Zum Inhalt der Seite

Blood Deal

Even if saving you sends me to heaven
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nicht ohne meine Seele

Antonin

Sie schwiegen eine Weile, bis sich Antonin ein Gedanke aufdrängte. "Du opferst sie." Hinter sich hörte er das dunkle, ein wenig heisere Lachen seines ehemaligen besten Freundes. Seines Bruders... und es schmerzte. Es fühlte sich an, als ob man ihm einen glühenden Speer mitten ins Herz rammen würde. Auch Nicholas Name hatte sich auf der Liste derjenigen befunden, für die er alles tun würde. Antonin hätte nicht nur, er hatte alles für Nicholas getan. Gejagt, gefoltert, gemordet. "Sie bedeuten mir nichts, wenn sie deinem Ziel reinlaufen ist das nur unnötiges Gepäck weniger", bestätigte Nicholas seinen Verdacht. Abermals glitt kurze Rage durch das aufgewühlte Grau seiner Augen. "Er ist nicht hier", murmelte er und musste sich arg beherrschen, um nicht zu versuchen, aus der Reichweite des älteren zu gelangen als dieser sich zu ihm beugte und von hinten ins Ohr flüsterte: "Willst du mir wirklich erzählen, du wärst ohne einen Sender hier aufgetaucht, Antonin? Ich war es, der dir so gut wie alles beigebracht hat. Denkst du da wirklich, ich würde diese Dinge nicht in Betracht ziehen? Er ist hier. So sicher wie das Amen in der Kirche."

Plötzlich war ein Schusswechsel aus einem der Gebäude zu vernehmen und abermals lachte Nicholas auf. "Das bestätigt es mir nur." Damit zog er sich zurück, Antonins Arme immer noch in einem klammerartigen Griff umschlossen haltend, während diesem der Schweiß ausbrach. Jetzt schon? Wie hätte Cole so schnell sein können? Oder war das Ragnar? Oder war Cole ihm gefolgt? Seine Gedanken überschlugen sich und stoppten abrupt, als er darüber nachsinnte, warum Nicholas mit ihm hier immer noch stand. An einer Position, von wo aus sie so gut wie überall gut zu erkennen wären. Ja, für einen Scharfschützen standen sie schlecht, aber sonst? Und plötzlich keuchte er auf, nicht nur die bösartige Erkenntnis gewinnend, warum dem so war, sondern auch den ganzen Hass und die unglaubliche Verzweiflung in sich freilassend. Mit einem zornerfüllten Aufbrüllen bäumte sich sein ganzer Körper auf, spannte jeden noch so kleinen Muskel an und warf sich mit aller Macht zurück. Gegen Nicholas, der damit nicht zu gerechnet haben schien und kurz taumelte. Und diese wenigen Sekunden reichten Antonin, um dessen Griff zu sprengen und seine Arme frei zu bekommen. Noch im Wanken warf er sich herum, seine Klingen, die ihm diese selbstsicheren Idioten nicht abgenommen hatten, wieder fester umfassend nahm er Nicholas in einen absolut kühlen Blick gefangen. Ohne großartige weitere Gesten begangen sie sich zu umkreisen. Der ältere steckte seine Waffe weg und griff seinerseits zu einem langen Messer aus der Innentasche seiner Jacke. Wutentbrannt stierte Antonin ihn an. "Du hast hier Landminen ausgelegt!", fauchte er und warf für den Bruchteil einer Sekunde einen Blick über das Gelände.

Nicholas grinste nur ein wölfisches Lächeln und zum ersten Mal bemerkte der jüngere den leicht wahnsinnigen Blick. Es war nicht so wie es bei Klinger war, denn der ältere war keineswegs einfach Irre. Er war ein Fanatiker, der bereit war für die Verwirklichung seiner Aufgabe alles zu tun. Alles, das in dessen Augen nötig wäre. "Dafür hast du ganz schön lange gebraucht", kicherte Nicholas. "Ich habe sie aktiviert als die Geisel außer Reichweite war. Deine Lebensretter können ruhig kommen…" Jener Sarkasmus traf Antonin hart und mit einem weiteren Aufschrei ging er auf den anderen los. Was nun folgte war kein Denken mehr, kein vorrausschauendes Handeln. Dieser Kampf war auf Seiten Antonins rein auf den Instinkt und auf Training basierend. Die Klingen durch die Luft gleiten lassend, tretend und wenn sie sich zu nahe kamen auch rangelnd versuchte einer dem anderen eine möglichst fatale Wunde zuzufügen. Wobei es Antonin in diesem Moment nur noch darum ging, diesen Mistkerl zu erledigen, um an die Mechanik zu gelangen. Er würde einen Teufel tun, um Cole wegen einer beschissenen Landmine draufgehen zu lassen!

Doch das war einfacher gedacht als getan. Nicholas war nicht umsonst ein Ausbilder und Vollprofi und schien es darauf anzulegen, ihn zu ermüden, ihn in einer Sekunde der Unachtsamkeit zu erwischen. Aber noch sollte es nicht soweit sein, noch gab Antonin ihm Paroli, nicht mit der Wimper zuckend, als es hinter ihnen immer wieder mal zu Schusswechseln zu kommen schien. Er konnte nicht wissen, dass seine ehemaligen Ausbilder zuerst jemanden ausgeschaltet hatten, bevor sie selbst in einen Hinterhalt gerieten und nach einem lebensgefährlichen und auch ausdauernden Katz und Mausspiel mit stetigem Schusswechsel ihren ältesten Kameraden verloren hatten. Somit galt es noch zwei stromernde Russen und Nicholas selbst zu bewältigen. Nicholas, der nicht nur mit Landminen für seine eigene Sicherheit gesorgt hatte, sondern Antonin im Notfall nur irgendwie in sein Fahrzeug bekommen müsste, um weit genug in den eingefallenen Tunnel fahren zu können. Weiter drinnen gab es nämlich eine Stelle, die in den Fluss mündete. Dort befand sich ein motorgetriebenes Schlauchbot, das sie tiefer in die Stadt und gegebenenfalls auch in die Kanalisation beförder könnte. Doch soweit war es im Moment nicht, denn für einen von ihnen ging es gerade um Leben und Tod, während der andere nur unschädlich gemacht werden sollte. Im Fall der Fälle, mit so vielen Schmerzen wie nur möglich, was nicht schlecht gelang, denn der Schnitt über Antonins Stirn blutete beständig und würde dessen Sicht bald trüben, denn es sich wegwischen war gerade unmöglich in dem tödlichen Tanz, den sie führten.
 


 

Cole

Die Hitze der Sonne schien sich am Boden zu stauen und somit den hellen staubigen Boden wie eine Kochplatte erscheinen. Es war ungewöhnlich heiß für einen Septembertag. Doch die Sonne schien diesen Sommer Überstunden machen zu wollen und schien erbarmungslos auf sie herab. In der Ferne hörte man die typischen Geräusche eines nahegelegenen Hafens. Cole spürte, dass alles in ihm angespannt war, während er die Mauer entlang schlich. Sein Atem war so flach wie möglich, seine Ohren lauschten auf jedes Geräusch. Er wusste, dass dieses 'Spiel' hier eine bedeutende Nummer zu groß für ihn war. Doch er verließ sich auf Ethan und seine Leute. Und er verließ sich auf seine Intuition - er musste sich darauf verlassen. Ein leises Klopfen in seinem Ohr signalisierte ihm, dass Ragnar anrief, mit geübten Fingern schaltete er ihn parallel. "Cole", sprach dieser leise. "Ich habe einen Überblick über Satellit, ich sehe allerdings nur undeutlich, wer zu wem gehört, aber ich weiß, wer du bist. Ich warne dich, wenn sich dir etwas in den Weg stellt. Drei von Ethans Leuten müssten gleich auf zwei der anderen treffen. Die anderen drei scheinen sich noch nicht bemerkt zu haben. Du stehst relativ allein. Ethan ist in etwa auf 10 Uhr von dir aus gesehen, die anderen auf 4 Uhr. Ich melde mich wieder." Cole war dankbar dafür, dass Ragnar einfach wusste, was er tat. Mit ihm zusammenzuarbeiten war einfach nur angenehm. Und es beruhigte Cole ungemein, ihn bei sich zu wissen, zu wissen, dass er ein Auge auf ihn hatte. Cole zuckte zusammen, als er mit einem Mal Schüsse hörte. Er konnte nun gut ordnen, wo Ethan sich befinden musste. Offensichtlich waren sie in dieser einen Halle, die unweit von ihm stand. Cole blickte vorsichtig über die Mauer, peilte die Lage, dann rannte er leise und geduckt los, war mit einigen wenigen Sätzen auf einen Container geklettert und zog sich von dort aus auf das Dach der Halle, wo er sich abrollte und hinter einem Erker in Deckung ging. Kurz blickte er sich um, in die Richtung, in der die Zwei wohl mit einem von Nicholas Leuten auskommen müssten. Er sah niemanden. Dafür hörte er unter sich wieder Schüsse. Als es wieder still war meldete sich Ethan. "Einer Verlust, einer ausgeschaltet. Einer in Richtung Hauptziel wieder unterwegs. Er flieht, der Feigling. Ihm ist die Munition ausgegangen." Cole runzelte die Stirn. "Das ist eine Falle, passt auf euch auf. Diese Leute fliehen eigentlich nicht. Ragnar sieht uns via Satellit zu. Ich melde euch, wenn ich weiß, was der Typ vor hat." Damit schwiegen sie wieder. Cole schlich sich über das Dach, als Ragnar anklopfte. "Einer der Typen ist hinter dem Schrott Haufen in Deckung gegangen. Er scheint nachzuladen und zu warten. Irgendwas hat er vor, aber ich weiß nicht was." Cole teilte Ethan mit, was er erfahren hat, während er nun von seiner Position aus ideal auf den weiten Platz blicken konnte. Die Sicht auf Antonin und Nicholas war ihm noch versperrt, allerdings ahnte er nun, weshalb jener Mann hinter den Schrotthaufen verschwunden war. Von dort aus, konnte er viel überblicken, ohne selbst gesehen zu werden. Und für Coles Vorhaben näher an Antonin heranzukommen, war das wenig förderlich. "Er kann von dort aus wirklich alles überblicken, ich kann euch aber Rückendeckung geben, wenn ihr rechts und links vorbei wolltet." Ethan bestätigte und kurz darauf, lenkte Cole jenen Mann hinter dem Schrotthaufen erfolgreich mit einer Salve aus seiner Automatischen. Anschließend machte er sich auf den Weg, um über einen kleinen Umweg weiter nördlich an den anderen vorbei zu kommen. Doch er war gerade vom Dach heruntergeglitten, als eine Explosion ihn von den Füßen hob und er unsanft sich gegen eine Wand gedrückt wiederfand. Augenblicklich hörte er Ragnars Klopfen. "Eine Mine, ist ein richtiger Krater, war zwischen dem Gebäude und dem Schrotthaufen. Ich ahne, dass da noch mehr sind. Ich habe mich vorhin schon gewundert, weshalb so regelmäßige Strukturen am Boden zu erkennen sind. Von Oben sieht man das noch, sicher aber nicht vom Boden aus." Damit war er schon wieder weg. "Ethan?" Jener meldete sich. "Keine Sorge, sind zwar vom Schutt getroffen, aber noch wohlauf. Der Typ ist selbst reingelaufen, als er auf mich zukam... Die scheinen sich ja gegenseitig nicht wirklich zu vertrauen." "Ragnar sagt, dass da noch mehr sind, zieht euch in einem weiten Bogen zurück und helft südlich den beiden anderen, sie scheinen den einen noch nicht gefunden zu haben. Wenn sich was Neues ergibt, dann geb ich dir bescheid."

Cole schlich weiter, mit einem Mal spürend, wie die Panik, die er krampfhaft versuchte zu unterdrücken, beständig an ihm nagte, um Einlass bettelte, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Er hatte eine Scheißangst, eine verdammte Scheißangst. Aber sein Ziel war bedeutender. Er musste Antonin helfen. Und wer war er dann, wenn er seinen Gefühlen nachgab?

Er atmete tief durch und betrachtete den Boden vor sich. Selbst wenn hier vor kurzem gegraben worden wäre, so hatte die Sonne die Erde bereits wieder eingebleicht. Letztlich war es nur Glück.

Ragnar klopfte erneut an. "Die beiden sind auf den einen Gestoßen. Ethan scheint auch bald dort zu sein. Sie laufen in einem weiten Bogen, ihnen sollten keine Minen begegnen. Aber vor dir sind einige. Du solltest dich weiter links halten und um den einen Baum einen weiten Bogen machen, dann kommst du zum Fluss und kannst dich Nicholas von hinten nähern." "Danke", flüsterte Cole und tat, wie ihm geheißen. Er sollte sich langsam aber sicher beeilen. Er durfte nicht riskieren, dass Nicholas irgendwie davon kam. "Ist die Straße, die du gekommen bist, eigentlich auch vermint?", fragte er Ragnar, was jener bestätigte. "Er wird sie erst hinterher eingeschaltet haben. Ich vermute er wollte sein Kumpel auslöschen und dich beseitigen. Was Ersteres allerdings für Sinn macht, ist mir schleierhaft. Du bist übrigens nun in minenfreiem Gebiet. Der Akku vom Laptop wird schwächer. Ich hoffe er hält es durch. Ansonsten verlasse ich mich auf deine Anrufe."

Cole antwortete nicht. Er sah gerade, dass er den wirklich besten Weg gewählt hatte. Nur noch wenige Meter bis zu einem Vorsprung, der ihm genügend Schutz geben würde. "Hier ist Ethan, wir haben noch einen Verlust gehabt, aber ansonsten waren wir erfolgreich. Danke für die Herausforderung. Sollen wir dir bei dem Typen helfen?" Cole überlegte einen Moment. "Bleibt bei Ragnar. Ich weiß noch nicht, ob ich eure Hilfe noch einmal brauche. Aber danke!" Er lächelte müde. Er würde sie wohl nicht mehr in Anspruch nehmen, aber er wollte Ragnar sicher wissen. Er unterbrach die Verbindung und nahm den Stöpsel aus dem Ohr, um ihn in die Jackentasche zu stecken. Dann brachte er die letzten Meter hinter sich. Von der guten Position aus konnte er verfolgen, was Antonin und Nicholas gerade taten. und er würde es nicht weit haben, um bei ihnen zu sein. Kurz atmete er durch, wartend auf den richtigen Moment.
 


 

Antonin

Antonin zuckte zusammen als er die Explosion vernahm und selbst hier glaubte er die Erde kurz unter sich schwanken zu fühlen. Oh Gott! Oh verfluchter Gott! Was wenn es Cole erwischt hatte? Eine Sekunde Unachtsamkeit, die Nicholas sofort für sich nutzte, sich in Antonins Reichweite begab, dessen Handgelenk ergriff und er mit einer schnellen Handbewegung herumdrehte. Aufkeuchend widerstand er dem fast schneidenden Schmerz nur schwer und versuchte mit der anderen Klinge nach seinem Angreifer zu schlagen. Was darin endete, dass jener sein Messer fallen ließ und auch diese Hand blockte und ergriff. So standen sie sich, beide schwer atmend gegenüber. Antonin komplett geblockt und zudem unter den Schmerzen der verdrehten Hand, wobei Nicholas gerade auch keine weiteren Angriffsmöglichkeiten mehr blieben. Doch das bräuchte jener auch gar nicht, denn das dickflüssige Blut aus seiner Stirn troff Antonin inzwischen über die Augenbrauen, zog ihre Linie an der Nase entlang, über seine Augenlider. "Ich frage mich, ob du blind kämpfen kannst, Schüler", murmelte Nicholas und es schürte eine weitere Emotion im jüngeren. Wie erbärmlich er doch gerade war... Fast am Ende seiner Kräfte, geschafft von der trockenen Luft, schwitzend in der brennenden Sonne und ohne wirkliche Kondition. Und doch... noch bestand die Chance, dass Cole noch lebte. Sie war gering, aber sie war vorhanden. Es hatte schon ein paar Minuten keine Schusswechsel mehr gegeben, soviel hatte er mitbekommen, obwohl er nicht wirklich darauf achten konnte. Aber was wenn? Was wenn Cole tatsächlich nicht mehr lebte? Abermals loderte die kleine Flamme in seinem Inneren auf. Gewann mehr und mehr an Größe, bis jenes Gefühl sich bis in seine Fingerspitzen ausgebreitet hatte. Blut vermischte sich mit Tränenflüssigkeit und verdarb ihm die Sicht. Sein Atem ging stoßweise und trotzdem… trotzdem würde er nicht so aufgeben. Es gab keinen Grund so zu kämpfen, dass er es überleben würde. Nicht mehr. Nicht mehr ohne Cole.

"Ich kann es", murmelte er, blinzelte und versuchte Nicholas Augen auszumachen. "Ich kann es... ICH KANN ES, DU VERDAMMTER HURENBOCK!", brüllte er schließlich und streckte mit aller Kraft und Gewalt beide Arme zur Seite. Soweit er konnte, um Nicholas und seinen Körper zusammen zu bringen. Mit aller Macht ließ er seinen Kopf auf den des anderen krachen, was zwar den schmerzenden Griff lockerte, aber ihn kurzzeitig vor explodierendem Schmerz in seinem Kopf schwarz vor Augen werden ließ. Doch auch der ältere Russe taumelte zurück, zumindest bevor er sich bückte. Offensichtlich, um das Messer wieder aufzuheben. Antonin, nun auch nur noch mit einer Klinge bewaffnet versuchte wieder einen ruhigen Stand zu bekommen, sein rasendes Herz zu ignorieren und trotz stark verschwommener Sicht wenigstens einen kleinen Überblick zu behalten. "Übertreib es nicht, Marakow! Ich befehle dir zu stoppen!", keifte der ältere plötzlich und Antonin spürte wie ein Ruck durch seinen Körper ging. Es war nicht, weil er es wollte oder musste, aber was man jahrelang bei einer bestimmten Tonart tat, das war nicht so einfach wieder aus dem Organismus zu bekommen. Er hörte den zufriedenen Laut seines ehemaligen besten Freundes und riss sich selbst aus dieser Lethargie. Mit einer lange einstudierten Handbewegung löste er das Lederband von seiner Klinge und warf sie rein nach Gefühl mit aller Kraft, davon selbst zurücktaumelnd müssend. Er konnte nicht mehr... Antonin konnte einfach nicht mehr. Das dumpf pochende Gefühl, Cole durch seine eigene Dummheit für immer verloren zu haben, überschwemmte ihn und selbst Nicholas Schmerzlaut konnte ihn nicht mehr davon ablenken.

Es war im Grunde alles so sinnlos. Einen gequälten Laut von sich gebend, rieb er sich schließlich doch über die Augen und versuchte wieder einen klaren Blick zu bekommen. Und obwohl alles in ihm danach schrie, dem Mann seine Innereien herauszureißen, ging er in die Knie. Sein Körper wollte einfach nicht mehr. Zu häufig waren seine Muskeln überdehnt worden, zu anstrengend war der Kampf in der brütenden Hitze gewesen für seinen doch noch untrainierten Körper. Zu stark war das Übelkeitsgefühl von den Magentritten und zu übermächtig wurden die Kopfschmerzen. Ja, Antonin Marakow war an seine Grenzen gestoßen. An Grenzen, die noch nicht an dieser Stelle stehen sollten, aber es ganz offensichtlich taten. "Erklär mir warum", forderte er schließlich, abermals Blut von der Stirn wischend. Auch seine Seite und einer der Oberarme wiesen Schnittwunden auf, doch jene waren nicht weiter wichtig. "Sag mir warum!"

Nicholas, der sich inzwischen wieder gefangen und auf ihn zugetreten war, hielt sich ebenfalls die Seite, ohne die darin befindliche Klinge heraus zu ziehen. "Es war ein Befehl Antonin. Du bist der einzige, der die Drogenbehandlung überlebt hat. Der einzige, den man gleichzeitig zu 100 und 0 Prozent unter Kontrolle hat."

Er hörte sich selbst auflachen, doch es endete in einem fast erstickt wirkenden Keuchen. Inzwischen brannte sogar seine Lunge. "Es war also alles gelogen? Wirklich alles?"

"Vielleicht nicht immer, aber im Grunde bist du ein Projekt. Ja", bestätigte Nicholas und trat auf den Knienden zu, um ihn am Kinn zu umfassen und das Gesicht zu heben. "Unsere Beziehung zueinander wird aus deiner Sicht wieder wie früher werden. Wir müssen dich nur neu einstellen." "Wenn das ein Versuch sein soll, mich zu beschwichtigen, dann läuft er ganz schön schief...", höhnte Antonin jedoch mit leiser, kraftloser Stimme. "Du solltest mich lieber töten, Ausbilder Milenkof", fuhr er fort, mit einer Hand unauffällig in den trockenen Staub greifend. "Denn ohne meine Seele werde ich nur noch überleben bis ich dich getötet habe, bis ich dich von der Welt radiert habe, bis ich jedes noch so kleine Andenken an dich aus meinem Leben getilgt habe. Und dann werde ich ihm folgen... ins nächste Leben. Ich habe es ihm versprochen." Ohne eine Vorwarnung warf er dem anderen den Staub ins Gesicht und versuchte aufzustehen. Was sich leider nicht so leicht gestaltete, wenn einem die Gliedmaßen nicht mehr recht gehorchen wollten. "Ich habe ihm gesagt: 'In diesem und im nächsten Leben.' Meine Seele gehört schon lange nicht mehr mir. Das hast du nur noch nicht begriffen..."
 


 

Cole

Cole blickte über die Mauer und sah aber die beiden miteinander kämpfenden Männer nur teilweise, denn er befand sich im Sichtschatten des Autos. Doch was er sah, reichte ihm. Cole schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Letztlich hatte er nur eines gesehen: Einen völlig am Ende seiner Kräfte seienden Antonin, der sich bis aufs Blut wehrte, und einen Nicholas, dessen Blick er nicht einzuordnen vermochte. Er zog seinen Revolver aus dem Halfter und entsicherte ihn. Mit dieser Waffe war er einfach am sichersten.

Eines war ihm klar, er musste schnell handeln und Antonin helfen. Allerdings hatte er in diesem Moment schlechte Karten. Nicholas hielt Antonin in einem harten Griff und im Moment würde er wohl eher Antonin gefährden, als ihm eine Hilfe zu sein. Als er sah, wie sich Antonin aufbäumte, machte er sich schon zum Sprung bereit, doch im nächsten Moment erstarrte er, als er Antonin erst erstarren, sich dann aus der Erstarrung lösen und schließlich schier zusammenbrechen sah. Aber immerhin schaffte jener es noch, Nicholas mit einem Messer zu verletzen, ihn damit zu treffen. Cole erwachte aus seiner Erstarrung, sich selbst scheltend, dass Antonin doch seine Hilfe bräuchte, dass er jetzt keine Zeit hatte, hier lange zu zögern. Und so spurtete er geduckt los, das Auto als Schutz nehmend und sich dahinter verbergend. Er musste noch kurz abwarten. 'Halte durch, Antonin, ich bin gleich bei dir', dachte er und schloss erneut die Augen, um zu lauschen. Und dabei hörte er die Begründung, die Nicholas Antonin für sein Handeln gab, er hörte das Angebot und er hörte die Antwort Antonins. Hass, blanker Hass erfüllte ihn und ließ ihn alles andere vergessen. Er wollte Nicholas töten, ihn einfach nur noch sterben sehen, aber er hatte darüber letztlich nicht das Sagen. Letztlich musste Antonin entscheiden, was geschehen sollte.

Als er die Antwort Antonins hörte öffnete er die Augen und dann musste er mit einem Mal lächeln, musste über diese Worte seines Freundes einfach nur lächeln. Und mit diesem Lächeln kam ein unglaubliches Gefühl von Stolz in sein Bewusstsein. Stolz auf Antonin, den Kämpfer, der sich nicht unterkriegen ließ, der an dem festhielt, was ihm wichtig war. Und stolz darauf, dass er sich als der Glückliche bezeichnen durfte, der das Herz dieses Menschen besaß. Doch er sollte jetzt mehr denn je nicht in diesem Glücksgefühl verweilen, sondern handeln. Er linste durch die Scheiben des Autos und sah in dem Moment, wie Antonin den Dreck in Nicholas Gesicht schmiss. Nun, jetzt durfte er nicht mehr warten. Er drehte sich zur Seite weg, seinen Revolver mit beiden Händen umfassend, stand auf und ging die wenigen großen Schritte, bis er freies Schussfeld hatte, und ohne zu zögern schoss er dem Russen, der zu seiner Waffe gegriffen hatte, ins Knie. Nicholas schrie auf, sackte in sich zusammen und ließ die gezogene Waffe fallen. Cole überwand die wenigen Schritte zu dieser und trat sie mit dem Fuß weg, Nicholas den Revolver an den Kopf haltend. "Keine falsche Bewegung, Arschloch", zischte er Nicholas zu und blickte dann zu Antonin. Das blutüberströmte Gesicht des anderen, seine Schnittwunden, seine Erschöpfung ließ seinen Magen verkrampfen. Dieser Blick, diese zerrütteten Augen, die ganze Erscheinung des anderen war so grauenhaft für ihn. Es ließ ihn fast wahnsinnig werden. "Hey, Sonnenschein", begrüßte er ihn sich zusammenreißend, nicht sofort zu ihm zu stürzen, um ihn zu umarmen. Er durfte jetzt Nicholas nicht unterschätzen. Und er durfte sich seiner Sorge um Antonin nicht hingeben. "Ich denke wir müssen nicht bis zum jenseits warten, damit wir uns wiedersehen." Er lächelte matt, konzentrierte sich dann wieder auf Nicholas, damit dieser keine Dummheiten machte. "Du musst mir nur sagen, was wir mit ihm hier machen sollen." Er kniete sich leicht. Noch immer den Revolver an den Kopf des anderen haltend, begann er diesem die Jacke abzunehmen und sie neben Antonin hinzuwerfen, Nicholas weiter nach Waffen durchsuchend, um sie ihm gegebenenfalls abzunehmen.
 


 

Antonin

Den Schuss hörend, ließ er die Bemühungen sein, wieder auf die Beine zu kommen und betrachtete die verschwommene Gestalt des älteren Russen. Hörte wie er aufjaulte, hörte den dumpfen Laut der erzeugt wurde, als dieser ebenfalls in die Knie ging. Sich abermals über die brennenden und tränenden Augen reibend, glaubte er zuerst, sich zu täuschen. Ein Wunschbild zu sehen. Doch dieses Wunschbild konnte sprechen. In der gleichen geliebten Stimme, die Cole sein eigen nannte. Und diese Traumfigur hatte gerade Nicholas bewältigt und zu Fall gebracht. Entweder war er also Tod, im Delirium oder sein Ziel - sein geliebter Partner - lebte tatsächlich noch und rettete ihm gerade das Leben.

Und es musste so sein, wenn er schon seinen Kosenamen hörte. Da fiel ihm ein, dass er Ragnar den Kopf waschen sollte, wenn es noch soweit kommen sollte. Der Name sollte nur aus Coles Mund kommen. Es sollte diesen immer und überall für Antonin eindeutig erkennbar machen. Er strahlte schließlich nur durch und für diesen Mann, und scheinbar müsste das Jenseits tatsächlich noch ein Weilchen auf sie beide warten. "Cole...", nur dieses eine Wort, aber Antonin kam es vor, als hätte er noch nie so viele Gefühle durch vier kleine Buchstaben ausgedrückt. Noch immer konnte er nicht klar sehen, noch immer war ihm, als würde er gleich in eine Ohnmacht gleiten, und doch war in diesem einen Wort alles zu hören. Seine Dankbarkeit, seine Erleichterung - seine Liebe zu diesem Mann. Zu diesem unvergleichbaren Menschen.

Doch dieser Gefühlsüberlauf müsste warten, genau wie so viele andere Dinge und Bedürfnisse gerade warten mussten. Er sollte bestimmen was mit Nicholas passierte? Das war seltsam, denn obwohl der gleiche Hass, Zorn und auch Verlust noch in aller Intensität gegen seine sowieso geschwächten Mauern krachte, fragte er sich, ob er dessen Leben wirklich auslöschen wollte. Mit nicht wenig Kraftaufwand kam er wieder auf die Beine, zwar schwankend, aber immerhin stand er. Sich den Pullover mühsam über den Kopf ziehend, wischte er sich mit dem Stoff das Blut, den Schweiß und auch die Tränen aus dem Gesicht und hielt die Augen eine Weile geschlossen, bevor er sie vorsichtig öffnete und tatsächlich ein wenig klarer sah. Allerdings war es nicht der kniende und inzwischen seiner Waffen beraubte Nicholas, der seinen Blick anzog, sondern Cole. Jede Einzelheit in sich aufsaugend wie ein trockener Schwamm, überrollte ihn eine weitere Welle schier unendlicher Dankbarkeit dafür, diesen Mann an seiner Seite zu wissen. Auch wenn ihm dessen Augen gerade nicht so sehr zusagten. Auch wenn er nicht wollte, was Cole dabei war zu tun, wenn er nur so viel wie ein Kopfnicken von sich geben würde. Diese Seele hatte schon in jüngsten Jahren fast zu viel mitgemacht. Antonin würde seine eigenen Morde nicht auch noch in das sowieso schon schwere Bündel des anderen legen.

Vorsichtig trat er näher, bis er genau vor Nicholas stand, schlussendlich doch dessen Blick suchend. Ein Blick, der erwidert wurde. Ruhig, irgendwie akzeptierend. Und es dämmerte Antonin, dass jener Mann vielleicht ein ähnliches Opfer wie er selbst war, dass er zu etwas gemacht worden war, für das er nicht gedacht war. Sein eben noch ein wenig rigider Ausdruck wurde fast sanft, als er die Hand hob und sie an die Wange des älteren Russen legte. Er schluckte trocken und benetzte seine Lippen - erfolglos. "Ich werde diese Verantwortung übernehmen, Bruder. Nicht für dich, sondern für sie und mich", murmelte er und glaubte Erleichterung aufblitzen zu sehen, bevor die Augen des anderen wieder ruhig und fast unlesbar wurden. Ein Nicken wurde angedeutet. "Sie sind beide abgesichert. Sag ihnen, dass ich sie immer geliebt habe", erwiderte Nicholas, bevor sich die Augen ein letztes Mal schlossen. Abermals musste Antonin schlucken, um den Kloß aus seinem Hals zu bekommen. Und wieder blieb es ein erfolgloses Unterfangen. "Sie werden es wissen", bestätigte er mit fast brechender Stimme, bevor er Cole mit einer Handbewegung andeutete die Waffe zurück zu ziehen. Kaum hatte jener das, wenn auch zögerlich getan, zuckten Antonins Hände nach vorne, um Nicholas Kopf zu umfassen, und kurz darauf gab es ein ekelhaft knackendes Geräusch. Vorsichtig, ein letztes Mal über das kurze Haar des Mannes streichelnd zog er sie zurück und sah dabei zu, wie der Tote zur Seite hin wegkippte und in den Staub fiel. Und wieder wurde Antonins Sicht getrübt, doch diesmal waren es keine Tränen der Verzweiflung, sondern vielmehr der Erleichterung, das hinter sich zu wissen. Endlich gelöst zu sein, auch wenn ihn dieser Betrug – vor allem da er so wahnsinnig tief ging - noch lange verfolgen würde.

Fast ein wenig hilfesuchend… nein sehr deutlich hilfesuchend wandte er sich an Cole und fand sich innerhalb von Sekunden in einer unglaublich festen Umarmung wieder. "Ich wollte dich nicht hintergehen, Cole", flüsterte er, sehr wohl merkend, dass er sich nun wo das letzte bisschen Adrenalin aus seinen Adern verschwand kaum noch auf den Beinen halten konnte. "Aber ich brauche dich. Ich brauche dich so sehr und wenn du gestorben wärst...", Antonin konnte diesen Satz nicht einmal beenden. All diese aufgestauten Gefühle drohten ihn gerade zu überwältigen und alles was er tun konnte, war sich in Coles Kleidung zu verkrallen und sich zu versichern, dass er lebte. Dass sie beide lebten. Immernoch.
 


 

Cole

Cole sah, dass Nicholas nach seinen Worten Antonin fixierte, flehend. Und in ihm kam die Galle hoch. Wie konnte dieser Mann es wagen, Antonin am Ende noch um sein Leben zu bitten? Würde er ihn anflehen, ihn am Leben zu lassen? Würde er sich am Ende noch dafür entschuldigen, Antonin der Hölle ausgesetzt zu haben? Cole war versucht, gleich abzudrücken, doch er riss sich zusammen, blickte zu seinem Freund, der sich gerade schwankend aufgerichtet hatte und nun an seine Seite trat. In Coles Augen lag etwas Furioses.

Als Antonin neben ihn getreten war, änderte sich jedoch Nicholas Blick, er wurde ruhiger, wurde akzeptierend. Coles Stirn runzelte sich. Konnte es sein, dass Nicholas wirklich bereit war zu sterben, dass er aber einfach nur durch Antonins Hand sterben wollte?

Und tatsächlich schien Antonin vor ihm begriffen zu haben, was Nicholas wollte. Cole ließ die Waffe sinken, nicht wissend, ob er es wirklich sehen wollte, wie Antonin einen Menschen umbrachte. Und so wandte er seinen Blick ab. Wer wohl mit 'sie' gemeint war? Die Organisation? Sicher nicht. Für die würde Antonin nicht... Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, dass damit Tayra und Tamara gemeint waren. Coles Augen blickten zu Boden. Langsam begriff er, wie emotional das ganze hier eigentlich war. Wie furchtbar das alles für Antonin sein musste. Er hatte vorher nie bewusst nachempfunden, was dieser 'Verrat' von Nicholas für Antonin bedeutete. Aber langsam aber sicher wurde ihm das immer bewusster. Antonin war ein wesentlich wärmerer, liebenderer Mensch als er. Er schluckte und fragte sich einmal mehr, womit er einen solchen Menschen an seiner Seite verdient hatte. Cole zuckte zusammen, als er das Knacken hörte, und wendete den Blick sofort wieder Antonin zu, der ihn mit einer anderen Art von Flehen ansah. Augenblicklich trat er einen Schritt an seinen Freund heran, zog diesen in seine Arme und gab ihm den Halt, den er ihm geben musste. Cole atmete tief durch, strich Antonin sacht über den Rücken und ärgerte sich irgendwie über seine Schutzweste, die einen engeren Kontakt nicht möglich machte. Er lauschte den Worten, spürte den erschöpften Körper in seinen Armen und die Welle aus ihm unbekannten Gefühlen schien ihn zu erdrücken. Wieso hatte er gerade das Gefühl, weinen zu wollen. Auch wenn, er schluckte hart, zwang sich die emporkriechenden Tränen zurückzuhalten und löste sich nur soweit von Antonin, dass er ihn ansehen konnte. "Du musst dich nicht entschuldigen, du hast mich nicht hintergangen. Zumindest nicht so richtig, schließlich hattest du einen Plan, in den du mich ruhig vorher hättest einweihen können. Aber dank deiner übertriebenen Abschiedsworte wusste ich ja, wohin der Hase läuft." Er versuchte zu lächeln. Dann küsste er Antonin sanft. "Und ich würde dir bis in die Hölle folgen, um dich zu mir zurück zu holen." Er hob die Hand und strich Antonin sanft über die Wange. Seine Augen waren wieder wärmer geworden, ruhten nun in den Augen des anderen. "Du siehst ziemlich Scheiße aus", sagte er mit einem Mal und nickte zu seinen Worten. Schließlich musste er grinsen. "Komm, da warten ein paar Leute auf uns, die wissen wollen, ob wir noch leben." Vorsichtig entließ er Antonin aus seinen Händen. "Kannst du die Minen entschärfen? Ich rufe Ragnar an, dass er uns abholen soll." Cole wartete bis Antonin ihm grünes Licht gab, dann zückte er sein Handy und sah, dass jener bereits dreimal angerufen hatte. "Kannst du uns abholen?", fragte er und legte dann wieder auf. Kurz darauf rief Ethan an. "Ethan? - Ist gut... Wir sehen uns." Cole blickte Antonin an. "Ragnar kommt. Die anderen machen sich vom Acker." Kurz schwieg er. "Was machen wir mit Nicholas? Wir sollten seiner Familie einen Ort geben, an dem sie Abschied nehmen können..."

Wenige Augenblicke später kam Ragnar mit dem Falcon zu ihnen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück