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Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster

Eine Scheibenwelt-Wichtelgeschichte für JoeyB
von

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Von dort, wo sich in der letzten Nacht die tönernen Zähne der Riesenschlange in Mumms Bein gebohrt hatten, zog sich ein subtiler Schmerz die Wade hoch und bis in den Oberschenkel. Beleidigt pochend, weil der Kommandeur der Wache statt im Bett zu bleiben, schon wieder unterwegs war, sorgte er dafür, dass dieser sich nur auf eine Krücke gestützt fortbewegen konnte und ihm jeder Schritt dieses Tages unvergesslich in Erinnerung blieb. Er verfolgte ihn, als er das Bett verließ und auch, als er zum Mittagessen ging. Genauso war er präsent, als er sich zu rasieren versuchte und anschließend das Haus verließ, um bei den Sumpfdrachen vorbei zu schauen, denn er musste Sybil sagen, dass er jetzt ging, nein, humpelte, nun, wie auch immer. Ebenso war er da, als er die Straßen zum Palast des Patriziers entlang ging, statt die bequeme Kutsche zu nehmen und sich krank zu fühlen.(46) Auch war er da, als er über den Hof schritt, vorbei an Trollen, die rote, gelbe, blaue, grüne und rosa-orange-violett-getüpfelte Tonfiguren zusammen trugen und zu großen Bergen auftürmten. Für einen Moment ließ er von ihm ab, als er auf dem Stuhl vor dem Büro des Patriziers Platz nahm, nur um bald darauf zurückzukehren und seine wohlverdiente Ruhe einzufordern.

Mumm legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein und aus. Es gelang ihm nicht recht, wieder zu Atem zu kommen. Das lag vielleicht an der Uhr.

Tick

Tack

Tick

Tack

TickTickTick

Tack

Tick

Tack

...Tick

Tack

Tack(47)
 

Nachdem, was er glaube, dass es eine halbe Stunde war - die Uhr über der Tür sagte ihm gerade, dass es um Zwei war und auch die Taschenuhr, die die Wache ihm vor seiner Beförderung zum Kommandeur geschenkt hatte, sagte dasselbe, aber ganz trauen tat er dem Frieden nicht, stand er auf, klopfte an und trat ein.
 

Der Patrizier sah auf.

Zweifelsohne studierte er gerade die Berichte, die Mumm ihm geschrieben hatte, bevor Sybil ihm angedrohte, ihm den Sumpfdrachen Gifticus vom Zehnbeißer unter die Bettdecke zu legen.(48)

"Ah, Mumm, setze dich doch."

"Ja, Herr."

Mumm salutierte, so gut er es konnte, wenn er sich an eine Krücke klammerte und zwanghaft versuchte, nicht umzufallen. Seine Augen brauchten einen Moment länger, um den gewissen Punkt, eine Handbreit von Vetinaris Kopf entfernt, zu fixieren, als üblich. Dennoch nahm sich sein Blick fest vor, sich von diesem Punkt nicht mehr abzuwenden, bevor diese Unterredung beendet war.
 

"Ich bin erfreut zu sehen, dass es dir gut geht, Mumm", sagte der Patrizier und beide kamen stumm zu der Übereinkunft, dass es eine höfliche Lüge war. Denn die Sachlage war simpel: Es ging Mumm nicht gut. Selbst Fred Colon würde sehen, dass es Mumm nicht gut ging, obwohl sich dieser gerade sein Kopfkissen vor die Augen hielt und von bissigen Kaffeetassen aus Ton faselte.

"Ja, Herr."

"Wie geht es Hauptmann Karotte, Mumm?"

"Ich denke, er schläft Herr. Nachdem wir ihn in sein Zimmer gebracht haben, war er die ganze Nacht damit beschäftigt, nicht zu sterben. Dann ging der Arzt, Herr."

Vetinari nickte verstehend. Ärzte waren eine knifflige Angelegenheit.(49)
 

"Der Herrn Schweiß aus der Lichterstraße scheint nicht so glimpflich davongekommen zu sein, Kommandeur."

"Ja, Herr. Es ist schwierig, glimpflich davon zu kommen, wenn der Kopf einer zwei Tonnen schweren Tonschlange auf einen fällt, Herr."

"Dem Herrn Bringbunteslicht fiel kein Kopf einer zwei Tonnen schweren Tonschlange auf den Körper und er ist dennoch nicht glimpflich davon gekommen, Kommandeur. Die beiden mochten sich nicht sehr, nehme ich an?"

"Nein, Herr. Aber die Zähne besagter Schlange haben klaffende Löcher in seinem Oberkörper hinterlassen, Herr. Bringbunteslicht und Schweiß kannten sich seit dem Kindergarten. Hatten dieselben Ideen. Stritten sich oft darüber, wer von ihnen den kleinen Maxi kopfüber in die Kerze gehalten hat. Seit der Alchemistenausbildung wurde es schlimm. Beide interessierten sich für bunte Lichter, Herr."

Vetinari nickte. Zweifelsohne eine Familientradition.

"Dabei hatten sie sich doch sogar auf zwei Läden an unterschiedlichen Lokalisationen der Stadt geeinigt."

"Die Stadt hat sich darauf geeinigt, Herr. Man dachte, die Dünste, die bei Herrn Schweiß' Kerzen entstanden, würden weniger auffallen, wenn der Ankh sie überdeckte. Darum überredete man ihn dazu, in der Freudentränenstraße einen Laden zu mieten, Herr. Wenn er keine Kunden hatte, half er Herrn Sarschnellis Schwestern oft dabei, genügend Schlamm aus dem Ankh zu schaufeln, heißt es."

"Ich denke, ich sehe den Zusammenhang, Kommandeur."

"Ja, Herr."
 

Der Punkt eine Handbreit neben Vetinaris Kopf schwamm ein wenig vor seinem Blickfeld, doch Mumm zwang sich dazu, nicht zu blinzeln.(50)

"Herr?"

"Ja, Mumm?"

"Wir versuchen immer noch, die Tonscherben aus der Außenwand des Wachhauses am Pseudopolisplatz zu holen, Herr."

"Ich nehme an, dass ihr dabei einiges abschlagen müsst? Putz und Farbe und so weiter."

"Ja, Herr."

"Nun, ich denke, ich bin dir dankbar, dass Du mir die Trolle aus der Wache geliehen hast, Kommandeur."

"Ja, Herr.“

„Ich dachte, ein Troll spürt es weniger heftig, wenn ihm von einem wütenden Elternteil ein Knüppel mit Stacheln darin über den Körper geschlagen wird."

"Dafür spüren es die Eltern umso mehr, sollte der Troll es dennoch bemerken, Herr."
 

Er schluckte. Seine Augen brannten, aber es hatte einen Vorteil - dieser Schmerz schob sich vor alle anderen, die ihn gerade plagten. Nicht nur der Biss würde ihm in guter Erinnerung bleiben. Als Wilikins seine Verletzungen verband, hatte er gesagt, er könne nicht so weit zählen, wie der Herr Blutergüsse habe. Mumm hatte die dumpfe Befürchtung, dass er Recht haben könnte.
 

"Herr?"

"Ja, Mumm?"

"Ich habe letzte Nacht drei Leute verloren, Herr. Und der Zwerg Kettil wird den Dienst wohl kündigen, falls er aufwacht. Mit einem Bruch im Rücken geht es sich so schlecht auf Patrouille, Herr."

"Er ist weit geflogen, als er das Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster für Korporal Kleinpo ablenkte, nehme ich an?"

"Ja, Herr. Das Nicht-in-die-Tasche-passen-Monster hat gut gezielt, Herr. Er fiel in die Fässer mit Platte, die Detritus vor kurzem konfizidiert hat. Wir kamen noch nicht dazu, sie zu untersuchen und anschließend zu entsorgen, Herr. Es ist sehr tragisch."

Vetinari nickte erneut. Mumm konnte das Lächeln des Mannes hinter dem Schreibtisch spüren, nicht sehen, da er nach wie vor den Punkt im Auge behielt(51).
 

"Mumm?"

"Ja, Herr?"

"Spielen Detritus und der Bibliothekar nach wie vor dieses Pfeilwurfspiel mit euch?"

"Ja, Herr. Wir werfen die Pfeile durch das Loch in der Wand und versuchen, das Kaffeegeld zu treffen, das in Korporal Nobbs Schreibtisch auf der anderen Seite der Mauer versteckt ist, Herr."
 

***
 

Mehrere Schauer krochen Mumm nachträglich über den Rücken, als die Tür zum Rechteckigen Büro hinter ihm zuschlug. Hastig blinzelte er. Und blinzelte. Und blinzelte. Irgendwann konnte er wieder mehr sehen, als nur den Punkt eine Handbreit neben dem Kopf des Patriziers. Der Flur nahm erst Farbe an, dann kamen die Konturen dazu. Er erkannte den unbequemen Stuhl, auf dem die Wartenden warten mussten, bevor sie eintreten durften. Er sah auch die Dellen in der Wand, die er dort hinterlassen hatte.

Für einen Moment überlegte er.

Dann trat er mit voller Wucht gegen die Mauer und fügte eine weitere Delle hinzu. Der Schmerz in seinem Bein trat zurück.

Doch das war egal.

Fast so etwas wie Zufriedenheit durchströmte ihn, als er davon humpelte, Richtung Wachhaus am Pseudopolisplatz.
 

***
 


 

(46) Was lediglich dazu führte, dass er sich krank fühlte, als er den Palast schließlich erreichte, aber er konnte sich sagen, dass es damit zusammenhing, dass er erst kurz nach Sonnenaufgang ins Bett gekommen war, nicht mit der klaffenden Wunde im Bein.
 

(47) Kein Mensch konnte in einem solchen Rhythmus atmen. Nicht einmal Mumm, obwohl er es zweifelsohne versuchte.
 

(48) Mumm wusste nicht, für wen die Drohung die Schwerwiegendere war. Ihm in die Zehe zu beißen bedeutete für den armen Gifticus eine Explosion, die er zweifelsohne nie vergessen würde. Vor allem, da es seine letzte sein würde.
 

(49) Patienten neigten dazu, ihnen weg zu sterben. Man konnte froh über jeden sein, der den Arzt überlebte, dann war das schlimmste in der Regel überstanden.
 

(50) Wenn er blinzelte, könnte es passieren, dass etwas Schlimmes geschah, während er die Augen schloss. Vor allem in diesem Büro.
 

(51) Dieser tanzte mittlerweile die traditionelle Ankh-Morpork-Polka, es fehlten nur die Zwerge zwischen seinen nicht existenten Beinen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Roe
2010-03-29T13:45:50+00:00 29.03.2010 15:45
Hallo!

Ich habe deine Geschichte gerade in einem Rutsch gelesen und werde mir nun Mühe geben einen sinnvollen Kommentar abzugeben.

Die Art wie du diese Geschichte geschrieben hast gefällt mir vom Stil her sehr gut. Du hast deinen eigenen Stil egschrieben und nicht versucht unbedingt 100% Pratchetts Stil zu imitieren, sondern dich nru an ihm orientier, was an sich eine sehr gute Wirkung gezeigt hat.
Die Kombination aus dramatischen und humoristischen Elementen ist dir sehr gut gelungen. Die Namensschöpfungen empfand ich als angenehm "scheibenweltig", sie haben super gepasst und schienen den betreffenden Personen wie auf den Leib geschneidert.
Überhaupt hast du alle Charaktere sehr gut getroffen, auch wenn mir ebenfalls aufgefallen ist dass das punkto "Zwergenfrauen" nicht ganz so extrem genommen wird, zumindest wird es nitch so ausführlich beschrieben, auserdem sit das Maß an Rassismus gegenüber Zwergen (Zwerg-über-die-Schnur, etc.) etwas überspitzt, wenn ich mich recht entsinne war speziell Detritus alles andere als ein Speziesist...
Aber ansonsten sind alle total IC. Mumm, Vetinarie, Karotte, Grinsi, alle. Auch wenn ich mich gewundert habe warum Angua nicht vorkam, denn bekannltich war sie bereits dabei als Karotte noch Korporal war, auserdem war es verwudnerlich dass Mumm zunäcsht keine weiteren Ermittlungen eingeleitet hat, ich denke er hätte zumindest bei den Assasinen angefragt ob sie ihn ermordet haben...

Die Sache mit den Fußnoten hast du gut gelöst. Nur wenige Autoren machen sich tatsächlcih die Mühe die für SW-Bücher nun mal charakteristischen Fußnoten zu schreiben, und deine sind nicht nur absolut passend, sondern auch noch ausgesprochen humorös.

Alles in allem kann ich also folgendes Fazit ziehen:

Deine Geschichte ist sehr gut geschrtieben, mn kann sie auch lustig finden wenn man keine SW-Geschichten kennt, die Charaktere sind alle IC, und man merkt dass du Spass am schreiben hattest =Eine hervorragende Geschcihte.

LG
-Rose
Von:  Archimedes
2010-01-18T08:08:53+00:00 18.01.2010 09:08
Moin Nix!

Hier also dein Kommentar, auf den du sehnsüchtig zu warten scheinst (;

Fangen wir vorne an, d.h. beim Titel:
Ich finde ihn sehr passend, was ich dir bereits geschrieben hatte. Er könnte nicht mehr "Pratchett" sein, in seiner lustigen und verqueren Art und Weise. Er trifft selbstredend den Kern der Geschichte und zeigt bereits das "Crossover" zu Pokemon. Auch kann man bereits am Titel erahhnen (eben weil man sofort die Assoziation zu den sich hauenden, prügelnden und Unruhe stiftenden Monstern bekommt), dass es eine Scheibenwelt-geschichte zur Stadtwache sein muss. Das finde ich sensationell gelungen, denn nur wenige Titel sagen bereits so viel aus, ohne dabei aber den Inhalt der eigentlichen Geschichte zu verraten.

Idee und Umsetzung:
Super-klasse. Mehr kann man eigentlich nicht sagen. Dass sich Pokemon derart anbietet, hätte ich nicht gedacht, als du mir das erste Mal von deinem Vorhaben erzählt hast. Ich muss gestehen, dass ich zuerst die Augenbrauen etwas kritisch hochgezogen habe. *hüstel*
Aber du hast es geschafft, dass das Crossover erkennbat ist, ohne dass die Geschichte un-scheibenweltlerisch geworden ist. Super, wirklich!

Zum Schreibstil:
Auch hier finde ich es beeindruckend, wie gut du dich in Pratchetts Stil eingelebt hast, ohne aber den Funken Nix-heit zu verlieren. (:
Das mit den Fußnoten ist natürlich dumm gelaufen, dass du sie nicht, wie eigentlich beabsichtigt, hast als separates Kapitel am Ende anhängen dürfen. Sie sind es, die einen großen Teil des Charmes der Scheibenweltbücher ausmachen.

Die Fußnoten selbst sind genial. Das brauche ich eigentlich nicht zu wiederholen. Sie passen perfekt an die jeweils gewählte Stelle, sind nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Sie geben einen tieferen Einblick in die Kultur der Scheibenwelt, in die Stadt Ankh-Morpok und ihre Bewohner, genauso wie sie es in den richtigen Scheibenweltbüchern tun. Daumen hoch dafür!
JoeyB hat ja bereits ihre Lieblingsfußnote genannt, die auch mein Liebling ist. *g*
Der Kommentar über die Flucherei und die Götter war einfach nur toll. Aber auch alle anderen waren lustig, herzerfrischend und kreativ.

Ein wenig anstrengend war Text auf Dauer aber schon, was in diesem Fall nicht schlimm war, da auch die Scheibenweltbücher einiges an Denkleistung (Länge und Verschachtelung der Sätze...) erfordern. Du solltest aber aufpassen, dass du es nicht übertreibst. Ich hatte dir bei der Korrektur ja zwei oder drei Sätze angestrichen, wo du selbst den Faden verloren hattest. Da einfach ein bisschen aufpassen, okay?

Namen der Figuren:
Absolut kreativ gewählt, vor allem der Name des Spielzeugmachers. Gut, der "Herr Axel Schweiß" war ein Klassiker und hat zumindest mich etwas grummelig gemacht, weil der Witz halt schon so asbachuralt ist, dass man ihn nicht mehr hören kann (Simpsons sei Dank). Das war eigentlich der einzige Punkt, der mir nicht soooo gefallen hat. Im Vergelich zu den anderen Namen hat das einfach ein bisschen nach "Notlösung" ausgesehen.

Charakter der Figuren:
Für die bereits bekannten Figuren scheint Ausdruck "IC" gemacht worden zu sein. Alle waren so, wie sie sein sollten. Und mein Lieblingssatz (wie ich die per ENS bereits gesagt hatte) ist immer noch:
"Er hatte zwei Dinge gelernt: 1) Karotte grüßte jeden, den er kannte. 2) Karotte kannte jeden."
Besser kann man den guten Hauptmann einfach nicht beschreiben. *ggg*
Auch die anderen sind super getroffen TOD ist göttlich, pardon tödlich, Mumm will nicht denken, muss es aber und Nobby, ja Nobby... ist... halt Nobby. XD
Und die Trolle! Meine Güte, Detrius! Den hätte ich jetzt fast vergessen: Naiv und nett und trampelt dabei die halbe Stadt platt.

Auch deine Eigenkreationen sind grandios. Sie passen super in die Welt, nicht nur von den Namen her. Kettil ist irgendwie süß, auch wenn ich JoeyB Recht gebe in Punkto Zwergenfrauen. Die Kotzerei war ein wenig, na ja, zu viel des Guten. Aber ansonsten fand ich ihn spitze.

Joa... was fällt mir noch ein? Hm... ich denke das wesentliche hab ich angesprochen. Sollte mir noch mehr einfallen, dann kriegst du noch mehr Kommüüüüs... ^^;

Fazit: Die Geschichte ist super, ich wäre also gern dein Wichtelkind gewesen. Schade finde ich nur, dass ich deine Geschichte innerhalb der YUAL nicht bepunkten kann. ): Aber ich wäre einfach zu befangen.

Gruß,
Andrea


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