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Der geheime Liebesbrief

von

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Haruka

„Hotaru, erzähl‘ mir bitte eine Geschichte…“, bettelte das junge schwarzhaarige Mädchen Chiyo als sie zurück in ihr Zimmer kam.

„Eine bestimmte?“, fragte die junge Frau daraufhin und setzte sich auf das Bett.

„Ja, eine wahre und romantische!“, antwortete das Mädchen, welches ihrer Mutter Setsuna wie aus dem Gesicht geschnitten ist.

„Na gut und dann wird geschlafen. Wir wollen doch keinen Ärger mit Setsuna kriegen“, entgegnete Hotaru mit einem Zwinkern. „Es ist die Geschichte eines Briefes, eines geheimen Liebesbriefes.“

„Das hört sich gut an“, zufrieden lächelte die Zehnjährige und kuschelte sich in ihre Bettdecke. Setsuna war mal wieder mit dem Nähen eines Kleides beschäftigt und Hotaru und Chiyo hatten sich die Zeit mit Filme schauen vertrieben.

Kurz zögerte Hotaru, ob sie die Geschichte wirklich erzählen sollte. Sie hatte es der Person geschworen, es für sich zu behalten. Aber geschieht dies nicht mit allen Geheimnissen? Irgendwann kommen sie alle ans Tageslicht. Außerdem war es die einzige wahre und romantische Geschichte die sie kannte… und sie würde keine Namen nennen.

Langsam begann Hotaru zu erzählen. „In einer geheimen Schublade eines antiken Sekretärs liegt ein Brief. Als er entstand geschah dies aus Liebe zu einem anderen Menschen. Du musst ungefähr drei Jahre gewesen sein, als er geschrieben wurde. Die Frau die ihn geschrieben hat, weiß nicht, dass ihr geheimer Liebesbrief gefunden wurde. Er lautet:
 

„An meine Liebe, mein Herz, meine Seele,
 

warum ich hier sitze und dies schreibe weiß ich selbst nicht. Ich bin nicht kreativ und daher nicht gut mit Worten. Daher wirst du wohl auch nie einen Liebesbrief von mir erhalten. Vielleicht schreibe ich dies, weil irgendjemand nun endlich die Wahrheit kennen sollte - und sei es nur es mir selbst noch einmal deutlich zu machen, damit ich es nicht vergesse. Mich daran zu erinnern, wie es war, dich kennenzulernen. Zu lernen was es bedeutet, wenn ein Mensch so wichtig wird, dass man selbst sein Leben für ihn opfern würde. Wenn man erst dann merkt, wonach man auf der Suche war wenn man es findet. Ich bin nicht nur vor mir selbst weggelaufen, dass weiß ich heute. Nein, ich war auch auf der Suche. Ich war auf der Suche nach dem Platz, an dem ich mich ausruhen kann, ohne auf der Flucht sein zu müssen. Aber woher konnte ich ahnen, dass es auch bedeutete, dass ich lernen musste einem Menschen nah zu sein? Mir war nicht klar, dass ich irgendwann auf irgendjemand stehe. In meinem Kopf und Herz war kein Platz für die Liebe reserviert. Ich kam doch auch ganz gut alleine zu recht. Zuweilen bin ich sogar vor dir weggelaufen. Wie mag es sich wohl für dich angefühlt haben?
 

Ich mag die Vorstellung nicht, dass mich die meisten Menschen als Draufgängerin sehen. Nun ich gebe zu, mir gefällt die Rolle ab und an. Bis auf wenige Ausnahmen bin ich jedoch die Schüchterne in unserer Beziehung. Es gibt wahrscheinlich keinen Menschen der mich kennt und der daran zweifeln würde, dass die Initiative zum ersten Kuss von mir und nicht dir ausging. Wie sehr man sich irren kann! Was hattest du zu mir gesagt? „Wenn du jetzt nicht endlich die Klappe von dieser Mission hältst, wirst du es für immer bereuen“ und daraufhin küsstest du mich.
 

Anfangs nahm ich die Mission nicht ernst, aber am Ende war ich diejenige die alles darüber hinaus vergaß. Viel zu lange hielten wir uns zurück. Wir kamen uns lange Zeit nicht näher. Warum auch? Wir wussten dass wir unser ganzes Leben zusammen sein würden. Aber dann hielt ich die Klappe und mir wurde wieder einmal mehr bewusst, warum wir füreinander bestimmt sind.

Mein größte Angst ist seit je her, dass du irgendwann erkennst, dass ich dich nicht so liebe wie du mich. Dir nicht gerecht zu werden. Nicht gut genug für dich zu sein. Ich wäre gerne ein besserer Mensch für dich. Wenn ich mit anderen flirte, weißt du dann, was es in Wirklichkeit bedeutet? Ich hoffe es, denn solltest du mich irgendwann nicht mehr verstehen, wirst du aufhören mich zu lieben. Selbst der Weltuntergang wäre für mich ertragbar gewesen „solange du bei mir ist“. Die Worte haben und werden nicht an Wahrheit verlieren.
 

Ja, ich hoffe, du wirst mich immer verstehen und dich mit mir entwickeln. So, wie du es verstanden hat, warum ich mich maskulin kleidete. Alle haben ein riesiges Geheimnis darum gemacht und mehr hinein interpretiert, als es war. Sie haben mir eine Rolle zuteil werden lassen ohne mich zu kennen. Schrecklich, wenn man nicht verstanden wird. Du aber wusstest, dass ich dies tat um in den verschiedenen Sportarten Fuß zu fassen. Als Mann hatte man es dort einfach leichter. Welche Frau will schon gerne belächelt werden, wenn sie bei diesem und jenem Wettrennen teil nehmen möchte? Ja, so simpel war das. Ich habe für den Sport aus mir etwas gemacht, dass ich nicht bin. Nun gut, Kleider trage ich trotzdem nicht unbedingt gerne. Dafür habe ich dich, durch dich lebe ich diesen Teil von mir aus.
 

Manchmal habe ich das Verlangen, einfach abzuhauen. So sehr ich dich liebe, aber der Druck ist oft zu groß. Du scheinst Erwartungen an mich zu haben und Hoffnungen die schwer zu ertragen sind. Du äußerst sie nie, aber ich weiß, sie sind da. Doch in diesen Momenten, wenn mich der Reflex des Weglaufens erfasst, schaue ich dich an und weiß ein Leben ohne dich wäre nicht mehr lebenswert. Denn die Lücke, die unweigerlich entstehen würde, kann ich nicht aus eigener Kraft kitten. Natürlich, ich habe meinen Sport, aber ich weiß nun, dass dies nur ein Ersatz für mich war. Die Anerkennung für meine Erfolge tat gut – und tut es auch heute noch. Aber die Anerkennung, die man von dem Menschen bekommt, von dem man geliebt wird ist in so vielen Hinsichten soviel anders und oft eben auch besser.
 

Kurzum: Ich kenne keinen Menschen auf der Welt, der meine Liebe mehr oder überhaupt verdient hätte als du. Auch wenn ich es dir nicht oft sage, ich hoffe, dass du es fühlt, welchen Stellenwert du in meinem Leben hast. Ich bin nicht romantisch und ich bringe nette Worte kaum über die Lippen, aber vielleicht schaffe ich es irgendwann für dich das zu sein, was du verdienst hast. Und dann werde ich nicht mehr weglaufen wollen. Denn dann, dann bin ich endgültig angekommen. Bis dahin hoffe ich, wirst du mir verzeihen.
 

Ich liebe dich und ich hoffe, du weißt wie sehr…“
 

„Kennst du den Brief auswendig?“, unterbrach Chiyo die Erzählung.

Hotaru war ganz und gar in der Erinnerung vertieft gewesen und öffnete langsam die Augen. „Nein, ich habe ihn nur einmal vorgelesen bekommen. Es ist nicht der genaue Wortlaut, aber so in etwa lautet er.“

„Dann musst du aber ein gutes Gedächtnis haben.“

„Mich hat der Brief eben sehr beeindruckt, deswegen ist es, als wäre er in meinem Kopf gespeichert.“

„Woher kennst du den Brief?“, fragte Chiyo neugierig.

„Eines Tages wurde der Brief in der geheimen Schublade gefunden und die Person für die er bestimmt war, hat ihn gelesen, mir davon erzählt und vorgelesen. Die Person wollte meinen Rat hören, ob sie verraten sollte dass sie den Brief gefunden hat.“

„Und? Sag’ schon, was hast du geantwortet?“

„Ich sagte: ‚Du weißt doch hier drin schon genau was du machen wirst‘, und dabei zeigte ich auf das Herz“, bei diesem Satz zeigte Hotaru auf Chiyo.

„Das heißt?“, erwartungsvoll setzte sie sich auf. Einen lustigen Anblick bot Chiyo. Riesengroße erwartungsvolle Augen und die Luft anhaltend.

„Ich weiß es nicht“, log Hotaru.

„Jetzt schwindelst du mich aber an! Außerdem ist es jetzt eh egal, da kannst du mir auch die gesamte Geschichte erzählen“, dabei verschränkte Chiyo die Arme.

„Soweit ich weiß, wurde eine Antwort verfasst und der Brief wurde bisher noch nicht gefunden“, antwortete Hotaru und zuckte mit den Schultern.

„Das ist aber traurig“, stellte Chiyo fest, sichtlich enttäuscht über dieses Ende.

„Findest du? Ich finde die Vorstellung sehr romantisch und ich bin mir sicher, solange die beiden Briefe zusammen in der geheimen Schublade liegen wird es immer eine große Vertrautheit zwischen dem Paar geben. Wer weiß, was passiert wenn sie gefunden werden“.

„Und, kennst du Michirus Antwortbrief?“

„Woher wusstest du, dass es um Haruka und Michiru geht?“, fragte Hotaru mit aufrichtig erstauntem Gesichtsausdruck.

„Hotaru, ich wusste von Anfang an wer gemeint ist. Aber spätestens als die Worte ‚Mission‘ und ‚maskulin‘ fielen, war es mir klar.“

„Daran habe ich auch eigentlich nie gezweifelt“, sagte Hotaru und zwickte die Andere liebevoll in die Seite. „Und um deine Frage zu beantworten: nein, die Antwort wird immer ein neues Geheimnis bleiben. Eines nur für Haruka.“

„Das finde ich gut“, sagte Chiyo und gähnte dabei genüsslich. Mit dieser Version schien zu zufriedener. „Ich bin gespannt, ob sie es irgendwann rausfindet“.

Als Hotaru daraufhin rot anlief, scheinbar in dem Moment erst realisierend, was sie angestellt hatte, fügte Chiyo hinzu: „Keine Panik, ich verrate nichts“. Anschließend streckte sie der Älteren die Zunge raus.

„Jetzt wird aber geschlafen“, Hotaru fragte sich ob es ein Fehler gewesen war, dies alles erzählt zu haben. Aber dann erinnerte sie sich daran, wie sie selbst in fast dem gleichen Alter war und Chiyo nicht unähnlich und war sich sicher, dass das Geheimnis gut aufgehoben war.



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