verlor den Halt und ihr kompletter Unterkörper rutsche den Stein herab. Verzweifelt versuchte sie sich mit ihren Vorderpfoten zu halten, doch lange würde das nicht funktionieren. Der irre Blick ihres ehemaligen Gefährten jagte ihr eine schreckliche Angst ein.

„Nein, bitte nicht“, wimmerte sie, übermannt von ihrer Furcht vor dem Tod.

„Komm mir nicht so!“, fauchte der Schwarzbraune sie an. „Du hattest genug Chancen. Wärst du ein liebes Weibchen gewesen und hättest du getan was man dir sagt, dann würden wir heute nicht hier stehen.“ Dann legte er den Kopf schief: „Ich werde dich vermissen, meine Liebste, aber du hast es einfach übertrieben. Außerdem kann ich das Risiko nicht eingehen, dass dich ein anderer Rüde glücklich machen könnte. Wenn ich dich nicht bekomme, dann bekommt dich auch kein anderer.“

Er legte ihr die Pfote auf die Stirn und versetzte ihr einen Stoß, woraufhin sie weiter abrutschte. In dem Moment wünschte sie sich, sie hätte Krallen, wie eine Katze, denn ihre versagten und so glitten ihr einfach die Vorderbeine über den Untergrund, ein Sturz war nicht mehr zu vermeiden. Komischerweise fühlte sich alles an wie in Zeitlupe. Der Körper der Fähe löste sich vom Felsen und steuerte in Richtung Abgrund, doch in diesem Moment entdeckte sie etwas hinter Yaris, das sie erstaunte. Da flog eine Amsel ganz aufgeregt auf sie beide zu. Es war Spot! Sie wusste es nicht nur wegen dem kleinen weißen Punkt auf seiner Stirn, sie spürte, dass er es war. Er lebte!
 

Als Runa die Augen öffnete, merkte sie eine unglaubliche Erschöpfung in allen ihren Glieder. Im ersten Moment wusste sie nicht, was eigentlich passiert war, bis die Erinnerung an die Geburt zurückkam. Sie wollte aufspringen und nach ihren Kindern fragen, aber ihr Körper ließ das nicht zu. Vor einigen Stunden hatten die Wehen eingesetzt. Die Vorfreude auf den baldigen Nachwuchs war aber schnell verflogen, als die Heilerin Pythia festgestellt hatte, dass etwas nicht nach Plan lief. Und dann… Die Gelbe erinnerte sich nur an Bruchstücke, als wollte ihr Verstand ihr diese Bilder in ihrem Kopf nicht erlauben. Das Fell der Alphawölfin hatte man sauber geleckt und ein weiches Bett aus Blättern umringte sie. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht alleine in der Höhle lag, sondern von der alten Fähe Pythia bewacht wurde. Diese kam sofort angerannt, als sie merkte, dass ihre Patientin mittlerweile wieder bei Bewusstsein war.

„Bewege dich nicht, du brauchst Ruhe“, sagte sie mahnend.

„Mein Welpen?“

Die Seherin schluckte und schwieg.

„Mein Kinder? Wo sind sie?“

„Du musst jetzt stark sein. So etwas kommt schon einmal vor. Sie sind leider alle tot zur Welt gekommen. Es tut mir leid, aber auch ich konnte sie nicht retten.“

Das Entsetzen wollte sich irgendwie nicht einstellen, weil die Bedeutung der Worte nur schwer von der Gelben verarbeitet wurden. Sie glaubte es nicht, wollte es einfach nicht wahrhaben, obwohl sie wusste, dass es wahrscheinlich war, was ihr gerade erzählt worden war.

„Runa?“ Die erschöpfte Wölfin wendete den Blick nur langsam zu der anderen.

„Ja?“

„Ich kann es nicht mehr mitansehen. Du leidest seit du hierhergekommen bist. Vielleicht stelle ich mich hier gegen meinen Anführer, aber du bist niemand, der hierher gehört. Nachdem die Welpen tot sind, wird er dich quälen, das kann ich vorhersehen und das hat nichts mit meinen Fähigkeiten zu tun. Es ist seine Art, für die er vielleicht nicht einmal etwas kann. Du solltest gehen. Fliehe von hier und rette deine Seele, die irgendwann an dem hier zerbrechen wird.“

„Zu spät“, kam als Antwort. „Er hat bereits alles in mir getötet. Da gibt es nichts mehr.“

„Das ist nicht wahr. Ich kann sehen, dass du zu Größerem bestimmt bist, allerdings ohne Yaris an deiner Seite.“ Ein tiefer Seufzer kam über ihre Lefzen: „Wenn du dich erholt hast, helfe ich dir bei der Flucht.“

„Und meine Familie? Wird er sie nicht töten, wenn ich abhaue?“

„Nur wenn du zu ihnen zurückkehrst, das kannst du nicht. Sie umzubringen ohne das du zuschaust, nähme ihm einiges an Spaß. Das macht er nicht.“

„Ganz alleine komme ich sicher nicht weit.“

Plötzlich ertönte eine Stimme hinter ihr und als sie sich umblickte, erkannte sie die Amsel mit dem weißem Punkt auf der Stirn, die sie im Garten getroffen hatte: „Deswegen komme ich mir dir.“

Der Fähe stockte der Atem. „Ein...ein Vogel? Das ist euer Ernst?“

„Ich kann fliegen und dich vorwarnen, wenn Feinde kommen.

„Und warum solltest du das tun?“

„Weil es das Richtige ist. Warum genau kann ich selbst nicht sagen, aber ich muss es.“

Nach Runas Meinung waren sie alle verrückt geworden, aber es blieb ihr wohl keine andere Wahl, wenn sie den Klauen ihres irren Gefährten entkommen wollte. Also nickte sie nur und legte dann wieder den Kopf auf den Boden, um sich auszuruhen.
 

Als die Gelbe dann noch Sayuri auftauchen sah, war sie vollkommen verwirrt. Doch viel darüber Nachdenken konnte sie nicht mehr, denn es riss sie in den sicheren Tod.



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