Zum Inhalt der Seite

Blood Deal

Even if saving you sends me to heaven
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Für den anderen zu sterben...

Cole

Sie schwiegen auf der Fahrt, wohl weil jeder für sich einiges zu verarbeiten hatte. Cole fühlte sich noch immer gerädert. Dass Weinen so anstrengend war, so ermüdend, hätte er niemals für möglich gehalten. Langsam aber sicher sickerte die Bedeutung des Ganzen zu ihm durch. Das, was diese Aktion, sein Handeln gerade bewirkte, die Ausmaße, die die Situation annahm. Er hatte nun wider seiner Vernunft beschlossen, Antonin zurückzuhalten, aus seinem Leben zu verschwinden. Nun ja, so ganz stimmte es nicht. Denn er hatte feststellen müssen, dass er zwei Sorten von Vernunft besaß, wobei eine die war, die innerhalb seiner Arbeit zuständig war und die Antonin nicht mehr an sich herankommen hatte lassen wollen. Die andere Vernunft war jene, die ihn selbst und seine Bedürfnisse betraf, und die er in den letzten Jahren, nein, sein Leben lang völlig unter den Tisch gekehrt hatte... Aber das musste sich jetzt ändern. Nun hatte er beschlossen, sich Glück in seinem Leben zu erlauben. Pure Glück - verkörpert durch Antonin, den er an seine Seele heranlassen wollte, - verkörpert durch Ragnar, der ihm als Freund zur Seite stand. Es musste sich einiges ändern. Und so sehr ihn das freute, so große Angst hatte er aber auch davor. Denn es würde nicht einfach für ihn werden. Und damit würde es wohl auch für Antonin nicht einfach sein.

Bereits im Fahrstuhl zog Cole Antonin wieder zu sich in seine Arme, als hätte er Angst, jener könnte sich anders entscheiden und weggehen. Schließlich ergriff er seine Hand und führte ihn in seine Wohnung, wo Corleone ihnen entgegenkam und sogar Antonin zu begrüßen schien, vorwurfsvoll maunzend, dass er Hunger habe. „Komm rein“, lächelte Cole und schloss die Tür hinter Antonin. „Vielleicht erinnerst du dich an das ein oder andere.“ Er selbst ging in die Küche. „Möchtest du auch etwas trinken?“, fragte er und ging zum Kühlschrank, aus dem er einen Smoothie nahm und einfach zwei Gläser einschenkte. Er hatte in letzter Zeit ein wenig mehr darauf geachtet, was er aß, denn er hatte gemerkt, dass das auch dazu beitrug, dass er mehr Energie hatte. Etwas, was er in letzter Zeit sehr gebracht hatte. Er kehrte zu Antonin zurück und drückte ihm das Glas in die Hand. „Komm“, murmelte er und ging vor in den Wohnbereich, zur Stereoanlage. Dort stellte er sein Glas ab, legte jene CD ein, die er damals mit zu ihrem ‚Trip‘ zu Klinger genommen hatte. Er wählte ‚Blue Velvet‘ an und sah Antonin an. „Ich habe gelesen, dass man, wenn man Amnesie hat durch gleiche oder ähnliche Geräusche wieder Erinnerungen findet, genauso wie man an bestimmten Orten wieder auf seine Erinnerungen stößt.“ Mittlerweile war er an Antonin herangetreten, als die Musik zu spielen begann. Vorsichtig legte er seinen Arm um Antonins Schulter, das Glas dem anderen aus der Hand nehmend und wegstellend, um ihm auch den zweiten Arm um die Schultern zu legen und sacht anfangend, sich zu der Musik zu bewegen und leise mitzusingen. „Ich denke ich werde mir morgen frei nehmen und mit dir ein paar dieser Orte aufsuchen, die dir wohl deine Erinnerungen zurückgeben könnten…“, unterbrach er seinen Gesang und blickte Antonin an. „Denn ich möchte, dass du dich an alles wieder erinnerst, auch was dich und mich betrifft.“
 


 

Antonin

Hin und wieder warf Antonin dem Mann neben sich einen Seitenblick zu, musterte dessen Profil, den auf die Straße konzentrierten Blick und die immer noch leicht geröteten Augen. Und so langsam beschlich ihn eine Ahnung davon, was eigentlich gerade passiert war. Ja, im Grunde konnte man behaupten, dass dieser Zusammenbruch zu erwarten gewesen war. Aber dass der Auslöser dafür ein Mann, Cole, war, das schien eher unerwartet zu sein. Oder vielleicht doch nicht? Es fühlte sich richtig an, mit ihm zu fahren. Es hatte sich auch richtig angefühlt, geküsst zu werden, zu küssen und überhaupt die Berührungen. Aber war das nicht seltsam? Antonin gab sich redliche Mühe den untergegangenen Teil ihres Gespräches im Büro zu rekonstruieren, kam jedoch nicht wirklich weit. Warum wollte Cole ihn loswerden? Warum hatte ihm niemand gesagt, dass er scheinbar mit jenem zusammen gewesen war? Und lag hier vielleicht das Problem? Dass sie das gar nicht waren? Aber wäre Cole dann genauso fertig, wie er momentan aussah? Andererseits, musste Antonin sich fragen, ob Cole damit fertig werden würde. Zu wissen, dass sein Partner sich nicht mehr an ihn erinnern konnte. Die Gewissheit zu besitzen, dass im Grunde nichts mehr so wie vorher war.

Er unterbrach diese Gedanken als sie in eine fremde Tiefgarage fuhren und sich bald darauf in einem Aufzug wiederfanden. Wo ihn Cole wieder in die Arme schloss und er sich ganz automatisch wieder an jenen lehnte. Und es fühlte sich vertraut und richtig an. Im Grunde genauso 'richtig' wie es vorher der Schmerz gewesen war. Er wollte nicht von Cole getrennt werden. Weder durch diesen noch durch sich selbst. Und sagte nicht alleine dieser eine Gedanke alles aus, was er momentan wissen musste? Sagte ihm das nicht, dass er womöglich in den anderen Mann verliebt war? Sagte ihm das nicht, dass er sich hier gut aufgehoben fühlte und dass es dann eben neue Erinnerungen sein mussten und konnten?

Er ließ sich an der Hand nehmen und folgte Cole in die Wohnung, wo er sich einmal um sich selbst drehte und schließlich lächelte als er die Katze bemerkte. "Hey...", murmelte er ein wenig überrascht, "da ist das kleine Fellknäul ja." Er ging in die Hocke und folgte dem Tier mit den Augen, während Cole zu seiner Küchenzeile ging und irgendwas zusammen mixte. "Ich glaube der Sicherheitsmann unten hat mich schon mal aufgehalten", meinte er dann plötzlich ohne Zusammenhang, bevor er sich wieder erhob. "Ich dachte in diesem Moment, ob der mich wohl für Jack the Ripper hielte und ob das hier mehr ein Altersheim oder ein Gefängnis sei." Er nahm das Glas entgegen und folgte Cole, sah dabei zu wie jener eine CD einlegte und lauschte den ruhigen Klängen. Sein Blick wurde nachdenklich, doch er nickte zu den Worten und sah Cole dann ein wenig überrascht an als jener ihm das Glas wieder abnahm und die Arme um die Schultern legte, um zu tanzen. Trotzdem folgte er den Bewegungen fast augenblicklich und schloss die Augen als Cole begann den Text mit zu singen. Er hörte sich selbst sagen, dass Cole eine schöne Stimme hatte und wusste im ersten Moment nicht so genau, ob er es laut ausgesprochen hatte. "Du hast mir das Lied schon einmal vorgesungen", murmelte er und öffnete die Augen wieder. "Und ich fand deine Stimme wunderschön, was ich dir wohl auch gesagt habe?", er sprach leise, fast zu sich selbst. "Ich wusste nicht anders darauf zu reagieren, als dir die Wahrheit zu sagen. Auch wenn in diesem Moment andere Dinge wichtig waren. Wir haben auf irgendwas gewartet."

Er suchte Coles Blick und seufzte, bevor er die Arme hob um jenen zu umarmen, so dass sie enger umschlungen tanzten. "Das wäre schön", bekannte er. "Aber erwarte bitte nicht zu viel, ich habe die Enttäuschung in Tayras Augen die letzten Tage ein paar Mal zu häufig gesehen, da sie wohl die gleiche Idee hatte. Bis auf den Schrottplatz bei ihrem Haus, fand ich nichts wirklich ansprechend." Vorsichtig, ein wenig zögernd und prüfend ließ er seine Hand über Coles Rücken gleiten. Er fühlte sich in einer seltsamen Stimmung. Vor einer Stunde noch hatte er mit seiner Mutter telefonieren müssen, um nicht einfach umzukippen und aufzugeben, und jetzt stand er hier mit Cole in einer unglaublichen Wohnung und tanzte zu einem romantischem Lied. "Ich würde mich gern erinnern", bekannte er flüsternd und wich Coles Blick aus, indem er seinen Kopf auf dessen Schulter ablegte. "Es ist gar nicht so leicht, alles hinterfragen zu müssen. Gerade was das hier, was uns betrifft. Du warst nur einmal im Krankenhaus, nur einmal bei mir und jetzt sind wir hier und tanzen, nachdem du sehr erfolgreich versucht hast, mich doch los zu werden. Was daran ist echt? Was davon soll ich glauben? Du hast gesagt wir kennen uns erst relativ kurze Zeit und trotzdem fand ich bei dir selbst in fünf Minuten mehr Reaktionen auf alles um mich herum, als bei anderen. Ich mag diesen Nicholas nicht, dafür vertraute ich Tayra sofort. Und bei dir…" Unbewusst verspannte er seine Hand ein wenig, umschloss ein Stück von Coles Hemd in der gebildeten Faust. "Ich habe dir von Anfang an geglaubt. Zuerst, dass du ein Doktor warst, dann, dass wir uns nicht näher kennen, dann, dass ich für dich gearbeitet habe. Ist das hier die Wahrheit auf die wir hinarbeiten?" Antonin wollte diese Fragen eigentlich nicht stellen, aber sie purzelten nur so aus ihm heraus. Er war zutiefst verunsichert. Eigentlich wollte er nichts weiter als einfach weiter so zu tanzen, während er auf der anderen Seite nicht wieder ein Messer in den Rücken bekommen wollte.
 


 

Cole

Cole lächelte zufrieden, als Antonin ihm erzählte, dass er sich an den Wachmann erinnerte. Er musste Geduld haben, aber solange sich Antonin immer wieder ein wenig mehr erinnerte, solange würde er hoffen können. Hoffen, dass Antonin sich an alles erinnerte, was sie selbst betraf, auch wenn er nicht genau wusste, was es eigentlich war. Schließlich haben sie ja nie etwas Festes gehabt, oder? Aber dennoch. Cole wusste, dass es ihm wichtig war, dass Antonin wieder das wusste, was er selbst über ihre 'Beziehung' gedacht hatte.

Bei ihrem Tanz lächelte Cole und verstummte, als Antonin begann sich zu erinnern. "Ja, das hast du...", erklärte er dem anderen. "Wir haben darauf gewartet, dass ein korrupter, drogensüchtiger Polizist namens Klinger nach Hause kommt, um diesen zu beseitigen. Es war eine ziemliche Kamikazesituation. Doch wir haben überlebt. Damals habe ich das erste Mal gemerkt, dass du mir mehr als wichtig bist. Du hast einen Streifschuss abbekommen und ich hatte einen Moment geglaubt, dass du gestorben bist. Damals habe ich dich das erste Mal hierher mitgenommen. Du warst der erste Mann in meinem Leben, der diese Wohnung betreten durfte und das hat sich bis heute noch nicht geändert. Wir.." Cole seufzte. "Ich meine, es war schön." Er lächelte traurig, wissend, dass Antonin dieses nicht sehen konnte, denn jener bettete seinen Kopf auf seiner Schulter. Er lauschte den Worten des anderen und nickte leicht. "Ich kann mir vorstellen wie schwer das für dich sein muss. Aber du wirst dich wieder erinnern. Bestimm." Als Antonin weiter sprach wurde Coles Bewegung langsamer, in ihm spannte sich scheinbar alles an. Er schluckte. Er spürte, wie Antonins Hand sich an sein Hemd klammerte, wie jener sich verspannte. Und er hörte den leisen vorwurfsvollen Ton. Vorwurfsvoll, weil er nur einmal dagewesen war, weil er ihn angelogen hatte, weil er ihn von sich gestoßen hatte.

Cole hielt in der Bewegung inne, strich dem anderen sanft über den Rücken. Tief atmete er ein, dann löste er sich leicht von Antonin und nahm diesen bei der Hand. Er ging mit ihm zum Sofa und setzte sich, den anderen mit sich ziehend, ihn neben sich aufs Sofa ziehend. Er hatte sich im Schneidersitz hingesetzt, blickte Antonin kurz etwas unruhig an. "Ich denke ich muss dir einiges erklären", murmelte er ohne den anderen anzusehen. "Mach es dir bequem." Er lächelte leicht. "Die Frage nach der Wahrheit kann ich dir nicht beantworten. Nein, eher nur zum Teil." Er strich Antonin leicht über den Arm, nachdenkend, wo er anfangen sollte. "Es stimmt nicht, dass ich nur einmal im Krankenhaus war. Ich.." Er spielte nervös mit dem Stoff seiner Hose. "Ich war jeden Abend dort und habe nach dir gesehen, habe jede Nacht dort gewacht. Ich wollte nicht, dass du mich seihst. Nun, bis zu deinem Geburtstag, als du beschlossen hast, dich selbstständig zu machen. Ich wusste damals nicht, was ich wollte, wie ich mit der Situation umgehen sollte, deswegen habe ich dich angelogen. Ich hatte Angst, dass du mich erkennen würdest. Und ich hatte Angst, dass du mich hassen könntest. Und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dich in Zukunft vor mir zu schützen und vor meiner Welt, die dich immer nur in Gefahr bringt. Etwas, das ich zum Teil noch immer möchte, aber ich weiß jetzt, dass du das selbst entscheiden musst." Er blickte kurz auf und sah Antonin an. "Ich dachte eine Notlüge könntest du mir verzeihen, könnte ich mir auch verzeihen, aber es lief etwas aus dem Ruder, besonders als du dann doch aus dem Krankenhaus 'geflohen' bist. Ich... Als ich dir meinen Namen genannt habe, habe ich gesehen, dass du dich nicht an mich erinnerst, als jemand, mit dem du... sagen wir... enger zu tun hast. Es schmerzte mich furchtbar, aber ich versuchte mir einzureden, dass das das Beste für dich sei, denn was war ich schon für dich. Nur dein Untergang..." Er schluckte und strich sich über das Gesicht. "Wir kennen uns wirklich erst seit kurzer Zeit, aber in dieser kurzen Zeit hast du es geschafft, mir sämtliche Schutzmauern einzureißen, die ich um mich aufgebaut habe. Du hast sich in mein Herz gesetzt, bevor ich wusste, was geschehen war. Ich kann dir nicht sagen, was zwischen und existiert. Ich kann es nicht... Ich weiß nur, dass du mir sehr wichtig bist und du nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken bist. Es ist alles nicht so einfach, aber... aber ich habe dich sogar als meinen Guard engagiert, nur damit du bei mir bleibst. Es war purer Egoismus.. Und dass das bedeutete, dass du dein Leben für mich riskierst, war eine Tatsache, die ich viel später erst begriff, und die mich fertig machte. Ich... Ich habe dich glaube ich ziemlich verletzt, als ich das erste Mal versucht habe, dir klar zu machen, dass ich nicht möchte, das du für mich dein Leben riskierst, und ein dunkelblaues Auge davongetragen. Aber ich.. Nun ja, letztlich hat sich immer noch nichts geändert. Ich wollte dich immer schützen und habe dabei alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte." Cole griff zu seinem Glas und trank einen Schluck. "Ich glaube ich habe viel zu konfus gesprochen... Frag am besten, wenn dir etwas nicht klar ist."

Es war wirklich schwierig, zu erklären, was zwischen ihnen war. Und irgendwie ertappte sich Cole immer wieder dabei, sich zu rechtfertigen für die ganze Scheiße, die er dem anderen angetan hatte.
 


 

Antonin

Er ließ sich ohne Widerworte auf das Sofa nieder, rückte auf der breiten Sitzfläche weit genug zurück, um sich anlehnen und seinen Kopf auf dem Polster ablegen zu können. Welcher er dann auch ein Stück seitwärts wandte, um Cole zu beobachten. Was würde jetzt wieder kommen? Die nächste 'Wahrheit'? Antonin wusste, dass er gerade sarkastisch war, aber sollte sich doch mal jemand an seiner Stelle hier her sitzen und schauen, ob er es besser machen würde. Seine Nerven waren momentan einfach nicht mehr die besten. Zudem sich das mit dem korrupten Polizisten ebenfalls sehr seltsam anhörte. Trotzdem hatte er ganz automatisch die Hand an die Stelle seiner Brust gelegt, wo eine relativ frische, schmale Narbe zu sehen war. Er hatte also geholfen, einen Polizisten um die Ecke zu bringen? Was kam noch? Dass er für das Kennedy Attentat seinen Schnuller gespendet hatte? Aber als Gegenzug hatte Cole ihm auch gesagt, dass er der einzige Mann war, der außer Cole diese Wohnung betreten hatte und wohl auch weiterhin durfte. Und das hob den Sarkasmus aus seinen Angeln und ersetzte es mit einem sehr angenehmen, sehr warmen Gefühl

Doch dann weiteten sich seine Pupillen erstaunt und er sah Cole mit offener Überraschung an. "Du warst tatsächlich da?", murmelte er ein wenig fassungslos und setzte sich auf. "Dich hassen? Warum zum Henker sollte ich das tun?"Aufgeregt stieß er Luft durch die Nase aus. "Tayra hat mir erzählt, dass ich meine Arbeit als … als Guard, sehr ernst genommen habe. Dass ich nicht davon abzubringen war, als ich mein Ziel gefunden hatte. Sie hat mir auch erzählt, dass ich sie ausgelacht habe, als sie mich darauf hinwies, wie gefährlich es wieder für mich werden würde. Ich habe ihr wohl gesagt, dass ich genau deswegen ja auch da wäre, um genau dieses übertriebene und vermeidbare Maß an Gefährlichkeit zu unterbinden. Und wenn sie das schon wusste, wie viel mehr musst du dann davon gewusst haben? Wie also, ich frage dich wie, sollte ich dich dann hassen können, wenn mich doch offensichtlich nichts und niemand davon abhalten konnte, meinen Willen durchzusetzen?" Er hielt inne und stand wieder auf. Antonin hatte das Gefühl jetzt nicht sitzen zu können. "Und außerdem habe ich mich an deinen Namen erinnert. Es war allerdings der Nachname, den du mir gegeben hast, als ich das erste Mal selbst hierher gefahren bin. Ja, ich weiß natürlich, dass das nicht viel ist…" Er stockte abermals und holte sich sein Glas, um selbst einen Schluck zu trinken. "Und sind nicht die meisten Gefühle egoistischer Natur?", murmelte er und seufzte tief, sich umsehend. Er konnte Cole jetzt nicht in die Augen sehen.

"Es ist nur so... ich habe mich vorher gefragt, was ich getan hätte, wenn ich an deiner Stelle wäre. Und ich konnte es nicht beantworten, da ich es nicht bin. Da ich nicht einmal ahne wie weitreichend das alles ist. Für mich ist das ein Actionfilm, der mir erzählt wird, während es für dich noch immer alles real ist. Aber egal was da war, egal wie unglaubwürdig all diese Geschichten auch klingen mögen, so war da die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas in diesem Puzzle fehlt." Er begann auf und ab zu gehen. "Ich habe diesen Nicholas gefragt, was genau so ein Guard ist, was er tut, was er verdient. Und er hat mir geantwortet. Weißt du was ich danach getan habe? Ich habe meine Konten geprüft. Zumindest alle von denen ich Daten in der Wohnung habe und da ist nichts was auf diese Tätigkeit hinweisen würde. Also habe ich Nicholas wieder gefragt und er hat mir gesagt, ich würde das vollkommen freiwillig tun. Ohne Bezahlung." Er lachte ein wenig düster auf. "Und ich weiß, dass ich im Grund kein wirklich guter Mensch bin. Nur zu denen, die mir etwas bedeuten. Da hatte ich also den nächsten Hinweis, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich fragte mich also, warum ich mein eigenes Leben für einen flüchtigen Bekannten riskieren würde und die Antwort darauf ist und wird immer sein: Ich würde es nicht tun."

Er blieb stehen und trank ein weiteres Mal, bevor er wieder zu Cole blickte. Dessen Blick suchend. "Egal welche Ausbildung, welche Foltermethoden, welche Thrills und welche Gehirnwäsche man mir auch verabreichen würde. Ich bin mir sicher, dass es keine Kraft dieser Welt gibt, die mein Leben in die Linie für jemand unbedeutenden werfen könnte. Und das bedeutet, dass ich recht hatte. Dass mein Gefühl von Anfang an recht hatte. Dass du wichtig bist. Dass du mir wichtig bist. Dass ich gerade nicht zusammengebrochen bin, weil ich einen verfickten Job verloren habe, sondern die Person, für die ich allen Anschein nach auch über ein verfluchtes Kliff springen würde, wenn es sein müsste." Trotz seiner Wortwahl hatte er gegen Ende hin leiser gesprochen. "Und ich bin mir sicher, dass wir nicht nur 'enger' miteinander zu tun hatten. Ich denke…", und hier unterbrach er nicht freiwillig, sondern es war seine Stimme, die ihm kurz wegbrach. Es würde schwer werden das auszusprechen. Aber wenn Cole ihm soweit entgegen kam, dann sollte er das, was er für die Wahrheit hielt, auch aussprechen. "Ich denke, dass ich selbst vergessen könnte wie man spricht, aber diese Gefühle für dich wären nicht weg. Das Herzklopfen wenn du mich ansiehst. Das Gefühl ruhiger zu werden, wenn du beginnst zu fauchen und deine Augen aufblitzen. Weißt du warum das so ist? Weil ich keine Angst habe. Ich bin mir sicher, du könntest mir eine Waffe an den Kopf halten und ich hätte keine Angst, dass du abdrücken würdest. Alleine deine Gegenwart hat Auswirkungen auf mich und ich weiß nicht, ob dir das reicht, aber da ist was übrig ist. Es mögen keine echten Erinnerungen sein, aber es sind echte Gefühle."
 


 

Cole

Cole folgte Antonin mit seinen Augen. Er war wieder vollkommen ehrlich gewesen. Und er konnte sich nur zu gut vorstellen, dass Antonin mit all diesen Dingen überfordert sein würde. Schließlich hatte er sein Vertrauen missbraucht und woher sollte sich jener sicher sein können, ob er diesmal die Wahrheit sprach, wenn er sich an nichts erinnern könnte?

Doch die Antwort auf die Frage schien Antonin ihm eben zu geben. Er konnte ihn nicht hassen. Er wusste von seinem Sturkopf und war sich sicher, dass man ihn zu nichts zwingen konnte. Wie recht er hatte... Cole musste innerlich seufzend nicken.

Er horchte auf, als Antonin beschrieb, wie sich die Situation für ihn darstellte. Ja, wie ein Aktionfilm, das konnte er sich vorstellen. Doch leider stand er selbst ja nicht auf der guten Seite.

"Es fehlt etwas?", fragte er leise und ahnte, was er damit meinen konnte. Das Wissen über ihre Beziehung. Das Wissen, das er selbst nicht besaß? Wie sollte er ihm in dieser Hinsicht weiterhelfen? Wie sollte er ihm Antonins Gefühle erklären, ihm dabei helfen, diese wiederzufinden, wenn er selbst doch keine Ahnung hatte, welche Gefühle er persönlich hatte. Er trank einen Schluck, lauschte den Ausführungen und blickte Antonin dabei immer erstaunter an. Und so erwiderte er auch den Blick, nachdem Antonin zu seiner Wahrheit, zu seinem Schluss gekommen war. Antonins Wahrheit schien zu sein, dass er ein wirklich sehr besonderer Mensch für diesen war. Er hatte früher immer gedacht, dass es reiner Idealismus eines Guards war, der ihn dazu antrieb, aber dass da so wesentlich mehr dahintersteckte, hatte er offenbar ziemlich gut verdrängt. Und eigentlich hätte er es sehen können, wenn er hingesehen hätte. Die Wut des anderen, als er ihm nicht Bescheid gegeben hatte, die Geste des Vertrauens, als er die Pistole gegen sich gerichtet hatte, als er Cole sein Leben in die Hand gegeben hatte... Wie bescheuert war er eigentlich gewesen? Wie blind war er gewesen? Und wie sehr musste er den anderen deshalb verletzt haben?

Coles Herz begann hart gegen seinen Hals zu schlagen und er musste schwer schlucken, als er Antonins Worte vernahm. Die Worte, die letztlich eine indirekte Liebeserklärung waren? Die Worte, die so schwer wogen, die ihn zum einen unheimlich freuten, zum anderen auch ein gewisses Gefühl der Angst hinterließen... Worte, die er noch nie in diesem Maße gehört hatte. Tayra hatte also vollkommen recht gehabt. Antonin erinnerte sich an das, was sie verband. Die Gefühle, die er für ihn hatte. Aber er konnte sie an nichts Konkretem festmachen, sondern nur an Indizien.

Und was war mit ihm? Welche Gefühle hatte er? Würde er seine Gefühle so zugeben können? Cole spürte, wie eine gewisse Panik in ihm aufstieg. Panik davor, dass Antonin von ihm verlangen könnte, ihm seine Gefühle zu offenbaren. Und Cole wusste, dass er das nicht konnte. Er konnte es nicht, weil er selbst noch nicht darüber nachgedacht hatte, es tunlichst vermieden hat, sie zu definieren.

Seine Augen senkten sich, entzogen sich dem Blick des anderen.

"Das... das ehrt mich und freut mich sehr", murmelte er etwas überwältigt. "Ich.."

Was stammelte er denn eigentlich hier so rum? War das so schwer? Er stellte sein Glas auf den Couchtisch und stand auf, um zu Antonin zu gehen. Er blickte dem anderen in die Augen, doch er wusste, dass er es nicht schaffte, seine Unsicherheit zu verbergen. "Ich freue mich, dass du das für dich so siehst, denn das ist ein Fundament, auf dem wir aufbauen können. Allerdings bin ich kein Mensch von so großen Worten... Was ich sagen will ist, dass ich dir nicht sagen kann, was ich fühle... Ich kenne dieses Gefühl nämlich nicht, das in mir erwacht, wenn ich bei dir bin, wenn du mit mir redest, wenn du mir fehlst oder ich mich um dich sorge. Ich kann das nicht definieren. Ich weiß nur, dass ich es noch nie gespürt habe..." Er senkte den Blick. Hoffentlich hatte sich Antonin jetzt nicht mehr erwartet, eine Liebesgeständnis oder etwas Vergleichbares. "Wir haben einmal darüber geredet, was zwischen uns ist und uns darauf geeinigt, dass wir versuchen einen gemeinsamen Weg in einem Berg von Chaos zu finden. Aber wir sind noch nicht sehr viel weiter gekommen, als bis zu dem Punkt, dass ich mich für dich umbringen würde, und du mir dein Leben anvertrauen würdest. Eine Definition unserer Beziehung existiert nicht. Höchstens das Wort 'schwierig' würde es ganz gut treffen. Du musst wissen ich bin kein einfacher Mensch. Und es gibt da sehr sehr viel, was du nicht von mir weißt und nie von mir gewusst hast..." Er strich sich die Haare aus dem Gesicht. "Danke für deine Worte eben. Ich weiß jetzt, dass wir nicht wieder den Weg von Beginn an laufen müssen, sondern dass wir nur noch einmal einen kleinen Umweg in Kauf genommen haben. Aber eine klare Zugehörigkeit, eine klare Sichtweise auf das Chaos ist immer noch nicht da, glaube ich. Ich weiß nur, dass ich heute beinahe zum dritten Mal den Mann hätte gehen lassen, der für mich sehr wichtig ist."

Scheiße, was redete er nur für großen Müll... Unsicher blickte er Antonin an, ob er es nun wieder geschafft hatte, jenen zu verletzen.
 


 

Antonin

Antonin hob eine Augenbraue. Das ehrte Cole? What the hell? Sowas sagte man vielleicht wenn man einen Preis überreicht bekam oder seinen Namen in einer Zeitung lesen würde, aber doch nicht in so einem Moment. Und womöglich müsste er sich jetzt zwischen dem ultimativen Schmerz oder überschwenglicher Wut entscheiden, wenn da nicht ein kleines Detail wäre. Nein, im Grunde war es kein kleines Detail. Es war Cole selbst. Es war dessen Haltung, wie er den Blick senkte und im Satz stockte was ihn sich selbst wieder an die Zügel nehmen ließ. Abwarten. Ja, abwarten war jetzt erst einmal das Zauberwort. Er war hier nicht der einzige, der mit der Situation an sich Probleme hatte und sollte nicht nur immer von sich ausgehen.

Und Coles Augen, als er auf ihn zukam, bestärkten Antonin darin, dass es besser wäre abzuwarten. Und das tat er auch: er wartete ab, hörte und vor allen Dingen sah zu. Und je mehr davon bei ihm ankam, desto leichter war es, beide der vorher aufgetauchten Gefühle wieder beiseite zu schieben. Desto mehr senkte sich die Augenbraue wieder und entspannte sich seine Körperhaltung. Ohne weiter darüber nachzudenken trat er näher und umschloss Coles Gesicht mit seinen Händen bevor er dessen Kopf ein wenig zu sich zog und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen gab. "Du bist kein Mensch von großen Worten?", murmelte er und trat wieder einen Schritt zurück. Sich nicht sicher seiend, ob er nicht doch zu weit ging, auch wenn er bis eben noch immer auf die Füße gefallen war, wenn es um diese kurzentschlossenen Reaktionen ging. Er lächelte und es war ein ehrliches Lächeln. Eines das seine Augen erreichte und das er mit Cole teilen wollte.

"Du hast doch gerade alles gesagt, wirklich alles was zählt. Und ich denke, du musst nicht mehr erwähnen, dass du ein schwieriger Mensch bist, ich habe das irgendwie schon mitbekommen." Er legte den Kopf ein wenig schief und musterte den Mann vor sich aufmerksam. Und es war gut, dass er das so häufig tat, beschloss er für sich selbst, denn sonst würden ihm viele der kleinen Details entgehen und dann wäre er vermutlich nicht hier. "Und darum wäre es auch schön, wenn diese Unsicherheit aus deinem Blick verschwinden würde, denn das musst du nicht sein. Ich meine, du hast mir gerade gesagt, dass du für mich sterben würdest, wie viel mehr Worte denkst du, dass ich erwarte? Ich habe nicht einmal das erwartet und es erschlägt mich ein wenig. Aber nicht weil ich Angst vor der Situation habe, oder vor den möglichen Schwierigkeiten, oder weil ich so gut wie nichts über dich weiß." Er schüttelte den Kopf leicht. "Es erschlägt mich vielmehr, dass du zu denken scheinst, dass mir diese Worte nicht reichen könnten. Natürlich sind Worte momentan wichtig, gerade in dieser Situation, aber zählt nicht das, was noch kommt genauso viel? Oder dass du mich mit hierher genommen hast. Dass du mir sagst, ich wäre der bisher einzige? Das wir beide geweint haben - was ich immer noch sehr unmännlich empfinde und was wir hoffentlich nie wieder ansprechen müssen." Hier wurde sein Lächeln kurz zu einem Grinsen, bevor er abermals eine Hand hob und sacht einige der Strähnen aus Coles Stirn strich. "Braucht es denn dann noch eine genaue Zuweisung? Wir waren vorher bereit, uns auf so etwas einzulassen, wenn ich dich richtig verstanden habe und ich sehe keinen aber wirklich gar keinen Grund, das jetzt zu ändern. Ja, vermutlich wird es anders ablaufen als davor, was dann wohl meine Schuld ist, aber das muss nicht automatisch etwas Schlechtes sein. Angeblich haben sich meine Charaktereigenschaften nur insofern geändert, dass ich offener bin. Wenn du damit klar kommst, dann komme ich damit klar, dass ich nichts von dir oder uns weiß - noch nicht - und dass du dich selbst für schwierig hältst. Dann komme ich mit dem Chaos darum herum auch klar, denn darauf kommt es in meinem Scherbenhaufen wirklich nicht mehr an."
 


 

Cole

Cole lächelte verlegen, als Antonin so nahe zu ihm kam, ihn küsste, was ihm dieses mittlerweile wohlbekannte Kribbeln im Bauch bescherte. Seine Augen blickten noch immer ein wenig unsicher in die des anderen, wobei die Unsicherheit einer unglaublichen Verlegenheit wich. Er hob die Augenbrauen, als Antonin ihm erklärte, dass er ein schwieriger Mensch war, und lächelte entschuldigend. Überhaupt machte ihn diese Situation verlegen, denn das, was er gerade gesagt hatte, so zu hören, wie es bei Antonin angekommen war, war irgendwie sehr peinlich. Und dann wieder ein Vorwurf, der ihm vor Augen führte, wie wenig Selbstbewusstsein hatte, wenn es wirklich ernst wurde. Cole konnte gar nicht mehr zählen, wie viele Männer er gehabt hatte, konnte sich an die wenigsten erinnern und hatte noch weniger das Bedürfnis sich an sie zu erinnern. Aber jetzt gab es da einen Mann, der es geschafft hatte sein ganzes Bein in die Tür zu stecken, der sich langsam aber sicher ganz in ihn hineinschlüpfte, und er verlor alle Selbstsicherheit, die er zu haben geglaubt hatte. Ein wenig unangenehm, aber nicht so unangenehm, dass er das Bedürfnis hatte dagegen massiv etwas zu tun. Aber Antonin bat ihn, die Unsicherheit aus seinen Augen zu nehmen. Also sollte er sich entspannen und… Oh, in dem Moment erinnerte er ihn an ihre Heulerei. Scheiße. Cole lachte verlegen. "Ich bin auch dafür, dass wir das ganz schnell vergessen. Ich habe jetzt noch Kopfschmerzen davon", knurrte er, strich sich über die Stirn und erwiderte das Grinsen. Dann spürte er das sanfte Streicheln des anderen, als dieser ihm eine Strähne aus dem Gesicht striff. Sein Blick wurde automatisch in die Augen des anderen gezogen, die ihn so warm ansahen. Und so wurde es mit einem Mal so still um sie, als Antonin ihm mitteilte, dass er vor hat, wirklich den Weg weiter mit ihm zu bestreiten.

Langsam nickte er. "Ist gut", murmelte er dann. "Ich denke ich werde damit klar kommen. Wir lassen es einfach ruhig angehen." Er lächelte, dann beugte er sich vor uns küsste Antonin sanft, als würde er ihr 'Bündnis' besiegeln wollen. Cole spürte, dass er dringend das Gefühl hatte, das Thema zu wechseln. Ihm war es unangenehm, über Gefühle zu reden. Und daher sollte man das auch nicht zu sehr in die Länge ziehen. "Und jetzt lass uns schlafen gehen. Ich bin hundemüde. Und du solltest dich auch noch schonen." Gespielt streng schauter er Antonin an. "Ich hoffe, Tayra hat in den letzten Tagen darauf geschaut, dass du brav deine Medikamente genommen hast und immer früh ins Bett bist?" Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Ruhig sprach er weiter. "Brauchst du heute Abend noch etwas? Ich meine medizintechnisch? Ich könnte uns auch in deine Wohnung bringen. Daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Entschuldige." Cole löste sich leicht von Antonin. "Ich muss nur kurz Corleone füttern. Er überlegt glaube ich schon gerade, ein Attentat auf uns zu verüben, um dann an sein Fressen zu kommen." Mit diesen Worten drehte er sich weg, entzog sich dieser ihn verlegen machenden Situation und ging in die Küche, um der Katze, die freudig um seine Beine strich, das ersehnte Futter zu geben.

Er spürte, dass er nun sich wieder entspannen konnte. Er war einfach kein Mensch für solche Gespräche. Auch wenn es in diesem Fall wichtig gewesen war. Sicher. Aber so bald würde er sich darauf nicht wieder einlassen müssen, so hoffte er. Und das Gespräch war ja auch nicht in allen Dingen sehr angenehm gewesen. Denn auch wenn Antonin ihm versichert hatte, zu wissen, dass er viel für ihn empfand, so hatte er auch zugegeben, dass er sich an sie nicht mehr erinnerte, was irgendwie schon schmerzte. Aber darüber sollte er sich keine Gedanken machen. Es würde wiederkommen. Sicher würde er sich wieder erinnern, bald.

Und dann? Nicht darüber nachdenken. Letztlich hatte er sich heute bereit erklärt wirklich eine Beziehung zu führen. Und an diesen Gedanken musste er sich erst noch gewöhnen. Aber ihm war mehr als klar geworden, dass er auf Antonin auch nicht verzichten wollte, dass er ihn bei sich haben wollte, dass er bereit war sein Leben in gewisser Weise mit ihm zu teilen. Cole seufzte, als er die Kühlschranktür schloss und sich wieder zu Antonin drehte. "Schlafen?", fragte er müde.
 


 

Antonin

Antonin ließ sich gerne küssen, auch wenn Cole gerade etwas durch den Wind wirkte. Sollte er das nachvollziehen können? Vielleicht hatten sie wirklich noch ganz am Anfang gestanden. Am Anfang einer Beziehung? Am Anfang von etwas Undefinierbarem? Nun, Antonin konnte es nicht sagen, deshalb nahm er einfach, was sich ihm anbot und erkannte das als komplett ausreichend an. Ein wenig erstaunt erwiderte er den strengen Blick bis er tief ergebend seufzte. "Jaja, ich habe die Medikamente genommen, kein Grund vorhanden, um den Doktor wieder herauszukehren." Ein wenig herausfordernd sah er den anderen an. "Und ich habe geschlafen, wenn ich müde wurde, was wohl gut war, denn mein echter Doktor hat sich heute sehr zufrieden gezeigt", erzählte er und schüttelte dann den Kopf. "Ich habe alles genommen bevor ich heute Abend losgefahren bin." Er sah Cole nach und hörte ihm zu wie er von Attentäterkatzen sprach, weshalb sein Blick auch auf das Fellknäul umschwenkte. "Sei froh, dass du keine zwei hast, die verbünden sich nämlich und planen ihre Tage so, dass immer einer wach ist, um einem hinterher zu laufen und Aufmerksamkeit zu fordern." Er lächelte und strich sich durch die Haare um sich dann über die müde gewordenen Augen zu reiben. "Ich wollte viel lieber einen Hund haben. Einen richtig großen, der dann aufs Haus aufpassen könnte. Aber naja, manchmal waren die beiden Monster wie Hunde."

Er sah dabei zu, wie Cole die Katze fütterte und nickte dann nur auf dessen Frage, bevor er zur Anlage ging und die Musik ausstellte, der er mitunter den Grund gab, jetzt doch auf einmal wieder so müde zu sein. Seltsamerweise war da keine Nervosität bei ihm vorhanden, was die Schlafangelegenheiten betraf. Sein Handy hervorholend schrieb er noch schnell eine SMS an Tayra, dass er sich morgen melden würde und dass sie sich keine Gedanken um ihn machen sollte. "Hm, ich befürchte, ich habe Tayra ganz schön blöd stehen lassen. Gut dass sie gefahren ist", murmelte er während er auf das Schlafzimmer zuhielt. Wenn man es so nennen wollte. Die ganze Wohnung besaß eine recht interessante Architektur, wenn man es genau bedachte. Antonin selbst war mehr ein 'Fan' von Türen, was aber auch nur zum Tragen kam, wenn man nicht alleine lebte. Manchmal war es einfach wichtig, den Rest der Welt einfach mal aussperren zu können, selbst wenn es nur aus einem Zimmer war. Sich seine Neugierde erlaubend durchquerte er das Schlafzimmer, dem Bett einen prüfenden Blick zuwerfend, bevor er sich an die Badezimmertür lehnte und hinein sah. Hm.. kurzentschlossen zog er sich sein Shirt über den Kopf und stellte sich vor den Spiegel, seine Finger zögerlich über die schmale, frische Narbe gleiten lassend.

Antonin sah seinen eigenen nachdenklich gewordenen Blick und griff dann in die Hosentasche, wo er die kleine Schatulle verstaut hatte und holte sie hervor. Öffnete sie und starrte eine Weile hinein, bevor er eine der Kapselln hervorholte und abermals gegen das Licht hielt. Die dunkelblaue Flüssigkeit war deutlich durch die klare Hülle zu erkennen und mit einem Schritt, näher ans Waschbecken herantretend, teilte er das Ganze. Ließ die Flüssigkeit in den Abfluss rinnen und wusch den einen Teil der Umhüllung mit kaltem Wasser ab. Tatsächlich begann sie sich langsam aufzulösen, während er auf warmes Wasser umstellte und die ganze Prozedur wiederholte. Diesmal dauerte er nicht lange bis sich davon nichts mehr in seiner Hand befand. Nicht einmal mehr schmierige Rückbleibsel. Ein wenig beeindruckt nickte er, bevor sich langsam aber sicher ein Grinsen breit machte. "Schau an, schau an", murmelte er bevor er auch die andere Hälfte im warmen Wasser verschwinden ließ und es dann abstellte, um zurück ins Schlafzimmer zu gehen. Dort sah er sich nach Cole um und zog sich bis auf die dunklen Shorts aus, bevor er aufs Bett, unter die Decke kroch. Er ging einfach mal davon aus, nicht auf dem Sofa nächtigen zu müssen. "Du hast Recht", beschied er ihm, noch immer ein leichtes, eindeutig zufriedenes Lächeln auf den Lippen habend. "Ich sollte nicht an Dingen herumfuhrwerken, an die ich mich nicht mehr erinnere. Am Ende kommt keine Wunderdroge sondern ein Wundervirus dabei raus." Er schloss die Augen und ließ seinen Kopf auf das Kissen sinken. Antonin hatte soeben einen Entschluss gefasst und damit beschlossen, sein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen.
 


 

Cole

Cole gönnte sich fünf Minuten Ruhe, in der er in der Küche stand, während Antonin im Badezimmer verschwunden war. Antonin hatte sich in der Wohnung umgesehen, als sei er fremd. Nun, in gewisser Weise war er das jetzt auch wieder. Interessant war nur, dass er damals sich nur flüchtig umgesehen hatte, diesmal mit unverhohlener Neugierde. So äußerte sich also die Offenheit, von der der andere gesprochen hatte. Nun, Cole ärgerte sich nicht darüber. Antonin durfte in seiner Wohnung sein, so viel er mochte, solange er nichts anstellte... Seine Anwesenheit empfand Cole nicht als störend, auch wenn er bisher noch nie mit jemandem diese Wohnung geteilt hatte. Cole stellte die Gläser in die Spülmaschine und überprüfte die Alarmanlage. Dann löschte er die Lichter und ging ins Schlafzimmer, wo er sich auszog, feststellend, dass er auf ihrer 'Flucht' sein Jackett im Lady-Dream gelassen hatte. Nun, es würde schon nicht wegkommen. Seine Klamotten landeten in einem Wäschesack. Er zog niemals zwei Tage hintereinander dasselbe an. Manchmal zog er sich sogar tagsüber ein-, zweimal um. Müde ging er zum Bett, schüttelte die mit schwarzer Satin-Bettwäsche überzogene Decke aus und schüttelte sogar die Kissen aus. Er machte nie sein Bett, selten. Dabei mochte er es eigentlich ganz gerne, wenn die Bettwäsche ausgeschüttelt war. Seine Mutter hatte früher immer die Bettdecke für ihn ausgeschüttelt und dann über ihn gedeckt. Er liebte dieses Gefühl, wenn sich die Decke langsam über den Körper senkte und federleicht die Haut berührte, bevor sie schwerer wird.

Er ging zum Schrank, um sich die Sachen für morgen rauszulegen. Er würde morgen Besuch aus Chicago bekommen. Als er die Schritte des anderen hörte blickte er auf. Sein Blick glitt automatisch über den schönen Körper des anderen, dem man kaum ansah, dass er nun sicher schon seit längerem nicht mehr so trainiert wurde, wie zuvor. Doch auch, wenn in Cole alles danach schrie, diesen Mann jetzt sofort zu vernaschen, schob er den Gedanken beiseite. Er würde sich sicher gedulden müssen. Ob für Antonin noch immer die Regel galt, dass er mit anderen Männern schlafen durfte, solange jener nichts davon mitbekam? Cole wusste es nicht, und er hatte das Gefühl im Moment auch lieber nicht danach fragen zu sollen. Cole fiel auf, dass er es für selbstverständlich genommen hatte, dass Antonin zu ihm ins Bett kommen würde, doch jener schien damit auch kein Problem zu haben. Gut, dann würde er heute Nacht vielleicht wieder in den Genuss kommen, jene Ruhe zu spüren, die er bei Antonin eigentlich immer gespürt hatte, wenn sie die Nacht miteinander verbracht hatten. Die Worte des anderen zogen wieder seine Aufmerksamkeit auf diesen. "Wenn du dich wieder erinnern möchtest", sagte er, "dann kann es sicher nichts schaden, herumzuprobieren. Aber ich denke du hast noch viel Zeit. Nichts sitzt dir im Nacken und du solltest dir diese Zeit auch nehmen, um wieder der zu werden, der du vorher warst. Oder sagen wir, um das wieder zu wissen, was du vorher wusstest. Denn es heißt ja nicht zwangsläufig, dass du das alles wieder tun möchtest, was du vorher getan hast. Und egal, in welche Richtung du dein 'neues' Leben ausrichtest, du wirst sicher die richtige Entscheidung treffen. Ich denke du wirst nie Schwierigkeiten haben, einen guten Job zu finden." Er lächelte den anderen an. "Ich geh kurz ins Bad", erklärte er und ließ seinen Worten Taten folgen.

Dort wusch er sich das Gesicht, blickte sich im Spiegel an. Das Auge war mittlerweile gut verheilt. Neben einigen dummen Kommentaren hatte es bei einigen auch ganz schön Eindruck hinterlassen. Und es hatte ihn immer wieder erinnert, weshalb ihm Antonin so wichtig war, weshalb er jede Nacht bei ihm gewesen war. Auch wenn er zeitweise geglaubt hatte, dass der Verlust der Erinnerungen ihm signalisieren sollten, dass er es auch vergessen sollte. jene Zweisamkeit vergessen sollte, die er genossen hatte. Doch jetzt hatte er sie wieder. Zwar nicht, wie davor, aber in ähnlicher Weise. Auch wenn ihm das Rationale bei dieser ganzen Geschichte ein wenig Sorgen machte. Sorgen, weil er noch nie über solche Dinge gesprochen hatte. Und er wusste, dass ein rationaler Beschluss zu einer Beziehung bei ihm auch nicht funktionierte. Er brauchte das Emotionale, das bei ihm stets mit Sex begann und danach über Zärtlichkeiten, Liebkosungen und Neckereien zu Vertrautheit führte. Eine Vertrautheit, die für ihn dennoch immer wieder Überraschungen bereithalten musste. Aber da Antonin nichts wusste, nichts wissen konnte, musste er ihm eingestehen, darüber zu reden. Es musste ihm erlaubt sein. Denn wie jener schon sagte: Er lebte in einem Scherbenhaufen. Und Cole sollte darin nicht auch noch wie ein Wirbelsturm herumtoben.

Als er ins Bett kroch kuschelte er sich vorsichtig an Antonin. Er würde nicht wirklich schlafen können, wenn er keinen Körperkontakt hatte, und um herauszufinden, ob es Antonin recht wäre, provozierte er es einfach. Es war ohnehin ungewohnt für ihn, sein Bett zu teilen, wobei es mit Antonin erstaunlich gut geklappt hatte, aber nur, weil er seine Nähe gehabt hatte. Ohne diese hatte er Angst, dass er nicht würde schlafen können.

"Schlaf gut, Antonin", murmelte er und atmete den wohlbekannten Geruch des anderen ein. Sanft strich er über seine Seite. "Und wenn irgendetwas ist, scheue dich nicht, mich aufzuwecken."
 


 

Antonin

Ohne weiter nachzudenken umarmte er Cole, als dieser zu ihm kam und suchte seinerseits engeren Körperkontakt. Es gab ihm ein gutes Gefühl und nicht nur das. Es gab ihm eine gewisse Art von Normalität, da diese Nähe etwas ganz normales und selbstverständliches zu sein schien. Er lächelte und küsste einen Flecken freier Haut, bevor er Cole ebenfalls eine gute Nacht wünschte und ihm versprach ihn aufzuwecken, wenn etwas wäre.

Doch dazu sollte es nicht kommen, auch wenn Antonin diese Nacht sehr lange keinen Schlaf fand. Dazu war momentan zuviel in seinen Gedanken. Es war das eine etwas zu beschließen, aber etwas ganz anderes sich zu überlegen wie man das umsetzen wollte. Zudem ihm der versprochene morgige Tag auch schwer im Magen lag. Tayra hatte ihm gezeigt, wo er normalerweise immer gelaufen war, wo er arbeitete, wo er am liebsten einzukaufen schien und die meisten dieser Orte waren für ihn genau das. Orte, die er sah aber mit denen er nichts verband. Ähnliches galt für die Wohnung hier und es war schwer mit Enttäuschung umzugehen. Das hatte Antonin die letzten Tage immer mal wieder festgestellt. Sei es seine eigene Enttäuschung darüber, sich nicht zu erinnern oder die in den schönen dunklen Augen seiner wohl besten Freundin. Aber was sollte er tun? Was in Dreiteufels Namen sollte er nur tun? Selbst das hier, obwohl es sich so richtig anfühlte, wirkte mit einem bitteren Nachgeschmack im Mund mit sich. Es kam ihm wie Stunden später vor, als ihn der Schlaf endlich einholte und er aufhören konnte sich Sorgen über sein Leben zu machen. Cole hatte leicht reden. Es saß ihm nichts im Nacken? Haha. Ein schönes, trockenes: Haha. Im Grunde saß ihm alles im Nacken, wieder 'der zu werden der er vorher war'. Und selbst das schien eine Art Zwickmühle zu sein, denn im einen Moment schien sich jeder zu wünschen, dass er sich erinnerte, nur das man ihm im nächsten Moment beschied, das es womöglich so wie es momentan lief besser für ihn war. Wie sollte er sich für irgendeine Richtung entscheiden können, wenn er selbst ständig mit unsicherem Schwanken konfrontiert wurde?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück