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Der letzte erste Donnerstag

von

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Sonntag, 8.Oktober 2111

Ich habe mir gerade den letzten Beitrag durchgelesen, hatte ich nicht vor, mich zu ändern?!!!
 

Aber wo soll ich beginnen, so einfach ist das gar nicht. Ein paar Pfunde weniger wären nicht schlecht. Aber ich mache hier schon gezwungenermassen Sport und das Essen ist auch gesund und ausgeglichen. Eine Diät ist schwierig, schliesslich koche ich nicht selbst. Das einzige was ich tun kann, ist auf die Desserts zu verzichten.

Mehr lernen, guter Vorsatz, aber bei den meisten Fächer habe ich zu viel Rückstand. Was ich auf die Prüfungen lerne, bleibt nie lange hängen. Und ausserdem interessiert mich der meiste Stoff nicht. Vielleicht sollte ich mich wenigstens mit den Fremdsprachen auseinander setzen, die haben einen praktischen Nutzen. Ich wünschte, ich hätte mehr Sprachtalent.

Und das mit der Telekinese, keine Ahnung wie ich das hinkriegen soll. Die Lehrer haben mich längst aufgegeben. Ich bin schon froh, wenn ich eine rollende Murmel stoppen kann. Ich bin ein hoffnungsloser Fall.
 

Aber heute habe ich Pause, oder besser gesagt noch ein bisschen Aufschub. Heute war Hochwürden Michelangelos Beerdigung.

Sein Tod überraschte niemanden. Gestern um Fünf Uhr ging eine Nachricht an alle Ordensmitglieder, die seine Vorhersage bestätigte. Er sei einfach in seinem Bett eingeschlafen. Mit Ausnahme von ein paar hohen Offizieren und Geistlichen durfte niemand in sein Zimmer.

Die Situation war hatte etwas unwirkliches. „Er hatte also recht, auf die Stunde genau,“ dachte ich nur. Ich kann nicht behaupten ich wäre traurig gewesen. Ich habe nicht geweint. Bloss ein paar Minuten gewartet, bis ich mich wieder an meine Mathematik Hausaufgaben setzte. Ich hatte mir vorgenommen, mich zu ändern, also würde ich die Schule von jetzt an ernster nehmen. Trotzdem brauchte ich bestimmt doppelt so lange wie normal, um die Rechnungen zu lösen. Und heute stellte sich heraus, dass alles falsch war. Mit anderen Worten, ich war nicht bei der Sache.
 

Ich liess das Abendessen aus, nutzte die Zeit die ich allein im Zimmer hatte. Ich lag einfach auf dem Bett und tat nichts. Die Tränen kamen erst kurz bevor meine Zimmergenossinnen zurückkehrten. Und ich riss mich zusammen als die Tür sich öffnete.

Weil Hochwürden Michelangelo von der Explosion damals gesprochen hatte, suchte ich das alte Gruppenfoto wieder hervor. Das beschäftigte mich für die nächsten Minuten und gab mir die Möglichkeit, meine geröteten Augen zu verbergen. Ich wurde in den Tiefen meines Schrankes fündig. Inzwischen hatten die andern Mädchen sich auf einem der Betten versammelt um die neuste Folge von „Liebe wieder willen“ zu sehen. Ich wäre gern allein gewesen, aber auch die Bibliothek bot mit nicht genug Privatsphäre, also blieb ich im Zimmer.

Ich setzte mich in die hinterste Ecke des Bettes. Lehnte an die Wand, betrachtete das Foto und versuchte mir die Details wieder in Erinnerung zu rufen. Auf dem Bild sind wir zu sechst, ich weiss noch, dass der Junge der fotografierte ebenfalls zur Gruppe gehörte. Praktisches Training nannten sie das. Kinder aus der Vor- und Grundstufe wurden in Gruppen eingeteilt. Eines der älteren wurde zum Anführer gemacht und mit einer Aufgabe betraut. Das ist immer noch so, soweit ist das erinnern einfach.

Die Foto ist schwarz weiss, der Junge damals hatte nur eine alte analoge Kamera. Wie er dazu kam, die Bilder zu entwickeln ist mir ein Rätsel. Das machte die Abzüge besonders wertvoll. Ich versuchte mir die Namen in Erinnerung zu rufen. Da sind Damien und ich. Die blonde hiess Rahel, sie war etwas älter als ich und machte mir Eindruck. Ich weiss noch, dass sie laut und fröhlich war. Und sie war die erste, die die Dämonin verarzten wollte.

Damien war dagegen, vielleicht schon rein aus Prinzip. Er stritt sich oft mit dem Anführer. Er war schon damals überzeugt, der Beste zu sein.

Letzten Donnerstag hatte er das Buch erwähnt, sie habe es bei sich getragen. Ich versuchte es, konnte mich aber beim besten Willen nicht daran erinnern. Gestern nicht und auch heute nicht. Inzwischen glaube ich, Damien hat gelogen. Dem Lauscher zu verstehen gegeben, das Buch sei vernichtet. Ob nun wegen Hochwürden Michelangelo oder nur um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Ich verlor mich in Gedanken, und als ich mich endlich aufraffte die Italienischaufgaben zu machen war schon fast Nachtruhe. Ich wurde nicht fertig und es war mir egal.
 

Die Beerdigung fand heute Nachmittag statt. Während des Gottesdienstes konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie liefen einfach. Zum Glück beachtete mich niemand.

Ich hatte mir nie Gedanken gemacht, wie Hochwürden war, als er noch jung war. Für mich war er immer der alte General. Und obwohl er gern erzählte, sprach er kaum über seine Vergangenheit. Es ging eigentlich immer um aktuelle Themen. Hochwürden Conti , der die Trauerrede hielt, fasste Michelangelos Leben zusammen:

Er war mal nur ein katholischer Junge mit Albträumen, die sich später als richtig erwiesen. Er hatte vom Autounfall seiner Tante geträumt, der sich eine Woche später ereignete. Verwirrt und auch etwas ängstlich hatte er sich an einen Priester gewandt. Gebeichtet. Und dieser stellte den Kontakt zum Gründer des Michaelsorden her. Es war bestimmt hart für ihn, eine solche Gabe zu besitzen und kaum jemanden zu haben, der ihm glaubte. Lumiel, der damalige „General“ (den Orden gab es noch nicht) war einer der wenigen.

Hochwürden Michelangelo war dabei, als eine Gruppe aus dem Orden mit Hilfe einiger Aussenstehender das Siegel brach, dass die Magie auf der Erde einschränkte. Es ist schwer vorzustellen, wie die Welt davor aussah. Keine Engel oder Dämonen, kaum noch Gläubige. Mit der Rückkehr der Magie änderte sich das. Das Erscheinen des Erzengels Gabriel über dem Petersdom brachte die Menschen wieder auf den rechten Weg. Hochwürden Michelangelo war zu der Zeit schon in den höheren Rängen des Ordens, der kurz nach dem Siegelbruch offiziell gegründet wurde und in die Öffentlichkeit trat. Seine Visionen halfen ihm, im darauf losbrechenden Krieg zwischen Dämonen und Gläubigen. Und er verhandelte an vorderster Front einen Waffenstillstand aus. Zu viele Zivilisten waren Opfer des Krieges geworden, eine Tatsache, die Michelangelo antrieb. Hochwürden Conti beliess es bei einer Andeutung. Es ist kein Fakt, auf den der Orden stolz ist.

Hochwürden Michelangelo hatte sich seinen Weg hochgearbeitet. Er wurde zum General und nutzte seine Kontakte aus den Verhandlungen um das Gleichgewicht zu halten. Aus seinen Erzählungen weiss ich, dass er sich regelmässig mit Vampiren, geheimen Magierorden und auch konkurrierenden Jägergruppen traf. Diplomatische Notwendigkeiten, die er offiziell nie bekannt gab.

Zum Abschluss sprach sogar der Papst ein paar Worte. Ich verstand nichts, weil alles auf Lateinisch war. Aber ich war trotzdem ein bisschen stolz, einen Mann gekannt zu haben, dem sogar der Papst seinen letzten Segen gab.
 

Die Beisetzung fand im kleinen Rahmen statt, Schüler waren nicht zugelassen. Ich drückte mich also vor der Kapelle herum, beobachtete wer in richtung Grab ging. Überraschungen blieben aus, es handelte sich um die hochrangigen Geistlichen und Offiziere. Und ein paar wenige ältere Leute, die Hochwürden Michelangelo näher gekannt haben mussten. Vielleicht hatte ich auf etwas spektakuläres gehofft. Es blieb aus und ich ging langsam ins Wohnheim zurück.
 

Ich könnte mich jetzt den Hausaufgaben widmen. Oder auf den nächsten Test lernen, aber mir fehlt die Motivation. Stattdessen sitze ich in der Bibliothek, schreibe. Mit einem etwas schlechten Gewissen, schliesslich wollte ich doch mein Leben ändern. Ich könnte heute auf das Abendessen verzichten, das hilft beim abnehmen. Und ich habe sowieso keinen Hunger.
 

Fortsetzung: Damien war von mir unbemerkt in die Bibliothek gekommen.

„Dein Leben ändern, hmm?“ fragte er und ich zuckte erschrocken zusammen. Ich drehte mich um, da stand er lässig an ein Regal gelehnt und sah mich an.

„Hast du etwa gelesen, was ich geschrieben habe?“ Was wenn?

„Nicht direkt. Aber du weisst bestimmt, dass es da diesen kleinen Zauber gibt. Gedanken lesen. Ein kniffliger Spruch, aber funktioniert ganz gut. Besonders wenn du beim schreiben die Worte mitdenkst.“

„Du liest meine Gedanken!“ brachte ich nach der ersten Schrecksekunde heraus. Mein, Gott, wusste er dass ich ... nein nicht daran denken, dachte ich. Er grinste nur.

„Dass du in mich verknallt bist? Dazu muss man keine Gedanken lesen können, das ist auch so offensichtlich.“ Bestimmt wurde ich knallrot. Ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst. Oder wäre davon gerannt, aber der einzige Fluchtweg führte an Damien vorbei.

„Dieser Zettel, den Hochwürden dir am Donnerstag gab...“ begann er. Und ich tappte mitten in die Falle. Dachte an die Nummer, die ich so oft gelesen hatte bis ich sicher war, dass ich sie Auswendig kannte.

Er lächelte bloss herablassend. „Mach dir keine Sorgen, das war bloss ein Ablenkungsmanöver. Solange du nicht mal merkst, wenn jemand in deinem Kopf ist, ist es zu gefährlich, dir eine wichtige Information anzuvertrauen. Wieso beginnst du nicht damit, dich gegen solche Angriffe zu schützen?“

Das klang einleuchtend. Aber ich wollte ihm nicht zustimmen. Ich wollte bloss, dass er ging, mich allein liess.

„Hier“, meinte er nur, und schickte mir eine Textdatei. Sie erschien blinkend auf meinem Bildschirm. „Persönliche Notizen und Übungsvorschläge. Du beeilst dich besser. Wäre ärgerlich wenn Aquila es so leicht hätte wie ich. Und wenn sich Michelangelo schon die Mühe gemacht hat, eine falsche Spur zu legen...“ Er beendete den Satz nicht, wandte sich zum gehen. Ich sah ihm nach, er drehte sich nicht um. Für Damien war die Sache erledigt.

Und ich brach zum zweiten mal in Tränen aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Nisichan
2011-03-20T14:05:01+00:00 20.03.2011 15:05
Oha, ich bin mir nicht sicher, ob Damian da die Wahrheit erzählt hat. Höchstwahrscheinlich ist das nur seine Annahme, dass es sich um eine falsche Spur handelt, denn er hat die Nummer sicher auch kontrolliert und nix gefunden. Ich bin irgendwie ganz froh, dass du nicht näher auf Michelangelos Tod eingangen bist. So war das ganz gut <_< ob er wirklich eingschlafen ist? Ich habe da so meine Zweifel.
Von: abgemeldet
2010-06-13T10:18:26+00:00 13.06.2010 12:18
Oooooh wie süüüüüß sie ist. Süß und ein absoluter Looser. Ich mag sie °-°
Schöne Geschichte by the way, fesselnd einen so, dass man nicht mehr zum Arbeiten kommt :D
Von:  jumjum
2010-01-31T19:59:30+00:00 31.01.2010 20:59
wow. er ist nicht grade ein gentelman . aber sie ist eigendlich ganz schön tough. auch wenn sie das nicht glaubt aber hey. wer von uns würde nicht da s schlimmst eddneken, aber dan cool zu bleiben ist echt stark von ihr. Ich find sie ist ne tolle persönlichkeit.Mach schnell weiter es ist wirklich spanend *-*


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