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Mayaku, Gókan to Damaru [Teil I]

Die Vergangenheit ist unwiderruflich
von

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Aus Liebe gepeitscht [Teil 1]

Das Leben ist wie eine Schneekugel. Wenn man das Glas schüttelt, dann fällt eine wunderschöne Schneepracht auf die Wiese. Man sieht die Schönheit der Landschaft. Doch wenn man die Kugel fallen lässt, zerbricht sie. In tausend Teile. Einfach so. Und niemand kann was dagegen unternehmen. Meine Mutter stirbt. Meine Schneekugel zerbricht in diesem Moment in tausend Splitter…
 

Aus Liebe gepeitscht [Teil 1]
 

05. Juli 2008
 

“Kankuro!”
 

Die laute Stimme seiner blondhaarigen, siebzehnjährigen Schwester schallte durch die große Fünfraumwohnung.

Sein siebzehnjähriger Bruder duckte sich, als ein Pantoffel durch den Flur flog.

Neben sich vernahm er das helle Lachen seiner Mutter.
 

Er selber kniete ein wenig abseits auf dem Sofa und sah dem Schauspiel von der Lehne aus zu. Die Beine überkreuzt und leicht hin und her wackelnd. Ein starrer Ausdruck war in seinen vierzehnjährigen, türkisen Augen gezeichnet. Auf den rosigen Lippen aber war ein amüsiertes Lächeln zu erkennen.
 

Sein Vater saß am Tisch und las wieder einmal die Tageszeitung. Ob dieser wieder diese ernste Miene auf den Lippen hatte oder nicht, erkannte Gaara nicht. Schließlich lag sein Augenmerk voll und ganz auf der Szene vor sich. Welche sich fast jeden Morgen ereignete.
 

“Du Idiot! Rück sofort meinen violetten Kajalstift heraus!”
 

“Vergiss es!”
 

Es herrschte Alltag im Hause Sabakuno. Er verstand sowieso nicht, warum beide sich jeden Morgen um diesen Stift stritten. Temari benutzte ihn nicht einmal und Kankuro schmierte sich damit nur irgendwelche Muster ins Gesicht. Er selber war mit seinem schwarzen Kajal vollkommen zufrieden. Und froh, dass er sich mit niemanden darum streiten musste.
 

Träge strich er sich einige rote, verwirrte Haarsträhnen aus der Stirn. Fuhr dabei über sein rotes Tattoo, was er sich dieses Jahr zum Geburtstag machen lassen durfte. Auch wenn erst sein Vater ein wenig dagegen war, so konnte doch seine Mutter diesen überreden. Unter anderem war es ja auch nur ein kleines Tattoo.

Kankuro und Temari besaßen auch welche. Sein Bruder eine schwarze, blutüberströmte Rose, die von einem Trible umschlungen war, am rechten Arm und Temari Engelsflügel auf dem Rücken. Dagegen war sein kleines Schriftzeichen auf der Stirn mit der Bedeutung “Liebe” ein Witz.

Aber ihm gefiel es. Es war einfach und schlicht und wenn man ihm nicht gerade direkt ins Gesicht sah, dann bemerkte man es kaum. Meistens lag es auch daran, dass sein rotes Haar es ein wenig versteckte. Gaara selbst war sowieso niemand, der mit seinem Tattoo herumprotzte, wie manch anderer aus der Familie.
 

Auch wenn ab und an kleine Streitereien zwischen den Geschwistern waren, so hatten sie doch alles, was sie brauchten und wollten. Ihr Leben war wie das in einer Schneekugel. Schön und ansehnlich. Lebenswert.
 

Seine Finger glitten zum Regal. Nahmen von dort die gerade eben entdeckte Schneekugel, die ihm ein Klassenkamerad vor Weihnachten geschenkt hatte. Kalt fühlte sich das Glas an seinen Fingern an. Soeben wollte er die Schneekugel leicht schütteln, sich an der Schneepracht in dieser erfreuen, als der wütende Schrei seiner Schwester seine Aufmerksamkeit auf das Geschehen am Boden lenkte.
 

Er wollte gerade auflachen, da seine beiden Geschwister wie zwei ineinander verkeilte Würmer auf dem Boden rangelten, als plötzlich etwas klirrend zu Boden fiel. Unheimlich laut hallte es in seinen Ohren wider. Deutete daraufhin, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
 

Erschrocken zuckte er zusammen und wand sich zu seiner Mutter um. Seine Augen weiteten sich, als er das Bild vor sich sah. Seine freudigen Gesichtszüge entgleisten ihm. Die zittrige Hand gegen die Brust gedrückt und nach Luft ringend, saß seine Mutter vor ihm. Auch sein Vater reagierte sofort, riss beim Aufstehen den Stuhl mit sich und stürzte zu ihr.
 

Für einen Moment herrschte Schweigen im Raum, nur das angestrengte Atmen war zu hören. Ein ersticktes Keuchen. Er wusste, was los war. Schließlich hatten sie die letzten Wochen ununterbrochen darüber geredet. Aber dennoch...
 

Es war für ihn immer noch so unglaubwürdig. Aber es war die gnadenlose Realität. Seine Mutter vor ihm war am Ersticken. Schuld daran war eine Krankheit, die heute immer noch nicht bei allen geheilt werden konnte. Krebs...

Gaara wusste nicht, was er machen, denken, geschweige denn fühlen sollte.

Seine Augen brannten. Tränen kämpften sich in ihm hoch, während Hilflosigkeit seine Schultern umklammerte. Sie fest zusammen drückte, nur um damit zu verhindern, dass er sich bewegen konnte.

Ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Sein Mund fühlte sich trocken an.

Die Stimmen um sich herum nahm er nur wie hinter einem Schleier wahr, während die Sicht vor seinen Augen verschwamm.
 

Er reagierte auch nicht, als seine Schwester ihn anschrie. Schrie sie überhaupt? Er hörte zwar ihre Worte, aber für ihn ergaben diese keinen Sinn. Überschlugen diese sich doch fast. Ihre Stimme war wie in weite Ferne gerückt. Nur schwer wahrnehmbar.
 

Das rege, aufgeregte Treiben um ihn herum ging weiter. Nur er saß weiter da. Unfähig etwas zu machen. Geschockt, vielleicht auch ein wenig überrascht. Er wusste es nicht. Er bemerkte nur, wie träge und müde sich sein Körper anfühlte. Wie seine Finger zitterten. Seine Schultern bebten. Sein Kopf wie leergefegt war. Nur ein Gedanke regierte in diesem: Seine Mutter würde sterben...
 

Schwer lag das kalte Glas in den Händen des Vierzehnjährigen. Glitt aus diesen.

Die schöne Schneekugel fiel. Tief. Schnell.

Nur um am Ende in tausend Teile zu zerspringen. Um sich quer über den Boden zu verteilen.

Wasser schwappte über den abgenutzten Parkettboden. Wurde vom Teppich aufgesaugt. Hinterließ auf diesen dunkle Flecken. Die Kugel war zerbrochen.
 

Nur um am Schluss in einem Haufen Scherben zu enden...
 

~*~*~
 

07. September 2008
 

“Hey, Gaara!”
 

Eben Gerufener wandte sich um. Erblickte hinter sich seinen Klassenkamerad und nickte diesem nur leicht zur Begrüßung zu.
 

Es herrschte große Pause. Die Schüler versammelten sich gruppenweise auf dem Schulhof. Massen drängten sich an ihm vorbei. Schoben ihn zur Seite. Schubsten ihn leicht, nur um nach Draußen an die frische, noch recht warme, sommerliche Luft zu kommen. Er selbst stand noch im Schulgang. Genoss die kühle Luft im Gebäude. Er mochte die Hitze nicht sonderlich, weswegen er genug Zeit schindete, um die angenehme Kühle im Schulgebäude zu genießen.
 

Sein Klassenkamerad klopfte ihm leicht auf die Schulter und grinste ihn breit an. Er erwiderte das Grinsen nicht. Hatte er noch nie gemacht. Auf seinen Zügen war selten ein Lächeln oder Schmunzeln zu sehen gewesen. Manchmal sah er aus, als wäre er eine Puppe. Ohne Regung. Ohne Gefühl.

Und dies würde sich vielleicht auch nie ändern.

Sachte wurde seine Schulter gedrückt. Irritiert musterte er den Jungen neben sich.
 

“Vielleicht klingt das blöd oder so... aber weißt du... hier geht diese Sache herum... weiß ja nicht ob du es schon gehört hast, oder so...”
 

Die Finger auf seiner Schulter zitterten leicht. Gaara war noch ein wenig verwirrter. Zeigte es aber nach außen hin nicht. Was sollte hier in der Schule seine Runde machen? Irgendein Gerücht? Anscheinend hatte es etwas mit ihm zu tun. Sonst wäre sein Nebenmann nicht so sehr nervös.
 

Er seufzte geschlagen auf, ehe er die bebende Hand von seiner Schulter schob. So viel Körperkontakt war ihm dann doch ein wenig zu viel. Vor allem, wenn dies so lange war.
 

“Ich weiß nicht, auf was du hinaus willst.”
 

Dunkel klang seine Stimme. Ein wenig kratzig, da er mitten im Stimmbruch war. Der Andere druckste herum, schabte mit dem Fuß über den Boden und starrte interessiert diesen an.
 

“Na ja... stimmt es, dass deine Mom tot ist?”
 

Hastig flossen diese Worte über die Lippen des Anderen. Ein wenig war Gaara nun überrascht. Woher wussten die anderen von diesem Vorfall? Leicht zuckte er mit den Schultern und löste sich von dem Anderen. War doch egal, daran konnte er seine Situation auch nicht mehr ändern. Selbst wenn er wusste, wieso seine Klassenkameraden davon wussten... Was würde es ihm bringen? Nichts...
 

“Passiert. So ist das Leben.”
 

Gleichgültig klang seine Stimme. Gleichgültig war seine Haltung. Träge seine Schritte. Dennoch...

Die Lippen fest aufeinander gepresst. Den Mund zu einem dünnen Strich verzogen.

Seine Lider sanken ein wenig. Die Augen stumpf vor Trauer. Ein Schatten bildete sich über diesen.

Es schmerzte fürchterlich, daran erinnert zu werden. Denn vergessen konnte er es nicht.

Schließlich war es seine Mutter, die gestorben war. Seine Mutter, die ihn vierzehn Jahre lang im Leben begleitet hatte. Um diese Sache zu verarbeiten, dafür hatte er noch nicht die Zeit gehabt. Zwei Monate reichten nicht, um vierzehn Jahre zu verarbeiten.
 

Dennoch hoffte er sehr, dass Zeit die Wunden heilte. Dass er irgendwann über ihren Tod hinweg kommen konnte. Ohne das fröhliche Lächeln seiner Mutter zu vergessen...
 

Leicht wandte er sich von seinen Klassenkameraden ab. Lief einige Schritte Richtung Ausgang. Den Anderen hinter sich lassend. Seine Schritte klangen dumpf auf dem grauen, mit Laminat ausgelegten Boden. Der Gang leerte sich. Nur noch wenige Schüler liefen langsam und schwatzend an ihm vorbei.
 

Träge wühlte Gaara in der Jackentasche seines schwarzen Blazers der Schuluniform nach seinem MP3-Player. Leicht lag dieser auf seiner Handfläche. Wurde noch einmal kurz betrachtet. Dieses dunkle Weinrot, was an einigen Stellen mit einem schwarzen Edding übermalt war.
 

Gaara fing an die Kopfhörer auseinander zu fitzen. Egal, wie sauber er diese über seinen Player wickelte. Am Ende waren sie wieder von Neuem durcheinander. Während er mit der einen Hand anfing den Player zu starten, steckte er sich schon mal die Hörer in die Ohren.
 

Das Gedrängel auf dem Gang hatte nachgelassen, weswegen er nun gemächlich seine Schritte in Richtung Schulhof führen konnte. Als das erste Lied anspielte, verließ er gerade die dunklen Gemäuer der Schule. Leicht kniff er seine Augen zusammen. Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht. Die blasse Hand ein wenig über seine Augen geschirmt, um diese vor dem grellen Licht zu schützen.

Die Strahlen wärmten seine blassen Wangen. Sicherlich würde es nicht lange dauern, ehe sich ein leichter, rötlicher Schimmer vor Wärme auf diesen ausbreitete.
 

Langsam lief er los. Stieg die wenigen Treppen in Richtung Schulhof hinab. Der rote Sand knirschte unter seinen Schuhen, als er die ersten Schritte auf den Boden setzte. Sein Weg führte ihn in die Richtung einer Baumgruppe. Zum Schatten. Sein Weg wurde von Blicken verfolgt. Viele von seinen Klassenkameraden. Er fühlte sich ein wenig unwohl, so beobachtet zu werden. Eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Oberarmen. Seine Nackenhärchen stellten sich auf. Aber er störte sich nicht weiter daran. Sollten die anderen doch glotzen, bis ihnen die Augen herausfielen.
 

Seufzend ließ er sich auf einer Bank im Schatten nieder. Dieser kleine Fleck lag weit abgelegen vom Schulhof, sodass man von hier aus alles im Überblick hatte. Die lachenden Schüler, die mit anderen herumalberten. Die quiekenden Mädchengruppen, wenn ihr ‘Schwarm’ nah an ihnen vorbei ging. Und die, die einfach nur so herum hingen und sich irgendwelche Geschichten erzählten.
 

Er saß oft hier. Um allein zu sein. Gerne würde er sich seiner Trauer hingeben. Sich hier her setzen, die Knie an den Körper gezogen und seinen Gedanken freien Lauf lassen. Eine wehleidige Miene aufsetzen. Sich trösten lassen. Aber das konnte er nicht. Niemand sollte ihm zu nahe kommen. Sollte ihn berühren. Sich um ihn Sorgen. Er wollte allein bleiben. Mit seinem Schmerz. Mit seiner Trauer. Auch wenn er sich oft wen wünschte, der ihn verstand. Der sich um ihn kümmerte.
 

Doch Wunsch und Realität lagen so weit auseinander...
 

Die Finger seiner linken Hand spielten an dem Lautstärkeregler seines Players. Meterweit neben ihm vernahm man noch den Rhythmus und die Melodie seiner gehörten Musik. Aber es war ihm egal. Solange er seine Ruhe hatte und ihn niemand störte.

Seine rechte Hand klopfte leicht auf der Banklehne den Beat seines Lieblingslied ‘Distress and Coma’ seiner Lieblingsband ‘the GazettE’ mit. In Gedanken sang er den Text, während er leicht mit dem Kopf mit wippte.
 

Until your distress sleeps

Fill me up with your dreams

Until your distress sleeps
 

Hello dear my bride nani o miteiru no?

yuka ni chitta chou mo hiroeru sono me de

wasuretai no ha shiro suki ta kutsuu

shinjiteru to ii kikasu

kizu wa kienai
 

[Bis deine Qual schläft...

Füll mich mit deinen Träumen.

Bis deine Qual schläft...
 

Hallo, meine liebe Braut, auf was schaust du?

Du kannst den Schmetterling nicht aufheben,

der grausam auf die Erde stürzt.

Die reine, weiße Qual ist das, was du vergessen willst.

“Glaube“, sagst du zu dir selbst.

Die Wunden heilen nicht.]
 

Sein rotes Ponyhaar wippte leicht auf und ab, als er plötzlich inne hielt. Eine kalte Hand strich über seinen ebenen Nacken und fuhr die kleinen Nackenwirbel leicht nach. Er spürte einen fremden Atem an seinem Hals. Ein unangenehmer Schauer lief ihm über den Rücken. Ließ eine Gänsehaut auf seinen Armen entstehen. Erschrocken zuckte er zusammen, als die Musik aus seinen Ohren verschwand. Sofort riss er seine Augen weit auf und wandte sich nach hinten um.
 

Aber was er sah, ließ ihn nicht gerade sehr freudig stimmen. Hinter ihm stand ein Junge. Zerschlissene Jeans, ein schwarzes T-Shirt unter dem dieser ein Netzshirt trug. An so etwas wie Schulordnung hielt sich dieser Junge anscheinend nicht. Schließlich war hier an dieser Schule Schuluniformpflicht.

Die Arme in Bandagen gehüllt und mit schwarzen Armbändern geschmückt. Gaara war sich nicht sicher, ob das solche sogenannten Nietenarmbänder waren. Aber eigentlich war es auch egal. Um den Hals trug sein Gegenüber ebenfalls solch ein Band.

Sein Blick wanderte weiter nach oben. Die Augen waren mit schwarzen Kajal untermalt. Während der Andere dem Beat der Musik lauschte, wippte dieser im Rhythmus dabei den Kopf. Das schwarze Haar, welches zu einem Topfschnitt frisiert wurde, schaukelte sachte mit. Reflektierte die wenigen Sonnenstrahlen ein bisschen, welche durch die Baumkronen schimmerten.
 

Dieser Junge sah so entspannt aus. So friedlich. Es kam ihm fast so vor, als wäre diese ganze äußere Erscheinung nur Maskerade. Schein und Trug, um etwas tief im Inneren zu schützen.
 

Der Rothaarige wusste so recht nicht, was er sagen sollte. War in diesem Moment überrascht, aber auch ein wenig erbost, dass man ihn in seiner Ruhe so dreist störte. Der Andere öffnete seine Augen einen Spalt breit. Das tiefe, dunkle schwarz der Iriden sah ihn kurz intensiv an. Tiefes Schwarz traf auf hellen Türkis. Versanken einen kurzen Moment in den Augen des jeweiligen anderen. Plötzlich schwang sich der Junge elegant über die Banklehne, nur um im nächsten Moment neben ihm zu sitzen.
 

Erschrocken zuckte Gaara zusammen. Hatte mit solch einer Bewegung und Reaktion nicht gerechnet. Seinen Blick hatte er schnell auf seinen MP3-Player gerichtet. Das blaue Display strahlte ihm entgegen. Zeigte an, welches Lied soeben lief. Mit einer einzelnen Fingerbewegung hatte er den Player ausgeschaltet.
 

Kurz herrschte Stille zwischen beiden. Der Schwarzhaarige zog träge die Kopfhörer aus den Ohren, ließ diese nach unten baumeln. Die schwarzen Iriden blickten ein wenig naiv drein, ehe sich in dem nächsten Moment ein finsterer Ausdruck in die Augen legte. Gaara selber sah auch nicht gerade milder gestimmt aus. Ein kurzes Blickduell war zwischen beiden, ehe sein Gegenüber plötzlich mit Lachen anfing. Einfach so aus heiteren Himmel. Er verstand nicht warum. Verwirrung spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
 

Plötzlich schlug man ihm mit voller Wucht gegen die Schulter, sodass er schon die Befürchtung hatte, dass er jeden Moment von der Bank rutschte.
 

“Ey Alter, ‘the GazettE’ is echt ne geile Band. Du gefälls’ mir. Übrigens, cooles Tattoo.”
 

Mit diesen Worten stand der Andere wieder auf. Das Holz der Bank knarrte leise. Schnell waren die bandagierten Hände tief in die Taschen der zerschlissenen Jeans gesteckt. Die Schritte schlugen den Weg in Richtung Schulgebäude ein.

Gaara blieb sitzen. Fühlte sich in diesem Moment ein wenig verarscht. Seine rechte Schulter brannte ein bisschen, durch den ‘freundschaftlichen’ Schlag auf diese. Es war aber irgendwie ein angenehmes Brennen.

Ein Seufzen glitt über seine Lippen. Die Wangen waren durch die Wärme leicht gerötet. Fühlten sich ein wenig hitzig an. Leicht senkte er den Kopf, damit niemand erkannte, dass er wirklich etwas rötlich im Gesicht aussah. Auf seiner blassen Haut sah dies nicht sonderlich gut aus.
 

Seine Finger strichen über die Stirn. Schoben einige Haarsträhnen zur Seite. Zogen leicht die Linien seines Tattoos nach. Ein minimales, stolzes Lächeln lag auf den Lippen des Vierzehnjährigen. Jemand fand sein Tattoo cool. Die meisten in seinem Umfeld meinten, dass es albern aussah. Oder dass es ein sinnloses Tattoo war. Ohne wirklichen Hintergrund. Viele hatten ihn auch gefragt, ob er sich mit diesem kleinen Schriftzeichen auf der Stirn nicht ein wenig kindisch vorkam. Er hatte sie alle ignoriert. Hatte sich nicht weiter um dessen Meinungen bemüht. Jeder hatte seine andere Sichtweise zum Thema Tattoo.
 

Genauso wie zu seinem Musikgeschmack. Während viele westliche Musik hörten, oder Englische, liebte er seine Musik in seiner Heimatsprache. ‘the GazettE’ hatte es ihm angetan. Nicht nur wegen ihrer lauten Musik und ihren schnellen Rhythmen. Sondern eher wegen diesen tiefgehenderen Texten. Aber viele in seinem Alter verstanden es nicht. Irgendwie freute er sich, dass er wen gefunden hatte, der seinen Geschmack zur Musik teilte.
 

Entspannt schloss er seine Augen. Den MP3-Player auf seinem Schoss liegend. Eine leichte Brise wehte über den Schulhof. Bog das grüne Gras ein wenig zur Seite. Ein vertrocknetes Laubblatt löste sich von seinem Ast und glitt zu Boden. Der Wind streichelte sanft sein rotes Haar. Liebkoste seine Stirn und Wangen. Von der Ferne hörte er die Schulglocke läuten. Hörte das Kichern und Lachen der Mädchen und Jungen.
 

“Gaara, komm!”
 

Die Stimme seines Klassenkameraden wurde vom Wind zu ihm getragen. Nur träge stand er auf. Ließ noch einmal die sanfte Brise mit seinen Haaren spielen. Langsam öffnete er seine Augen und blickte zum Himmel. Ein Schatten legte sich auf sein Gesicht, als er eine Hand über die Augen schirmte, damit er nicht direkt in die Sonne schaute. Heute war wirklich ein schöner Tag. Richtig zum Entspannen. Zum Vergessen. Und plötzlich...
 

Eine dunkle, schwarze Wolke zog auf. Verdeckte damit die warme Sonne. Es sah nach Regen aus. Bald würde der Himmel weinen. Und was er noch nicht wusste war... Dass er selber heute noch unzählige, blutige Tränen vergießen würde...
 

~*~*~
 

Träge schloss er die Tür hinter sich zu. Die angenehme Kühle der Wohnung strich über seine Haut. Verdrängte die Röte auf seinen erhitzten Wangen. Langsam streifte er sich seine Schuhe von den Füßen. Schnell schlüpfte er aus seinem schwarzen Blazer und hing diesen an den Kleiderhaken. Die Schultasche hatte er eng an sich gedrückt, als er den langen Flur entlang ging. Dumpf klangen seine Schritte auf dem kühlen Parkettboden. Sie hallten von den kahlen Wänden wider, die einst einmal gefüllt waren mit Fotos von der Familie. Doch nun hing hier kein Einziges mehr.
 

Er blieb stehen. Betrachtete eine kahle Stelle genauer. An diesem Ort war die Wand weißer. Was daran lag, dass hier einst seit langer Zeit eines der Bilder hing. Zitternd streckte er seine Hand aus. Strich behutsam mit den Fingern über den leeren Fleck. Erinnerte sich unwillkürlich daran, welches Foto hier einmal hing. Ein Bild von der ganzen Familie. Und wenn er sich noch recht entsinnen konnte, wurde dieses vor fast fünf Jahren aufgenommen.
 

Ein Seufzen verließ seine Lippen, als er an diese Zeit zurückdachte. Da war noch alles so leicht und unbeschwert gewesen. Da war alles noch in Ordnung gewesen. Aber heute... Heute kam es ihm manchmal vor, als wäre sein ganzes Leben kaputt. Zerbrochen seit diesem Tag, als seine Mutter ging. Als wäre etwas zerbrochen. So wie damals die Schneekugel an diesem Tag. Wie ihre Schneekugelfamilie...
 

Aber Glas ließ sich nicht mehr zusammensetzen...
 

Er setzte sich wieder in Bewegung. Seine Füße trugen ihn in Richtung Wohnzimmer. Vorbei an dem Zimmer seiner Schwester. Kurz hielt er inne. Lauschte einen kurzen Moment. Er hörte ein Schluchzen. So herzzerreißend, dass es ihm das Herz zusammenschnürte. Weinte Temari etwa? Aber warum? Er legte seine Hand auf die Türklinke. Wollte diese eben runterdrücken, um das Zimmer betreten zu können, als ihn die Stimme seines Vaters davon abhielt.
 

“Gaara...”
 

Die Stimme klang tief und rau. Sofort löste er die Hand von der Klinke und schritt zum Wohnzimmer. Seine Schritte wurden langsamer, bis sie gänzlich verstummten. Im Rahmen der Tür blieb er stehen. Unbehagen breitete sich in ihm aus. Irgendwas stimmte nicht, dass merkte er sofort. Seine Kehle fühlte sich trocken an. Er schluckte hart. Während seine Hände zu Schwitzen und Zittern begangen.
 

Es war dunkel. Die Gardinen waren zugezogen und das Licht erloschen. Sein Vater saß in sich gesunken auf dem Sofa. Die Luft war warm und stickig. Fühlte sich unangenehm auf seiner Haut an. Im Schatten sah er die Vielzahl an Flaschen. Umgestoßene. Stehende. Leere. Volle. Der Geruch von Alkohol war im Raum präsent. Ließ in ihm den Ekel ansteigen.

Hektisch schlug er sich die Hand vor den Mund. Hatte schon die Befürchtung, dass er Würgen musste. Aber nichts dergleichen war.
 

Er ahnte schon seit Längerem, dass sein Vater mit Trinken begonnen hatte. Dass dieser damit versuchte seine Zweifel zu ertränken. Dass dieser damit versuchte über den Verlust ihrer Mutter hinweg zu kommen. Die Trauer damit wegschwemmen wollte. Natürlich waren ihm schon seit längeren die vielen leeren Bier- und Schnapsflaschen im Wohnzimmer aufgefallen.
 

Die letzten Wochen war er seinem Vater auch aus dem Weg gegangen. Vielleicht mehr unbewusst, als bewusst. Er war seinen Blicken ausgewichen. Die Blicke voller Hass und Zorn. Der liebevolle, aber dennoch strenge Ausdruck war gänzlich aus dem Gesicht seines Vaters verschwunden.
 

“Gaara...”
 

“Hai... To-san?”
 

Fest klang seine Stimme. Obwohl er sich ein wenig unwohl fühlte.

Ob sein Vater ihn wieder so wütend und zornig ansehen würde?
 

Klirrend fiel eine Flasche um. Erschrocken zuckte er zusammen. Überrascht wich er zurück. Sein Vater richtete sich abrupt auf. Wandte sich zu ihm um. Starrte ihn mit blutunterlaufenen Augen zornig an. Gaara wusste nicht, was dies für ein Gefühl war. Auf einmal verspürte er den Drang, dass er fliehen musste. Doch er blieb stehen.
 

Sein Gegenüber war sein Vater. Er brauchte keine Angst haben. Er war sich sicher, dass dieser seinem Kind nichts antun würde. Er vertraute ihm da. Sicher…
 

Doch Vertrauen konnte schnell missbraucht werden… Dies musste Gaara noch erfahren…
 

Der Träger seiner Schultasche schnitt sich tief in seine Schulter. Rutschte von dieser, um dumpf zu Boden zu fallen. Sie ging auf und ihr Inhalt verteilte sich über den Boden. Doch auch wenn das sein Vater war. Irgendwas in ihm schrie ihn an zu laufen. Wegzurennen. Aber seine Beine fühlten sich mit einem Mal so schwach an. So sehr, dass sie Mühe hatten, die schwere Last zu tragen.
 

Er verstand nicht. Was war mit seinem Vater los? Warum benahm er sich so unmöglich? So unberechenbar? Leicht zog er ein wenig trotzig die Augen zusammen. Diese Situation gefiel ihm nicht. Wenn seinem Gegenüber etwas nicht passte, dann sollte dieser es auch sagen. So wie früher. Dann sollte dieser es auch aussprechen. So wie immer! Seinen Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich. Wenn er etwas nicht leiden konnte, dann war es diese Unwissenheit.
 

„Was ist los, To-san? Was soll das werden?!”
 

Sein Vater kam näher. Mit erhobener Hand. Plötzlich, aus einem Impuls heraus, wich er einen Schritt zurück. Krallte sich an dem Türrahmen fest. Sein Gegenüber kam näher auf ihn zu. Er sah in dessen Augen. Sah in diesen den Wahn. Den Zorn auf irgendetwas. Auf irgendwen. Und es dauerte nicht mehr lange…
 

Ein schallendes Klatschen erfüllte die Stille im Raum. Sein Kopf wurde zur Seite geschlagen. Erschrocken keuchte Gaara auf. Biss sich vor Schreck auf die Zunge, welche leicht mit bluten begann. Er schmeckte den metallischen Geschmack im Mund. Zitternd legte er seine Hand auf die brennende Wange. Ein pochender Schmerz explodierte in dieser. Seine Unterlippe zitterte. Fest biss er die Zähne zusammen.
 

Unglaublich… Sein Vater hatte ihn noch nie geschlagen. Nicht einmal eine Ohrfeige oder dergleichen. Sein Kopf war in diesem Moment wie leergefegt. Es dauerte einige Sekunden, ehe er die Situation begriff. Seine Augen verzogen sich zu engen Schlitzen. Dem Unglauben folgte Wut. Warum schlug sein Vater ihn? Er hatte doch nichts Schlimmes gemacht, dass er dafür Schläge verdiente.
 

Sein Vater holte zum nächsten Schlag aus. Aus einem Reflex heraus fing er die auf ihn zukommende Hand ab. Fest krallte er seine Finger in das Handgelenk. Wut und Trotz schimmerte in seinen türkisen Iriden. Und zwischen diesen beiden Emotionen wallten Unglaube und Unverständnis in seinem Herzen.
 

„Was soll das To-san? Warum schlägst du mich einfach?! Was hab ich bitte schön getan?!“
 

„IHR SEID SCHULD!“
 

Sein Vater riss sich aus seinem Griff. Durch den plötzlichen Schwung und diesen ganzen Zorn stolperte Gaara über seine Füße. Er fiel. Stürzte zu Boden und blieb überrascht auf diesem sitzen. Den Blick zu seinen Füßen gerichtet. Sein Körper zitterte vor Überraschung und Schock.
 

Er sah auf die Beine seines Gegenübers. Hob nur zögerlich den Kopf, um in dessen Gesicht zu sehen. Starr schauten die Augen des Mannes auf ihn herab. Die Wut und der Zorn waren wie weggewischt. Doch dieser jetzige Gesichtsausdruck erinnerte ihn nicht mehr daran, dass dieser Mann vor ihm sein Vater war, den er so sehr liebte. Eher an ein Raubtier, dass seine Beute reißen wollte.
 

Der Andere kniete sich vor ihn. Streckte die Hände nach ihm aus. Hastig schlug er nach diesen. Gaara versuchte nach hinten auszuweichen. Seine Hände streiften die kahle Wand. Er presste sich gegen diese. Wollte in ihr verschwinden. Lehnte sich zur Seite, um unter den Armen seines Gegenübers durchschlüpfen zu können.
 

Doch ein Schlag in seinen Magen ließ ihn wieder erstarren. Sein Magen verkrampfte sich. Gaara würgte, doch nichts kam. Keuchend sank er in sich zusammen. Kniff seine Augen vor Schmerzen zusammen. Und plötzlich schlangen sich die großen, breiten Finger seines Vaters um seinen Hals.
 

“Ihr seid schuld...”
 

Ihm wurden diese Worte gegen die Lippen geflüstert. Eine Alkoholfahne kam ihm entgegen. Ließ seinen Magen sich verkrampfen und ihm schlecht werden. Ihm war so schlecht. Er wollte würgen, konnte aber nicht. Gaara kniff die Augen zusammen, als sich der Druck verstärkte. Tränen sammelten sich in seinen Augen. Brannten hinter den geschlossenen Lidern.

Er wollte schreien, aber bekam kaum Luft. Panik stieg in ihm auf. Sofort krallte er sich an die Handgelenke des Mannes. Grub seine Fingernägel in dessen Haut. Der Druck wurde stärker. Die Panik stieg weiter an. Er riss seinen Mund auf. Versuchte nach Luft zu schnappen. Er zappelte mit den Beinen. Versuchte seinen Gegenüber zu treten. Versuchte sich zu befreien. Er musste es, sonst würde er keine Luft mehr bekommen.
 

Er würde ersticken. Genauso wie seine Mutter...
 

Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, als er es endlich schaffte seinem Vater einen Tritt ins Gesicht verpassen zu können. Der Griff lockerte sich sofort. Sein Gegenüber taumelte nach hinten. Erschrocken griff Gaara sich gegen den Hals. Hustete auf. Schnappte nach Luft. Hektisch nahm er diese zu sich. Es brannte in seinem Hals. In seinen Lungen.

Heiße, salzige Tränen liefen über seine, roten, vor Anstrengung erhitzten Wangen. Sein Körper zitterte unkontrolliert. Er rutschte zur Seite. Wollte sich auf seinen linken Arm abstützen, aber dieser knickte wieder ein. Seine Arme waren zu schwach, um seinen erschöpften Körper aufrecht erhalten zu können. Er sackte zur Seite.
 

“Ihr seid Schuld, dass ich alles verloren habe! Meine Frau! Meine Arbeit! Es ist eure Schuld!”
 

Stoff raschelte auf. Metall klimperte. Leder peitschte zu Boden. Direkt neben seinen Händen. Er fühlte den Luftzug an seinen Fingern vorbeiziehen. Erschrocken riss er den Kopf hoch. Die Augen weit aufgerissen. Glasig und gerötet durch die Tränen. Weitere liefen noch seine Wangen entlang. Die eine Hand immer noch zitternd gegen seinen Hals gedrückt. Sein Herz schlug heftig gegen seine Rippen. Schmerzte so sehr, dass er sich danach sehnte, dass es aufhörte so schnell zu schlagen. Aber nichts dergleichen passierte. Seine Schultern bebten.

Warum? Was hatte er gemacht, dass man ihn so bestrafte? Wieso machte sein Vater dies mit ihm? Was hatte er getan? Er verstand es nicht...
 

“Warum, To-san?”
 

Keuchend, leise und erstickt kamen die Worte, als der erste Hieb ihn traf. Wegen der Wucht des Schlages biss er sich auf seine Unterlippe. Ein kleines Rinnsal Blut lief über seinen Mundwinkel, das blasse Kinn hinab, nur um von diesem abzuperlen. Der Stoff seines weißen Hemdes sog die rote Flüssigkeit sofort in sich auf. Tränkte sich mit dieser und hinterließ einen hässlichen Fleck auf dem reinen Weiß.
 

Er wimmerte leise. Der nächste Hieb traf ihn. Hinterließ ein entsetzliches Brennen auf seinen Armen, welche er schützend vor sein Gesicht gehoben hatte. Die Haut riss ein. Schmerzte fürchterlich. Ein Schrei entkam seinen Lippen. Die Gürtelschnalle bohrte sich in seinen Arm. Hinterließ dort einen grässlichen Abdruck.
 

Erneut wimmerte er. Schluchzte. Schrie wieder. Rote Abdrücke entstanden auf seinen blassen Armen. Hinterließen hässliche Muster auf seiner weißen Schneehaut. Hinterließen grässliche Striemen auf seinem Körper. Und in seinem Kopf immer wieder dieses kleine Wort: Warum?
 

Weitere Tränen liebkosten seine Wangen. Streichelten über die erhitzte Haut.

Er schrie. Wimmerte. Weinte. Schluchzte. Wusste einfach nicht, was er machen sollte.

Warum machte sein Vater das mit ihm? Wieso verletzte er ihn so sehr? Was hatte er ihm getan?

Er war sich einfach keiner Schuld bewusst.
 

Die Schläge verebbten. Er hörte das laute, angestrengte Keuchen seines Vaters. Oder war es sein Eigenes? Er konnte es nicht unterscheiden. Die Augen erschöpft geschlossen. Plötzlich legte sich eine grobe, starke Hand auf seinen Mund und zwang ihn dazu, die Augen zu öffnen. Eine zweite Hand packte seinen Oberarm, riss unsanft an diesem, damit er aufstand.
 

Seine Knie zitterten. Konnten diese doch den müden, schmerzenden Körper kaum aufrecht erhalten. Seine Augen und seine Haut brannten furchtbar. An einigen Stellen lief ihm warmes Blut über den geschundenen Körper. Sein Körper bebte vor Schmerz und Schock. Der Druck an seinem Arm und seinem Mund wurde fester. Er schluckte hart. Versuchte den Kloß in seinem Hals herunterzuwürgen. Aber es half nichts. Ängstlich waren seinen Augen weit aufgerissen.
 

“Erzähl es niemanden! Du willst doch ein lieber Junge sein, mh? Wenn doch, dann wird Daddy euch alle ins Heim schicken...”
 

Alkoholgeruch wehte ihm entgegen. Hektisch schüttelte er den Kopf. Hatte noch nicht einmal wirklich realisiert und verarbeitet, was passiert war. Verstand die Worte seines Vaters noch nicht wirklich. Der Druck auf seinem Gesicht wurde stärker. So sehr, dass es schmerzte. Der Blick auf ihn eindringlicher.
 

„Du wirst niemandem etwas sagen, verstanden?!“
 

Eindringlich wurde auf ihn eingeredet. Was sollte er machen? Sollte er jetzt nicken? Nein! Er musste nicken, weswegen er dies zögerlich tat. Wenn er es verneinen würde, dann würde sein Gegenüber sicherlich wieder von vorne beginnen. Würde dieser sicherlich wieder mit dem Gürtel zuschlagen. Diesem Mann würde er alles zutrauen.
 

Er hatte Angst. Nicht vor seinem Vater, sondern vor dem Gürtel. So furchtbare Angst vor einer weiteren Prügelattacke. Er würde schweigen. Nichts sagen. Er wollte am Ende nicht schuld sein, wenn alle wegen ihm ins Heim kamen. Denn in diesem Moment konnte er seinen Vater nicht mehr einschätzen. In diesem Augenblick war dieser unberechenbarer denn je. Würde er seine Drohung wahr machen?
 

In seinen Augen fand er nicht mehr den Vater, den er früher hatte. In seinen Augen sah er nur ein Tier, dass tollwütig über ihn herfiel, um ihn zu zerreißen…
 

Der Griff um seinen Mund wurde gelöst. Mit einem Ruck warf man ihn zu Boden. Dumpf kam er auf diesem auf. Schlug sich dabei den Kopf an der Wand an. Ein Rinnsal Blut lief seine Schläfe entlang und bahnte sich einen Weg über seine erhitzte Wange. Verlief unter seinen Augen weiter und vermischte sich mit dem Salz auf seiner Haut. Es sah aus, als würde er blutige Tränen weinen.

Er verlor den Halt. Brach auf seine Knie. Die Augen geschlossen. Die Geräusche um ihn herum waren wie hinter einem dichten Schleier. Sein Kopf war wie leergefegt. Alle Fragen wie gelöscht. Sein Vater entfernte sich. Er hörte die Schritte nur dumpf in seinen Ohren. Sie widerhallten leise dort, ehe sie ganz verstummten.
 

Hastig wischte er sich mit den blutigen Handrücken über das Gesicht. Verschmierte den roten Saft damit mehr. Seine Unterlippe zitterte. Weitere Tränen liefen über seine Wangen. Wollten nicht aufhören zu fließen. Immer wieder versuchte er sie wegzuwischen. Doch nichts half.
 

„Arschloch…“
 

Ein Wispern kam über seine Lippen. Hart ballte er seine schmerzenden Hände zu Fäusten. Schlug mit diesen auf den Boden. Die eben noch regierende Angst machte Wut Platz. Wut auf seinen Vater. Dieses Arschloch, das ihn ohne Grund einfach niedergeschlagen hatte. Der ihm diese entsetzlichen Schmerzen zugefügt hatte. Dabei war es nicht einmal seine Schuld, dass ihre Mutter von ihnen gegangen war. Schließlich war sie durch eine Krankheit gestorben. Und nicht durch ihre eigenen Kinder…
 

Um das verrecken Willen würde er niemandem etwas sagen. Er wollte nicht schuld daran haben, wenn das letzte bisschen Familie was war, durch ihn zerbrach. Doch niemals würde er sich diese Launen seines Vaters gefallen lassen. Niemals würde er es soweit kommen lassen, dass dieser ihn brach. Ihn soweit brachte, dass er sich widerstandlos fügte.
 

Leise schluchzte er auf. Weinte weiter, während er wie besessen auf den Teppichboden einschlug. Sein Kopf pochte schmerzhaft. Die salzigen Tränen vermischten sich mit dem verschmierten Blut im Gesicht. Fuhren ihre roten Bahnen über dieses und perlten vom Kinn ab.
 

Als würde er blutige Tränen weinen…
 

Ein Kampf würde beginnen. Ein Kampf zwischen seinem Vater und ihm. Ein Kampf, aus dem nur der stärkere als Sieger hervorgehen würde. Ein Kampf, der weitere blutige Tränen kosten würde...

____________________________________________
 

© Songtext “Distress and Coma" by the GazettE



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Von:  saku-ne-chan
2011-03-12T19:28:20+00:00 12.03.2011 20:28
ich kann dir nicht sagen das ich es gut finde das du darauf aufmerksam machst
ich weiß nicht wieso, es ist doch gut das jemand dieses thema anspricht darauf aufmerksam macht
es ist einfach zu schrecklich und man soll seine augen nicht vor der wahrheit verschließen stimmts
denoch tun es so viele ich auch immerhin unternehme ich nichts dagegen und die ganze zeit daran denken tuhe ich auch nicht und deshalb tut es weh seine eigene unfähigkeit zuerkennen, zuerkennen das man nichts macht das man nicht besser ist als alle anderen das man auch die augen verschließt vorallem was passiert
ich freu mich das in dieser geschichte den menschen geholfen wird, nur leider ist das realität nicht so
klar ich kann hier viel quatschen ich sitze zu hause hab meinen laptop und eine familie die mich liebt ich weiß garnicht wie es dadraußen ist wenn man jeden tag ums überleben kämpfen muss oder wenn man zu hause nicht verstanden, geschlagen, misshandelt oder vergewaltigt wird
ich kann dazu nur eins sagen resepeckt vor den leuten die daran nicht zerbrechen und das ich hoffe das ihnen hilfe zuteil wird
ich mag deine ff nicht aber sie regt zum nachdenken an und das mag ich
glg saku-ne-chan
Von:  Rinoa8
2010-10-09T10:47:14+00:00 09.10.2010 12:47
He^^
Ich muss echt sagen, dass die FF echt gut ist.
Sehr tiefgründig^^
Ich mag es wenn nicht immer alles so heiter und friedefreude-Eierkuchen ist. Aber auch finde ich es super, dass du es nicht einfach
plump rüberbringst, sondern sehr detailiert beschreibst.
Super geschrieben und ich hoffe es geht dennoch bald weiter ;)


Von:  FreakyFrosch1000
2010-10-06T22:00:32+00:00 07.10.2010 00:00
OMG!!!!
der Anfang war total friedlich!!
aber dann!!
GAARA T.T
er tut mir sooo leid!!
zuerst der Tod der Mutter und jetzt auch noch ein Vater der trinkt und seine Kinder für Schuldig hält!!
UND seinen Sohn verprügelt! "heul"
bis zum nächsten Kapitel
Lg freakyfrosch
Von: abgemeldet
2010-09-18T19:02:06+00:00 18.09.2010 21:02
Hey!

Also, der Anfang war sehr gut, ich finde es klasse, dass du mit einer glücklichen Alltagssituation begonnen hast, denn so wird der Verlust und das Chaos am Ende noch viel deutlicher. Wenn man die erste mit der letzten Szene vergleicht, hat man wirklich den Kontrast "glückliche Familie" - "zerstörte Familie".

Ausserdem finde ich gerade das gut, dass man als Leser in der Schule so wenig von dem mitbekommt, was drum herum los ist- das zeigt, wie wenig Gaara selbst es eigentlich mitbekommt.
Auch für mich war die Begegnung mit Lee ein absolutes Highlight des Kapitels, total super geschrieben von vorne bis hinten. Ich habe den Eindruck, da warst du besonders inspiriert ^^ Was ich mir jetzt natürlich wünschen würde wäre, dass die beiden sich auch wirklich noch etwas besser kennenlernen, und es nicht bei dieser einen Begegnung- als Überleitung für Lee später bleibt. Es wäre schon klasse, wenn er da ne grössere Rolle hätte, aber natürlihc weiss ich auch nicht, wie das ins Konzept passen würde für dich.

In der letzten Szene gefällt mir besonders die Stimmung am Anfang des Kapitels sehr gut, so düster, Temari, die weint, daher ist auch die -bis dahin unbegründete- Angst für mich verständlich gewesen. Allerdings muss ich auch einen Kritikpunkt hier ansetzen: als ich gelesen habe, dass Gaara dann sofort in die Rolle des Opfers schlüpft, die Schuld bei sich sucht und ein braver Junge zu sein versucht- das hat irgendwie wirklich nicht zu ihm gepasst. Er verfällt hier in das gleiche Schema wie Hinata und auch Sakura, aber bei ihm passt es einfach nicht richtig. Er war so abgestorben, kalt, innerlich. Für mich hätte es besser gepasst, wenn er sich jetzt noch mehr zurückgezogen hätte, wenn er die Schläge einfach nicht spüren würde und es ihm "gleichgültig" wird, oder aber er seinen Vater dafür zu hassen beginnt.
Aber die brave Junge Sache, die war irgendwie, für mich zumindest, fehl am Platz.

Ansonsten gut geschrieben wie immer, und ich freue mich auf das nächste Kapitel!

Von: abgemeldet
2010-09-18T08:52:15+00:00 18.09.2010 10:52
*_____* wieder einmal fantastisch..ohh i weiß wie das ist erpresst zu werden ins heim zu kommen..das ist schrecklich .__.
Gaara tut mir leid *schnief*
Bin echt gespannt auf das nächste Kapp.
lq.
Hony
Von: abgemeldet
2010-09-17T00:15:44+00:00 17.09.2010 02:15
Super Kapitel wie immer *nick*
warte gespannt auf das nächste kapi ^^
Von: abgemeldet
2010-09-16T21:21:03+00:00 16.09.2010 23:21
Also, auch wenn "Spielzeugkaiser" anderer Meinung war, finde ich die Sache, dass Gaara sich relativ schnell fügt sehr realistisch, denn erstens ist Gaara in einer Schocksituation, zweitens in Trauer und drittens wird er sich schon vorab Gedanken über die Schuld gemacht haben.
Kinder und Jugendliche geben sich sehr häufig die Schuld an Unfällen, Scheidungen oder Todesfälllen, weil sie nicht verstehen können oder wollen, je nach alter, dass etwas einfach so passiert. Sie brauchen einen Schuldigen.
Davon ab kenne ich inzwischen leider (das leider nur, weil es solche Gewalttaten eigentlich nicht geben sollte) mehrere Jugendliche, die ähnliche Situationen erlebt haben.
Sollte jetzt keine Kritik an der Kritik sein, sondern mehr ein verdeutlichen meiner Meinung...
Nya, also mir gefällt das Kapi ;D
Von:  Spielzeugkaiser
2010-09-15T19:14:55+00:00 15.09.2010 21:14
Huhu =)

Ich muss ganz ehrlich sagen, das Gaara nicht mein Fall war. Irgendwie bin ich mir ziemlich sicher, das du das besser kannst.
Es hab ein paar Dinge die mich gestört haben, ich muss also ein wenig Kritik üben - aber dafür sind die Kommentare ja da, du weißt ja, ich meins nicht böse =)

Fangen wir mal mit dem Anfang an: Der ist gut, ich mag den Einstieg, der ein wenig vom Alltag zeigt, aber gleichzeitig auch die Problematik anschneidet.

Dann die Szene in der Schule, als er von seinem Klassenkameraden angesprochen wird - die Gefühle hast du gut rübergebracht, sein Leiden gut beschrieben, aber der Rest geht dabei völlig unter. Ich finde an der Stelle hätte ein bisschen Beschreibung des Ortes und der Leute nicht gefehlt, ich bin teilweiße gar nicht so recht mitgekommen.
Gaara war so in Gedanken versunken, das man als Leser teilweiße gar nicht mitbekommen hat wie er reagiert, oder was er gerade macht.
Zwar hast du das auch beschrieben... aber keine Ahnung. Sein Klassenkamerad war auf einmal weg, wo ich nur dachte: Huh? O.o

Das Treffen von ihm und Lee fand ich dagegen richtig genial, das war mein richtiges Highlight. Bin mal gespannt wie das mit den Beiden weitergeht, eigentlich müsste Lee ja mitkriegen was mit Gaara passiert wenn sie auf der gleichen Schule sind und sich näher kommen =?
Ich bin gespannt ;)

Und dann, die Szene mit seinem Vater. Da hatte ich am meisten zu nagen dran.
Ich zitiere dich an dieser Stelle mal, zum Thema trinken:
> Aber das es so viel war und in diesem Ausmaß, das war selbst für ihn neu. Damit hätte er nicht gerechnet.
So.
Da haben wirs. Dafür das er nicht damit rechnen kann was passiert, entwickelt er meiner Meinung nach VIEL zu schnell Angst. Klar, die ist irrational und er muss einfach ein komisches Gefühl haben nachdem Temari heult - Aber wenn er diese Ausmaße von seinem Vater nicht kennt, wird dieses kindliche Urvertrauen das er mit 14 noch besitzen müsste nicht derart schnell erschüttert. Versteht man ungefähr worauf ich hinauß will?
Panik ist ok, aber warum ist sie so stark wenn dass das erste Mal war?

Nächster Satz:
> Es tat so weh. Lieber würde er jetzt sterben. Ob der Tod sich so ähnlich anfühlte?
Das ist... arg.
Mir hat in Gaaras ganzer jugendlicher Art eine Emotion gefehlt, die ich in seinem Alter viel eher auf das erwartet hätte: Erst unglaube (was ja drin war =D) aber dann eher Wut, und nicht gleich diese resignierende Haltung.
Das trifft genauso auf die Sache zu, das er ein lieber Junge sein will. Das... passt irgendwie nicht. Wie soll ich das sagen?
Sein Vater hatte doch gar nicht genug Zeit um seinen Willen derart zu brechen, was ist da nur los mit ihm? Klar ist er sehr instabil nach dem Tod seiner Mutter, aber das er sich so einfach 'fügt', das verstehe ich einfach nicht.
(Es geht mir gar nicht darum das er nickt und so tut, da verstehe ich das es ihm um seine Geschwister geht: Ich rede mehr von seiner Gedanken- und Gefühlswelt)

Das ist wieder die ganze Agression- nach innen und außen gerichtet- Geschichte die ich meine. Warum hasst er seinen Vater nicht?
Sakura und Hinata haben die Schuld bei sich gesucht, weil sie in ihren Augen dafür verantwortlich waren und das lange ertragen mussten.
Bei Gaara aber wundert es mich, das sich seine ganze Wut und Trauer nicht gegen den Vater richtet, er weiß das er nichts dafür kann.

Meine Frage also: Wo bleibt sein Hass an dieser Stelle?


So, jetzt hab ich das Kapitel ziemlich zerrissen ^^"
Aber es ist echt nicht böse gemeint, ich habs auch sehr gerne gelesen, ich wollte das nur anmerken =)
Meine unterqualifizierte Meinung halt =D

Hab dich lieb :)


Von: abgemeldet
2010-09-15T11:42:27+00:00 15.09.2010 13:42
echt super kapi
freu mcih schon sehr aufs nächste
Von:  Knuddel-chin
2010-09-14T17:47:10+00:00 14.09.2010 19:47
Hey,
super geschrieben
grade fehlt mir ein bissi die Sprache... für manche ist das Alltag... einfach nur hart
das erste Treffen mit Lee, willst das jetz bei jedem so einbauen?
ich bin gespannt auf das nächste

liebste Grüße
Knuddel-chin


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