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Blood Deal

Even if saving you sends me to heaven
von

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Graublauer Sturm - Grüner Trotz

Cole

"Antonin?", fragte er und blickte den anderen, dessen Gesicht er nun sah überrascht an. Langsam kehrte Leben in seine Augen zurück, welches wahrscheinlich zusammen mit der Erleichterung einkehrte, die er empfand, als er nun langsam begriff, was gerade vor sich gegangen war. Cole schluckte, wischte sich mit der Hand über das Gesicht, die Tränen weg, hinterließ dabei eine Blutspur und richtete sich langsam auf, mit einem Mal wieder wachsende Kraft spürend. "Antonin", stellte er erneut fest, als würde er jetzt erst wirklich davon überzeugt sein. Dann legte er ihm seine Arme um die Schultern, umarmte ihn sozusagen. Nur einen Moment, bevor Antonin ihn hochhob, auf seine Beine stellte, wobei ihn Cole so gut es ging unterstützte. Währenddessen sah er den anderen noch immer an, als würde er ihn das erste Mal wirklich sehen. Hatte dieser ihm wirklich das Leben gerettet? Und hatte er diesen beinahe gerade umgebracht? Er nahm wahr, was jener zu ihm sagte, aber er konnte noch nicht recht reagieren. Er spürte den Schmerz in seiner Schulter, aber deswegen sterben? Nein.

Erst als Antonin losgefahren war hatte er so langsam seine sieben Sinne beieinander. Er realisierte mehr und mehr, was nun alles geschehen war. Und je mehr er realisierte, desto mehr verdrängte er auch jenen Augenblick, an dem er fertig mit der Welt war. "Dr. Kellman", sagte er schließlich. "860 Fifth Avenue. Wenn du mich ins Krankenhaus bringst, dann komme ich nie wieder raus, weil mich die Bullen gleich einkassieren." Er sah Antonin von der Seite an, kritisch musternd. Auch jener schien verletzt. Die schwarze Kleidung glänzte an der Seite dunkel und Cole meinte ein Einschussloch zu erkennen. Vorsichtig tastete er sich nach seinem Handy ab, suchte in seinem Telefonbuch nach der Nummer des Arztes, der für ihn arbeitete. Er merkte, dass er noch immer nicht seinen Körper richtig unter Kontrolle hatte. "Raphael, ich komme und bringe noch jemanden mit. Es könnte heute etwas länger dauern." Dann legte er wieder auf.

"Er wartet auf uns. Keine Sorge, er wird uns wieder herrichten." Dass diese Aussage eher ihm zur Beruhigung diente, merkte er dabei nicht.

Als sie beim Arzt angekommen waren, empfing dieser sie bereits zusammen mit einem Kollegen. Sie wurden auf einen OP-Tisch gelegt, örtlich betäubt, mit einer Bluttransfusion versehen und behandelt. Während Cole einen glatten Durchschuss hatte, der zum Glück, keine wichtigen Organe verletzt hatte, wurde aus Antonin eine Kugel herausgezogen, die aber offensichtlich nur eine war, die sich verirrt hatte und daher mit nicht so großer Wucht ihn getroffen hatte, so dass auch diese Verletzung vor allem großen Blutverlust, aber keine großen Schäden mit sich zog. Beide hatten das Glück, dass sie nicht innere Blutungen haben würden. Schließlich erhielten sie noch die Dosis Antibiotikum als Infusion, die dafür sorgen würde, dass sie nicht an einer Blutvergiftung sterben würden.

Nun fanden sie sich mit gut sitzenden Verbänden im Behandlungszimmer wieder. Cole war auf seiner Liege hereingeschoben worden. Und auch Antonin lag noch da, auch mit einer Infusion am Arm. Raphael musterte sie kritisch. "Was auch immer ihr Idioten getan habt, ihr hattet mehr Glück als Verstand", knurrte er und sah vor allem Cole an, von dem er ja so Einiges schon gewohnt war. "Für euch ist jetzt mindestens eine Woche Ruhe angesagt. Klar? So lange brauchen die Nähte mindestens, bis sie verheilt sind. Und wenn ihr euch nicht daran haltet, dann werden die Narben noch hässlicher." Er sah von Cole zu Antonin und durch seine beeindruckende Größe würde ihm wohl eh niemand widersprechen. "Und nun ruht euch noch ein wenig aus, bis die Infusion durchgelaufen ist." Damit ließ er sie beide allein.

Cole kam der Moment, in dem er mit Antonin alleine war plötzlich sehr bedrohlich vor. Was sollte er dem anderen sagen? Er hatte während der Behandlung einige Zeit gehabt, sich zu überlegen, was nun eigentlich wirklich geschehen ist. Mittlerweile war er sich ziemlich sicher, dass Ragnar Antonin auf ihn angesetzt hatte. Aber dass jener sich in so eine Kamikazesituation stürzen würde? Gut, er hatte ihm seinen 'Knackarsch' gerettet, aber eigentlich hätte er auch dabei drauf gehen können. Und wenn das geschehen wäre, wüsste er, wen er dafür bestrafen würde: Ragnar.

"Du bist ein Vollidiot, dass du da mit reingegangen bist", begann er schließlich. "Du hättest dich niemals in diese Gefahr begeben dürfen." Er schwieg ganz kurz und fuhr dann mit wärmerer Stimme fort. "Aber ich danke dir, dass du mich da rausgeholt hast. Und es tut mir leid, dass ich auf dich schießen wollte. Ich war nicht ich selbst." Letzteres war das, was ihn eigentlich am meisten belastete. Er hatte auf Antonin gezielt und abgedrückt. Sicher, er konnte nicht wissen, wer da vor ihm stand, aber er hätte begreifen können, dass jener ihm gerade das Leben gerettet hatte.
 


 

Antonin

Immerhin erkannte Cole ihn jetzt, dachte Antonin sarkastisch, als er jenen in den Jeep bugsierte. Als er die Beifahrertür hinter jenem zuschlug griff er zu seinem eigenen Handy und wählte die erste Nummer an, um Coles Wagen von Nicholas wegbringen zu lassen. Mehr erzählte er nicht, mehr wurde er auch nicht gefragt. Zudem Antonin sicherlich mehr als geschockt gewesen wäre zu erfahren wie nahe jener wirklich an ihm dran war. Tatsächlich gab es diese Nacht noch zwei weitere Leichen aus ihren Autos zu zerren, denn Nicholas hatte sie nicht entkommen lassen. Der zweite kurze Anruf ging an Ragnar um ihm genau das zu sagen, was er ihm bereits versprochen hatte: "Erledigt."
 

Danach hielt er sich an Coles Anweisungen und war mehr als erleichtert, wieder ein wenig Leben in diesem zu erkennen. Mann, der hatte ihm aber auch genug Schrecken für ein halbes Leben eingejagt! Hob der echt die Knarre und drückte ab! Etwas das immer noch nicht so recht in seinen Kopf wollte. Und gerade konnte er nicht mit Sicherheit bestimmen, wer von ihnen beiden eigentlich der kaputtere Typ war. Aber die Aussage mit dem herrichten nahm er mit einem abrupten Nicken zur Kenntnis. Das konnte mal absolut nicht schaden.

Was dann jedoch erstmal folgte war eine Abfolge an bereits mehr als bekannten Dingen, denn obwohl dieser Arzt wirklich imposant war, gab es Dinge die Antonin wichtiger waren. Und das war es sein abgefucktes Hemd anzubehalten. Etwas das nur eine sehr kleine, aber schon wieder heftige Diskussion auslöste.

"Schneid mir den Pullover vom Leib und du schließt heute Abend zum letzten Mal die Augen!", knurrte er vom Schmerz - der inzwischen immer heftiger wurde - nur noch mehr aufgestachelt. Woraufhin der Doc ihm zwar sagte, dass er ihn hier auch sehr gut verbluten lassen könnte, ihm aber den Gefallen dennoch tat. Scheinbar war der schwierige 'Kunden' gewöhnt. So wurde das Ding einfach hochgeschoben und drum herum behandelt. Etwas, das er nach dem kleinen Zwischenfall mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen ließ. Ebenso wie die kleine Rede am Schluss als er sich mit Cole wieder in einem Raum wiederfand. Was wollte der Kerl ihm schon von hässlichen Narben erzählen?
 

Ächzend hob er seinen freien Unterarm über seine Augen und versuchte in der Stille nichts Bedrohliches zu entdecken. Sein ursprünglicher Plan, nämlich Cole gar nichts von seiner Anwesenheit wissen zu lassen, war mal ordentlich in die Hose gegangen. Was also jetzt tun? Der Umzug wurde immer verlockender, aber die Frage war, ob es noch so einfach möglich wäre. Als Cole schließlich sprach, ließ er seinen Arm wieder von den Augen fallen und wandte den Kopf zur Seite, blickte den anderen Mann ruhig an. Zumindest bis sich wie auf Knopfdruck kaum unterdrückte Wut und blanker Zorn in ihnen wiederspiegelte.

"Ich bin hier der Vollidiot?", fragte er mit sarkastischer Stimme. "Wer von uns beiden geht denn hier vollkommen ungesichert in so eine Todesfalle?", er schluckte kurz um die Bilder wieder aus seinen Gedanken zu verdrängen und fuhr mit etwas ruhigerer Stimme fort. Auch sein Blick wurde abermals einfach nur ruhig, ganz so als hätte er mit jenen zwei Sätzen alles gesagt, was es zu seinem Zorn zu sagen gäbe: "Du hast mich nicht erkannt. Meine eigene Schuld. Oder deine, weil du ein stures Arschloch bist, das nicht erkennt, dass es ganz offensichtlich ein paar Leute gibt, die bereit wären dir zu helfen. Das ganze da drinnen hätte ganz anders ablaufen können", grummelte er und wandte den Blick von Cole ab und wieder an die Decke.
 


 

Cole

Cole sah zu dem anderen hinüber, wie er dalag, zur Decke starrte, verletzt, weil er ihm geholfen hatte. Noch immer begriff er letztlich nicht, weshalb Antonin ihm geholfen hatte, noch immer begriff er nicht, warum jener sich in solch große Gefahr gebracht hatte. Selbst wenn Ragnar ihn darum gebeten hätte, wieso hätte er es tun sollen? Die Wahrheit darüber würde er vielleicht auch nie erfahren.

Dafür trafen die Worte des anderen gerade heftig, trafen wie Faustschläge. Einen Moment schloss er die Augen. Ja, er war stur. Und er war auch noch so viele gehabt hätte, die ihm geholfen hätten, er war immer allein gewesen. Immer.

Cole drehte sich, um ebenfalls an die Decke zu sehen. "Ich bin seit ich sieben Jahre alt bin allein", er redete gegen die Decke, sah den anderen nicht an, wie er da mit seinen Verletzungen lag. "Seit 18 verfluchten Jahren lebe ich in dieser Welt vollkommen auf mich allein gestellt. In dieser Welt, die voll von Intrigen, Hass, Gewalt, Drogen und Waffen ist. Ich habe lernen müssen, in der Höhle des Löwen zu überleben. Ich habe gelernt, meine Probleme selbst zu lösen. Und ich bin immer gut damit gefahren. Ich habe es immer geschafft, mich durchzubeißen, egal welche Steine mir in den Weg geworfen wurden. Es war mir nie vergönnt zu erfahren, was es bedeutete, jemandem sein Leben anzuvertrauen. Im Gegenteil, denn wenn ich vertraute, wurde ich immer enttäuscht. Oder noch schlimmer: Die Menschen, denen ich vertraute wurden deswegen verletzt oder getötet." Seine Worte klangen voll Bitterkeit. Seine Augen waren dunkel und voll Kälte. "Mag sein, dass ich ein stures Arschloch bin. Mag sein, dass es hätte anders laufen können. Aber ich werde niemals, hörst du, niemals jemanden in eine Situation bringen, von der ich nicht weiß, wie sie ausgehen wird. Und ich werde niemals jemandem mein Leben anvertrauen." Kurz schwieg er, dann sprach er weiter und die Kälte und die Wut klangen nur leise mit. "Und um ehrlich zu sein, halte ich dieses beschissene Leben nicht unbedingt für so wertvoll, als dass ich es auf Biegen und Brechen bewahren müsste." Dass er durch Antonin eigentlich doch gespürt hat, dass dem nicht so war, dass er gerne am Leben blieb, war etwas, das zum einen der andere nicht wissen musste, zum anderen er selbst für sich erst noch einmal begreifen musste. Würde es etwas ändern? Er wusste es nicht. Er hatte nur dieses Gefühl, das ihm sagte, dass er leben wollte.

"Dennoch danke ich dir, dass du meinen 'Knackarsch' da rausgeholt hast." Ein Grinsen schob sich bei dem Gedanken an die Worte des anderen auf sein Gesicht. "Seit wann schaust du Männern eigentlich auf den Hintern? Hat dich der Abend mit mir umgepolt?" Er wollte das Thema wechseln. Mit Antonin über die Wertigkeit seines Lebens zu diskutieren war so in etwa das letzte, was er wollte.
 


 

Antonin

Antonin wusste, dass er die meiste Zeit ein eher gefühlsmäßiger Trampel war, der problematische Gefühle nicht einmal erkannte, wenn sie ihn ansprangen. Dennoch hatte Coles kleine Rede die Kraft etwas in ihm aufzuwühlen. Etwas das er schon sehr lange nicht mehr gefühlt hatte. Zumindest nicht für andere: Mitgefühl. Ganz kurz glaubte er sogar das Bedürfnis, aufzustehen und den anderen einfach mal in den Arm zu nehmen, aufblitzen zu sehen. Etwas, das er natürlich so schnell wieder verdrängte, da er sich im Nachhinein auch nicht mehr ganz sicher sein konnte, ob ihm da nicht doch ein paar blanke Nerven einen üblen Streich spielten.

Mit seltsam anstrengendem Kraftaufwand richtete er sich auf seiner Liege auf und warf dem Tropf einen bitterbösen Blick zu. Noch nicht einmal halb durchgelaufen das Teil. Grummelnd zog er trotzdem seinen Pullover wieder ganz über seinen Bauch und lies seine Beine schließlich lose über die Liege baumeln. Er konnte solche Gespräche einfach nicht im Liegen führen. Zu liegen bedeutete Schwäche... Unsicherheit.. und soviel er von beidem momentan auch haben mochte, so war er keines Falles bereit mehr davon zu zeigen als absolut nötig. Besonders nicht wenn er so dämlich gewesen war, um sich Anschießen zu lassen.

Und ganz besonders nicht, wenn Cole ihm hier gerade Türen einen Spalt weit öffnete, von welchen sie vermutlich beide nicht wussten, ob sie das wirklich so wollten. Sie waren schließlich keine Freunde, richtig? Cole gab ihm auch gerade schon wieder zu verstehen, dass er sich selbst am nächsten stand und obwohl ihm andere Leute scheinbar genug bedeuten konnten, um sie nicht in solche Todesfallen mitzunehmen, würden sie ihm auch nie genügend bedeuten, um sie selbst entscheiden zu lassen, ob Cole ihnen genug wert war, ihr Leben für ihn zu riskieren. Also eine Art und Weise, die so gänzlich gegen seine eigene Ausbildung ging... die ganze Situation war so surreal wie auch schwierig zu handhaben.
 

Er atmete tief durch, betrachtete seine Knie eine Weile, bevor er der Nadel in seinem Handrücken noch einmal nach oben zu dem Tropf folgte bevor er leise zu lachen begann. Es war kein ironischer Laut, der ihm da entkam, sondern vielmehr ein Ausdruck der ganzen Situation die gerade von ihm abfiel. Sein Auftrag war erfüllt, Cole lebte und er selbst hätte nur eine neue Narbe aufzuweisen. Genügend Gründe für ihn um zu lachen.

Was er auch eine ganze Weile tat, bevor er seinen Blick wieder auf Cole richtete: "Ich bin mir sicher du bereust morgen was du mir gerade gesagt hast, daher werde ich wohl so tun als hätte ich es nicht gehört, huh?", fragte er mit ein wenig rauer gewordener Stimme. "Aber erst morgen, Cole. Denn heute habe ich es gehört und ich finde uns beide so unglaublich kaputt, dass mir dafür kein wissenschaftlicher Ausdruck mehr einfällt. Und ich muss sagen, dass ich enttäuscht davon bin, dass du mich selbst in diesem Zustand so dreist anlügst. Dein beschissenes Leben war dir wertvoll genug es zu verteidigen zu wollen und darüber Salzwasser zu vergießen. Darüber solltest du bei Gelegenheit einmal nachdenken, bevor du mir die nächste schön verpackte Rede servierst und meine Arbeit damit mehr oder minder durch den Dreck ziehst", kurz runzelte er die Stirn. "Zudem ich ein wirklich schönes Scharfschützengewehr dadurch verloren habe und Ragnar dadurch vermutlich unseren schönen Deal zum Platzen gebracht hat", philosophierte er weiter und musterte Cole dabei unentwegt. Er würde hier und jetzt nicht mit verdeckten Karten spielen, schließlich standen sie gerade auf einer Ebene. Auf Augenhöhe ohne irgendwelche drückenden Geschäfte, die Antonin nicht riskieren wollte.
 

"Aber ich nehme deinen Dank natürlich trotzdem an", fuhr er mit etwas belegter Stimme fort. Das war neu. Dank dafür, seinen Job erledigt zu haben, anstatt Vorwürfe über das wie.

Und dann war das Lächeln wieder da. Jenes Lächeln, das er stets mit sich herumtrug und das ihm besser diente als jede kugelsichere Weste. "Cole...", fing er gedehnt an. "Solltest du in diesem Club denn wirklich nicht bemerkt haben, dass der Gedanke an sich kein Neuland für mich ist?", hinterfragte er mit eben jenem Lächeln in der Stimme. "Allerdings würde ich mich weder in die eine noch in die andere Richtung als gepolt bezeichnen, also hier leider kein Preis für dich. Beide Geschlechter haben ihre Chance mich zu überzeugen, was beiden jedoch nur selten gelingt. Dass Männer dabei eine noch niedrigere Trefferquote als die Frauen haben, liegt eben am 'treffen'", er zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht, als ein unangenehmes Ziehen von der Seite her daran erinnerte, warum genau er hier saß. Doch dann brachte ihn ein weiterer Gedanke und eine kleine Rechnung zum Grinsen und er schob es auf die Schmerzmittel: "Und ich wusste, dass du gar nicht so viel älter sein kannst wie du immer tust. Ha!", da glomm Triumph in seinen Augen, erinnerte er sich doch noch zu genau an jene Momente, wo er sich wie ein kleiner ungezogener Junge in der Gegenwart des anderen vorgekommen war.
 


 

Cole

Cole sah irritiert zu Antonin, als dieser da saß und lachte. 'Absurd' war das Wort, das ihm zu dieser Situation einfiel. Nicht, weil das Lachen absurd war, sondern die ganze Geschichte. Und so schloss er einige Moment die Augen, lauschte dem Lachen, das auch für ihn ein wenig befreiend war.

Dann erwiderte er den Blick des anderen, spürend, dass er selbst nicht dir Kraft hatte, sich aufzusetzen, was ihm letztlich unangenehm war, denn er fühlte sich ein wenig wie auf einer Schlachtbank liegend. Die Worte des anderen und die Wahrheiten, die er aussprach ließen seine Augen wieder kühl werden, das Lächeln verschwinden. Er schaffte es aber nicht alle Emotionen aus seinem Äußeren zu verbannen, denn dafür waren die Erfahrungen, die er schmerzlich hatte sammeln müssen, zu frisch. Und Antonin hatte ihn durchschaut. Zum einen in dem Punkt, dass er bereits jetzt schon bereute, diesem etwas über sich und seine Vergangenheit erzählt zu haben, zum anderen darin, dass er sein Leben offenbar doch für schützenswert hielt. Doch er würde auf das Gesagte nicht hier und jetzt eingehen. Viel zu viel war für ihn darin noch im Unklaren.

Daher erwiderte er nichts. Zumindest erstmal und lauschte dafür den anderen Dingen, die Antonin sagte. Und auch wenn er nicht mehr bereit war, wurden seine Augen milder. "Hm…", meinte er nur und musterte den anderen. "Ich hätte es mir denken können. Und deine Sorte sind die Schlimmsten: Nichts Halbes und nichts Ganzes..." Langsam kam ein Grinsen auf seine Lippen. "Ich tue so als sei ich älter?", fragte er erstaunt. "Ich glaube ich muss mir eine andere Anti-Falten-Creme kaufen. Die alte taugt offenbar nichts. Ich kann mich nämlich nicht erinnern, jemals mein Alter verschwiegen oder verkannt zu haben. Also muss ich wohl alt aussehen..." Er warf Antonin einen kritischen Blick zu. "Nun ja, wahrscheinlich bin ich älter als du. Aber wesentlich groß wird die Differenz nicht sein." Cole wusste, dass er älter wirken mochte, durch seine Art und Weise. Letztlich haben ihn auch die Umstände altern lassen. Schnell, viel zu schnell war er gealtert... Aber das musste er ja nicht zugeben.

Er seufzte, betrachtete kurz die Infusion, die langsam aber stetig durchlief, und blickte wieder zur Decke hinauf. Die ersten Worte des anderen drängten sich wieder in den Vordergrund. Aspekte taten sich auf, die eine Antwort verlangten.

"Wieso platzt der Deal mit Ragnar? Hat er dich eigentlich beauftragt mich zu schützen?", er blickte ihn fragend und wieder völlig ernst an. "Ihr seid euch doch einig geworden, was CI-4 betrifft oder?" Er schwieg kurz nachdenklich. "Warum kannst du eigentlich als Chemiker das alles? Ich meine, warum konntest du mich dort rausholen, oder auch bei den Russen neulich. Aus welchem Grund hast du das alles geschafft, obwohl du dich selbst nur als 'Chemiker' betitelst." Cole hoffte, dass er vielleicht ein Puzzleteil erhalten könnte, von dem riesigen Puzzle namens 'Antonin', von dem er erst wenig hatte.
 

Antonin

Die Emotionen von Cole waren diesmal wirklich erkennbar, auch wenn Antonin sie nicht alle benennen konnte. Das konnte er selten, wenn es über die übliche Kühle hinaus ging. Trotzdem war es nicht schön, das leichte Lächeln auf den Lippen des anderen wieder verschwinden zu sehen. Es fühlte sich falsch an. Gerade nach so einem Erlebnis sollte er dem anderen wohl mehr Zeit zum aussortieren geben. Wobei das schon ein wenig selbstverleugnend war, immerhin befasste Antonin sich selbst gar nicht mit solchen Dingen. Weshalb er auch kaum noch eine Nacht durchschlafen konnte und ständig aus Alpträumen hochzuckte. Sein Unterbewusstsein ließ sich zu jenen Stunden nicht mehr vorgaukeln. Aber auch das war inzwischen eine Routine. Eine die er nur direkt nach neuen problematischen Erlebnissen mit Alkohol ertränkte.
 

Er fühlte wie sich seine Muskeln abermals entspannten, sich darüber wundern, dass sie überhaupt immer noch angespannt gewesen waren, während er Cole zuhörte. Diesmal schlich sich eine andere Art von Lächeln ein. Antonin würde es zwischen nachsichtig und amüsiert einordnen, wenn man ihn fragen würde. "Ich bezweifel, dass ich so schlimm bin, schließlich steht Sex aus diversen Gründen nicht ganz oben auf meiner ToDo-Liste", schon alleine deshalb weil er sich für so kurze Geschichten niemals komplett zeigen würde. Und so kurze abgefuckte Nummern gaben ihm seit geraumer Zeit nichts mehr. Ein Teufelskreis. "Und ich habe nicht behauptet, dass du alt aussiehst, ich habe damit nur darauf hingewiesen, dass du mich des Öfteren wie einen rotznäsigen, zwölfjähigen ohne Hirn behandelt hast", stellte er klar und grinste kurz. "Keine Sorge, man bekommt noch nicht das Gefühl, dich nach Silicon Valley abschieben zu müssen, wenn man dich sieht."
 

Das Schweigen danach nutzte Antonin, um sich nach seiner Jacke umzusehen, welche er auch neben der Tür aufgehängt vorfand. Da war schließlich sein Handy drinnen und das war wichtig. Doch dann ruckte sein Blick wieder zu Cole und ein unentschlossener Ausdruck huschte über sein Gesicht. Jener hatte ein paar Antworten verdient, nur was konnte er sagen, ohne zu viel zu verraten? Ohne zu verraten, wie sehr Cole ihn bereits an der Angel hatte? Er seufzte und biss sich unwillig auf der Unterlippe herum, bevor er sich zu etwas durchrang.

"Er hat mich darum gebeten, nachdem ich ihm ein paar Ansatzpunkte gegeben habe, wie er sein Gluckenverhalten besser anbringen könnte", fing er vorsichtig an und merkte zwar wie seine Augen unfokusiert durch den Raum huschten, konnte sich aber nicht überwinden Cole einfach nur anzusehen. "Und wir sind uns nicht einig geworden, da der Mann des letzten Wortes nicht mehr anwesend war. Zudem Ragnar keine Ahnung hatte, was die Bedingungen für so einen Auftrag an mich sind", er stockte und schluckte kurz hart. "Und ich denke meine Bedingung ist es auszusteigen. Ja, ich denke sogar eine andere Stadt täte mir nicht schlecht…", er ließ diese Aussage im Raum stehen und sah schließlich in Ermangelung bessere Aussichten auf seine Hände. "Im Grunde genommen bin ich auch nur ein Chemiker, es ist zumindest das, was ich mir mal für mein Leben vorgestellt hatte", murmelte er und sah schließlich doch nachdenklich zu Cole. "Ich bin, mehr oder weniger unfreiwillig durch eine ziemlich üble Ausbildung gelaufen, Cole. Das ist wie mit ... ah ich weiß nicht", er zögerte kurz doch entschied sich dann für ein Beispiel. "Das ist wie mit dem Radfahren. Was man einmal gelernt hat, vergisst man nicht und wenn man auf ein Rad gesetzt wird, dann fährt man es eben. So ähnlich läuft das bei mir ab. Du hast diesen Teil wieder hervor geholt und ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich davon halten soll."

Er runzelte die Stirn und lächelte dann ein wenig schief geraten. "Damit haben wir uns beide heute Dinge erzählt die den anderen nichts angehehen sollten. Ich denke das macht uns quitt."
 


 

Cole

"Nun ja, ganz unrecht habe ich damit ja auch nicht..", murmelte Cole halblaut und mit einem Lächeln, hinsichtlich der Bemerkung des rotznäsigen Zwölfjährigen. Doch dann hörte er dem anderen ruhig zu. Seine Augen glitten über das markante, eher grobe Gesicht des anderen, seine grauen Augen. Die Unruhe und Unsicherheit, die seine nervösen Augen ausstrahlten, passten im Moment nicht so recht in das Bild, das er von ihm gehabt hatte. Antonin war immer so geradlinig gewesen, eine Konstante, die wusste, was sie wollte. Und damit war er für ihn auch jemand gewesen, den er gerne bei sich hatte, den er gerne mitnahm. Doch jetzt sah er einen kleinen Punkt, der jenen sich unwohl fühlen ließ, der ihn nervös machte.

Nun, letztlich wäre das bei ihm bei gewissen Themen nicht anders. Er ließ dennoch seine Augen auf dem anderen ruhen, hörte bis zu Ende, was jener ihm zu sagen hatte, dann schwieg er.

Antonin war also so etwas wie ein ausgebildeter Killer, der unter welchen Umständen auch immer zu dem geworden ist, den er bei den Russen gesehen hatte, der ihn eben gerettet hatte und der auch Don um die Ecke gebracht hat. Cole erinnerte sich an die Karte des Falken. Ob das sein 'Zeichen' war?

Und nun hatte Ragnar jenen beauftragt, ihn zu schützen. Und wie es bei solchen Leuten üblich war, hatte er nun vor, die Stadt zu verlassen?

Er blickte zu seinem Tropf und irgendwie kam es ihm so vor, als sei dieser die Sanduhr, die für einen Zeitraum ablief, in dem sie beide sich so nahe waren, einander Dinge verraten zu können. Und lange würden sie keine Zeit mehr haben.

"Das ist Bullshit", sagte er schließlich, ließ dabei offen, was er unter 'das' meinte und mühte sich nun doch ab, sich aufzurichten, was mit einem Arm schwieriger war, als gedacht. Nun blickte er den anderen an. "Ich möchte nicht, dass du die Stadt verlässt."

Cole strich sich die Haare aus der Stirn, die sich fremd, schmutzig anfühlten, wohl weil noch Blut darin klebte, weil der Geruch von Waffen, daran haftete. "Ich weiß, dass ich dir da nichts zu sagen habe. Und wenn du meinst, dass wir quitt sind, dann sind wir es wohl. Aber dennoch möchte ich dir meine persönliche Meinung noch einmal aufs Auge drücken, bevor der Tropf durch ist und ich dich nicht mehr sehe." Seine Augen waren noch immer ruhig. Langsam aber sicher hatte er sich und seine Emotionen wieder ganz gut unter Kontrolle. Und diesmal fiel es ihm auch nicht schwer, eine gewisse Wärme auszudrücken.

"Deine Ausbildung wird ohne Zweifel hart gewesen sein, wenn du zu dem fähig bist, was ich bisher von dir gesehen habe. Ich kann mir auch vorstellen, dass du einige üble Dinge erlebt hast. Aber so wie du dich anhörst, könnte man meinen, dass du diese Seite von dir gar nicht akzeptiert hast, gar nicht akzeptieren willst. Also ist die Ausrede, dass deine Bedingungen eine Flucht aus der Stadt ist, Blödsinn. Du fliehst nur vor dem Selbst, das du in diesen Situationen siehst und verbindest etwas damit, vor dem du fliehen willst. Dass ich der Auslöser dafür bin, dass du wieder Bekanntschaft mit einer verschollen geglaubten Eigenschaft gemacht hast, tut mir nicht leid. Denn du wirst nie ein ruhiges Leben als Chemiker in deinem eigenen Labor leben können, wenn du dich nicht dem stellst, was dich sonst so ausmacht." Er runzelte die Stirn. "Du scheinst nicht eine Sekunde akzeptiert zu haben, dass du bist, wie du bist. Kein Wunder, dass dir als einziger Weg die Flucht bleibt." Es war schwierig auszudrücken, was er dachte. "Aber mich geht das nichts an, wie du mit dir selbst umgehst. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich dennoch zu gerne mit die Geschäfte machen möchte. Das Angebot steht also, letztlich musst du dich selbst entscheiden, welchen Weg du gehen willst." Er zuckte mit den Schultern und bereute es sogleich. Der Schmerz zog dich beißend durch die linke Schulter. Kurz verzog er das Gesicht, bevor er aufblickte, da sein Infusionsgerät zu piepsen angefangen hatte. Nun würden sie hier bald draußen sein. Und dann würden sie getrennte Wege gehen. Getrennt, weil Antonin in Coles Augen vor sich selbst fliehen musste.
 


 

Antonin

Es kostete ihn eine fast unmenschliche Willenskraft Cole aussprechen zu lassen. Und mit jedem weiteren Wort das jener so lapidar aussprach, zogen sich seine Muskeln fester zusammen. Bis es ihn schließlich fast schmerzte, doch er konnte sie nicht einfach so lösen. Antonin war damit beschäftigt seine Hände vom Zittern abzuhalten und die Zähne zusammen zu beißen. Immer und immer wieder musste er sich vorbeten, dass Cole keine Ahnung von den Dingen hatte, die er da so offensichtlich überzeugt aussprach. Dass es keinen Sinn hätte, jetzt einen Tobsuchtsanfall zu bekommen. Dass es ihm momentan mehr Schaden würde, als nutzen... und dennoch…

Ruckartig sah er auf seine Nadel hinab, zog die Augenbrauen unheilverkündend zusammen und zog sich das Ding dann mit einer einzigen Bewegung samt Pflastern aus der Hand. Warf sie achtlos neben sich aufs Bett und ließ sich dann von der Liege auf die Beine gleiten. Noch immer schaffte er es den eisigen Sturm in seinem Inneren zu ignorieren und vielleicht hätte er es tatsächlich bis zur Tür geschafft. Doch er beging einen Fehler, der ihm das verbauen sollte - er sah Cole an. Er musterte ihn nicht nur innerhalb dieser wenigen Sekunden, nein er sah ihn. Das blutverklebte Haar, die leichten Augenringe, die kurzen Schmerzen in den Augen als jener sich rührte und vor allem aber sah er die Gewissheit, dass jener dachte, recht zu haben. Dass er mit all dem recht hätte.
 

Und das brachte all das Eis in seinen Adern mit einem kleinen Feuerwerk zum Schmelzen. Und damit trat leider auch jenes Temperament zu Tage von dem Cole selbst schon einmal behauptet hatte, er würde diese Ausbrüche mögen. Na dann…

Er bewegte sich langsam auf den anderen Mann zu, ließ ihn nicht eine Sekunde aus den Augen. Nein... er sog dessen Blick an wie ein Magnet und er würde vor der kommenden Konfrontation nicht mehr zurückweichen. Er warf nicht einmal einen kurzen Blick auf die Tätowierung, die ihm bereits zum zweiten Mal auffiel und die er sich unter anderen Umständen gerne einmal näher angesehen hätte. Cole war selbst schuld. Er war, verflucht nochmal, selbst schuld.

"Du denkst ich renne vor meinen Erfahrungen davon, ja?", fing er an, selbst darüber erstaunt, wie klar und gelassen seine Stimme klang, obwohl in ihm ein Flächenbrand tobte. "Du glaubst also zu wissen, dass ich mich selbst nicht akzeptiere? Du sagst, das alles geht dich nichts an und trotzdem wagst du es mir mit deinem beschissenen Halbwissen solche Dinge an den Kopf zu werfen?", er schüttelte den Kopf inzwischen nahe genug am anderen dran, um auf ihn herabsehen zu können. Die Augen wütend verengt, machte er jedoch keine Anstalten mehr, näher zu kommen oder Gewalt anwenden zu wollen.

"Das ist ganz schlechter Stil Cole, weißt du das?", murmelte er ein wenig höhnisch. "Aber nachdem du dir ja so sicher bist und nachdem ich ja eh wieder flüchten werde, kann es ja nicht schaden dich ein wenig aufzuklären, nicht wahr?" Nun beugte er sich ein Stück herunter den Blickkontakt nicht abreißen lassend wurde seine Stimme leiser, durchdringender. Hier und jetzt war an ihm nichts gespielt. Er konnte gar nicht mehr genug Gehirn abzweigen, um jetzt tatsächlich noch zu schauspielern. Cole hatte ihm seine Maske höchst erfolgreich herunter gerissen. Jener Cole dessen Augen ihm gerade so gar nichts sagen, die ihn in einer anderen Situation wieder unsicher werden lassen würden. Jener Cole, für den er zwischendurch ehrliche Bewunderung aufgebracht hatte. Es war der gleiche, mit dem er vor Tagen so offen hatte lachen können. Ein Rätsel auf zwei Beinen. Eine Raubkatze... er blieb bei dieser Ansicht.
 

"Ich akzeptiere durchaus, dass ich, als ich aus Russland wiederkam, ein Guard war und irgendwie auch bin. Weißt du was das ist? Das ist die so unglaublich viel teurere Variante eines Bodyguards. Mein Ziel ist blind? Dann kann ich ohne Probleme seine Augen sein. Mein Ziel ist taub? Ich habe meine Ohren für ihn überall. Mein Ziel wird bedroht? Ich schalte sie alle ohne mit der Wimper zu zucken aus. Mein Ziel braucht Informationen, ohne die sein Leben vielleicht in Gefahr wäre?", und hier hob er seinen Arm und rollte den Pulloverärmel ein Stück weit nach oben. Genug damit Cole die dort endenden Narben sehen könnte. "Ich weiß was ich tun muss und wie weit ich an einem menschlichen Körper gehen kann, um jene Informationen zu bekommen. Ich weiß das aus erster Hand, Cole."

Er rollte den Ärmel wieder herab und schnaufte leise. "Dazu weiß und akzeptiere ich ebenfalls, dass nicht jeder dazu in der Lage ist, dieses Ziel zu sein. Mein bisher einziges Ziel und ich sind nicht als Freunde auseinander gegangen und dann kamst du", er lächelte kurz humorlos. "Hast du inzwischen eine Idee worauf ich hinauswill? Wogegen ich selbst nichts unternehmen kann? Ich gebe dir noch einen Hinweis." Diese folgenden Worte hauchte er mehr als das er sie aussprach. Alles um ihm von einem ausgemachten Schreikrampf abzuhalten und inzwischen konnte er auch das Zittern seiner Hände nicht mehr unterdrücken. Trotzdem blieb sein Blick zielgenau auf Cole gerichtet. "Ragnar hatte zu absolut keiner Zeit auch nur den Hauch einer Chance mich zu dieser Aktion anzuwerben. Und wäre es um jemanden anderen gegangen, hätte ich ihm ins Gesicht gelacht. Na? Klingelts?"
 

Abrupt richtete er sich auf und trat von Cole weg. "Du hast selbst gesagt, du willst nicht, dass jemand für dich in solche Situation springt. Du hast auch gesagt, ich soll in der Stadt bleiben und weiterhin mit dir Geschäfte machen. Ich befürchte du musst dich entscheiden, denn ich dachte vor deiner kleinen Rede, dass es dir so am liebsten wäre. Aber vielleicht sollte ich das wirklich dich entscheiden lassen, huh, Bossmann?"
 


 

Cole

Der Blick des anderen fesselte Coles Blick und ließ ihn nicht mehr los. Aus einem natürlichen Reflex, manche mögen es Selbstschutz nennen, verhärtete sich sein Gesichtsausdruck, als Antonin auf ihn zutrat, als die Worte auf ihn einprasselten. Kälte stieß er aus, drückten seine Augen aus, doch diese Kälte hielt nicht lange. Er konnte seinen Selbstschutz nicht lange aufrecht erhalten, und so mischten sich bald Schrecken, schließlich fast schon so etwas wie Verzweiflung in seinen Blick, der weiterhin auf den Mann vor ihm gerichtet war. Nur kurz sah er die Narben am Arm des anderen, bevor er wieder in ein feuriges Graublau blickte.

Coles Kiefer knirschte aufeinander, seine Muskeln spannten sich, seine Hände ballten sich zu Fäusten. Nicht, weil er Angst hatte, dass Antonin ihn angreifen konnte und er sich verteidigen musste, sondern weil sich in ihm alles verkrampfte.

Erst als Antonin zuende gesprochen hatte, als er sich von ihm wieder distanzierte, ließ er den Blick sinken. Aber nur einen kurzen Moment, den er brauchte, um sich kurz zu sammeln. Seine Gedanken überschlugen sich. Das, was gerade auf ihn eingeprasselt war, brannte sich in ihn, wie Säure, ätzte die Betonmauer um ihn herum weg, ließ seine Schutzmauer einstürzen.

Erst einmal in seinem Leben hatte er sich gefühlt, wie er sich jetzt fühlte: schuldig. Und genau wie damals stand er diesem Gefühl hilflos gegenüber.

Doch es hatte auch etwas Gutes. Die Ehrlichkeit des anderen, die Wahrheit, die dieser im präsentierte, sie waren letztlich wichtig, um zu begreifen, um zu verstehen, was vor sich ging, was vor sich gegangen war. Antonin verprügelte ihn verbal, doch nun konnte Cole endlich erkennen, welches Bild das Puzzle irgendwann einmal ergeben könnte. Die Schemen wurden deutlicher. Und da Cole in diesem Moment vollkommen ehrlich zu sich war, wusste er, dass ihn dieses Bild zum einen faszinierte, zum anderen erschreckte.

Faszination für einen Mann, der unglaublich stark war, Schrecken darüber, welchen Preis dieser dafür gezahlt haben muss, und darüber, dass er mit einem Mal eine Verantwortung hatte, der er sich nicht gewachsen fühlte. Denn ganz offensichtlich war es nun an ihm, über die Zukunft des anderen zu entscheiden.

Cole hob erneut den Blick und ein Funken von Trotz erklomm kurz in seinen Augen. Ein Trotz, den er nun brauchen würde, um mit der Situation fertig zu werden. Ein Trotz, der aber niemals gegenüber Antonin verwendet werden würde. Er fühlte sich schuldig, aber er wäre nicht er selbst, wenn er daran verzweifeln würde.

Und er trug Verantwortung. Nun zumindest das war etwas, was er mittlerweile gut beherrschte.

"Nenn mich nicht Bossmann", fauchte er und er hob sein Kinn. Kurz schwieg er. "Halbwissen trifft es wohl nicht ganz", fuhr er dann fort und seine Stimme war ruhig. "Ich hatte keine verdammte Ahnung." Er merkte, dass es ihm schwer fiel, seine Gedanken auszudrücken, flüssig zu sprechen, was ihm normalerweise nicht schwer fiel. Doch diesmal war alles ein wenig anders. "Ich entschuldige mich für die unverzeihlichen Worte, die ich dir eben an den Kopf geschmissen habe und du musst die Entschuldigung nicht annehmen. Ich möchte nur, dass du bedenkst, dass ich wirklich keine Ahnung haben konnte." Cole schluckte. "Und genauso wenig Ahnung hatte ich davon, welche Position ich in deinem Leben eingenommen habe." Er strich sich mit der Hand noch einmal die Haare aus der Stirn, merkte erst jetzt, dass er noch immer an dem beschissenen Tropf hing, woraufhin er die Nadel aus seiner Armbeuge zog. Schwerfällig stand er auf. "Aber auch wenn ich das unwissentlich getan habe, trage ich doch die Verantwortung dafür." Seine Stimme war trauriger, nachdenklicher geworden. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, das schwer zu deuten war, aber letztlich wohl von einer gewissen Überforderung herrührte.

"Ich kann diesbezüglich nur wiederholen, was ich bereits gesagt habe: Ich möchte nicht, dass du gehst." Er wartete einen Moment. Seine eigenen Worte hallten in ihm wieder, langsam begriff er, was er da soeben gesagt hatte, nur die Konsequenzen daraus blieben noch etwas im Dunkeln. "Ich möchte nicht, dass du gehst, weil ich dich aus mir noch unbekannten Gründen brauche. Nicht, weil ich mit dir Geschäfte machen will. Das ist etwas, das unabhängig davon ist." Er biss sich kurz auf die Lippe. Es war verdammt schwer auszusprechen, was man für sich selbst noch kaum verarbeitet und begriffen hatte. "Ich möchte, dass du bleibst, weil du der einzige bist, dem ich mein Leben anvertrauen würde. Und frag mich bitte nicht warum, denn das ist mir selbst ein Rätsel." Nun war ausgesprochen, was er eigentlich schon in seinem Elternhaus gewusst hatte, als er Antonin erkannt hatte. Und was ihm vielleicht auch schon bei dem Drogendeal mit den Russen aufgefallen war, und was ihn veranlasst hatte, Antonin mit in den Club zu nehmen.

Und dennoch wog es ausgesprochen so viel mehr, als in seinem Kopf verdrängt.
 


 

Antonin

Antonin merkte wie er blass wurde und wie sich kurzzeitig alles vor seinen Augen drehte und so trat er schnell wieder näher und ließ sich ungefragt auf die verwaiste Liege von Cole nieder. Sein Herz schien gerade den Lord of Dance nachschlagen zu wollen und auch sein Atem ging wieder ruckartig. Cole hatte gerade nicht tatsächlich das gesagt, von dem er dachte, dass jener es gesagt hatte, oder?

Fragend sah er zu eben jenem hoch und schluckte schwer. Darauf war er jetzt absolut nicht vorbereitet. Er war nicht einmal auf dessen Emotionen vorbereitet gewesen. Emotionen wie die kurze Verzweiflung und Traurigkeit, die er in den grünen Augen zu erkennen geglaubt hatte. Emotionen wie sie in dessen Stimme gelegen hatten. Hatte Cole ihm nicht vor ein paar Minuten noch gesagt, dass er niemanden wollte? Dass er niemandem sein Leben anvertrauen konnte, weil er niemandem vertraute? Und jetzt bekam Antonin nicht nur eine Entschuldigung für Dinge, die Cole wirklich nicht hatte wissen können, sondern auch die Bestätigung tatsächlich gebraucht und gewollt zu werden? Als Guard? Also gerade wusste er weder ein noch aus. Er schloss es kategorisch aus, dass der andere ihn gerade verarschte. Nicht mit den ganzen verschiedenen Emotionen. Nicht mit den Pausen am Schluss, als Cole sich offensichtlich irgendwie dazu überwinden musste, ihm das ganze mitzuteilen.
 

Hoch verwirrt strich er sich mit der einen Hand fahrig durch die Haare, den anderen nicht aus den Augen lassend, auch wenn er jetzt dessen Tätowierung genauer musterte. Eine Waffe - das war irgendwie passend. Und das war auch das Wort nach dem er sich gerade das Gehirn schier herausgewunden hatte: Es passte einfach alles. Cole war doch schon sein Ziel geworden, egal ob Antonin sich das eingestehen wollte oder nicht. Er hatte doch bereits sein Leben für den anderen riskiert und jetzt wusste jener eben auch noch, was es bedeutete. Mehr oder weniger.

"Ich bleibe", murmelte er schließlich und fand kaum genügend Kraft, um seine Stimme akzentfrei zu halten. Geschweige denn sie irgendwie laut werden zu lassen. "Natürlich bleibe ich... und ich nehme deine Entschuldigung an. Du konntest es wirklich nicht wissen, es war falsch von mir, dir das alles so an den Kopf zu werfen. Mit sowas rechnet ja niemand."

Und es rechnete auch niemand damit, dass Coles Worte eine ungewohnte Zufriedenheit in ihm auslösten, nachdem der erste Schock langsam abklang. War das so? Cole wollte ihn also bei sich wissen, weil er tatsächlich jemanden bräuchte, der darauf aufpasste, dass jener sein Leben nicht wieder so leichtfertig opfern wollte? Das wäre ein schöner Gedanke, denn im Grunde genommen hätte er sich dann Cole genauso rausgesucht, wie jener ihn. Etwas das ihn leicht zum lächeln brachte und ihm genug Kraft gab um wieder aufzustehen und zu seiner Jacke hinüber zu gehen.

"Ich halte es für das Beste wenn wir beide erst einmal in Ruhe über alles nachdenken", meinte er schließlich wieder mit fester gewordener Stimme. "Und irgendwie fällt es mir auch schwer, dich so fertig zu sehen, und würde das ganze Nachfolgende daher lieber verschieben, bis wir beide wieder mehr auf dem Damm sind", gab er zu bevor er kurz nachdachte und dann ein entschlossener Ausdruck sich in seinen Augen niederließ. Ein wenig umständlich schlüpfte er in seine Jacke und trat wieder auf Cole zu, bevor er seine rechte Hand hob und sich einen Kuss auf die Fingerkuppen von Zeige und Mittelfinger drückte und jene dann kurz auf Coles Stirn und Herz legte. Er murmelte dabei etwas auf Russisch und blickte jenem dann kurz in die Augen: "Ein paar wachsame Augen und ein zusätzliches Herz", übersetzte er bevor er sich rückwärts entfernte und sich ein schiefes Grinsen erlaubte. "Ich nehme an, du kommst nach Hause?", er wartete gerade noch auf das ruckartige Nicken bevor er mit einem: "Du weißt ja inzwischen, wo du mich findest, dein Auto steht am Parkplatz vom Lady-Dream", durch die Tür entfernte.

Zeit nach Hause zu gehen und nachzudenken.

Einfach in aller Ruhe nachdenken.
 


 

Cole

Antonin so verwirrt zu sehen, erschreckte Cole von neuem. Hatte jener gar nicht damit gerechnet, dass er wollte, dass jener blieb? War er immer so abweisend zu ihm gewesen, so kühl, dass er das nicht für wahr halten würde? Nun, wenn Cole ehrlich zu sich selbst war, dann musste er die Fragen mit 'ja' beantworten. Er war immer kühl und abweisend gewesen, so wie er es zu jedem war, aber andererseits war Antonin der erste, den er mit in eine andere Welt von sich genommen hatte. Und allein der Gang in den Club war für ihn schon ein enormer Vertrauensbeweis gewesen. Aber das konnte jener ja auch nicht wissen.

Doch die Verwirrung, die Antonin ausstrahlte war bei Cole nicht minder. Hatte er tatsächlich den anderen gerade gebeten, an seiner Seite zu bleiben? Was hatte ihn da nur geritten? Aber es fühlte sich nicht wirklich falsch an...

Als Antonin bestätigte, dass er bei ihm bleiben würde, blickte er auf und sah den anderen nickend an. Er konnte nicht wirklich etwas erwidern. Er konnte den anderen nur ansehen und nicken. Mehr schaffte er nicht. Ja, er war einfach zu fertig. Aber dass es dem anderen schwer fiel, ihn so zu sehen? Cole verdrängte den Gedanken. Er sollte sich auch etwas Ruhe gönnen. Ruhe war super, Ruhe war genau das, was er jetzt brauchte.

Und dann tat Antonin etwas, das ihn noch einmal vor ein Rätsel stellte. Er ließ diesen nahe an sich herantreten, ließ es zu, dass er ihn indirekt auf die Stirn und auf das Herz ‚küsste‘, ließ es zu, dass jener ihn dazu brachte, Herzklopfen zu bekommen, ließ es zu, dass seine Augen die des anderen tiefer erblickte. Er nickte nur, zu mehr war er nicht fähig.

Dann war Antonin verschwunden und Cole blieb zurück, blieb noch einige Zeit sitzen, bevor er Ragnar anrief und sich abholen ließ. Am Lady-Dream stieg er in seinen Wagen um und fuhr nach Hause. Das Autofahren war mit dem behinderten Arm schwer, aber möglich.

Zu Hause sagte er der Nachbarin Bescheid, dass er wegen eines kleinen Unfalls doch zu Hause blieb. Dort bunkerte er sich für die nächste Woche ein. Einzig mit Ragnar kommunizierte er, wies ihn immer wieder an. Ansonsten saß er einfach nur mit Corleone da und dachte nach.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tales_
2011-09-16T20:01:56+00:00 16.09.2011 22:01
Hey,
ich muss leider sagen, das die Story wirklich sehr gut ist!
Genau wie ich es von Anfang an gemerkt habe :D
Top geschrieben, keine Schreibfehler oder sonstiges…

Aber leider trifft die Story leider wie ich es zu Anfangs geahnt habe, leider nicht meinen Geschmack, ich wünschte ich hätte jemand 2tes dessen Meinung ich einholen könnte.
Aber dem ist leider nicht so…

Deswegen werde ich leider an dieser Stelle aufhören mit dem Lesen.
Es tut mir Leid, aber danke für deine Teilnahme, hat mich sehr gefreut.

Lg Shanti

Von:  -Amber-
2009-11-17T21:23:30+00:00 17.11.2009 22:23
Für so richtige 'Nähe' musst du dich noch gedulden ;)
Bis dahin muss noch einiges passieren..
Und was passiert wird sicher recht heftig...
Freu dich drauf ;)

Du kannst gerne Werbung machen Ich freu mich wenn einige die Geschichte lesen :)
Von:  Saru-Chan
2009-11-17T19:55:02+00:00 17.11.2009 20:55
O_O
ICH LIEBE EEEEESSS!
es ist einfach hammer <3
awwwww nun kommen sie sich näher <3 und wenn ich sehe dass das nächste kapitel adult ist... *rumsabber*
ich bin zwar nich yaoi süchtig aaaaaberrr ich freu mich voll <3
ich mach übrigens gerade werbung bei mir in der gegend für euch xD
ich hoffe das macht euch nichts aus xDD
Von:  -Amber-
2009-11-15T15:15:03+00:00 15.11.2009 16:15
Danke ^/////^

Freut mich dass sie dir gefällt!

Ich liebe sie auch ;)

Nächstes Kapitel muss nur noch freigeschaltet werden... Dann geht's weiter :)
Freut euch drauf *g* :3
Von:  Whitecrow87
2009-11-15T15:03:40+00:00 15.11.2009 16:03
Nur eins:

WOW!

Habe alle Kapitel an einem Tag gelesen und die Geschichte soeben als eine der besten gekürt, die ich seit langem gelesen habe!

Großes Lob!

Bin gespannt wie es weiter geht!




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