The Morning
Ich hatte Hyde in dieser Nacht keine Antwort mehr gegeben und er hatte auch nicht weiter nachgefragt. Wir hatten uns einfach schlafen gelegt, nachdem wir ... nachdem wir Sex gehabt hatten und zu dem Zeitpunkt hatte ich mir auch keine Gedanken mehr darum gemacht, da ich einfach total erledigt gewesen war.
Es war schön und sehr intensiv gewesen, so intensiv wie für mich schon lange nicht mehr. Ich hatte mich irgendwie vollkommen und ... nun ja ... geliebt gefühlt. Und auch jetzt fühlte ich mich noch genauso vollkommen und geliebt, obwohl unser kleines Abenteuer schon Stunden her war. Hyde lag einfach nur neben mir, kuschelte sich an mich, schlief noch und sah dabei zu niedlich aus. Shizuka hatte nachts meistens Lockenwickler und eine Haube getragen, was hieß, dass man ihr dann nicht zu nahe kommen durfte. Und im Sommer war Körperwärme von anderen sowieso immer ein rotes Tuch für sie. Aber das war jetzt sowieso Vergangenheit. Ich schloss die Augen und zog Hyde noch etwas enger an mich.
„Ga-chan“, murmelte er darauf, schlief aber weiter. Das brachte mich zum Schmunzeln und ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Doch mein Handy störte unsere morgendliche Ruhe.
Verdammter Mist! Innerlich stieß ich tausend Flüche aus und machte, dass ich aus dem Bett kam und das Handy fand, bevor Hyde davon noch wach wurde. Es musste lustig aussehen, wie ich da nackt zwischen unseren Klamotten hin und her krabbelte und immer verzweifelter nach meiner Hose suchte, in deren Tasche mein Telefon steckte.
Hyde murrte schon, als ich es endlich in der Hand hatte und den Anruf annahm.
„Ja?“, flüsterte ich ins Mikrophon und schlich schon mal zur Tür, um im Flur telefonieren zu können. Unterwegs klaubte ich meine Shorts auf und nahm sie mit.
„Warum flüsterst du?“, kam es vom anderen Ende der Leitung.
„Shizuka.“
„Ja, natürlich! Wer sonst?!“, entgegnete sie beinahe beleidigt, während ich mir umständlich meine Shorts anzog, „Hast du denn jemand anderen erwartet? Etwa diesen ... diesen ... Hyde, oder wie er hieß?“
Ich seufzte: „Nein, den hab ich garantiert nicht erwartet.“ Der lag nämlich keine fünf Meter von mir entfernt im Bett und schlief friedlich. Ich warf noch einen Blick durch die angelehnte Tür hindurch auf ihn und drehte mich dann um, verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was willst du, Shizuka?“, fragte ich sie trocken.
„Ich wollte dich fragen, ob du gleich zu mir kommst, damit wir endlich Versöhnung feiern können“, antwortete sie wie selbstverständlich.
„Wie bitte? Versöhnung?“, platzte es aus mir heraus, „Wie kommst du denn darauf?“
„Na, weil ich dich vermisse. Ich habe dir verziehen und jetzt ist alles wieder gut.“ Sie meinte es tatsächlich ernst, ich glaubte es ja nicht. Aber ich war selbst dran Schuld, dass sie so mit mir umsprang – sie war es ja nicht anders gewohnt. Doch damit war jetzt Schluss, auch wenn sie endlich mal ein bisschen gezeigt hatte, dass ihr wohl noch etwas an mir lag.
„Nein“, sagte ich fest.
„Wie 'nein'?“
„Nein, wir werden keine Versöhnung feiern, weil es keine Versöhnung gibt. Du hast dich von mir getrennt, ich habe mich damit abgefunden und nun interessiert es mich nicht mehr, was du willst oder nicht. Mich bekommst du jedenfalls nicht.“ Ich verkniff es mir, ihr auch noch auf die Nase zu binden, dass ich letzte Nacht wunderbaren Sex gehabt hatte, und schwelgte stattdessen für einen kurzen Moment in Erinnerungen. Wohl einen Moment zu lang ...
„Wie kannst du das einfach sagen? Wie kannst du einfach mit mir Schluss machen, Gackt Camui?“, keifte sie gleich ins Telefon, „du liebst mich!“
„Es ist ganz einfach: Ich liebe dich eben nicht mehr“, gab ich gelassen zurück. Sie schnaubte und im Hintergrund knallte irgendetwas – vermutlich hatte sie etwas umgestoßen. Dann schien sie sich allerdings schon etwas ausgedacht zu haben, von dem sie glaubte, dass es mich schwer treffen würde, denn sie lachte künstlich.
„Gut“, meinte sie, „schön, dann weißt du ja, dass du deine Sachen, die noch bei mir sind, auf der nächsten Müllkippe findest. Ich bringe sie persönlich da hin: Deine CDs und deine Hemden und auch deinen blöden Fotoapparat.“ Fotoapparat? Ich hatte doch ... Oh Gott, meine Spiegelreflexkamera! Was machte die bei ihr?!
„Shizuka, warte, nicht doch-“
„Zu spät“, flötete sie und legte einfach auf.
„Shizuka, das kannst du nicht machen!“, schrie ich ins Telefon, obwohl es nichts mehr brachte. Diese ... diese ... arg! Ich schnaubte und drehte drei Runden durch den Flur, um mich wieder zu beruhigen. Denk nach, Camui, nur nichts überstürzen. Sie würde das nicht tun, sie würde das nicht tun ... würde sie doch! Und gerade meine gute, teure Spiegelreflex, die mich ein kleines Vermögen gekostet hatte!
Ich musste sofort zu ihr und sie davon abhalten! Eilig stürmte ich wieder ins Schlafzimmer und hatte schon die Hälfte meiner Klamotten aufgesammelt, als mir auffiel, dass Hyde wach war und mich ansah.
„Guten Morgen“, sagte er, als er bemerkte, dass ich ihn bemerkt hatte, und sein Tonfall wollte mir nicht gefallen – er klang dem von gestern Abend, bevor wir in seinem Bett gelandet waren, zu ähnlich.
„Du gehst.“
Es war keine Frage, aber ich gab ihm trotzdem eine Antwort – eine ziemlich dumme sogar: „Ja, ich muss zu Shizuka. Sie hat mich eben angerufen und wollte Versöhnung feiern und solchen Kram, aber-“
„Hör doch auf!“, rief Hyde dazwischen.
„Wie bitte?“
„Ich hab es gehört. Wenn du schon unbedingt wieder zurück zu ihr willst, dann lüg mich doch wenigstens an und verzieh dich aus meinem Leben, aber brich mir nicht auch noch das Herz! Du bist so ein Arschloch, Gackt, weißt du das eigentlich?! Gestern hast du noch gesagt, du wolltest sie nicht und jetzt ...“ Er wimmerte, nachdem er mir diese Standpauke gehalten hatte, die allerdings noch nicht vorbei zu sein schien. „Gott, und ich Dummkopf mache mir auch noch Hoffnungen, weil du mit mir geschlafen hast, weil du es wolltest! Was stehst du denn da noch rum?! GEH ENDLICH!!“ Danach brach er vollkommen in Tränen aus und krümelte sich zu einem jammernden Häufchen Elend zusammen.
Er ... verstand einfach alles falsch.
„Haido ...“
„Hör doch endlich auf!“
„Nein, das werde ich nicht!“, widersprach ich, ließ meine Sachen fallen, krabbelte zu ihm aufs Bett und umarmte ihn, egal wie heftig er sich auch wehrte.
„Ich weiß nicht, wie viel du von dem Telefonat mitbekommen hast, aber es ist nicht so, dass ich zu Shizuka zurück will“, begann ich zu erklären, „Sie redet von Versöhnung, aber ich rede auf keinen Fall davon und das habe ich ihr auch gesagt. Jetzt will sie die ganzen Sachen, die sie von mir noch hat, auf den Müll werfen und da sind Dinge dabei, die ich eigentlich behalten wollte.“ Ich machte eine kleine Pause, um zu sehen, ob Hyde vielleicht etwas dazu sagen wollte, aber er blieb still ... wenigstens keine weiteren Proteste.
„Haido“, sprach ich schließlich weiter, „ich weiß nicht, ob ich nicht schon längst wieder an ihrem Rockzipfel hängen würde, wenn ich dich nicht getroffen hätte. Aber ich habe dich getroffen und ich bin wirklich froh darüber. Du bist mir ein wichtiger Mensch geworden und das gestern Abend ... ich habe es sehr genossen. Ich weiß zwar immer noch nicht, ob man das, was ich gerade fühle, Liebe nennen kann, aber es fühlt sich gut an ... warm, schön und vor allen Dingen richtig. Haido, ich glaube, ich habe mich in die verliebt.“ Meine Güte, was redete ich da eigentlich für einen schmalzigen Mist zusammen? Es kam selbst mir so vor, als hätte ich ihm gerade einen Heiratsantrag gemacht. Aber es war eben die Wahrheit, egal wie kitschig es klang, und mir blieb nun nichts anderes übrig, als zu schweigen und auf seine Antwort zu warten, die zum Glück – wenn auch recht zögerlich – folgte.
„Ist das dein Ernst?“, fragte er, hob den Kopf und sah mich wirklich bettelnd an.
Ich lächelte darauf, küsste ihn flüchtig auf den Mund und nickte dann: „Ist es und- ... Hey, wieso heulst du jetzt?“
„Tu ich nicht!“
„Doch.“
„Lass mich in Ruhe!“
„Ganz sicher nicht“, beendete ich unser kleines Geplänkel, indem ich Hyde zurück in die Kissen drückte und über ihn herfiel.
Und meine Kamera? Nun ja ... aus verständlichen Gründen ging ich natürlich nicht zu Shizuka, weshalb sie meinen ganzen Kram tatsächlich in den Müll warf. Hyde half mir dann dabei, alles wieder herauszufischen.
THE END
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Sodele, das war's nun :3 Und ja, das Missverständnis musste nochmal sein *hust*
Eigentlich war die Story ja als OneShot und mit nur einer Nacht geplant, in der die beiden miteinander schlafen, Hyde sich verliebt, weil's so toll war, Gackt allerdings wieder mit seiner reuigen Freundin zusammenkommt und glücklich wird und Hyde logischerweise der leidende Dritte ist. Wie es nun doch fünf Kapitel mit Happy End werden konnten, ist mir schleierhaft xD Aber ich denke, dass ich so wesentlich weniger Zuspruch gefunden hätte ^^'
Ich hoffe also, dass es euch gefallen hat. Wenn ja, dann sagt es mir, wenn nicht, dann auch - wenn ihr wollt, versteht sich xD
Wir sehen uns ^0^~