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Blood Deal

Even if saving you sends me to heaven
von

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Geißel

Nicholas

Nicholas, der die Nacht über immer mal wieder vor sich hin gedöst hatte, im Wissen beim kleinsten Geräusch aufzuwachen, erhob sich von seinem bereitgestellten Stuhl als er das Türschloss hörte. Das wurde jetzt aber auch Zeit. Gelassen entsicherte er seine Waffe und wartete bis er die Tür ins Schloss fallen hörte, bevor er in das Sichtfeld des anderen trat. Schweigend musterte er diesen kurz, bevor er die Waffe hob. "Hallo Ragnar", begrüßte er diesen. "Mein Name ist Nicholas und es wäre jetzt besser für dich, zu tun was ich von dir verlange, denn dann werden wir beide das schnell hinter uns gebracht haben." Wie erwartet weiteten sich dessen Augen kurz und man konnte förmlich hören wie es hinter dessen Stirn ratterte. Wie versucht wurden, die Puzzleteile zusammen zu setzen, und scheinbar war er teilweise auch erfolgreich darin. Damit stand für den Russen fest, dass zu irgendeinem Zeitpunkt über ihn gesprochen worden war. Er nutzte seinen Vorteil aus und durchsuchte den Mann kurz auf Waffen, bevor er ihn in die Küche zu dem vorbereiteten Stuhl dirigierte. Das einzige das Nicholas ihm bei der Durchsuchung abgenommen hatte war das Handy gewesen, denn das war essentiell wichtig für seine weiteren Schritte.
 

Nicholas strahlte zu diesem Zeitpunkt nur Ruhe aus und keinerlei Aggressivität. Hätte er die Waffe nicht in den Händen gehalten, würde wohl niemand auf die Idee kommen, dass er sich uneingeladenen Zutritt zu dieser Wohnung beschafft hatte und gerade dabei war ein Leben zu bedrohen. Als Ragnar sich schließlich gesetzt hatte betrachtete er diesen einmal intensiver. Bisher hatten sie so aus der Nähe kein Vergnügen miteinander gehabt. Er lehnte sich gegen den Türstock zur Küche und überlegte kurz. "Ich habe keinen Groll gegen dich und du bist unverschuldet zwischen den Fronten gelandet, daher hast du momentan nichts zu befürchten, wenn du dich vernünftig verhältst", erklärte er und durchsuchte das Handy dann kurz nach Antonins Nummer. "Deine Wohnung habe ich allerdings durchsucht, da ich keine Überraschungen erleben wollte. Du bist krank, richtig?", kurz sah er auf. "Wenn du Medikamente nehmen musst, dann sag das rechtzeitig." Er ersparte es sich selbst, wie das so viele Anfänger machten, einen auf starken, bösen Mann zu markieren. Nicholas wusste, dass er kaum etwas von Ragnar zu befürchten hatte, so wie es momentan stand, war sich zudem seiner Stärke bewusst. Und gerade dadurch, dass er es nicht auf einem großen Schild mit sich herumtrug, veränderte sich seine Ausstrahlung zu seinen Gunsten.

Die Waffe locker in der Hand behaltend, immer bereit sie zu heben und einfach abzudrücken, wählte er mit der anderen Antonins Nummer. Nicholas war sich sicher, dass jener rangehen würde, wenn Ragnar ihn anrief und wie es aussah, hatte er sich nicht getäuscht, denn sein Schüler meldete sich, wenn auch mit etwas verschlafen klingender Stimme.

"Antonin, du ahnst natürlich was passiert ist, wenn ich mit diesem Handy anrufe?", begrüßte er ihn und lauschte auf die Antwort. "Nein, noch ist er sehr lebendig. Aber du solltest jetzt besser zu diesem Ziel gehen und dein Handy auf Lautsprecher stellen, denn das betrifft euch beide und wir sollten keine Zeit damit verplempern, stille Post zu spielen. Vor allem nicht, da ihr Ragnars Lebenszeit verplempern würdet, nicht meine", antwortete er und wartete eine Weile, bis Antonin ihm zu verstehen gab, dass er das gewünschte umgesetzt hatte. In der ganzen Zeit hatte Nicholas seine Geisel nicht aus den Augen gelassen, denn wenn jemand etwas versuchen wollen würde, dann wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt. Doch das würde er sehr gut zu verhindern wissen.

"Cole...", fing er an, "du hast mehrere entscheidende Fehler begangen."
 


 

Antonin

Ein wenig unwillig versuchte Antonin im Halbschlaf seine Wärmequelle bei sich zu behalten, wurde jedoch mit einem Kuss auf die Stirn und einigen gemurmelten Worten, die er noch nicht ganz wahrnahm, sehr schnell besänftigt. Seine Hände lösten sich von der weichen und vor allem warmen Haut des anderen und dieser schien aufzustehen, um ins Bad zu verschwinden. Entweder, weil es für jenen schon Zeit war aufzustehen oder aus anderen Gründen, doch das war ihm gerade herzlich egal, denn das Bett war viel zu bequem. Und er noch angenehm entspannt und müde von der letzten Nacht. Eine Nacht, die er so schnell nicht vergessen würde, mit einem Mann, den er nicht mehr hergeben wollte. Irgendwie waren sie wie ausgehungerte Löwen über einander hergefallen, was die Intensität betraf, und Antonin konnte ums Verrecken nicht behaupten, dass es nicht hin und wieder gedacht hatte, vor Lust einfach vergehen zu müssen. Doch trotzdem war es gerade umso angenehmer, das Gewicht der Laken auf seiner Haut zu spüren, Coles Geruch noch tief inhalieren zu können und einfach noch ein Weilchen faul liegen zu bleiben.

So hatte er sich das zumindest gedacht, denn als er sein Handy klingeln hörte, wollte er es zuerst ignorieren, beschloss dann aber doch aufzustehen und es zu suchen. Schwer gähnend pulte er es aus seiner auf dem Boden liegenden Hose und warf einen Blick auf die Nummer. Ragnar? Was wollte der denn um diese gotteslästerliche Uhrzeit von ihm? Oder war vielleicht der Akku von Coles Handy leer? "Morgen! Hast du dich verwählt?", murmelte er, bevor er die Augen erschrocken aufriss und sein Atem sich beschleunigte. Diese Stimme würde er, ähnlich wie Coles, ebenfalls unter tausenden sofort erkennen. Aber wie... holy shit! Nicholas Worte bestätigten seine Gedankengänge auch sofort. Dieses Arschloch! Dieses gottverdammte Arschloch! "Was hast du mit ihm gemacht? Du hast nicht einfach einen dir völlig Fremden wegen einer Art Privatfehde umgebracht, oder?!" Seine Stimme gewann an Volumen in derselben Geschwindigkeit wie seine kleinen Gehirnzellen die Müdigkeit beiseiteschoben und schon mal die Möglichkeiten und Auswirkungen dieser Wendung in der Geschichte bedachten. Als er Nicholas Wunsch, vielmehr Befehl vernahm schluckte er hart und warf der Richtung des Badezimmers einen unsicheren Blick zu.

Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Zum ersten Mal seit längerem konnte er Coles Reaktion auf diese Neuigkeit nicht einschätzen. Verflucht! Er nahm das Handy herunter, schloss einmal gequält die Augen und begab sich zu Cole, der tatsächlich schon unter der Dusche stand. "Cole", sprach er ihn an und schüttelte den Kopf, als er dessen leichtes Lächeln und die auffordernde Handbewegung zu sich sah. Er hob sein Handy und wank ihn zu sich, dabei zusehend wie sich der Gesichtsausdruck seines Freundes sofort änderte. Keine 15 Sekunden später stand dieser bei ihm, noch ganz nass ihm einen fragenden Blick zuwerfend. Als Antwort darauf schaltete er sein Handy auf Lautsprecher. "Du kannst sprechen", erklärte er und hielt das Gerät zwischen sie, immernoch nicht ganz wissend was er gerade wirklich fühlte. Vielleicht eine gewisse Ohnmacht, weil er wusste worauf das hinauslaufen würde. Es gab eigentlich nur eine Erklärung dafür und sie ließ auch nur eine Reaktionsmöglichkeit zu. Etwas, das ihm langsam aber sicher einen eisigen Griff um sein Herz legte, aber auch eine Art der Resignation und Verbitterung auslöste. Musste das wirklich über Ragnars Rücken ausgetragen werden? Aber im Grunde hätte er es sich denken können. Nicholas selbst hatte ihm diesen taktischen Zug erklärt, vor vielen Jahren. Es war nur logisch eine solche Aktion zu fahren, wenn man aus irgendwelchen Gründen keine direkte Konfrontation eingehen wollte. Und das wäre das letzte, worauf Nicholas hinziehen würde, denn es bestünde ja die Möglichkeit, dass Antonin dabei starb. Etwas, was offensichtlich nicht gewünscht war.

"Cole, du hast mehrere entscheidende Fehler begangen", drang die Stimme des älteren Russen zu ihnen durch und innerlich seufzte Antonin, als er das Erkennen in Coles Augen erkannte und die Veränderung, die seine ganze Aura mit sich zog. Und noch wusste er das Schlimmste gar nicht…

"Doch die werden dir selbst früher oder später aufgehen. Momentan viel wichtiger ist, dass ich hier jemanden sitzen habe, der dir sehr gut bekannt sein sollte. Wenn mich nicht alles täuscht ist sein Namen Ragnar. Klingelt da was?", Antonin hätte am liebsten in die kurze Stille hineingekotzt und wandte den Blick von Cole ab. Er wollte das jetzt nicht sehen. Wollte nicht sehen, worauf das hinauslaufen würde. "Es ist schon seltsam mit den Personen, die einem etwas bedeuten, nicht? Man merkt so häufig erst, was man alles hätte besser und anders machen können, wenn sie nicht mehr bei einem sind. Aber noch lässt sich diese Situation ohne unnötige Gewalt lösen. Du bekommst deinen Freund wieder, unversehrt, wenn Antonin sich wieder an meiner Seite befindet. Dass er das tun wird, steht für mich außer Zweifel, denn viel mehr Optionen habt ihr jetzt beide nicht mehr. Du könntest natürlich eine Harakiriaktion versuchen, aber bedenke dabei, dass sich Bloodhounds bisher zu 100 Prozent selbst umgebracht haben, nachdem ihr Ziel gestorben ist. Damit ist klar, was passiert, wenn du dabei sterben solltest. Also setz meinen Kleinen in ein Fahrzeug und die Übergabe findet wie immer statt. Ohne dich, möchte ich anfügen." Nicholas seufzte deutlich ins Handy. "Es hätte nicht so laufen müssen. Ihr habt zwei Stunden euch zu entscheiden." Damit war die Verbindung unterbrochen und Antonins Körper schien sich gerade für Emotionslosigkeit entschieden zu haben.

Es stand für ihn tatsächlich außer Frage, ob er auf den Deal eingehen würde. Das war schon klar gewesen als er seinen Ausbilder gehört hatte. Er würde nie zulassen, dass Ragnar etwas passierte, gerade nicht, wenn Cole dann damit die einzige Person verlieren würde, die am nächsten an einer Art Familienmitglied dran war. Und somit beschloss er die verschlüsselte Botschaft nicht zu erklären, sondern zu handeln. Fast schon vorsichtig hob er den Blick, Cole betrachtend. Vielleicht würde er diesen in wenigen Stunden nie wieder sehen. Und alleine der Gedanke brach ihm das Herz.
 


 

Ragnar

Ragnar erschrak fast zu Tode, als plötzlich der Mann vor ihm stand. Ein Mann, den er nicht kannte, der sich aber sogleich vorstellte. Und als er den Namen hörte musste er nicht lange überlegen, um zuordnen zu können, mit wem er es zu tun hatte. Ragnar ärgerte sich ein wenig über sich selbst, dass er nicht aufgepasst hatte, dass er mit seinen Gedanken nicht bei der Sache gewesen war. Denn eigentlich hatte er einen ‚Trick‘, mit dem er überprüfen konnte, ob sich jemand Zutritt zu seiner Wohnung verschafft hatte. Doch heute war er nicht bei der Sache gewesen. Heute war er mit seinen Gedanken bei der vergangenen Nacht gewesen, bei Nathan, einem wunderbaren Mann. Und nun würde er mit den Konsequenzen leben müssen, auch wenn er noch nicht genau wusste, worauf es hinauslaufen würde. Was er wusste war letztlich nur, dass Nicholas wohl seinen Auszubildenden, Antonin, wiederhaben wollte. Und das offenbar mit allen Mitteln. Und wenn Ragnar nicht alles täuschte, dann hatte jener beschlossen, Cole damit zu ‚überreden‘, Antonin herzugeben, indem er seinen besten Freund kidnappte. Irgendwie lausig, aber wahrscheinlich auch irgendwie effektiv. Ohne etwas zu sagen, ließ er sich durchsuchen. Er hatte keine Waffe dabei, wieso auch. Dafür entwendete er ihm sein Handy, was Ragnar zwar störte, was aber klar gewesen war. Die Ruhe, die Nicholas ausstrahlte, ließ auch Ragnar ruhig bleiben. Was sollte er schon groß tun. Und er wusste, dass sein Gegenüber nicht an ihm interessiert war, dass er eben nur ein ‚Erpressungsmittel‘ für etwas anderes war. Ragnar setzte sich an seinen Küchentisch, blickte Nicholas ruhig an, während dieser ihn ebenfalls unverhohlen musterte. Die Worte, die der andere sprach, registrierte er kommentarlos. Dass der Russe seine Wohnung durchsucht hatte, war ihm klar gewesen. Was ihm aber auch klar war, war, dass er sicher nicht alle Verstecke hat finden können. Zumindest eines nicht, das er von hier aus sah, denn er würde wissen, wenn es entdeckt worden wäre. Nun, vielleicht würde sich ja dann die Gelegenheit ergeben, sich zu bewaffnen, wenn er Glück hatte. Ragnar ließ sich von diesem Gedanken allerdings nichts anmerken, betrachtete nur ruhig den anderen Mann, der ihm eben erklärte, dass er seine Tabletten weiterhin nehmen durfte, dass er wüsste, dass er krank war. Ob er auch wusste, welche Krankheit es war? Ragnar nickte kurz, um zu zeigen, dass er verstanden hatte, als Nicholas ihn ansah.

Dann lauschte er dem Telefongespräch, kurz müde lächelnd, als er etwas von seiner Lebenszeit hörte. Ob er ihm gleich sagen sollte, dass es ihm egal wäre, wenn man ihn tötete? Schließlich machte er den Job doch in dem Wissen, dass er dadurch nicht am Ende seines Lebens vor sich hinvegetieren müsste, nur um einen langsamen, beschissenen Tod sterben zu müssen. Sicher, dass es ausgerechnet jetzt so weit sein würde, damit hätte er nicht gerechnet. Jetzt, da er endlich wieder jemanden gefunden hatte, der ihm gut tat. Aber das Leben ist ein Hund – so war es schon immer, und wo wird es immer sein. Aber Ragnar beschloss noch nichts dazu zu sagen. Er hatte damals auf der Möweninsel Cole das Versprechen abgenommen, dass er angesichts seiner Krankheit nicht zögern dürfte, wenn es so weit wäre, wenn er ihn darum bitten würde, und so hoffte er, dass Cole das auch in dieser Situation berücksichtigen würde.

Seine Augen ruhten noch immer auf Nicholas, als dieser die Verbindung unterbrach, wartend, was nun geschehen würde. „Ich würde mich gerne umziehen, wenn das Recht ist“, meinte er schließlich. „Meine Klamotten stinken so nach Rauch und Alkohol, dass mir ein wenig übel wird, und ich bin ohnehin ein wenig empfindlich. Und ich weiß nicht, ob es so schön für dich ist, wenn deine Geißel sich hin und wieder übergeben muss. Das sind so beschissene Nebenwirkungen von den Pillen, die ich so schlucken muss.“ Fragend blickte er Nicholas an. „Du kannst mir die Sachen auch gerne selbst aus dem Schrank raussuchen. Und du darfst auch gerne zuschauen, wenn ich mich umziehe…“
 


 

Cole

Sein Handy surrte. Er hatte es am vergangenen Abend lautlos gestellt und offensichtlich vergessen, das rückgängig zu machen. Dennoch hörte er es im Halbschlaf, wissend, wer es nur einmal läuten ließ, um zurückgerufen zu werden. Sacht löste er sich von Antonin, lächelnd, als er merkte, dass er ihn offenbar nur ungern gehen ließ. Sacht küsste er den anderen auf sie Stirn. „Schlaf noch ein wenig, kleiner Klammeraffe“, flüsterte er leise und stellte zufrieden fest, dass Antonin ihn aus seinem Griff entließ.

Er schnappte sich sein Handy und blickte aufs Display, zufrieden feststellend, dass er sich nicht getäuscht hatte. Kurz überlegte er, ob er gleich zurückrufen sollte, entschloss sich aber, das ganze unter der Dusche noch einmal zu überdenken. Wenn er es tat, müsste er ab sofort damit rechnen, dass Nicholas auftauchen würde. Wobei er wusste, dass Nicholas es tunlichst vermeiden würde, ihn zu töten. Cole war seit seinem Besuch bei dem Privatdetektiv bewusst, dass Nicholas ihn nicht töten würde, denn das würde einem Mord an Antonin gleich kommen. Und so wie er die Sache sah, wollte Nicholas Antonin für sich haben, um ihn wieder einer Gehirnwäsche zu unterziehen, um ihn wieder zum willigen Bluthund werden zu lassen. Und das würde bedeuten, dass Nicholas versuchen würde, Antonin zu entführen. Doch das wird er zu verhindern wissen. Denn eins war ihm bewusster denn je. Er würde Antonin nie wieder von sich weg lassen. Antonin war für ihn zu einer für ihn überlebenswichtigen Person geworden. Und er würde alles dafür tun, diese Person zu schützen. So wie jener ihn jeden Tag wieder davor bewahrte, den Verstand zu verlieren, indem er ihm nahe war, ihm Wärme spendete, ihn liebte.

Eine Weile stand er unter der Dusche, das Wasser über sein Gesicht laufenlassend, nachdenkend, sich mental darauf einstellend, dass die nächste Zeit wohl recht aufreibend sein wird. Er erschrak ein wenig, als er plötzlich Antonins Stimme seinen Namen hören sagte und etwas an der Stimme gefiel ihm gar nicht. Oder bildete er sich das nur ein? Als er sich umdrehte und den schönen Mann sah, musste er unwillkürlich lächeln. Ob man die vergangene Nacht nicht gleich hier unter der Dusche ausklingen lassen sollte? Und so deutete er dem anderen an, zu ihm zu kommen, doch bereits in der Bewegung sah er das Handy in dessen Hand. Also hatte er sich doch nicht getäuscht. Irgendwas war geschehen. Und so schaltete er die Dusche ab, griff beim Rausgehen zu seinem Handtuch und trocknete sich halbherzig ab, um gleich darauf neben Antonin zu stehen und ihn fragend anzusehen. Die Augen des anderen gefielen ihm gar nicht. Sie drückten nicht nur Sorge und Angst aus, es war schon fast etwas wie Verzweiflung darin zu sehen.

Als Cole die Stimme von Nicholas hörte, verdüsterte sich sein Gesicht. Also war jener vor ihm in die Gänge gekommen. Also hatte jener doch schon eine Handlung geplant und offenbar auch durchgeführt. Und diese Handlung war nichts anderes, als Ragnar als Geißel zu missbrauchen, damit sich Antonin ‚freiwillig‘ wieder in dessen Obhut begab. Eine interessante Taktik, eine Taktik, die Cole kurz meinen ließ, keine Luft mehr zu bekommen. Er presste lediglich ein „Ich höre“, heraus, das er möglichst neutral klingen ließ, nachdem die Stille nach den Worten des anderen unerträglich zu werden schien. Cole spürte, wie sich in ihm alles begann zu verkrampfen, mit jeder Sekunde, die ihm bewusster wurde, was hier gerade geschah. „Mag sein, dass du immer erst weißt, was dir wichtig war, wenn du es nicht mehr hast. Bei mir ist das anders, Arschloch“, zischte Cole, als er die Worte des anderen vernahm. „Und ich glaube vielmehr, dass du derjenige bist, der gerade einen gewaltigen Fehler macht. Denn offenbar hast du mit der Zeit, als du dich als ‚bester Freund‘ ausgegeben hast und deine wirklich nette Familie – was sagt eigentlich Tayra zu dieser Aktion? - die ganze Zeit verarscht hast, so ein paar Dinge vergessen, die für einen Guard wichtig sind. Es ist süß, dass du ihn lebendig haben willst, aber glaubst du wirklich, dass er auch nur einen deiner Befehle jemals ausführen wird, solange ich derjenige bin, dem er verpflichtet ist, solange ich also noch lebe? Ich glaube, dir ist die Zwickmühle, in der du sitzt, wirklich gar nicht so bewusst...“ Cole schnaubte verächtlich. „Du bist wirklich erbärmlich, Nicholas, wirklich ein erbärmlicher Ausbilder.“ Cole registrierte das Seufzen. Er hatte gesagt, was es zu sagen gab.

„In zwei Stunden“, knurrte er und blickte einen Moment auf das Handy, bevor er sich das Handtuch um die Hüfte schnürte und zu seinem Handy griff, eine Nummer wählen ließ und ein „Das Geld wird übermorgen an gewohnter Stelle sein“, hineinsprach. Etwa 10 Minuten später sollte auf dem Schrottplatz jener Raum in Schutt und Asche zerfallen. Mag sein, dass er Nicholas reizte, aber er wusste, dass Ragnar erstens keine Angst vor dem Sterben hatte, und dass sich zweitens Nicholas so dazu hinreißen ließ, Fehler zu begehen. Fehler, auf die sie momentan angewiesen waren. Und dass die beiden aktuell nicht dort waren, lag an dem Geräusch des Kühlschranks von Ragnar, das er nur zu gut kannte, und das er im Hintergrund gehört hatte. Schon öfters hatten sie sich über das Eigenleben jenes Geräts lustig gemacht. Nun drehte er sich wieder zu Antonin. „Was meinte Nicholas damit, wenn er sagt, dass die Übergabe wie gewohnt stattfinden würde?“, fragte er ihn und seine Stimme war unglaublich kalt, was er aber zu spät registrierte. Und so trat er auf Antonin zu und strich ihm über die Wange, ihn ansehend. „Hör zu, Antonin. Wir haben wenig Zeit, und wir müssen einen Schlachtplan entwickeln. Ich hoffe dir ist absolut klar, dass ich weder dich noch Ragnar verlieren möchte und verlieren werde. Daher werden wir augenscheinlich auf den Deal eingehen, aber nur augenscheinlich. Ich habe in deine Fähigkeiten vollstes Vertrauen und auch in die von Ragnar, daher brauchen wir einen Plan.“
 


 

Antonin

Äußerlich ruhig, innerlich in Höchstgeschwindigkeit denkend starrte er auf sein Handy, bis er Cole in sein eigenes Gerät sprechen hörte und abermals aufsah. Was denn für Geld? Also hatte er sich womöglich nicht getäuscht und Cole hatte im Alleingang Vorbereitungen getroffen? Soviel zu den Einzelaktionen von denen der andere nichts weiß. Doch er konnte keinen Vorwurf machen, ließ es sich ja eigentlich sehr gut nachvollziehen. Antonin hätte an Coles Stelle spätestens jetzt auch kein wirkliches Vertrauen mehr in seine Fähigkeiten. Als sein Freund sich zu ihm drehte bekam er wieder jenen Gesichtsausdruck zu sehen, den er langsam aber sicher verabscheute. Diese tödliche Kälte, die mit seinen Worten auch nach ihm ihre Fänge ausstreckte. Aber er zuckte nicht zusammen, sondern akzeptierte es als gegeben. Antonin würde sich selbst nicht sehen wollen, wenn jemand Cole entführt hätte. Vermutlich würde er nicht einmal mehr solche Sätze zusammenbringen. Umso überraschter war er, als Cole zu ihm trat, ihm über die Wange strich und auf ihn einredete. Schlachtplan? Wie sollten sie einen Schlachtplan entwickeln gegen Nicholas? Wenn er nicht auf die versteckte Nachricht eingehen würde, würde jener den Übergabeort ändern und ihnen dann nur noch genau die Zeit geben, die sie von hier bis dorthin brauchen würden. Dieser Mann war ein Monster, ja. Aber ein gerissenes, mit allen Wassern gewaschenes Monster. Dagegen war er selbst, wenn er einmal 'von der Leine' gelassen wurde, höchstens ein Monsterchen. Gewalttätiger, ja. Vielleicht auch grausamer. Aber die nötige Übersicht über Dinge fehlte ihm.

"Das ist eine Art Codewort", murmelte er schließlich. "Es bedeutet, dass der Übergeber eines solchen Deals mit einem Fahrzeug zum angegebenen Ort fährt. Dort hält er ungefähr 50 Meter vom Empfänger entfernt und steigt aus. Es muss zu erkennen sein, dass er keine Waffen trägt, daher sind engsitzende Kleidungsstücke zu empfehlen. Sobald er bis 25 Meter heran ist, wird die Geisel oder ein Mann mit dem gewünschten Objekt losgeschickt. In unserem Fall die Geisel. Ungefähr 15 Meter vom Empfänger entfernt tauschen sie die Gegenstände. In dem Fall würde Ragnar einen Autoschlüssel erhalten und weiter gehen. Ich würde stehenbleiben, bis er fast beim Fahrzeug ist und dann weitergehen. Ragnar müsste umgehend mit dem Fahrzeug wegfahren. So verhindert man einen Peilsender am Fahrzeug, der ja nicht so auf die Schnelle zu finden wäre. Eine Form der Übergabe für lebende Personen", erklärte er schließlich was eine gewohnte Übergabe war und seufzte dann tief.

"Wie wollen wir einen Plan erstellen, ohne den Ort zu kennen? Es wird ein Platz sein, bei dem Nicholas immer geschützt vor Scharfschützen steht. Er wird weiträumigen Blick auf das Gelände haben, oder zumindest auf den Übergabeort. Ich denke nicht, dass er Ragnar etwas tun wird, jener ist in seinen Augen nur solange etwas wert, wie das er gegen mich austauschbar wäre. Und das ist er nur lebend und wohlauf." Er stellte sich ans Waschbecken, um sich die Zähne zu putzen und ging dann ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Wie sollte er das schaffen? Und selbst wenn er es schaffen könnte, wie sollte er ohne Cole weiterleben? Als mordende Hülle? Zudem dieser recht hatte. Schlussendlich besaß er die Befehlsgewalt. Würden sich Cole und Nicholas gegenüberstehen und verlangen den jeweils anderen zu töten, war es keine Frage, wen er töten würde. Oder setzte Nicholas auf Entfernung und Entfremdung? Aus den Augen aus dem Sinn?

Recht in sich gekehrt setzte er sich auf die Bettkante und betrachtete seine Hände. Was waren die Fakten? Er wollte Ragnar aus Nicholas Fängen wissen. Lebend und wohlauf. Ragnar war Coles Familie. Ein weiterer Fakt war die Tatsache, dass Cole das überleben sollte. Möglichst unverletzt. Und der letzte Fakt war immer außer Frage gestanden: Er würde sich sofort für Cole opfern, selbst wenn dieser das verboten hatte. Es war ein Befehl, den er umgehen konnte. So kam er zu einer Entscheidung und blickte ruckartig auf, sah sich nach dem anderen um und trat auf diesen zu. "Ok, pass auf", fing er an und suchte Coles Blick. "Ich brauche eine ganz bestimmte Waffe aus meiner Wohnung. Sie ist für... Spezialfälle würde ich sagen. Dazu kommt noch, dass ich mein Auto brauche, da es mehr Möglichkeiten für etwaige Überraschungen hat als deines. Wenn ich sofort losfahre, kann ich spätestens 40 Minuten wieder hier sein und du hättest die Zeit, dich auszurüsten und ebenfalls nochmal nachzudenken. Das ist eine Situation, mit der wir beide nicht gerechnet haben, und ich wäre gerne so gut vorbereitet wie es nur geht." Er stockte kurz und schloss die Augen ein paar Sekunden, bevor er sie wieder öffnete. "Immerhin geht es hier auch um mein Leben."
 


 

Nicholas

Die Zeit, die er sich als bester Freund ausgegeben hatte... diese Worte klangen in Nicholas nach und bereiteten ihm ein wenig Kopfschmerzen. Alleine an dem Wochenende, durch das er Antonin geschickt hatte, konnten diese Worte nicht liegen. Auch an der Entführung Ragnars nicht, denn mit solchen Methoden war Antonin vertraut und zudem war davon auszugehen, dass er das als Sorge um jenen tat. Also, woher kam dieser Satz auf einmal?

Doch lange konnte er sich nicht darauf konzentrieren, da ihn die Frage dieses Ragnars aus diesen Gedanken holte. Er dürfte sogar die Kleidung heraussuchen und der dürfte zusehen? Der Mann war mutig, wenn er sonst schon nichts war. Trotzdem nickte er ruckartig. "Zieh dich hier aus, dann gehen wir zu deinem Schrank", entschied er und sah dann mit dem offensichtlichen Desinteresse eines Heteros dabei zu wie Ragnar seinen Worten nachkam. Er deutete ihm an voraus zu gehen und folgte danach jedem seiner Schritte mit neuerlicher Aufmerksamkeit. In so einer Wohnung konnte es immer sein, dass man Dinge übersah. "Wir werden hier gleich verschwinden, wenn du also noch etwas einnehmen musst, mach das jetzt", befahl er und hielt sich an Ragnar für die nächsten Schritte. Es sollte nicht mehr lange dauern bis sie die Wohnung verlassen konnten, wo er den anderen Mann abermals vor sich gehen ließ, die Waffe in der Jackentasche seiner Lederjacke stets auf diesen gerichtet lassend, dirigierte er ihn bis zu seinem Fahrzeug. Einen unauffälligen schwarzen Wagen der unteren Mittelklasse, wie sie zu tausenden in New York zu finden waren. "Du fährst", bestimmte er und setzte sich neben den Mann, nachdem er aufgesperrt und seinen Rucksack zwischen die Beine genommen hatte. Seine Waffe wieder locker in der Hand, auf den Schoß gelegt haltend, lenkte er sie durch die Stadt, bis sie in altes Industriegebiet kamen. Zum Halten kamen sie vor einem Tunnel, der eingebrochen war und nebendran ein Seitenarm des Meeres in einen Fluss mündete. Es war ein Areal, das man gut überblicken konnte und keine höheren Gebäude in der Umgebung besaß.

Er ließ Ragnar aussteigen und lehnte sich dann selbst gegen den Wagen. Bisher war er mehr als zufrieden mit der Mitarbeit des anderen Mannes und wenn weiterhin alles so lief, wäre dieser bald wieder frei und er könnte versuchen wieder vernünftig auf Antonin einzuwirken. Etwas, das absolut nicht mehr möglich war, wenn er in der Nähe dieses Cole war. Und gerade blieben zwei Methoden, um genau das zu erreichen. Ein schneller Blick auf die Uhr verriet, dass sie für die erste Möglichkeit nicht mehr so lange zu warten hätten. Die zweitere wäre eher unangenehm, aber ebenfalls gut durchdacht und er sah keine Probleme in der möglichen Ausführung.

Als ein Gerät in seinem Rucksack plötzlich begann unangenehme Piepslaute von sich zu geben, warf er Ragnar einen Blick zu, dass er jenen noch genau im Auge hätte, und holte das Gerät hervor, es betrachtend und auf einigen Knöpfen herumtippend. Schließlich begann er auf Russisch zu fluchen und schleuderte das Gerät von sich, einen undeutbaren Blick zu seiner Geisel werfend. "Dein Freund ist ein reichlich penetranter Mann", knurrte er und dachte daran, was gerade wohl alles für Werte und Gegenstände verloren gegangen waren. Denn nichts anderes konnte es bedeuten, wenn sein Rechenzentrum plötzlich nicht mehr erreichbar war, um sich neue Updates zu holen. Dieser gerissene Hund! Am liebsten würde er... doch Nicholas riss sich zusammen. Im Grunde mochte er Herausforderungen und das hier könnte nun doch noch eine werden.
 


 

Cole

Cole lauschte den Ausführungen des anderen, hinsichtlich der Übergabe. Gut, dann würde Nicholas also eine gewisse Zeit alleine dastehen. Das war letztlich die einzige Chance, die sie hatten. Antonin würde unbewaffnet sein, wobei es ja nicht unbedingt sein muss, dass keine Waffen in der Nähe sind. Und auch Ragnar würde eine Waffe brauchen. Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn Nicholas ein wenig ‚abgelenkt‘ werden würde, irgendein Störfaktor, der ihn irritieren würde, vielleicht sogar so sehr, dass er Fehler machen würde. Sie durften nur nicht riskieren, dass er dazukommt, Ragnar etwas anzutun. Cole war dessen Bitte natürlich präsent. Er wusste, dass Ragnar nicht mehr wirklich an seinem Leben hing, augenscheinlich. Aber er hatte ihn in der vergangenen Nacht mit Nathan gesehen. Und da war Ragnar zum puren Leben mutiert. Er würde ihn nicht gefährden, würde ihn da rausholen. In jedem Fall.

Ein weiter, offener Platz? Nun, solche Orte gab es in New York nicht viele. Es könnten höchstens die Industriegebiete nördlich der Stadt oder südlich der Stadt sein, wobei Cole für solcherlei Aktionen am ehesten zum Süden tendierte, denn dort gab es einige Brachflächen, die nicht mehr gebraucht wurden und wo sich keine Menschenseele mehr aufhielt.

Ja, Ragnar war nur lebend etwas wert, aber das auch nur solange, bis die Übergabe stattgefunden hatte. Ob er ihn dann wirklich laufen ließ? Würde Nicholas Ragnar erschießen, wenn er Antonin wieder in Gewahrsam hätte? Auch das war ein Risiko, das er nicht unterschätzen durfte. Vielleicht würde Antonins ‚Therapie‘ ja damit beginnen, alle um ihn herum zu eliminieren. Cole schüttelte leicht den Kopf und blickte kurz Antonin hinterher, der aus dem Bad ging, um sich anzuziehen. Erst jetzt bemerkte er, dass er noch immer halbnass dastand, und nun trocknete er sich endgültig ab und folgte Antonin schließlich, sich zweckmäßig anziehend, seinen Revolver umschnallend. Kurz blieben seine Augen auf Antonin ruhen, der nachdenkend auf dem Bett saß. Nein, er würde nicht zulassen, dass jener wieder in die Fänge dieses Arschlochs geriet. Und wenn er dafür durch die Hölle gehen müsste. Cole striff sich die Haare aus dem Gesicht und atmete einen Moment tief durch. Fast erschrak er, als Antonin so entschlossen auf ihn zutrat. Coles Augenbrauen zogen sich leicht zusammen, und er wollte schon ansetzen, den anderen einen Idioten zu schimpfen, als er jenen letzten Satz hörte und seinen Mund wieder schloss. Ja, es ging auch um Antonins Leben. Und daher war es wichtiger denn je, dass sie zusammenarbeiteten. Aber sollte er ihn alleine gehen lassen? Wobei... Warum nicht? Schließlich wird Nicholas wohl nicht dort auf Antonin warten. Coles Augen ergründeten die des anderen. „Ja, damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, begann er schließlich. „Ich hatte mich darauf vorbereitet, ihn aus der Reserve locken zu müssen, was ich heute in jedem Fall getan hätte. Sein Rechenzentrum ist ausgeschaltet, er wird also keine Peilsender und dergleichen Zeug mehr verwenden können, zumal seine Waffen auch nur noch jene sind, die er bei sich trägt. Ich weiß nicht, ob wir daraus einen Vorteil haben, aber es war die einzige Möglichkeit für mich, ihn ein wenig ungefährlicher zu machen.“ Er seufzte tief. „Ist gut, fahr zu dir, aber beeile dich bitte. Er hat es einzig und allein auf dich abgesehen und ich möchte nicht riskieren, dass er dich bekommt, ohne dass ich eine Chance hatte, das zu verhindern.“ Er lächelte traurig. „Ich werde in der Zwischenzeit mich darum kümmern, dass wir ein bisschen Verstärkung bekommen, ohne dass er begreift, dass es mit uns etwas zu tun hat. Wir werden wohl ein wenig ‚Ablenkung‘ brauchen, um Ragnar da rauszuholen, und anschließend müssen wir wohl mit der Jagd beginnen. Denn ich glaube nicht, dass Nicholas ruhen wird, bis er hat, was er haben will. Daher werde ich ein paar Leuten Bescheid geben, die sich freiwillig nur zu gerne solchen lebensgefährlichen Situationen preisgeben, die den Nervenkitzel eines Leben-und-Tod-Spiels mögen. Und vielleicht bekommen wir durch sie die Möglichkeit, Nicholas zu überrumpeln.“ Cole hob die Hand und strich Antonin über die Wange, bis er sich schließlich zu ihm beugte und ihn küsste. „Aber jetzt erzähl mir noch kurz, um welche Waffe es sich handelt.“
 


 

Ragnar

Ragnar tat wie ihm geheißen, entkleidete sich in der Küche und ging dann in sein Wohnzimmer, wo er sich eine weitere Hose mit Seitentaschen aussuchte und ein enganliegendes olivgrünes Achselshirt darüber. Er bewegte sich vollkommen ruhig. Durch das Telefonat wusste er, dass er erst einmal nichts zu befürchten hatte. Erst nach der Übergabe würde es interessant werden. Und bis dahin musste er sich gedulden. Bis dahin musste er beobachten. Nicholas war verdammt gut, er schien ein absoluter Profi zu sein. Und Ragnar würde es nicht einfach haben, an das Springmesser heranzukommen. Aber vielleicht ergab sich ja eine Gelegenheit. Er musste geduldig sein.

Und seine Chance erhielt er, als er seine Tabletten im Badezimmer zusammensuchte, und dann in die Küche ging, um sie in kleine Tüten zu verstauen. Er blickte auf die Uhr und entschied, dass auch wenn es eine Stunde zu früh war, er die Tabletten jetzt schon nehmen würde, so dass er ein Glas aus dem Schrank nahm, um es mit Wasser zu füllen. Er war als Jugendlicher oft auf den belebten Straßen New Yorks unterwegs gewesen, dass seine Finger geschickt genug waren, um recht schnell und ungesehen das handflächengroße Messer, das sich einer Nische des Hängeschrankes angeklebt gewesen war, in seiner Seitentasche verschwinden lassen konnte.

Schließlich ging er mit Nicholas aus seinem Haus zu dessen Auto, setzt sich anstandslos hinters Steuer und ließ sich dirigieren. Als sie auf das Industriegelände fuhren, blickte sich Ragnar um. Nun, es war zu erwarten gewesen, dass es auf so einer Fläche sein würde. Hier wäre es schwer, jemandem aufzulauern, ungesehen sich zu nähern. Und gleichzeitig würde man nicht Gefahr laufen, dass sich viele andere Menschen zufällig hier aufhielten. Irritiert schaute er auf, als er das Piepsen hörte. Beobachtete, wie Nicholas in seinem Rucksack nach dem ‚Störenfried‘ suchte. Ragnar hob fragend die Augenbrauen, als Nicholas zu fluchen begann und ihn ansah. Ob Cole etwas angestellt hatte, was jenem schadete? Ragnar musste schmunzeln, als er die Worte des anderen hörte. „Sie haben sich nicht nur mit einem penetranten Mann angelegt, sondern auch mit jemandem, der niemals aufgibt, wenn er weiß, was er möchte. Und Cole liebt Antonin aus vollstem Herzen. Ich glaube nicht, dass Sie eine ruhige Minute haben werden, wenn Sie Antonin in die Finger bekommen sollten. Cole wird niemals aufhören, den Menschen, den er liebt, zu suchen. Und wenn er dafür sterben müsste.“ Ruhig blickte er den Mann neben sich an. „Ich hoffe Sie haben einen guten Grund, sich mit Cole anzulegen. Ich wüsste zu gerne, weshalb Sie alles tun, um Antonin wieder an sich zu binden. Ich begreife es nicht so recht. Eigentlich müsste ihnen doch klar sein, dass er niemals wieder das werden wird, was er einmal war. Nicht wenn er einmal in seinem Leben geliebt hat.“
 

Antonin

Antonin lächelte kurz ein wenig traurig und hob die Hand, um Cole über die Wange zu streichen. "Du wirst diese Möglichkeit bekommen. Versprochen." Und er nahm sich vor dieses Versprechen einzuhalten. Vielleicht nicht ganz so, wie Cole sich das gerade vorstellte, aber in einer Form, die diesem einige Dinge leichter machen würde. Dann hob er eine Augenbraue, ein wenig schwankend den Kopf schüttelnd. "Damit hast du auch einen Großteil meiner Ausrüstung untauglich gemacht, aber ich vermute damit können wir beide gerade gut leben." Antonin hörte, wovon Cole sprach und fühlte sich bei diesen Worten an sich selbst, an seine Einheit erinnert. Das Spiel mit Leben und Tod, bei dem nur der Bessere gewann. Es war ihm zuwider, aber vielleicht wäre es nötig. Vielleicht.

"Es ist eine Handfeuerwaffe, die nicht zum töten gedacht ist", murmelte er schließlich und trat einen Schritt von Cole zurück. "Ihre Patronen, sowie die Bauart sind komplett von normalen Schusswaffen zu unterscheiden. Diese Waffe wurde nur dafür gebaut, Schmerzen zuzufügen. Das Nervensystem für kurze Zeit auszuschalten. Es ist ein Folterwerkzeug", erklärte er und es kostete ihn einiges an Anstrengung, seine Mimik und seine Augen relativ ruhig zu halten. Der tobende Orkan sollte Cole erst wirklich auffallen, wenn er weg wäre. "Ich beeile mich", flüsterte er und war schon dabei sich abzuwenden als er sich nochmal herumdrehte und Cole umarmte. Ihn fest an sich drückte. "Du bist mein Leben, Cole. In jeder nur denkbaren Hinsicht", flüsterte er gegen dessen Haut am Hals, löste sich dann jedoch und verschwand so schnell er konnte aus der Wohnung.

Sich das nächstbeste Taxi nehmend, fuhr er zu sich und erlaubte sich erst dort die ganzen Gefühle, die er so gut wie möglich unterdrückt hatte. Direkt an seiner Wohnungstür herabsinkend, zog er seine Knie an und legte den Kopf darauf ab, sich auf tiefe Atemzüge konzentrierend, um das Zittern seines Körpers - das sehr schnell unkontrolliert wurde - halbwegs in Schach zu halten. Verzweiflung. Pure Verzweiflung strömte auf ihn ein und zum ersten Mal seit langer Zeit fragte er sich wieder, warum es ihn traf, warum er so ein ungerechtes Leben führen musste. Was musste er in seinen vorherigen Leben verbrochen haben, um das zu verdienen? Wenn Nicholas Erfolg haben würde, würde man ihm seine Seele entreißen - Cole. Antonin konnte sich kein Leben mehr ohne diesen Mann vorstellen. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, einfach so vor sich hin zu vegetieren, ohne sich von Zeit zu Zeit vergewissern zu können, dass es dem Menschen, den er weit mehr als sein eigenes Leben liebte, gut ging.

Doch genau genommen hatte er jetzt für solche Panikattacken keine Zeit und so rappelte er sich auf und zog sich um. Eine Jeans und einen langärmligen Pullover. An den Handgelenken befestigte er mit routinierten Griffen zwei Lederbänder, deren Mechanik durch durchsichtige Plastikbänder am Ringfinger befestigt wurde. An jeder Seite wurde am Innenarm jeweils eine Klinge in diese Bänder gesteckt, die mit der richtigen Bewegung des Handgelenks frei werden würden. Danach begab er sich tatsächlich ins Wohnzimmer, um sich jenes ganz bestimmte Buch aus seinem Schrank zu holen und es zu öffnen. Wie erwartet befand sich dort die Pistole und die seltsam grünlichen Patronen. Antonin nahm die Waffe und lud sie durch, bevor er sie sich in den Gürtel steckte und zurück ins Schlafzimmer ging, um die Matratze vom Bett zu reißen und es dann, als es leichter geworden war, anzuheben und den hohlen Pfosten heraus zu schrauben. Darin befand sich ein USB Stick sowie ein rundes, metallischer kleiner Gegenstand. Ein Peilsender, wie er ihn eher ungern verwendete, aber leider besaß er momentan nicht anderes mehr. Den Stick nahm er mit in die Küche, wo er seinen Laptop hochfuhr und die sich darauf befindliche Software vom Stick holte und darauf installierte. Den Sender selbst, klebte er sich mit etwas Klebeband an einen seiner Hoden und schaltete ihn an. Damit würde er Cole 24 Stunden Zeit geben, für den schlimmsten Fall der Fälle.

Das alles erledigt, mischte er sich ein letztes Mal sein Aufputschmittel zusammen und trank es in großen aber bedächtigen Zügen aus. Inzwischen war sämtliche Verzweiflung, Angst und auch Unsicherheit wieder aus seinem Blick verschwunden. Momentan war er nur ein Mann mit einem Ziel und er würde es umsetzen. So wie man das von jemanden mit seinem Ausbildungsgrad erwarten würde. Er schnappte sich den Laptop und fuhr mit dem Aufzug in seine Tiefgarage, sich in seinen Falcon setzend und das Wordprogramm vom Computer öffnend.
 

Ragnar,

wenn du das liest, hat die Übergabe geklappt. Darüber bin ich sehr erleichtert und ich bitte darum, kein schlechtes Gewissen zu haben. Dieser Austausch war mehr als fair. Zum einen, da er mich nicht umbringen würde - was für dich nicht gilt - und zum anderen weil du Familie für Cole bist. Du hast ihn über viele Jahre davor bewahrt komplett abzustürzen und dafür werde ich dir ewig dankbar sein.

Auf dem Laptop befindet sich ein Programm namens LOOKOUT - es hat die Möglichkeit meinen Aufenthaltsort zu tracken. Allerdings ab jetzt nur noch für 23 Stunden und 45 Minuten. Das ist das absolute Maximum. Es besitzt einen Radius von 50 Kilometern, darauf solltest du also achten, wenn du mit dem Auto wegfährst. (Hände weg von der Lachgaseinspritzung!). Die Waffe im Handschuhfach hat ihre Gründe, möglicherweise wird Cole sie dir erzählen.

Anbei befindet sich eine zweite Seite, sie ist für Cole.

Gruß

Antonin
 

Damit wäre der erste Teil geschafft, der schwierigere Teil folgte jetzt... Tief durchatmend, mit einem weiteren Blick auf die Uhr begann er zu tippen.
 

Cole,

ich ahne, dass du gerade furios bist und nicht genau weißt, welche der Emotionen in dir jetzt die hauptsächliche ist. Vielleicht denkst du, ich sei dir in den Rücken gefallen oder hätte deine Befehle missachtet, aber weder das eine noch das andere ist der Fall. "Ich vertraue auf deine Fähigkeiten, mehr als auf meine Eigenen" - diesen Satz habe ich dir vor scheinbar langer Zeit schon einmal gesagt und ich meinte ihn damals so wie ich ihn sagte, sowie er auch jetzt noch gilt.

Nicholas wird mich nicht umbringen, Ragnar schon. Und zwar in dem Moment, in dem er sich bedroht fühlt und eine Reaktion erzwingen wollen würde.

Ich vertraue also darauf, dass du mich da rausholst - ich habe euch alle Möglichkeiten, die mir gegeben waren, in die Hand gedrückt. Einschließlich einer Waffe, bei der es im Grunde egal ist, ob man mich oder Nicholas trifft. Die Schmerzen, die ich zu ertragen hätte, sind nichts zu den Schmerzen, die ich verspüren würde, wenn ich nie wieder in deinen Armen einschlafen könnte.

In Liebe

Antonin
 

Hart schluckend schloss er kurz seine Augen und versuchte wieder Herr über seine Emotionen zu werden, bevor er den Laptop auf den Beifahrersitz ablegte und das Fahrzeug startete. Es war an der Zeit. Denn ja, natürlich wusste er wo jener jetzt war. Antonin hatte Cole nicht angelogen, aber auch nicht ganz die Wahrheit gesagt. Dieses 'wie immer' bei der Übergabe kennzeichnete zudem noch einen bestimmten Platz und die zwei Stunden waren keine Zeit zum Überlegen, sondern die Angabe der Zeit, bis er dort zu sein hatte. Kurz dachte er noch an sein Handy, das er am Küchentisch zurück gelassen hatte und fuhr schließlich los.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tshioni
2010-08-26T21:46:23+00:00 26.08.2010 23:46
oh gott, oh gott!
es ist ja nicht zum aushalten spannend!
Dieser blöde Nicolas!! Warum macht er das? weil Antonin schwul ist? oder weil er sich verliebt hat?
Ich hoffe so, dass alles gut geht!! Ranger mit in die sache ziehen finde ich voll feige ......

Die Schmerzen, die ich zu ertragen hätte, sind nichts zu den Schmerzen, die ich verspüren würde, wenn ich nie wieder in deinen Armen einschlafen könnte.

In Liebe
Antonin

der Satz!!!!
so toll!!!! Ach ich liebe die zwei!

Ich bin schon sehr gespannt wie es weiter geht! hoffentlich gibt es ein gutes ende!!

lg Tshioni


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