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Mayaku, Gókan to Damaru [Teil I]

Die Vergangenheit ist unwiderruflich
von

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Die Schönheit der Kirschblüte [Teil 1]

Ich bin ungewollt. Meine Mutter hasst mich dafür, dass ich ihr Leben kaputtmache. Mir ist alles egal. Mein Leben. Meine Existenz. Alles. Egal. Egal. Egal. Und trotzdem komm ich nicht von den Wunsch los, einfach nur geliebt zu werden…
 

Die Schönheit der Kirschblüte [Teil 1]
 

28. März 2008
 

Freitag. Der letzte Tag der Woche. Heute war ihr Geburtstag. Sie würde schon vierzehn werden. Ein Alter, auf das sich viele in ihrer Klasse freuten. Nur sie nicht. Was auch daran lag, dass sie nicht in richtiger Geburtstagsstimmung war. Dies war sie eigentlich nie. Schließlich feierte sie nie Geburtstag. Das war nur ein Tag, an dem sie geboren und das Leben ihrer Mutter zerstört und erschwert hatte. Sie bekam an diesem Tag am ganzen Leibe zu erfahren, wie unerwünscht sie war.
 

Sie stand im Bad und bürstete sich das rosafarbene Haar. Gedämpft durch die Zimmertür hörte sie die wütende Schreie ihre Mutter. Hörte wie Glas zersplitterte. Wie andere Dinge zu Boden geworfen wurden. Hörte, dass das Geld vorne und hinten wieder einmal nicht reichte.

Und hörte, dass sie wieder daran schuld war...

Sie selbst hatte sich im Bad eingeschlossen, um vorerst in Sicherheit zu sein. Wer weiß, wie lange... Sie wollte die Stimme ihrer Mutter ausblenden, aber schaffte es nicht.
 

Die türkisen Iriden starrten glanzlos in das Gesicht eines Mädchens.

Die Lippen fest aufeinander gepresst, obwohl man genau erkannte, dass sie am liebsten Schreien würde.

Die Augen und die blassen Wangen gerötet vom Weinen.

Ein glasiger Glanz schimmerte in den toten Iriden.

Ein kleines, blaues Veilchen prangte unter dem linken Auge.

Eine Träne bahnte sich seinen Weg über die Haut.

Zitternd senkte Sakura die Bürste und streckte ihre Hand aus. Strich über die kalte Wange des Mädchens, folgte der Spur der Träne. Würde sie gerne trösten, aber konnte nicht.
 

Das Einzige, was sie machte, war nur das kalte Glas des Spiegels zu berühren...
 

Ein unterdrücktes Schluchzen ließ ihren dürren Leib erzittern. Brachte ihre Schultern zum Beben. Aber kein Ton kam über die Lippen. Sie schwieg. Wollte nicht weinen und schwach sein. Schließlich brauchte sie all ihre Kraft für nachher. Hastig wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen und schluckte die restlichen unvergossenen Tränen herunter. Schnell bürstete sie sich noch ihr Haar zu Ende, band dieses zu einem Zopf zusammen und verließ das Zimmer wieder.

Ihr Weg zog sich hin. Einzelne Strähnen wippten bei jedem Schritt auf und ab. Ihr langer Zopf schwenkte leicht hin und her. Sie wollte genug Zeit schinden, damit sie nicht so schnell in der Küche bei ihrer Mutter war.

Aber die Zeit ließ sich nicht anhalten. Der Zeiger lief weiter, genauso wie sie... Zitternd kam sie in die Küche.
 

Angst... Angst kroch ihr den Rücken hinauf. Furcht auf das Kommende.

Sie wollte fliehen, aber ihre Beine bewegten sich nicht, so wie sie es wollte.

Sie wollte schreien, aber die Angst schnürte ihr die Kehle zu.

Ein Kloß in ihrem Hals raubte ihr die Luft zum Atmen.

Ihr wurde schwindlig. Ihre Hände begannen zu Schwitzen.

Ihr Herz schlug schnell und hart in ihrer Brust.

Wollte ebenfalls fliehen, war aber gefangen.
 

Wie sie...
 

Gefangen in der Idylle einer angeblich vollkommen normalen Familie...

Gefangen durch die Hoffnung, dass sie die Liebe ihrer Mutter irgendwann einmal bekommen würde...

Sie versuchte alles vor sich zu verschließen. Versuchte alles hinter einem Schleier wahrzunehmen.
 

So wie immer...
 

Langsam schritt sie auf den Küchentisch zu, schaffte es aber nicht einmal diesen zu erreichen. Sie wurde zu Boden gerissen. Ein brennender Schmerz breitete sich in ihrer Wange aus.

Es brannte. Es schmerzte. Es schmerzte so sehr, aber kein einziger Laut kam über ihre Lippen.

Fest biss sie sich auf die Unterlippe. Diese blutete, biss sie sich doch so fest darauf, dass die geschundenen Lippen einfach aufrissen. Sie unterdrückte die Tränen. Die Augen zu Boden gerichtet. Sie wollte nicht in das erzürnte Gesicht ihrer Mutter sehen.

Hatte Angst, dass dadurch ein Laut über ihre trockenen und rissigen Lippen kam. Dass sie etwas sagte, was ihre Mutter noch mehr in Rage brachte.
 

“Du bist schuld!”
 

Laut schallten die Worte in ihrem Kopf wieder. Wie ein Echo hallten sie wider.
 

Schuld…
 

Sie bekam es jeden Tag zu hören. Aber heute bekam sie all die angestaute Wut ihrer Mutter mit einmal zu spüren.
 

“Ich wollte dich gar nicht! Du hast mir alles kaputt gemacht! Wärst du nicht da, dann hätte er mich damals nicht verlassen!”
 

Ein Tritt traf sie. Der Fuß ihrer Mutter bohrte sich tief in ihren Magen. Brachte dazu, dass es ihr schlecht wurde.

Dass ihr für einen Moment die Luft wegblieb. Der Schmerz raste durch ihre Nervenbahnen. Ließ ihren Körper erzittern. Ein weiterer Tritt traf sie. Verpasste ihr einen weiteren Bluterguss am Bauch. Sie würgte, behielt aber mit Mühe alles bei sich. Wieder spürte sie die Wut mit einem weiteren Tritt auf sich herabprasseln. Wut, für die sie nichts konnte...
 

Es tat so weh! - Sie wollte doch nur geliebt werden…
 

“Du bist Schuld, dass das Geld nicht reicht! Ohne dich würde ich auch mit dem Geld klarkommen!”
 

Ein weiterer Tritt raste auf sie nieder. Weitere Wörter wurden ihr ins Gesicht geschrien. Die Frage “Warum, Ka-san?” stellte sie schon lange nicht mehr. Sie verstand ihre Mutter nicht. Sie verstand dieses Verhalten nicht. Sie verstand dieses Leben nicht. Welche Tat hatte sie begangen, dass sie so bestraft wurde?
 

Minuten vergingen, kamen ihr wie Stunden vor. Ihre Mutter atmete angestrengt aus und ein. Die Stimme schon heiser vor lauter Schreien.
 

Es war vorbei... Für heute.
 

Ein leichter Tritt traf sie in die Seite, ehe sie gedämpft die leisen Schritte ihrer Mutter wahrnahm, welche sich von ihr entfernten.
 

Still lag sie da. Minuten vergingen. Sie gab keinen Laut von sich. Versuchte erst einmal die ganze Situation zu begreifen. Aber sie würde es nie verstehen. Niemals...
 

Erst ein ersticktes Schluchzen, welches über ihre Lippen drang, durchbrach die Stille. Ein kleines Rinnsal Blut sickerte über ihre Schläfe. Ihr Körper wurde durch eine entsetzliche Schmerzenswelle durchgeschüttelt. Heiße, salzige Tränen liefen über ihre angeschwollenen Wangen. Das linke Auge bekam sie gar nicht mehr geöffnet. Es schmerzte fürchterlich durch die Schwellung. Sie biss sich weiter auf ihrer zerkauten Unterlippe herum. Ein erneutes Schluchzen durchbrach die Ruhe.
 

Niemand hörte es. Niemand nahm es wahr. Niemanden interessierte es. Sie war allein.

Allein mit dem Schmerz. Mit ihrem Leben und mit dieser Qual.
 

Zitternd umschlang sie mit ihren Armen ihren Körper, kauerte sich mit einem schmerzvollen Keuchen zusammen. Kugelte sich ganz klein, damit niemand sie sah. Sie würde gerne schreien, konnte aber nicht. Die Angst, dass man sie hörte war zu groß. Schmerz brannte durch ihren Körper. Weinen erstickte ihren Atem.
 

“Ka-san... Hast du mich nicht lieb?”
 

Ein müder Hauch verließ ihre Lippen. Ein trauriges Flüstern, welches nur in alle Winde verteilt wurde. Ihr Blick fiel auf den Kalender in der Küche. Ein erschöpftes Lächeln zierte ihre Züge, was durch die Schmerzen wie eine verzogene Grimasse aussah.
 

28. März...
 

An diesem Tag war sie geboren worden. Sie wurde deswegen bestraft. Sie wurde deswegen verprügelt.

Niemand hatte sie gefragt, ob sie leben wollte. Niemand interessierte es, wie sie leben wollte.

Vielleicht war es wirklich so... Vielleicht war sie wirklich daran Schuld. An allem...
 

“Happy Birthday...”
 

~*~*~
 

Sie stand wieder im Bad. Kühlte ihr Gesicht mit einem kalten Lappen. Schule konnte sie vergessen. So wie ihr Gesicht geschwollen war, konnte sie nicht gehen. Man würde ihr sicherlich nicht die Ausrede abnehmen, dass sie die Treppen gestürzt oder über den Läufer im Flur gestolpert war. Unter anderem war ihr Veilchen unter dem linken Auge so dunkel, dass selbst eine dicke Schicht Make-Up es kaum verdecken konnte.
 

Zitternd nahm sie den Lappen vom Gesicht. Ihre Wangen und Augen waren gerötet. Sie schloss ihre bebenden Lider. Schmerz durchflutete ihren Körper. Ließ diesen kurz verkrampfen. Sie biss sich auf ihre aufgerissene Unterlippe. Schmeckte den metallischen Geschmack von Blut auf dieser.

Unvergossene Tränen brannten in ihren Augen. Versuchten hervorzuquellen. Wollten ihr damit zeigen, wie schwach sie in diesem Moment war. Und teilweise wollten diese sie auch trösten. Ihr offenbaren, dass sie die einzigen Freunde waren, die sie wirklich hatte. Tränen waren immer da, wenn sie sich verlassen fühlte...

Aber sie wollte nicht weinen. Sie wollte nicht schwach sein. Doch ihre Kraft reichte einfach nicht mehr...

Wie oft sollte sie noch fallen? Wie oft sollte sie denn noch aufstehen können?
 

Ein Seufzen glitt ihr über die Lippen. Ein pochender Schmerz war noch in ihrem Gesicht zu spüren. Sie legte erneut den Lappen auf die Wange. Zitternd öffnete sie ihre Lider wieder. Starrte stumpf auf den Spiegel und ihr eigenes Spiegelbild an.
 

Blass wie die weiße Wand. Dürr wie ein Skelett. Kaputt vom kurzen Leben. Das war sie...
 

Träge durchwühlte Sakura die Schränke nach einigen Medikamenten. Irgendwo hier musste ihre Mutter doch die starken Schmerztabletten haben. Nach einigen Wühlen hatte sie endlich eine Schachtel mit Medikamenten gefunden, zumindestens stand in großen, bunten Schriftzeichen das Wort ‘Paracetamol’ darauf geschrieben. Leicht schüttelte sie die Schachtel. Der Inhalt klapperte leise, ehe eine der weißen Tabletten herausfiel. Die letzte in der Verpackung. Skeptisch beäugte sie das Medikament. Es sah ein wenig dunkler aus als sonst. Oder lag es am Badezimmerlicht?
 

Egal... Sie brauchte es jetzt so sehr.
 

Leicht zuckte sie mit den Schultern, zog aber leise die Luft durch die Lunge, als ihr ein ziehender Schmerz durch das Schulterblatt fuhr. Schnell warf sie sich die Tabletten ein, trank hastig ein bereitgestelltes Glas Leitungswasser hinterher.

Mühsam würgte sie alles herunter. Ihr Hals kratzte nach dem Schlucken der kleinen Dinger. Zuerst passierte nichts. Was bei vielen Schmerzmitteln so war, dass die Wirkung erst einige Minuten später einsetzte.

Keuchend stützte sie sich am Waschbecken ab, stellte laut scheppernd das Glas auf das weiße, rissige Porzellan ab. Sie leckte sich leicht über die Lippen. Die Medikamente hatten einen recht komischen Nachgeschmack auf ihrer Zunge.

Sakura blieb noch einen Moment im Bad stehen, versuchte den aufkommenden Schwindel zu bekämpfen. Ihr war auf einmal so schlecht. Hastig beugte sie sich über die Toilette, würgte, aber nichts kam heraus. Sie taumelte einen Moment, ehe sie keuchend auf die Knie sank.

Erschöpft seufzend lehnte sie sich gegen die kühle Badewanne und schloss ihre müden Augen. Schmerzvoll kauerte sie sich zusammen. Machte sich klein, damit man sie nicht sah. Sie wollte in diesem Moment nur kurz ausruhen. Kurz ausruhen, solange ihre Mutter nicht da war. Sie wollte nur kurz ihre Ruhe.
 

Ruhe... Frieden... Allein sein... Und Liebe…
 

~*~*~
 

Erschrocken riss sie ihre Augen auf, als das Klingeln der Tür sie weckte. Irritiert blickte sie sich um. Zog hastig ihre Beine an und versuchte sich aufzusetzen. Wo war sie? Angst stieg in ihrem Inneren auf. Panik krallte sich an ihren Nacken fest und ließ dort ihre Härchen aufrecht stehen.

Was war passiert? Ihre Hände begannen zu schwitzen und zittern. Sie wollte Schreien. Furcht umklammerte ihre Kehle, drückte zu und raubte ihr den Atem. Die Augen weit aufgerissen, starrte sie auf die vergilbte Tapete der Badezimmerwand. Für einen Moment drehte sich alles bei ihr. Was machte sie hier?
 

Es dauerte seine Zeit, bis die Erinnerung kam, wo sie hier nun saß und warum. Das Badezimmer...

Sie keuchte leise auf. Ein unbekanntes, aber recht angenehmes Kribbeln war in ihrem Körper zu spüren.

Leicht legte sie ihre zittrigen Hände an die Wangen. Sie waren warm. Fast kochendheiß.

Ihre Finger wanderten weiter zur Brust herab. Leicht drückte sie dagegen. Versuchte damit ihr schnell schlagendes Herz zur Ruhe zu bringen. Aber es half nichts. Es raste weiter. Wie ein Presslufthammer, der sich durch ihre Rippen bohren wollte.

Und dazu kam, dass sie ein wenig hektisch atmete.

Sie leckte sich über die Lippen. Erkannte, erst jetzt, dass ihr Mund ziemlich ausgetrocknet war.
 

Erneut klingelte es an der Tür. Träge zerrte sie sich am Badewannenrand nach oben. Schwankte einen kurzen Moment. Ihre Beine waren eingeschlafen. Sie kribbelten unangenehm und fühlten sich ein wenig taub an. Waren fast richtig steif.

Auch jetzt erst bemerkte sie, dass ihre Sicht ein wenig verschwommen war. Sie verstand nicht warum. Noch nie hatte sie nach der Einnahme von Schmerzmitteln solche Auswirkungen gehabt.
 

Wieder klingelte jemand ungeduldig und drückte dieses Mal den Knopf länger als vorher. Irritiert hob sie eine Augenbraue hoch, ehe sie das Zimmer verließ. Schwer waren ihre Schritte, schließlich fühlten sich ihre Beine noch taub und steif an. Die Tatsache, dass ihr Körper Schritt für Schritt nicht mehr so schmerzte, bekam sie nicht wirklich mit. Ihre Konzentration war auf die Tür und die nervige Klingel gerichtet.
 

Skeptisch schritt Sakura zur Wohnungstür, spähte durch den Spion. Sie erkannte einen Typen mit Glatze. An der Unterlippe zwei Piercings. Eine kleine silberne Kugel prangte an der linken Augenbraue. Jetzt war sie noch mehr verwirrt. Was wollte dieser Typ hier?
 

Erneut riss sie das Türklingeln aus den Gedanken, ließ sie zusammenzucken. Zum Klingeln gesellte sich das penetrante Klopfen an der Tür dazu.
 

“Eh, Schlampe! Mach auf! Ich hab schließlich für jetzt gebucht!”
 

Überrascht riss sie die Augen weit auf. Ein trostloses Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Zögerlich öffnete sie die Tür, sah unsicher ihrem Gegenüber ins Gesicht. Die goldenen Augen des Mannes funkelten sie sauer an, ehe sich ein überraschter Ausdruck auf seine Züge legte. Sie wusste, was für ein Typ er war. Schließlich standen jeden Tag mindestens vier Männer vor ihrer Tür.
 

Nur träge öffnete sie die Tür weiter auf, musterte den Freier. Abgenutzte Lederjacke. Zerfetztes, verdrecktes Hemd. Eine zerschlissene Jeans. Sah aus wie jemand, der sich mit den Klamotten wichtig machen wollte. Als sei er der Boss von allem. So etwas hasste sie. Sie mochte keine Leute, die sich damit so in den Mittelpunkt drängen wollten. Außerdem kam ihr dieser Kerl bekannt vor. Sie glaubte, dass sie ihn erst letzte Woche aus der Wohnung gehen gesehen hatte.
 

“Meine Mam ist nicht da, kommt aber sicher gleich...”
 

Sie zog die Stirn kraus. Warum sagte sie so etwas? Normalerweise tauschte sie keine dummen Floskeln aufgrund des Verschwindens ihrer Mutter aus. Sie ließ die Freier herein und zog sich zurück. Leicht zuckte sie mit den Schultern.
 

Egal... Es war ihr egal.
 

Sie senkte ihre Lider ein wenig. Man sah kaum noch, wie leicht geweitet ihre Augenpupillen waren. Sofort legte sich ein lüsternes Lächeln auf die Lippen des Mannes. Ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

Normalerweise ließ sie die Freier ihrer Mutter immer in die Wohnung und diese warteten im Schlafzimmer auf diese. Aber bei diesem Mann regte sich etwas in ihrem Inneren. Etwas, das schrie: “Schließ die Tür und verschwinde!”

Erschrocken riss sie die Augen auf. Sakura war schon drauf und dran die Türe wieder zu schließen. Zitternd drückte sie gegen das Holz, aber der Versuch wurde schnell zerschlagen. Die Glatze stellte sofort einen Fuß zwischen Wand und Tür. Auf dem Gesicht immer noch dieses überhebliche Grinsen, was ihr einen weiteren kalten Schauer bescherte.
 

“Keine Angst, junges Fräulein. Ich will wirklich nur auf deine Mutter warten. Bist du so lieb und würdest mich reinlassen? Sicherlich willst du keinen Ärger mit deiner Mutter haben, oder?”
 

Sie nickte zögerlich. Würde sie diesen Mann nicht in die Wohnung lassen, war es sicher, dass sie wieder Prügel bekommen würde. Das wollte sie nicht.
 

Sie wollte ein gutes Mädchen sein. Eins, was ihre Mutter lieb haben konnte.
 

Ihre Hände zitterten. Hastig ließ sie den Freier in die Wohnung, schloss die Wohnungstür und stürmte fast panisch in die Küche. Hier war sie sicher. Weit weg von dem Mann, der soeben im Schlafzimmer ihrer Mutter warten würde...
 

Keuchend stützte sie sich auf der Küchenspüle ab. Ihre Augen starrten zur Küchenuhr. Sie war fast eine Dreiviertelstunde im Bad weggetreten gewesen.

Ein plötzlicher Schwindel riss sie fast auf die Knie. Krampfhaft klammerte sie sich in das abgeplatzte Holz der Arbeitsplatte neben der Spüle.

Zitternd fuhr ihre Hand zu ihrer Brust, wo ihr Herz immer noch wie ein flatternder Schmetterling seine Schläge vollzog. In ihrem Körper stieg weiter Hitze auf. Sie wusste schon längst nicht mehr wohin mit dieser Wärme.
 

“Hast du Probleme? Soll ich dir helfen?”
 

Eine verruchte Stimme flüsterte ihr ins Ohr. Erschrocken riss sie ihre türkisen Iriden auf und drehte den Kopf zur Seite, um über die Schulter sehen zu können.

Hinter ihr stand der Mann, welcher sich lässig über die Lippen leckte.

Sie wich kurz nach vorne aus. Sie wollte ihn wegstoßen. Aber ihr Körper fühlte sich so steif an.

Sie wollte schreien. Aber ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, drückte ihre Kehle zu.

Was wollte der Typ? Plötzlich rückte er näher heran.

Ihre Gesichtszüge versteinerten sich. Somit versuchte sie keine Gefühle über dieses auszusenden. Wenn sie Angst zeigte, fühlte sich der andere sicher überlegen. Das wollte sie nicht riskieren.
 

Plötzlich legte sich ein starker Arm um ihre Taille. Zog sie damit näher an den größeren Körper heran. Sie roch den widerlichen Schweißgeruch des Mannes. Er war beißend und trieb ihr fast Tränen in die Augen. Das Becken mit dem noch erschlafften Glied rieb sich gegen ihren Hintern. Leicht wurde ihr ins Ohr gebissen. Es erschauderte sie.
 

Ein warmes Gefühl durchflutete ihren Körper. Sie keuchte kurz erschrocken auf, als diese Emotionen über sie herein brachen, wie eine Sintflut. Sie konnte es kaum beschreiben. Was war das?

Sie fühlte sich in diesem Moment... glücklich. Richtig glücklich und geborgen.

Wärme durchströmte ihren Körper. Sie fühlte sich irgendwie... geliebt an.

Sie fühlte sich, als könnte sie alles schaffen. Es war ihr in diesem Moment egal, warum dies alles so war.

Für sie zählte in diesem Zeitpunkt nur das Ergebnis, dass sie glücklich war.

Ein seltenes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Ein warmes, seliges Lächeln.
 

Die Hände der Glatze streichelten über ihre Haut. Neckte sie. Spielte mit ihr. Sie keuchte leise. Fühlte sich bei den Gefühlen wohl. Fühlte sich zum ersten Mal im Leben wohl.
 

Gewollt. - Geborgen. - Geliebt.
 

Sie grinste leicht. Starrte mit trüben Glanz in den türkisen Iriden den Typen an. Das hämische Grinsen wich immer noch nicht von den rauen Lippen des Mannes.
 

Es war ihr egal.
 

Ihr Kopf fühlte sich leer an. Frei von allen möglichen Gefühlen und Gedanken. Als würde sie schweben. Als würde sie einfach so durch das Leben schwingen. Sie fühlte, dass sie lebte...
 

Plötzlich löste sich der Mann von ihr. Und mit ihm die Wärme und Geborgenheit.

Der kurze Moment des Glückes verpuffte wie eine Seifenblase.
 

Starr schaute sie den sich entfernten Schritten hinterher. Der Typ verschwand nicht weit. Er setzte sich lässig auf einen der Stühle in der Küche. Ein wenig verwirrt neigte Sakura den Kopf zur Seite. Ihre Augen strahlten Neugierde und Naivität aus. Auch wenn sie keine Emotionen zeigen wollte. Den Glanz in ihren Augen hatte sie nicht mehr im Griff.
 

Der Mann lachte rau, legte 6.500 Yen [1] auf den Küchentisch, ehe er seine Hose aufknöpfte und sich breitbeinig auf den Stuhl setzte. Lüstern leckte er sich noch einmal über die Unterlippe.
 

“Na junges Fräulein? Willst du dir mal ein wenig Taschengeld mehr verdienen? Blas mir einen und das Geld hier gehört dir.”
 

Geld? Oh ja! Das brauchte sie dringend. Vielleicht konnte sie sich damit den schicken Rock kaufen, den sie letztens im Second Hand Laden an der Straßenecke gesehen hatte.
 

Sakura wusste nicht was es war. Die Berauschtheit durch diese ganzen Emotionen oder der Drang dieses Geld zu besitzen.
 

Egal... Es war doch eigentlich egal.
 

Sie wollte nur dieses verdammte Geld! Ihre Gedanken kreisten um diesen schicken Jeansrock im Second Hand Laden. Sie fühlte jetzt noch den rauen Stoff zwischen ihren Fingerspitzen. Sah jetzt noch dieses leicht ausgebleichte, dunkle Blau der Jeans. Sie spürte jetzt noch, wie gut und passend er auf ihrer schlanken Taille lag. Wie sie sich damit im Kreis gedreht hatte. Gelacht hatte, weil er passte. Nur war da das Problem, dass sie ihn sich nicht leisten konnte... Aber das konnte sie nun ändern.
 

Zögerlich nickend trat sie zu ihm, kniete sich davor. Sie hatte es noch nie gemacht. Wusste noch nicht einmal, wie das männliche Genital aussah.
 

Aber es war egal. So was von Egal...
 

Ihr Kopf war wie leergefegt. Frei von jeglichen Gedanken. Frei von jeglichen Emotionen. Nur der Drang, dieses Geld zu besitzen, nahm von ihr Besitz. Lullte sie in eine Besitzgier ein. Legte seinen Mantel von Geiz über sie.
 

Sie brauchte das Geld. Sie wollte das Geld. Sie würde das Geld auch bekommen.
 

Eine große Hand klatschte gegen ihre noch blaue, leicht geschwollene Wange. Sie spürte keinen Schmerz. Spürte nicht einmal das weiche Fleisch in ihren Händen. Sie spürte nicht einmal das liebliche Streicheln an ihrer Wange.
 

“Schönes Mädchen. Es ist Sünde solch ein reizendes Gesicht zu verunstalten.”
 

Das Schmeicheln des Mannes wurde durch ein lautes Keuchen unterbrochen, als sie leicht über den Schaft leckte. Nur gedämpft hörte sie die Geräusche in ihrer Umgebung.
 

Egal...
 

Sie verhielt sich ein wenig ungeschickt. Verschluckte sich und bekam beinahe keine Luft, als sie es ganz in den Mund nahm.
 

Egal... Es war ihr egal. Sie wollte nur das Geld. Es war ihr egal, was der andere wollte.
 

“Aaah~~~ Prima machst du das.”
 

Sie nickte leicht. Der Mann krallte sich in ihrem rosafarbenden Haar fest. Riss einige Strähnen aus den Zopf. Locker fielen diese in ihre Stirn, kitzelten dort die Haut. Neckten sie leicht.
 

Egal...
 

Sie kicherte gedämpft. Machte ihre Tätigkeit weiter. Ohne zu wissen, was sie genau tat. Ohne zu merken, wie sie es tat.
 

Egal...
 

Ihre Gedanken waren in diesem Moment nur auf ein was fixiert. Auf das Geld und den Jeansrock, den sie sich damit kaufen würde...
 

~*~*~
 

Träge schlug sie ihre Augen auf und starrte an ihre Zimmerdecke. Die Sicht war noch ein wenig durch den Schlaf verschwommen. Sie blinzelte kurz. Musste sich erst einmal sammeln. Wo war sie? Sie kniff ihre Augen zusammen.

Ein lautes Pochen war zu hören. Widerhallte in ihren Ohren. Widerhallte in ihrem Kopf. Es klang nach Gewalt.
 

“Miststück! Mach sofort auf!”
 

Erneut öffnete sie müde ihre Augen. Zuckte kurz zusammen. Starrte zur Tür, woher die Geräusche kamen.

Sie brauchte Zeit. Zeit zum Verstehen. Zeit zum Begreifen.

Wer war das an ihrer Tür? Warum war sie in ihrem Zimmer? Wie kam sie hierher? Was machte sie hier?

Sie wusste es nicht mehr... Nicht, wie sie hierher gekommen war. Nicht, was sie hier machte. Und auch nicht, warum sie hier war.
 

In ihrem Kopf herrschte Leere. Absolute Leere...
 

Wieder schloss sie die Augen. Versuchte sich zu erinnern. Aber es brachte ihr nur Kopfschmerzen. Schmerzen, die sie nicht auch noch haben wollte. Ihr Gesicht fühlte sich jetzt noch ein wenig taub und geschwollen an.
 

Sakura selbst war müde und erschöpft. Ausgelaugt und kaputt vom Leben.
 

Sie wusste nur noch, dass sie diesen Typen ihrer Mutter in die Wohnung gelassen hatte. Er war ihr unheimlich, weswegen sie in die Küche verschwunden war. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es jetzt schon sechseinhalb Stunden her war. Das war das Letzte, an was sie sich erinnerte.
 

Aber es war ihr egal. Ihr war alles egal. Es würde sich sowieso nichts ändern. Nichts...
 

Sie seufzte leise. Bemerkte nicht, wie heiße, salzige Tränen von ihren Wangen abperlten und im Stoff ihres T-Shirts versanken.
 

Sie war allein...
 

Wieder ließ das laute Pochen an der Tür sie zusammenzucken. Ließ ihren Körper schmerzen spüren. Sie wollte das nicht. Sie wollte die Stimme ihrer Mutter nicht hören...
 

“Mistkind! Du hast meine letzte Ecstasy geschluckt! Und den Kunden hast du auch vergrault! Wenn ich dich in die Finger bekomme...”
 

Nach dieser Drohung hörte das Pochen und die lauten Rufe auf. Sie hörte aber schon längst nicht mehr zu.
 

Ecstasy... Kam ihr bekannt vor. Vielleicht irgendwann mal gehört oder gelesen. Sie hatte es vergessen. Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein. Egal... Sie wusste nur, dass sie sich eine der Paracetamol Tabletten eingeschoben hatte.
 

Müde schob sie ihre Beine aus dem Bett und setzte sich auf. Die eine Hand zitternd ins Bettlaken gekrallt, wischte sie sich über die geschlossenen Lider. Wischte die erst jetzt bemerkten Tränen weg. Müde... Warum war sie so müde? Sie hatte sicherlich fast über sechs Stunden geschlafen.
 

Ihr Blick fiel auf ihren kleinen Nachtschrank. Fiel auf den kleinen Haufen Geldscheine. Überrascht weitete sie ihre Augen. Starrte das Geld an. Und in diesem Moment schob sich das Bild des Jeansrockes durch ihre Gedanken.

Sie lächelte. Sie freute sich. So sehr, dass es ihr fast wieder Tränen in die Augen trieb.
 

Hastig sprang sie auf, bemerkte in ihrem Enthusiasmus für diesen Augenblick die Schmerzen nicht. Sie taumelte kurz. Keuchte erschrocken auf, ein leichter Schwindel sie fast in die Knie zwang. Sie musste sich kurz sammeln, ehe sie sich schnell umzog, dass Geld einsteckte und das Haus verließ. Sakura musste sich beeilen. Sobald ihre Mutter wieder zu Hause war, würde sie nicht mehr aus der Wohnung kommen können...
 

Sie rannte die Treppen herunter. Schaffte es manchmal nur knapp um die Kurve zu rennen, ohne die darauf kommenden Treppen herunter zu stürzen. Der Second Hand Laden war fast hier um die Ecke. Sie lief jeden Tag nach der Schule dort vorbei. Hoffentlich war der Jeansrock noch zu kaufen. Sie wollte ihn so sehr.

Auch wenn er recht ausgebleicht aussah, so hatte er seinen Reiz nicht verloren. Außerdem passte er ihr so gut.
 

Unten angekommen bemerkte sie erst, dass es regnete. Doch das bisschen Regen hielt sie nicht von diesem Rock ab. Mit schnellen Schritten rannte sie über den Gehweg. Rempelte ab und zu einige Leute an. Aber zum Entschuldigen hatte sie gar keine Zeit. Ihre Lunge schmerzte. Strengte beim Rennen ein wenig an und raubte ihr fast den Atem. Aber sie wurde nicht langsamer. Sie behielt weiter dieses hohe Tempo bei. Wollte endlich so schnell wie möglich an dem Laden sein. Und es dauerte nicht mehr lange.
 

Keuchend hielt sie an. Drückte ihre Hand auf ihre sich schnell hebende und senkende Brust. Beruhigte ein wenig ihren rasenden Herzschlag. Sie war da. Schnell warf sie einen Blick durch das verdreckte Schaufensterglas. Er lag noch da. Fast wie unberührt und darauf wartend, dass sie ihn kaufte.

Sie jauchzte leise auf, betrat sofort den Laden. Mit einem leisen Klingeln über der Tür wurde ihre Ankunft angekündigt. Sie achtete gar nicht mehr auf die Leute im Laden, es waren sowieso recht wenige. Zielstrebig lief sie auf den Rock zu und nahm ihn in die Hände.

Sie spürte den rauen Stoff zwischen den Fingerspitzen. Spürte Wärme in sich aufsteigen. Es fühlte sich wie Balsam auf ihrer Seele an. Schnell überprüfte sie den Preis. 2.500 Yen [2]. Unverändert.

Ihr Blick wanderte weiter zu einer der zwei Umkleidekabinen. Sie wollte ihn noch einmal anprobieren. Einfach um sicher zu gehen, dass er wirklich noch passte. Hastig verschwand sie in die Kabine und zog sich ihre Schuhe und Hose aus. Sie stockte kurz, ehe sich ihr Blick leicht trübte.
 

Dabei sah sie das alles doch täglich...
 

Auf ihren dürren, blassen Beinen waren überall blaue Flecken oder dunklere Blutergüsse. Sie schloss die Augen. Wand sie von ihrem Anblick ab. Der Rock. Sie sollte sich auf den Rock konzentrieren. Aber irgendwie klappte es nicht. Ihre Gedanken waren so durcheinander. Ihr fiel das Konzentrieren einfach so schwer. Der Jeansrock...
 

Schnell stülpte sie mit ihren Beinen durch die obere Öffnung. Versuchte zwanghaft keinen Blick auf ihre geschundenen Beine zu werfen. Der Rock passte. War vielleicht ein wenig lockerer als beim letzten Mal. Aber er passte. Sakura schaute wieder zum Kabinenspiegel und senkte ihre Lider ein wenig.
 

Der Rock passte. Er gefiel ihr gut. Sehr sogar. Eigentlich wollte sie damit ihren Schwarm beeindrucken. Der aus der zehnten Klasse. Er war drei Jahre älter und schon mal sitzen geblieben. Viele hatten Respekt vor ihm. Das gefiel ihr. Sie hatte schon lange ihr junges Herz an ihn verloren. War in ihn verliebt. Doch bisher waren aber alle Annäherungsversuche gescheitert. Und dieser würde es ebenfalls...
 

Sie zog den Rock wieder aus. Schlüpfte in ihre Hose und Schuhe. Legte den Jeansrock zurück an seinen genommenen Platz. Sogar das Geld hätte sie dieses Mal gehabt. Aber sie könnte ihn niemals tragen...
 

Jeder würde es sehen. Jeder würde es sofort wissen.

Jeder würde sofort erkennen, in welchen Familienverhältnissen sie lebte...
 

Sie ließ die Schultern hängen. Betrat den strömenden Regen, der gut zu ihrer Stimmung passte. Es wäre wirklich ein tolles Geburtstagsgeschenk gewesen. Das Schönste in der ganzen Zeit.
 

Aber jeder würde es sehen. Die blauen Flecken und dunklen Blutergüsse. Wie hässlich sie eigentlich wirklich unter ihrer Kleidung aussah.

Jeder würde wissen, was ihr wirklich passierte. Dass sie zu Hause verprügelt wurde. Dass sie keine Liebe bekam.
 

Würde auch jeder sofort erkennen, wie kaputt ihr Leben eigentlich war?
 

Vielleicht…
 

~*~*~
 

06. Oktober 2008
 

Ein helles Kichern kam über die Lippen der Vierzehnjährigen. Die kalten Fingerspitzen ihres festen Freundes strichen neugierig und frech über ihre Seiten. Kitzelten und neckten ihre Haut. Wieder berührten sich ihre Lippen. Küssten und liebten sich innig. Ein leises, ungewolltes Keuchen kam über ihre Lippen, klang fremd und ungewohnt in ihren Ohren. Schamesröte legte sich auf ihre Wangen. Verlegen löste sie den Kuss, sah zu Boden, um nicht in den intensiven Blick ihres Gegenübers zu schauen.
 

“Sakura...”
 

Warmer Atem streifte ihr Ohr, ließ ihre Nackenhärchen sich aufstellen. Ein ungewohnter Schauer lief über ihren Rücken, ließ sie sich unwohl in ihrer Haut fühlen. Sie war dafür noch nicht bereit, aber sie wollte ihren Freund nicht schon wieder zurückweisen. Dafür hatte sie zu sehr Angst, dass dieser sie ganz verließ.
 

Neckisch strich ihr eine Zunge über das Ohrläppchen, zwang sie damit ihre Augen zu zukneifen. Es fühlte sich komisch an. Ungewohnt. Irgendwie eklig. Sie wollte das nicht.
 

“Lass das!”
 

Fest klang ihre Stimme, dabei erzitterte sie vor Angst in ihrem Inneren. Die Berührungen hörten auf. Die feuchte Zunge zog sich zurück. Anscheinend war es vorbei. Welch ein Glück für sie. Sie drückte ihren Gegenüber weg.
 

“Sakura... Hast du etwa Angst?”
 

Schelmisch, verhöhnend drangen diese Worte zu ihr durch.

Ja verdammt! Sie hatte Angst! War es ein Verbrechen?

Schließlich wusste sie nicht, ob es sehr wehtun würde. Ob sie sehr bluten würde. Sie hatte schon so viele Geschichten darüber gehört und gelesen. Schließlich war es ihr erstes Mal...

Ja, sie fürchtete sich davor! Aber niemals würde sie es aussprechen. Dafür war sie zu stolz.
 

“Nein, aber wenn uns meine Mutter hört...”

“Die ist sicherlich wieder mit einem ihrer Liebhabern beschäftigt.”
 

Unsanft wurde sie auf das Bett geschubst. Ihr rosafarbenes Haar fiel ihr strähnenweise ins Gesicht, verdeckte damit ihre türkisen Augen. Versteckte damit den schimmernden Glanz in diesen. Unvergossene Tränen brannten in ihren Augen.
 

Panik kroch ihr den Rücken hoch, nahm sie in ihre Krallen und ließ sie erzittern.
 

Hilflosigkeit. - Angst. - Verzweiflung.
 

Was sollte sie machen? Zwei starke Hände umschlossen ihre Handgelenke, zerrten diese über ihren Kopf. Sie hielten sie dort gefangen, taten ihr weh.
 

“Ah, lass los!”
 

Sie schrie. - Wütete. - Trat um sich. - Aber keine Chance.
 

Entweder zeigten ihre Worte keine Wirkung, oder ihre Tritte verliefen ins Leere. Der Griff wurde fester, brachte sie dazu, schmerzhaft zu schreien.
 

Niemand hörte es. Niemand störte sich daran. Niemand half ihr. Sie war allein...
 

Nach einiger Zeit des Schreiens und Wütens konnte sie nicht mehr. Ängstlich zitternd und stumm lag sie unter ihrem Freund, der weitaus stärker und älter war als sie. Freund...
 

Konnte sie ihn überhaupt so nennen? Er liebte sie nicht einmal, dass wusste sie. Dies war ihr bewusst, aber dennoch hatte sie ihr Herz und ihre erste große Liebe an ihn verloren. Einfach so, ohne es verhindern zu können. Auch wenn sie nicht zurückgeliebt wurde, war sie mit dem Gedanken glücklich, dass sie mit ihm zusammen war.
 

Bis jetzt...
 

Salzige Tränen liefen über ihre Wangen, benetzten ihre Haut. Ihre Handgelenke schmerzten fürchterlich, brannten und fühlten sich ein wenig taub an. Ihr rosafarbenes Haar fiel ihr ins Gesicht, verdeckte damit ihre vor Schreien geröteten Wangen. Verbarg ihre Tränen überlaufenden Augen.
 

“Na endlich. Wurde auch Zeit, dass du Ruhe gibst, Schlampe.”
 

Wieder wurde ihr ein Kuss aufgedrängt.
 

Grob. - Hart. - Ohne Gefühl.
 

Es gefiel ihr nicht. Nicht so wie sonst immer. Genauso wie alles andere, was ihr Gegenüber mit ihr machte. Dabei liebte sie ihn so sehr...
 

Nur widerwillig erwiderte sie den Kuss. Nur widerwillig gab sie sich ihm hin. Ihr Körper verspannte sich, als er seine Hand auf ihre Innenschenkel legte, sich dort in ihre Haut krallte. Er würde sie nicht mehr gehen lassen, dies wusste sie. Dieses Mal würde sie nicht entkommen. Bei dieser Erkenntnis verspannten sich ihre Muskeln noch mehr.
 

“Entspann dich und genieß es...”
 

Sie schaffte es nicht. Sie konnte es nicht. Sie wollte es nicht. Die ganze Zeit lag sie da.
 

Verkrampft. - Kraftlos. - Wehrlos. - Verängstigt.
 

Ihr Freund hatte die Oberhand. Spielte sein Spiel. Steuerte alles mit unsichtbaren Fäden.
 

Es schmerzte fürchterlich, als würde es sie innerlich zerreißen. Es widerte sie an. Es gefiel ihr nicht. Es war schrecklich. Sie hatte Angst. Sie fühlte sich an, als würde sie sterben.
 

Sie konnte nicht loslassen, sonst wäre sie wieder alleine.

Sie konnte nicht aufhören zu lieben, sonst würde er sie verlassen.

Und das ging die ganze nächste Stunde lang so. Ohne zu wissen, welche Folgen dieses triebsüchtige Spiel mit sich brachte...
 

Dabei wollte sie doch nur von jemanden geliebt werden, war es denn so viel verlangt?

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Kommentare zu diesem Kapitel (16)
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Von:  Kokorokizu
2010-09-12T10:39:11+00:00 12.09.2010 12:39
Die arme Sakura. Ich meine, ich bin auch nicht immer ein großer Fan von ihr, aber das ist selbst für sie zu hart.
Sie konnte doch nichts dafür, das sie geboren wurde. Aber anscheinend sieht ihre Mutter das anders. Und dabei will Sakura doch nur von jemanden geliebt werden. Da ist es kein Wunder. Aber das ihr Freund sie dann auch noch so behandelt, wie ein Spielzeug. Das ist hart.
Von:  Spielzeugkaiser
2010-09-05T20:42:10+00:00 05.09.2010 22:42
Ah, da sind wir also.
Bei Sakura.

Eigentlich kann ich die ja absolut nicht leiden, aber was das anging, kann ich mich Usuratonkachi_Naruto nur anschließen.

Sie tat mir Leid, unheimlich sogar.
Du bringst ihre Gefühle so gut rüber, man will sie einfach nur da rausholen und beschützen.
Ich kann ihre Mutter auf der einen Seite nicht verstehen,
aber dennoch ihr Handeln irgendwo nachvollziehen.

(Nicht das ich es gutheiße, aber ich glaube das Thema hatten wir schon Mal^^ Die meisten Eltern, die ihre Kinder schlagen, wurden selbst als Kinder geschlagen. Vielleicht wäre Sakura auch so geworden.)

Auch das ganze mit dem Rock fand ich gut gewählt. Sie war so versessen auf das verdammte Ding und letzten Endes hat sie es sich doch nicht geholt.
Das passt irgendwie zu ihrem Leben.
Auf eine verschrobene Art und weise^^
Von:  Misawa
2010-07-26T10:23:04+00:00 26.07.2010 12:23
Als ich es kontoliert habe, habe ich mir zuerst gedacht, Hm.. Sakura..
ich habe mit ihr so meine Probleme, ich mag sie einfach nicht. Aber als ich das Kapitel gelesen habe, da habe ich einfach das Gefühl gehabt, sie in die Arme schließen zu wollen. Es ist nicht leicht immer gehasst zu werden, immer Lügen zu müssen, um die eigene Existenz nicht irgendwo zu gefährden.
Und ihr Freund ist da auch nicht die Hilfe. Einfach nur seinen Spaß haben und es an Sakura auszulassen. Sehr schwierig. Aber leider gibt es soviele Mädchen, die darunter leiden. Es ist wirklich schlimm..
Von:  Tsuki14
2010-07-24T14:40:00+00:00 24.07.2010 16:40
Wow...Ich bin wie FreakyFrosch1000 einfach nur sprachlos!
Du beschreibst das alles so intensiv und realistisch und fesselnd...
Dein Schreibstil ist echt toll und ich hoffe, dass ich irgendwann so gut bin wie du!Die Story von Sakura ist wirklich sehr herzzerreißen und leider wie bei Hinata, die Realität und für manch Jugendlicher der Alltag, was ziemlich traurig ist.
Jedenfalls, schönes Kapitel! Ich freu mich auf das Nächste!

*dich mit großen Kulleraugen anblickt* Schreibst du mir bitte eine ENS wenn es weiter geht? Das wär echt toll!

VLG, Tsuki14♥
Von: abgemeldet
2010-07-13T14:40:33+00:00 13.07.2010 16:40
das is einfach.... krass.
man kann sich kaum vorstellen das es manchen menschen wirklich so geht...

okay... konstruktives:
dein schreibstil is einfach genial, auszusetzen hab ich nich wirklich was^^ man kann sich sehr gut in die betroffenen personen hineinversetzen... absätze sind auch alle richtig gesetzt^^
wie schon gesagt... kann nix negatives loswerden :)

lG sweetycherry :)
Von:  Samrachi
2010-07-10T15:58:32+00:00 10.07.2010 17:58
so jetzt hab ichs endlich geschafft, es zu lesen *schwitz*

es ist schlimm mitanzu'sehen' wie schwer es sakura hat.. an ihrem geburtstag so verprügelt zu werden und dann noch irrtümlicherweise eine ecstasypille schlucken, echt klasse so was :(
dass sie den rock dann doch nicht gekauft hat, war ein ziemlich guter hinweis darauf, wie traurig es ist, dass sie so eingeschränkt in ihrem normalen leben ist, dass sie sich nicht mal so anziehen kann, wie sie möchte.

und das mit ihrem freund ist auch so ne sache... ist das dieser 3 jahre ältere sitzenbleiber? der ist ja wirklich ein gaaaanz netter :|

war ein gutes kapitel ^^
lg
samra
Von: abgemeldet
2010-06-30T13:03:08+00:00 30.06.2010 15:03
wie toll o:
das kappi ist voll toll *-*
ich freu mich auf das nächste *-*
<3 LG KlaurIi
Von:  yoshi_in_black
2010-06-29T00:47:30+00:00 29.06.2010 02:47
Dein Schreibstil ist jedenfalls sehr bildlich und die Geschichte berührt mich zu tiefst. Ich weiss grad garnicht so recht, wie ich das sonst beschreiben soll.
Von: abgemeldet
2010-06-28T10:58:27+00:00 28.06.2010 12:58
*-* hammer qenial
Wieder einmal perfect
lq.
Hony
Von:  TyKa
2010-06-28T09:51:20+00:00 28.06.2010 11:51
danke für die ENS
und die benachrichtigung dass es weitergeht
natürlich bleibst du deinem stil treu
und der verleiht deinen kapiteln und storys
einfach dieses gewisse "leben"

auch dieses kapitel hast du klasse geschrieben
obwohl es mir immer streubt, wenn ich solche dinge lese, "klasse" zu schreiben
aber damit ist ja der stil und der aufbau gemeint

natürlich nicht die thematik, aber wie schon in einem vorherigen kapitel erwähnt, sprichst du themen an, die in der realen welt vorkommen, aber nicht erkannt werden wollen, so traurig es ist

mach jedoch weiter so
bis zum nächsten kappi

lg
TyKa


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