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Mr. Moon

Verliebt in den Mann im Mond
von

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Der Mann im Mond

Hallo!

Das ist hier ist mein zweites, fortlaufendes (aber eher kleines) Slash/Eigene Serie- Projekt. Ich freue mich über jeden, der sich hier hin verirrt, es liest und Feedback da lässt.

Viel Spaß beim Lesen!

Liebe Grüße,

Ur

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»Fass mich nicht an, verdammte Scheiße!«

Ich hätte wissen sollen, dass das keine gute Idee ist, aber ich konnte meine Finger mal wieder nicht bei mir behalten und dafür bekomme ich auch prompt die Quittung. Alles, was ich sehe, ist ein Stück des azurblauen Himmels, bevor ich mit einem sicherlich ziemlich lauten Platschen in das Schwimmbecken falle und untergehe wie ein Stein. Mit einigen geübten Zügen komme ich zurück an die Oberfläche, spucke einen Schwall Chlorwasser und wische mir über die Augen. Das dröhnende Lachen meiner Teamkollegen dringt an meine Ohren und ich schnaube, ehe meine Augen den Grund für meine Bruchlandung im Schwimmbecken entdecken. Miro steht am Beckenrand und sieht aus, als hätte er nicht übel Lust, mir noch alles Mögliche hinterher zu schmeißen.

»Das nächste Mal bring ich dich eigenhändig um!«, blafft er mich an, dreht sich um und stapft in Richtung Umkleiden davon. Die Sonne knallt hinunter auf meine nassen Haare und ich schwimme zum Beckenrand, ignoriere das Glucksen von Tim und Andreas und schüttele mich wie ein Hund, ehe ich Miro in Richtung Umkleidekabinen folge.
 

So etwas passiert eigentlich ständig wenn wir Training haben. Miro geht seit einigen Monaten in meinen Schwimmverein und wir trainieren dreimal die Woche miteinander. Ich gebe offen und ehrlich zu, dass ich ein Auge auf ihn geworfen habe. Abgesehen davon, dass er ziemlich gut aussieht, mag ich seinen Humor und seinen Intellekt. Beides hab ich bereits sehr gut kennen gelernt. Wir verstehen uns eigentlich echt super, nur manchmal überkommt es mich und dann muss ich ihm einfach durch die dunklen, seidig weichen Haare wuscheln oder ihm vorzugsweise an den Hintern fassen. Miro findet das nicht besonders lustig, er reagiert jedes Mal fuchsteufelswild auf meine – zugegebenermaßen ziemlich plumpen – Annäherungsversuche. Als Homosexueller in einem Schwimmverein hat man es nicht leicht. Überall fast nackte – und heterosexuelle – Kerle. Am Anfang, direkt nach meinem Coming Out vor fast zwei Jahren, waren sie alle noch ziemlich reserviert und haben sich benommen wie die letzten Arschlöcher. Allein in den Umkleiden und beim Duschen… als würde ich sie sofort anspringen und ihnen an ihren heiligen Hintern gehen. Aber mittlerweile haben sie sich dran gewöhnt und sie reißen kaum noch Witze darüber, dass ich nicht – wie sie – auf Brüste stehe.
 

Als Miro dann neu zu uns kam, haben sie ihn gleich erstmal geimpft.

»Pass auf Finn auf, der steht auf die unverbrauchte Art.«

Abgesehen davon, dass Miro nicht wirklich unverbraucht wirkt, stimmt das auch gar nicht. Ich bin ja, was das Thema angeht, selbst noch einigermaßen unverbraucht. Auch wenn unverbraucht ein extrem dämliches Wort ist. Miro hat damals nur gelacht und gesagt, dass er sich dann ja keine Sorgen machen braucht. Musste er am Anfang auch wirklich nicht. Aber was kann ich dafür, dass er mir so gut gefällt? Ich steh wirklich auf alles an ihm, selbst auf den Leberfleck schräg über seinem Bauchnabel und auf seine leicht abstehenden Ohren, die er mit seinen etwas längeren Haaren immer verdecken will. Ich weiß auch, dass er eigentlich die Farbe lila mag, aber das keinem sagt, weil er es peinlich findet. Mich stört das nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass lila gut zu seinen Augen passen würde, aber wenn ich das laut sage, dann lande ich wohlmöglich gleich wieder im Schwimmbecken.
 

Wir waren schon öfter mit der ganzen Schwimmtruppe unterwegs und ich kann mit Miro eine Menge Spaß haben. Solange ich ihm nicht zu sehr auf die Pelle rücke.

Während ich also in Richtung Umkleide und Duschen stapfe, nehme ich mir vor ihm erstmal wieder ein paar Tage Ruhe vor meinen Anmachen zu gönnen, sonst kann er mich sicherlich irgendwann nicht mehr leiden. Und das will ich nicht riskieren, ich bin mir nämlich eigentlich sicher, dass er nur in so einer Art Identitätskrise steckt und eventuell auch nicht allzu abgeneigt vom gleichen Geschlecht ist.

Er ist schon fast fertig mit dem Umziehen. Meistens duscht er nicht hier, sondern zu Hause. Manchmal habe ich das dumpfe Gefühl, dass das an mir liegt, aber ich ignoriere diesen Verdacht so gut wie möglich. Ich achte nicht weiter auf ihn, sondern gehe direkt durch die Tür zu den Duschen, pelle mir die nasse Badehose vom Hintern und werfe sie achtlos in die Ecke.

»Hey Finn«, erklingt in diesem Moment Tims Stimme. Der hat den Kopf in den Duschraum gesteckt und sieht mich an, »übermorgen fällt Training aus, Rainer hat einen Wettkampf in Berlin. Dafür gehen wir abends zu Andi einen heben!«

Rainer ist unser Trainer. Er ist manchmal ein kleines bisschen furchteinflößend, aber das gibt natürlich niemand zu, immerhin sind wir alle harte Kerle und haben keine Schwächen. Manchmal finde ich Männer ziemlich lächerlich.
 

»Alles klar, ich bin dabei. Wie viel Uhr?«, erkundige ich mich, während ich nach meinem Duschgel greife und eine großzügige Portion davon auf meine Handinnenfläche laufen lassen.

»So gegen neun. Wir sehen uns!«

Tim zieht den Kopf zurück und verschwindet. Ich dusche in aller Ruhe und wickele mir anschließend mein gelbes Handtuch um die Hüften, nehme mein Duschgel und meine nasse Badehose, gehe zurück in die Umkleide und sehe Miro da sitzen. Ich bin kein bisschen verwundert, dass er noch da ist.

»Was machst du denn noch hier?«, frage ich ihn trotzdem und greife in meine Sporttasche. Ungeniert ziehe ich mir das Handtuch von den Hüften und krame nach meiner Boxershorts.

»Gehst du übermorgen zu Andi?«, fragt er in ruppigem Ton ohne auf meine Frage zu antworten und als ich aufschaue, merke ich, dass er entschlossen die Wand anstarrt. Offensichtlich findet er mich in nacktem Zustand gruselig.
 

»Ja, klar. Wird sicher witzig. Du nicht?«, will ich wissen und trockne mich mehr schlecht als recht ab, ehe ich in meine rote Boxershorts steige und meine Haare ein bisschen trocken rubbele.

»Doch, ich denk schon«, antwortet er und hält es scheinbar wieder für ungefährlich zu mir hinzusehen. Seine Stirn ist leicht gerunzelt.

»Du guckst, als hättest du noch nie einen Typen in Shorts gesehen«, sage ich grinsend und augenblicklich wird er rot und starrt mich wütend an.

»Baggerst du mich etwa schon wieder an?«, knurrt er ungehalten und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich muss lachen. Manchmal finde ich ihn echt niedlich. Aber normale Männer finden natürlich nichts und niemanden niedlich und so behalte ich das für mich.

»Wenn’s dich so stört, wieso hast du dann auf mich gewartet?«, frage ich unumwunden, ziehe meine Jeans an und schlüpfe in meine Socken. Ich habe ungefähr vierzig Paar gleiche Socken, sie sind alle dunkelblau. Das hat den Vorteil, dass es nicht so schlimm ist, wenn ich mal eine davon verliere.
 

»Ich hab nicht auf dich gewartet«, braust er sofort auf. Ich steh ziemlich drauf, wenn er sauer ist. Seine Augen funkeln dann immer so schön. Die sind türkisblau und erinnern mich an die Farbe von dem Wasser im Schwimmbecken, wenn die Sonne drauf scheint. Klingt abgeschmackt. Aber es stimmt wirklich. Jetzt gerade sehen sie auch wieder so aus.

»Sicher nicht. Du sitzt hier nur zum Spaß, weil alle anderen schon weg sind«, gebe ich zurück, wickele meine Badehose in das Handtuch und stopfe es zurück in meine Sporttasche, dann ziehe ich mir mein weißes Poloshirt über und steige in meine ausgelatschten Turnschuhe. Miro erhebt sich, offenbar gründlich schlecht gelaunt.

»Brauchst du dir gar nichts drauf einbilden«, mault er und stapft an mir vorbei, die Hände in den Hosentaschen vergraben und offenbar vergrämt. Ich schüttele grinsend den Kopf, werfe mir die Tasche über die rechte Schulter und folge ihm.
 

Am Ausgang des Schwimmbads gehe ich zu meinem Fahrrad hinüber, schließe es auf und stecke den Schlüssel in meine Hosentasche. Mein Fahrrad ist so alt, dass es sicherlich bald auseinander fällt. Es gehörte meiner großen Schwester, die aber schon seit zwei Jahren nicht mehr bei uns zu Hause wohnt. Das Ding ist eigentlich silbern. Weil ich es auch im Winter und im Herbst benutze, ist es eher braun. Ein dreckiges, klappriges Damenrad, für das ich ständig ausgelacht werde. Aber solang es fährt, werfe ich mein Geld garantiert nicht für ein Neues aus dem Fenster.

»Die alte Schrottlaube fällt dir sicher bald unterm Arsch auseinander«, informiert Miro mich und ich sehe seine Mundwinkel kaum merklich zucken. Offenbar hat er mir mein Gegrabbel von vorhin schon verziehen.

»Wenn ich sterbe, vererbe ich dir die Einzelteile«, verspreche ich ihm mit ernster Miene, woraufhin er mir gegen den Muskelansatz am Oberarm boxt. Ich jaule gespielt schmerzvoll auf.

»Wenn ich nicht in einem Radunfall sterbe, dann sicherlich durch deine gewalttätigen Übergriffe auf mich«, beklage ich mich bei ihm. Er lacht.
 

Ich mag sein Lachen. Er ist niemand, der laut loslacht oder den Mund großartig aufreißt. Er hat auch nicht so eine dreckige Lache wie manch anderer Kerl aus unserem Schwimmverein. Es ist so eine leise Lache, die mir immer einen angenehmen Schauer über den Rücken jagt. Alles in allem fällt mir aber sowieso nichts ein, was ich nicht an ihm mag. Also sind all die Kleinigkeiten, die ich an ihm toll finde, vielleicht schon nichts Besonderes mehr.

»Du schuldest mir immer noch eine Antwort«, sagt er dann und sieht mich wieder so von der Seite an. Ich hebe eine Augenbraue und tue so, als wüsste ich nicht, wovon er redet. Aber natürlich weiß ich das. Insgeheim nenne ich ihn für mich immer Mann im Mond. Ich hab eigentlich nie vorgehabt, ihm das zu sagen, aber letztens ist es mir rausgerutscht. Jetzt hackt er seit einer Woche darauf rum und will unbedingt wissen, wieso ich ihn so genannt habe. Aber ich werd einen Teufel tun und ihm auch noch sagen, dass ich bei Vollmond nie schlafen kann. Und genauso wenig kann ich schlafen, wenn ich an ihn denken muss. Also eigentlich immer. Das ist ganz schön kitschig und lächerlich und vor allem ist das anstrengend für mich, aber ich kann es leider nicht ändern.
 

»Vielleicht erzähl ich’s dir irgendwann mal«, sage ich vage und wedele mit der Hand. Er grummelt nur und geht wieder eine Weile lang schweigend neben mir her, bis wir schließlich sein Haus erreichen. Ich gehe jedes Mal nach dem Schwimmen einen Umweg bis zu ihm nach Hause und er wartet jedes Mal nach dem Schwimmen auf mich, damit ich ihn noch heim bringe. Natürlich leugnet er jedes Mal, dass er auf mich wartet.

»Dann bis übermorgen«, sage ich und hebe zum Abschied die Hand. Er tut es mir gleich und geht durch den kleinen Vorgarten bis hin zur rot lackierten Haustür, die aus dem weißen Backstein stark hervorsticht.

»Bis dann«, sagt er noch, dann schließt er die Tür auf und verschwindet dahinter. Ich wende mein Fahrrad, klemme die Tasche behutsam auf den lädierten Gepäckträger und steige auf, ehe ich losfahre. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er heute – genau wie jedes Mal – wieder an seinem Fenster steht und mir nachschaut.

Neumond

So, hier haben wir schon das zweite Kapitel. Vielen Dank für die lieben Kommentare, ich hab mich sehr gefreut. Ich hoffe, euch gefällt das zweite Kapitel genau so gut wie das erste.

Viel Spaß damit!

Liebe Grüße,

Ur

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Der Abend ist lau und voll von Grillenzirpen. Andis Eltern sind nicht zu Hause, deswegen haben wir uns in den Garten gesetzt. Normalerweise verschanzen wir uns in seinem Dachbodenzimmer, damit seine Eltern nichts von dem Alkohol mitkriegen, den wir konsumieren. Und zwar in ziemlich großen Mengen. Es wäre irgendwie blöd, wenn man die Treppe runtertorkelt, in den Flur kotzt und dann plötzlich Andis Mutter gegenüber steht. Tim hat das einmal gemacht. Seitdem hat er so was wie Hausverbot bei Andis Familie. Kann ich sogar verstehen. Der Teppich, auf den er gekotzt hat, war ziemlich teuer, glaube ich. Trotzdem ist er heute hier. Andi hat ihm versichert, dass seine Eltern erst am Sonntagnachmittag wieder kommen. Und da wir heute Freitag haben, hatte Tim keinerlei Skrupel das Haus zu betreten.
 

Vorhin beim Schwimmtraining hab ich es geschafft, nicht irgendwie an Miro rumzutatschen, auch wenn es mir immer schwer fällt. Das ist ja das Blöde am Schwimmen. Man hat kaum was an. Ich seh Miro ständig fast ganz nackt und das wird mich sicherlich noch eines Tages wahnsinnig machen. Wenigstens ist mein Körper kein Verräter und ich bekomme nicht jedes Mal eine Latte, wenn ich ihn ansehe. Dann würde ich praktisch mit einem Dauerrohr durch die Gegend laufen und dann wiederum würde Miro mich sicherlich umbringen, weil er dann nämlich genau weiß, dass das an ihm liegt.

Im Moment sitzt er neben mir auf einem Gartenstuhl, bequem nach hinten gelehnt, breitbeinig und die Haare wie immer fransig in der Stirn und über den Ohren hängend, damit man seine abstehenden Ohren nicht sieht. Mich stören die kein bisschen, aber Jungs sind ja im Allgemeinen ziemlich eitel. Mich schließt das nicht aus. Ich habe heute ganze drei Minuten für meine perfekt sitzende, gegelte Frisur gebraucht. Das ist ein Langzeitrekord. Falls mir jemand Sarkasmus vorwerfen möchte, distanziere ich mich ausdrücklich davon…
 

Ich halte ein Bier in der linken Hand, mit der rechten schiebe ich mir ständig Salzstangen in den Mund. Miro trinkt auch Bier. Andi und Tim haben sich Whiskey eingeschenkt und Arne und Lennard können sich offenbar nicht entscheiden, die trinken beide noch Cola.

Wie so oft hab ich die Nacht nicht wirklich gut geschlafen. Zwar kriege ich tagsüber wegen Miro beim Schwimmen kein Rohr, dafür aber abends im Bett, wenn ich zu viel über ihn nachdenke. Das ist anstrengend. Ich komme mir vor wie eine pubertäre Hormonschleuder, dabei bin ich Anfang zwanzig. Man könnte meinen, ich sei über so etwas wie tägliches Masturbieren erhaben. Aber nein. Da kam Miro daher und zerstörte meine geistige Reife mit seinen türkisblauen Augen und dem Leberfleck schräg über seinem Bauchnabel. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Ich glaube, wenn er von meinen abendlichen Gedanken an ihn wüsste, dann wäre er schon längst aus dem Schwimmverein ausgetreten und hätte die Stadt verlassen.
 

»…und dann hat sie ihren BH ausgezogen und ich dachte, ich guck nicht richtig!«, erzählt Andi gerade und stellt sein Glas mit Whiskey- Cola auf dem Tisch ab, um wild mit den Armen in der Luft rumzufuchteln, »Die sind in echt nur halb so groß wie sie aussehen! Alles ausgestopft, Alter!«

Tim schüttelt grinsend den Kopf und Arne sieht fast enttäuscht aus. Ich enthalte mich diesem Gespräch über Lenas Brüste. Die interessieren mich – was für eine Überraschung – herzlich wenig.

»Das sieht man doch, dass ihre BHs ausgestopft sind«, ist Miros Beitrag zu diesem Thema. Ich sehe ihn von der Seite her an. Na toll. Er hat Lena auf die Brüste gestarrt. Ich hab keine Chance. Lena ist die Nr. 1 Ich-muss-sie-ins-Bett-kriegen-Blondine in unserem Dorf. Und Andi ist der Nr. 1 Ich-will-jedes-gutaussehende- Mädchen-wenigstens-einmal-bumsen-Macker aus unserem Dorf. Gestern hat das mit Lena wohl endlich geklappt, nachdem er uns wochenlang die Ohren vollgenölt hat, dass er sie mal ficken will.

»Also ich seh so was nicht«, erklärt Lennard schulternzuckend und entscheidet sich dann doch für ein Bier, öffnet die Flasche und trinkt einen großen Schluck.

»War sie denn wenigstens gut?«, gluckst Tim heiter und trinkt sein Glas aus. Ich weiß jetzt schon, wer als erster voll ist. Hoffentlich kotzt er nicht wieder irgendwo hin.
 

Andi verliert sich in weiten Ausschweifungen von lautem Gestöhne und einem unschlagbar guten Blow- Job, aber über die ausgestopften BHs kommt er scheinbar trotzdem nicht hinweg, denn nachdem er seinen Sex mit Lena in aller Ausführlichkeit beschrieben hat – alle außer mir und Miro hängen an seinen Lippen – kommt er noch mal darauf zurück.

»Höchstens B. Und ich dachte immer, sie hätte D oder so«, sagt er und klingt ein wenig leidend. Hatte ich schon mal erwähnt, wie lächerlich Männer manchmal sind?

Miro sagt nichts dazu. Er nippt lässig an seinem Bier und ich kann es mir nicht verkneifen, kurz auf seinen Mund zu starren, als er sich mit der Zungenspitze etwas Schaum von der Oberlippe leckt. Herrgott, ich bin scheinbar komplett sexuell frustriert.

»Da hast du wenigstens kein Problem mit!«, sagt Andi laut und feixt mich über den Tisch hinweg an, »Kerle können sich ja nichts ausstopfen!«

Ich hebe eine Augenbraue.

»Hast du schon mal Queer as Folk gesehen?«, erkundige ich mich. Alle starren mich an, als hätte ich etwas total Absurdes gesagt.

»Meinst du diese Schwulen- Sendung?«, haucht Arne ungläubig und nimmt einen sehr großen Schluck von seinem Bier.
 

Ich nicke. Mein Blick huscht kurz zu Miro, der besonderes Interesse an seiner Motte zeigt, die um die Laterne auf dem Gartentisch herum schwirrt.

»So was guck ich mir doch nicht an, man«, sagt Tim entrüstet. Ich verdrehe die Augen.

»Jedenfalls gibt es in der ersten Folge diesen Kerl, der sich vorn und hinten die Hose ausgestopft hat«, erkläre ich. Wenigstens kann ich ein bisschen was zu dem Thema beitragen. Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt die Art von Beitrag ist, die die Jungs mögen. Sie starren mich an, als wäre ich der Geist von Elvis.

Miro leert sein restliches Bier in einem Zug und nimmt sich ein neues. Während er sich nach dem Kasten bückt, fallen ihm seine dunklen Haare ins Gesicht. Ich habe nicht übel Lust, sie ihm aus der Stirn zu streichen, aber dann erwürgt er mich sicher noch, bevor ich meine zweiundvierzigste Salzstange aufgegessen habe.

Tim schenkt sich gerade sein drittes Glas Whiskey- Cola – die Cola dient in diesem Fall nur zur Färbung der Mischung – ein und sieht mich ziemlich glasig über den Tisch hinweg an.

»Hast du’s schon mal mit ’nem Kerl getrieben?«, will er wissen. Ich weiß sehr wohl, dass er das nur fragt, weil er nicht mehr nüchtern ist. Und obwohl sich die anderen offiziell vor Kerlen wie mir ekeln, sehen sie ziemlich neugierig aus. Ich räuspere mich verhalten.
 

»Ähm«, sage ich lang gezogen und zögere den Moment der deprimierenden Wahrheit so lange es geht hinaus, »nein.«

Tim sieht enttäuscht aus.

»In deinem Alter kann man doch nicht mehr Jungfrau sein, Alter! Das ist doch total peinlich!«

Wenn ich im nächsten Leben wieder geboren werde, dann bitte als Frau oder als Ameise. Dann ist es nämlich vollkommen egal, wann man keine Jungfrau mehr ist. Männer haben den ersten Sex am besten schon, bevor sie geboren wurden.

»Ich bin keine Jungfrau mehr«, sage ich widerstrebend. Tims Augen werden rund wie Teller und Arne beugt sich so weit vor, dass ich nur darauf warte, dass er gleich vom Stuhl fällt.

»Du meinst, du hast es mal mit ’nem Mädchen getrieben?«, will Lennard wissen und er sieht so ungläubig aus, als hätte ich ihm gerade erklärt, ich sei eigentlich der amerikanische Präsident nach einer Schönheits- OP.

»Ja«, sage ich und bin ein bisschen frustriert, weil die Jungs das scheinbar nicht für möglich gehalten haben. Aber ich weiß schließlich nicht schon seit meinem fünfzehnten Lebensjahr, dass ich schwul bin, sonders erst seit dem achtzehnten. Dazwischen liegen drei Jahre, in denen ich nicht gerade enthaltsam war.
 

Miro scheint vollkommen desinteressiert an diesem Thema zu sein. Er hat sich auf seinem Stuhl noch etwas tiefer sinken lassen, trinkt ziemlich schnell seine zweite Flasche Bier aus und starrt hoch in den dunkler werdenden Himmel, der schon mit Sternen übersät ist. Den Mond kann ich nirgendwo sehen.

»Wann hattest du das erste Mal mit ’ner Frau?«, fragt Andi. Ich räuspere mich.

»Mit fünfzehn.«

Die Jungs brechen in lautes Gejohle aus, was Miro dazu bringt, die Augen zu verdrehen. Ich weiß, dass er gerade genau das gleiche denkt wie ich.

Jetzt wollen sie alles ganz genau wissen und als ich ihnen detaillierte Beschreibungen meines früheren Sexuallebens verweigere, sehen sie richtig enttäuscht aus. Aber sie werden schnell von Andi getröstet, der ihnen eine Schote aus seiner Realschulzeit erzählt, die von zwei Mädchen, ihm selbst und einer Menge Schlagsahne handelt.
 

Die weiteren Gespräche des Abends handeln von Pornos, Motorrädern und Actionfilmen, so wie sich das für echte Männer gehört. Miro und ich scheinen weniger echte Männer zu sein als die anderen vier, wir beteiligen uns eher weniger an diesen Themen und Miro scheint entschlossen zu sein, sein Schweigen zu nutzen und möglichst viel Bier zu trinken. Ich habe ihn noch nie betrunken erlebt. Vielleicht wird das heute eine Premiere.

Um kurz vor zwölf ist es so weit und Tim wird schlecht. Er stolpert in Richtung Nachbarszaun davon, weil Andi ihm eingeschärft hat, bloß nicht irgendwo aufs Grundstück zu kotzen. Tim nimmt ihn beim Wort und kotzt stattdessen dem Nachbarn in einen Hortensienbusch. Lennard und Arne brüllen vor Lachen, Andi flucht und ich und Miro werfen uns einen vielsagenden Blick zu, der in etwa ‚Vielleicht sollten wir langsam gehen’ bedeutet.

»Wir machen uns jetzt mal langsam auf den Weg«, sage ich und erhebe mich, schnappe mir die letzten drei Salzstangen und trinke meine Restpfütze Bier aus. Auch Miro erhebt sich und schwankt leicht auf der Stelle, ehe er sich schließlich fängt.
 

Wir verabschieden uns von Andi, Arne und Lennard. Tim lassen wir am Zaun stehen und schlendern zum Gartentor, an dem auch mein Fahrrad lehnt. Ich schließe es auf und schiebe es neben Miro her, während wir durch die kleinen Straßen unseres Dorfes schlendern, Miro in kaum merklichen Schlangenlinien.

Er ist derjenige, der das Schweigen schließlich bricht.

»Findest du’s peinlich, in unserm Alter noch Jungfrau zu sein?«, erkundigt er sich eine Spur zu beiläufig und es klingt so, als wäre seine Zunge ziemlich schwer vom Alkohol.

»Nein«, gebe ich zurück. Ich bin auch ein bisschen angetrunken und das ist sicherlich auch der Grund dafür, wieso mein Gehirn sich plötzlich mit versauten Gedanken füllt, die sich allesamt um Miro drehen, der es mir gestattet, ihn – und mich – zu entjungfern. Ich hätte vielleicht ein oder zwei Bier weniger trinken sollen.
 

»Oh«, sagt er und fährt sich durch die Haare, sodass ich kurz einen Blick auf seine Ohren werfen kann, »gut.«

Von Andi bis zu Miro ist es ein gutes Stück zu Fuß. Wir reden über Filme und Bücher und übers Schwimmen und beschließen in gegenseitigem Einverständnis, dass Pornos scheiße sind. Das Thema Jungfräulichkeit kommt nicht noch einmal zur Sprache, auch wenn ich mir fast sicher bin, dass Miro immer noch darüber nachdenkt. Ich versteh gar nicht, wieso er noch Jungfrau ist. Ich glaube, viele Mädchen würden mit ihm in die Kiste steigen. Er sieht gut aus, ist nett, sehr schlau und man kann sich super mit ihm unterhalten. Und er hat diesen entzückenden Leberfleck…

Meine Gedanken schweifen kurz ab, sodass ich kaum merke, dass wir schon fast vor Miros Haus angekommen sind. Dann bleibt er plötzlich stehen.
 

»Du hast ja noch nie mit ’nem Jungen geschlafen, oder?«, fragt er plötzlich aus heiterem Himmel. Ich nicke ein wenig verwirrt. Noch verwirrter bin ich, als er das Fahrrad nimmt und es gegen den Zaun neben sich lehnt.

»Schon mal einen geknutscht?«, will er wissen. Gerade öffne ich den Mund, um zu antworten, da hat er seine Arme um meinen Nacken geschlungen und seine Lippen auf meine gedrückt. Ich erstarre zu einer Salzsäule und beinahe sofort meldet sich mein Schritt und die Hose wird eng, als mir vollkommen bewusst wird, dass Miro mich gerade küsst.

Ich vergesse auf der Stelle, dass er Schwule scheiße findet, dass ich ihn nicht anfassen soll und dass wir beide betrunken sind.

Meine Arme schlingen sich wie von selbst um seinen schlanken Oberkörper und ich zieh ihn näher zu mir. Er ist nur ein winziges bisschen kleiner als ich.

Er schmeckt nach Bier und Kirschbonbons und ich küsse ihn so heftig, dass mir selbst ganz schwindelig davon wird. Mein Kopf ist leer gefegt und mein ganzer Körper kribbelt aufgeregt und verlangend zugleich. Ich will nie wieder aufhören ihn zu küssen.

Als er gegen meine Lippen keucht, zuckt ein erregter Blitz durch meinen Körper und unweigerlich kralle ich meine Finger für einen Moment fester in sein T-Shirt.
 

Es ist ein Kuss ohne Zunge und er ist trotzdem so intensiv, dass ich das Gefühl habe, meine Beine müssten jeden Moment nachgeben. Ich habe keine Ahnung, was eigentlich los ist. Ich weiß nicht, wieso er mich küsst.

Aber als er sich von mir löst, zwei Schritte rückwärts geht und ich seinen verhangenen Blick sehe, bin ich mir sicher, dass er es schon bereut. Er starrt mich an wie den Teufel persönlich und ich möchte unbedingt irgendetwas sagen, aber meine Kehle ist staubtrocken und ich weiß ohnehin nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nur jetzt mit hundertzwanzig prozentiger Sicherheit, dass ich Miro komplett verfallen und Hals über Kopf in ihn verliebt bin. Er wischt sich mit dem Handrücken über den Mund, dann dreht er sich um und hastet in Richtung seines Hauses davon. Ich versuche nicht, ihm zu folgen. Schweigend nehme ich mein Rad und schiebe es an seinem Haus vorbei, ohne zu seinem Fenster zu sehen, in dem ohnehin kein Licht brennt. Mein Gehirn fühlt sich immer noch leer an. Fahrradfahren kann ich nicht, weil meine Beine sich anfühlen wie Pudding. Ein kurzer Blick in den Himmel sagt mir, dass heute Neumond ist.

Mondfinsternis

So! Hier ist das dritte und somit vorletzte Kapitel von Finn und Miro ;) Es ist diesmal etwas kürzer, aber ich hoffe, dass ihr mir das verzeihen könnt.

Viel Spaß beim Lesen wünsche ich und danke für die lieben Kommentare bisher!

Liebe Grüße,

Ur

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Ich schlafe die ganze Nacht nicht. Mein Körper und mein Kopf sind voll von Miros Kuss. Warum hat er das gemacht? Er hat immer wieder gesagt, dass ich ihn nicht anfassen soll, selbst wenn ich ihm mal auf die nackte Schulter geklopft habe, hat er sich steif gemacht. Und jetzt plötzlich küsst er mich. Und zwar nicht nur so ein bisschen, sondern so richtig und innig und so, dass meine Beine sich selbst im Liegen noch anfühlen wie Wackelpudding. Seine Lippen sind immer noch gegenwärtig, als hätte irgendwer sie auf meinen Mund tätowiert. Ich versuche es zwei Stunden lang mit Schlafen, aber das klappt nicht, also stehe ich auf und gehe im Zimmer auf und ab. Meine Beine finden das nicht gut. Mein Herz schreit nach noch so einem Kuss. Mein Kopf verlangt eine Erklärung. Aber ich weiß genau, dass Miro mir keine Erklärung geben wird, selbst wenn ich ihm aufs Dach steige. Ich weiß auch, dass er mich wegen des Alkohols geküsst hat, aber selbst wenn ein Kerl, der Schwule nicht mag, betrunken ist, küsst er doch nicht einfach einen anderen Jungen. Das ist absolut unlogisch. Der einzige Schluss, zu dem ich komme und der irgendwie ein wenig einleuchtend klingt, ist, dass Miro eigentlich gar nichts gegen Schwule hat, sondern immer nur so tut. Und dass er vielleicht sogar selber bi oder schwul ist und das nicht zugeben will. Wieso auch immer. Viele haben ja mit so was Probleme.
 

Ich schalte das Licht an und starre in den Spiegel an meinem Kleiderschrank. Meine dunkelblonden oder braunen oder besser: meine undefinierbar gefärbten Haare sehen aus wie eine Schuhbürste, weil ich mir ständig nervös mit den Fingern darin herum fahre. Ich habe Augenringe, die fast bis zum Kinn gehen. Zum ersten Mal in meinem Leben stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob ich eigentlich gut aussehe. Ob Miro mich vielleicht ein bisschen gutaussehend findet. Mein Gesicht ist ziemlich eckig und meine Augen haben genauso eine undefinierbare Farbe wie meine Haare. Alles in allem finde ich, dass ich ziemlich langweilig aussehe. Das einzige, was ein bisschen auffällt, sind die hohen, hervorstehenden Wangenknochen. Aber ich fürchte, das macht den Kohl auch nicht mehr fett. Wenigstens hab ich eine gute Figur. Unweigerlich wandern meine Gedanken zu Miro. Er ist hübsch für einen Jungen, mit seiner blassen Haut, den dunklen Haaren und diesen türkis- farbenden Augen. Mit den leicht abstehenden Ohren und dem kleinen Leberfleck. Mit seinen schlanken Händen und seinem muskulösen Rücken. Manchmal möchte ich die Sommersprossen zählen, die über sein ganzes Gesicht verteilt sind. Aber ich darf ja nicht zu nah rangehen…
 

Heute Nacht durfte ich ganz nah rangehen. Aber so nah, wie ich heute Nacht dran war, hätte ich seine Sommersprossen ohnehin nicht zählen können. Aber wer denkt schon ans Sommersprossenzählen, wenn man so einen Kuss bekommt? Zur Abwechslung spannt meine Shorts. Ich werfe einen resignierten Blick nach unten und entdecke das Zelt, das sich dort mal wieder gebildet hat. Toll. Wirklich toll. Das einzig Gute, was sich über all diesen Mist sagen lässt, ist, dass morgen Samstag ist und ich ausschlafen kann, falls ich überhaupt noch zur Ruhe komme.

Ich versuche mich mit Lesen abzulenken. Ich gucke den neuen Star Trek Film zum siebten Mal. Dann ist es fünf Uhr morgens und ich bin immer noch total aufgekratzt. Wer immer auch behauptet haben mag, dass Alkohol müde macht, der hat gelogen. Ich fühle mich von meinem Bier betrogen. Aber es fühlt sich ohnehin so an, als hätte ich nie etwas getrunken. Ich fühle mich so nüchtern wie schon lange nicht mehr. Einen theatralischen Moment lang stelle ich mir vor, wie es wäre, nie wieder schlafen zu können. Wenn ich nicht so schriftstellerisch unbegabt wäre, würde ich eine Geschichte darüber schreiben.
 

Um halb sieben schlafe ich schließlich ein. Wie nicht anders erwartet träume ich von Küssen und nackter Haut und Sommersprossen und türkis- farbenden Augen. Als ich um zwei Uhr nachmittags aufwache, fühle ich mich komplett erschlagen, als hätte ich gestern die ganze Kiste Bier allein getrunken.

Der Tag zieht sich hin wie Kaugummi. Selbst ein Anruf meiner Schwester kann mich nicht aufheitern. Morgen ist wieder Schwimmtraining und meine Gefühlswelt kann sich nicht zwischen Horror und unbändiger Freude entscheiden. Ich will Miro unbedingt wieder sehen, aber ich weiß nicht mal ob ich es hinbekomme, ihm in die Augen zu sehen.

Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, dann weiß ich gar nicht mehr so genau, wie ich diesen Tag überhaupt herum bekommen habe. Und ich hab keine Ahnung, wieso ich mich nicht auf mein klappriges Damenrad geschwungen hab und zu Miro gefahren bin, um Sturm zu klingeln und ihn zu fragen, was eigentlich mit ihm los ist. Meine Fresse. Die schreckliche Wahrheit ist: Ich vermisse ihn!
 

Elf Uhr vormittags am Sonntag kommt viel zu schnell. Ich bin so zerstreut, dass ich beinahe vergesse meine Badehose einzupacken und ich kann mir in etwa das Gesicht meiner Jungs vorstellen, wenn ich beschließe nackt ins Becken zu gehen. Allen voran wäre Miro sicher komplett entsetzt über einen nackten Schwulen.

Ausnahmsweise gehe ich zu Fuß. Vielleicht liegt das daran, dass ich möglichst langsam dort ankommen möchte. Als ich dann schließlich in der Umkleide stehe, sind alle anderen schon draußen am Becken. Ich höre ihr Lachen und ich sehe Miros Tasche nirgendwo. Hastig ziehe ich mich um, dann trete ich hinaus ins Freie. Er ist nicht da.

Da sind Tim und Andi, die über irgendeinen blöden Witz lachen, Lennard und Arne, die sich mit Wasser aus dem Becken nass spritzen. Über uns ist der azurblaue Himmel mit einigen Schäfchenwolken und der Pool glitzert in der Sonne wie Miros Augen, wenn er wütend ist. Aber er ist nicht da. Eine Nanosekunde lang frage ich mich, wieso er nicht da ist. Dann schüttele ich beinahe den Kopf über meine Dummheit. Warum wohl nicht? Wegen vorletzter Nacht. Er will mich nicht sehen. Die Wahrheit tut weh wie eine Bauchlandung vom Zehn- Meter- Brett.
 

Auch die nächsten beiden Male ist Miro nicht beim Training. Selbst Rainer hat schon gemerkt, dass ich blass und ungesund aussehe, obwohl er solche Tatsachen normalerweise nicht wirklich wahrnimmt. Ich schlafe noch weniger als sonst. Abgesehen davon, dass ich Miro vermisse wie verrückt, habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Irgendwer meinte, Miro hätte angerufen und gesagt, er sei erkältet. Aber ich bin mir zu 150 Prozent sicher, dass das gelogen ist. Mindestens hundert Mal überlege ich, ob ich hinfahren soll, um mich bei ihm zu entschuldigen für was auch immer ich falsch gemacht habe. Aber gerade als ich kurz davor bin, genau das zu tun, da taucht er nach einer Woche an einem Mittwoch doch wieder beim Training auf.

Einen winzigen Moment lang habe ich das Bedürfnis ihn zu umarmen und nicht mehr loszulassen. Dann ist er auch schon an mir vorbeigegangen ohne einen Blick oder ein winziges »Hallo«. Ich stehe ganze dreißig Sekunden stumm da und starre vor mich hin, als hätte ich einen Geist gesehen. Schließlich zieht mich irgendwer am Arm und ich lande rücklings im Becken und gehe wieder einmal unter. Diesmal habe ich ein winziges bisschen das Gefühl, dass mein Herz mich in die Tiefe zieht. Ich hasse Sentimentalität.
 

Ich bin beim Training der schlechteste im 100m Schmetterlingsstil. Dabei ist das sonst meine Paradedisziplin. Beim Kraulen erklärt Rainer mir, wenn ich im Oktober mit nach München zum Wettkampf will, dann muss ich meinen jämmerlichen Stil verbessern. Ich habe das dringende Bedürfnis mich in dem Miros- Augen- farbenden Wasser zu ertränken. Trotzdem beeile ich mich nach dem Training, haste in die Umkleide und sehe mich um. Nur Andi sitzt da und zieht sich gemächlich eine graue Socke an.

»Ist Miro schon weg?«, will ich wissen, obwohl ich die Antwort schon kenne. Andi gähnt und nickt.

»Ja, der ist eben raus. Wieso?«, fragt er und zieht sich die zweite Socke an. Mein Inneres fühlt sich an, als hätte jemand alles hinaus gepumpt. Das ist das erste Mal, dass er nicht gewartet hat.

»Ach… nur so«, meine ich und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Ich verzichte aufs Duschen. Alles, was ich will, ist schnell nach Hause zu kommen.

Immer wenn in Filmen von Liebeskummer die Rede war, hab ich nie gewusst, was genau das eigentlich bedeuten soll. Jetzt weiß ich es. Weil Miro nicht mehr mit mir redet, weil er mich nicht mehr ansieht und nicht auf mich gewartet hat. Ich hab das Gefühl, dass ich das nie wieder gut machen kann. Was auch immer. Auch wenn ich alles dafür geben würde, wenn der Mond nur wieder scheint.

Vollmond

So. Und hier melde ich mich schon mit dem letzten Kapitel von Mr. Moon. Ich hoffe, dass es euch gefällt. Ich hab mich ziemlich in die beiden verliebt und grübele schon die ganze Zeit über eine Fortsetzung nach. Aber das steht noch in den Sternen. Danke für euer Feedback und die Favoriteneinträge!

Viel Spaß beim Lesen,

Liebe Grüße,

Ur

_______________________
 

Ich gehe die nächsten Male nicht zum Training.

Eigentlich ist das dumm von mir und das weiß ich auch, aber ich hab einfach das Gefühl es nicht ertragen zu können, wenn Miro mich nicht mehr ansieht und nicht mehr mit mir redet und nicht mehr auf mich wartet. Vielleicht bin ich ein Weichei. Oder ein Feigling. Aber vor allen Dingen bin ich verliebt. Und ich hätte nie gedacht, dass das erste Mal so scheiße sein kann. Irgendwie hab ich es mir immer anders vorgestellt. Fröhlich, glücklich, ungetrübt. So wie unser Schwimmbecken. Und jetzt das. Meine Mutter hat mich schon mindestens zehn Mal gefragt, wieso ich nicht zum Training gehe, weil sie genau weiß, wie viel Freude mir das Schwimmen immer gemacht hat. Aber so blöd es auch klingen mag, ohne Miro hab ich nur noch halb so viel Spaß daran. Hobbies sind nutzlos, wenn man sie nie mit irgendwem teilen kann. Zumindest finde ich das.
 

Die einzige Person, der ich von all meinem Schlamassel erzähle, ist meine große Schwester, Anna. Anna rät mir, unbedingt mit Miro zu reden aber ich weiß nicht, wie ich das machen soll, wenn er immer nur vor mir wegläuft. Sie war wirklich sehr nett am Telefon. Aber da ist dieser unterschwellige Unterton, der mit sagt, dass jeder Mensch schon mal Liebeskummer hatte und dass nicht alles immer gut ausgehen kann. Aber ich stelle fest, dass ein winziger Teil in mir der festen Überzeugung ist, dass all das gefälligst gut ausgehen muss. Ich will Miro nicht aufgeben.

Wir haben jetzt zwei Wochen lang nicht miteinander geredet und uns nur dieses eine Mal beim Training gesehen, als er eigentlich immer nur durch mich hindurch gesehen und mich ignoriert hat. Diese zwei Wochen fühlen sich an wie eine verdammte Ewigkeit. Am Freitag dann, genau zwei Wochen nach dem Kuss, halte ich das alles nicht mehr aus. Ich schleife mein Rad aus dem Keller und bin fest entschlossen, zu Miro zu fahren und mit ihm zu reden. Ich werde ihn einfach dazu zwingen, mit mir zu reden. Dass es schon fast halb elf abends ist, ignoriere ich elegant. Es ist immerhin Wochenende und Miro ist sicherlich noch wach.
 

Als ich allerdings vor seinem Haus ankomme, stelle ich wieder einmal fest, dass mein grenzenloser Optimismus mich enttäuscht hat. In seinem Fenster brennt kein Licht und auch sonst ist in dem Haus alles dunkel. Entweder er schläft schon, oder er ist ausgegangen. Resigniert starre ich einen Moment lang den Himmel an, der – wie so oft im Sommer – sternenübersät ist. Wir haben einen halben Mond am Firmament hängen. Er sieht heute ungewöhnlich groß aus und hilft mir nicht dabei, meine Laune zu verbessern. Immerhin ist Miro mein Mann im Mond. Ich starre ganze zwei Minuten den Mond an und komme mir vor wie ein psychopathischer Vampir.

Dann trete ich seufzend in die quietschenden Pedale und fahre die Straße hinunter. Allerdings bin ich nicht scharf darauf nach Hause zu fahren. Stattdessen fahre ich zum Schwimmbad. Es gibt da dieses Loch im Zaun, was nie geflickt wurde und ich glaube, ich bin einer der wenigen, der es entdeckt hat. Einbruch im Freibad ist natürlich nichts Erstrebenwertes, aber das hier ist der Ort, an dem ich Miro kennen gelernt habe und ich hab einfach das Bedürfnis, ihm irgendwie nahe zu sein. Und wenn es schon nicht direkt geht, dann eben über jämmerliche Umwege.
 

Ich stelle mein Rad am Zaun ab und klettere etwas unbeholfen durch das Loch im Zaun. Man hört meine Turnschuhe kaum auf dem rötlichen Steinboden und nachdem ich um die Ecke beim Umkleidenhäuschen gebogen bin, sehe ich das beleuchtete Schwimmbecken, das so glatt da liegt wie ein türkisblauer Spiegel. Eigentlich ist es eine Schande, den Spiegel zu zerschlagen, aber es ist eine angenehm warme Sommernacht und ich ziehe meine Turnschuhe aus, krempele meine Hose hoch und lasse meine Unterschenkel ins Wasser gleiten, nachdem ich mich an den Beckenrand gesetzt habe. Ein lauwarmer Wind streicht über mich und das Wasser hinweg und kräuselt die Wasseroberfläche für einen winzigen Moment. Als ich beginne, meine Füße zu bewegen, gerät das Wasser automatisch in Bewegung. Ich seufze leise und fahre mir durch die struppigen Haare. Die Nacht wäre so schön, wenn ich nicht so nervig deprimiert wäre.

Da raffe ich schon all meinen Mut zusammen und fahre los, um mit Miro zu reden und dann ist er nicht zu Hause. Vielleicht hätte ich fahren sollen, als es noch hell war. Aber irgendwie ist in der Dunkelheit immer alles leichter und man sagt Dinge, die man bei helllichtem Tage nicht sagen kann. Und es gibt so viele Sachen, die ich ihm sagen will.
 

Das Wasser ist genauso lauwarm wie der Wind. Ich war immer schon schlecht darin, Sternbilder in diesem Haufen Leuchtkugeln zu erkennen, aber ich sehe sie trotzdem gerne an.

Als ich Schritte hinter mir höre, drehe ich mich nicht um. Aber mein Herz explodiert fast in meiner Brust, weil ich die Schritte kenne und im nächsten Moment fällt mir auf, wie bescheuert das ist, dass ich ihn sogar an seinen Schritten erkennen kann. Aber ich sage kein Wort. Er ist ja schließlich nicht hier, um zu schweigen. Zumindest hoffe ich das. Mein Optimismus ist manchmal wirklich unerschütterlich…

»Du schuldest mir immer noch eine Antwort.«

Seine Stimme ist so leise, dass es genauso gut der Wind sein könnte, den ich da höre. Ich drehe mich immer noch nicht um. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es vorzieht nicht angesehen zu werden. Mein Herz bricht mir fast die Rippen.

»Ich weiß…«

Meine Stimme klingt ziemlich heiser und zittrig. Das ist zwar peinlich, aber ich kann nichts dagegen machen. Alles in mir vibriert.
 

Er bleibt hinter mir stehen und bewegt sich nicht. Ich rühre mich auch nicht. Mein Körper fühlt sich auch ehrlich gesagt nicht so an, als würde er das Drehen meines Kopfes aushalten. Also schlucke ich und beschließe, dass dies der Moment für die knallharte Wahrheit ist.

»Ich kann bei Vollmond nicht schlafen«, erkläre ich also und starre auf das sich kräuselnde Wasser, in dem meine Füße und meine Unterschenkel stecken. Miro sagt nichts.

»Und ich hab dich so genannt, weil ich wegen dir auch… oft nicht schlafen kann«, füge ich hinzu und schweige dann. Da haben wir sie. Die kleine aber nicht unbedeutende Wahrheit, dass Miro der Traum meiner schlaflosen Nächte ist und dabei meine ich nicht nur irgendwelche Perversitäten. In manchen sentimentalen Momenten habe ich mir einfach nur vorgestellt, wie es sich anfühlen würde, meine Finger mit seinen zu verhaken oder dem Leberfleck auf seinem Bauch einen Kuss aufzuhauchen oder seine Sommersprossen in aller Ruhe zu zählen, ohne dass er zurück zuckt und mich wütend ansieht.
 

Er sagt immer noch nichts. Mein Herz hat sich mittlerweile sicherlich selbst zerfleddert. Irgendwo in den Untiefen meines Gehirns keimt Hoffnung auf, weil er immer noch da steht und nicht abgehauen ist.

»Ich will nicht, dass du denkst, dass ich dich immer nur einfach… angebaggert hab. Einfach so. Aus Spaß. So war’s nämlich nicht…«

Ich hab das Gefühl, dass jetzt der richtige Moment ist, das alles zu sagen, weil ich sonst vielleicht keine Chance mehr dazu bekomme und ich finde die Vorstellung scheiße, dass er immer nur dachte, ich will ihn ärgern oder mache das nur aus schwuler Notgeilheit heraus.

»Ich mag dich nämlich echt… und seit… na ja, seit dem Kuss weiß ich, dass ich… dass ich…«

Ich breche ab. Es ist zwar dunkel und er sieht mich nicht an, aber es ist trotzdem schwer das einfach so zu sagen.

»Dass ich verliebt bin.«
 

Raus ist es. Verliebt in den Mann im Mond. Ich weiß nicht, ob ich zittrig lachen oder heulen will. Aber ehrlich gesagt erscheint mir beides unpassend. Deswegen tu ich einfach nichts. Ich möchte in diesem Moment gern Gedanken lesen können, um zu hören, was in ihm vorgeht. Ist er kurz davor, mich im Schwimmbecken zu ertränken? Findet er das abartig? Wahrscheinlich kriege ich gleich einen Rappel und drehe mich doch zu ihm um.

Aber im nächsten Augenblick macht er das unnötig, weil er ein paar zögerliche Schritte aufs Becken zu macht und sich dann neben mich setzt. Ich wage es nicht, den Kopf zu drehen und ihn anzudrehen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er seine Schuhe auszieht und die knielange Hose hochzieht.

Langsam taucht er seine Füße ins Wasser und die Oberfläche gerät erneut ins Wanken. Ich schlucke schwer, als ich seine Körperwärme neben mir spüre. Herrgott, mein Körper reagiert so heftig auf seine Nähe, ich glaube, ich gehöre in die geschlossene Anstalt. Oder aber Miro braucht einen Waffenschein für seine Existenz.
 

Dann legt er sich auf den Rücken und sein Gesicht verschwindet aus meinem Sichtfeld. Ich zögere einen Moment, dann tu ich es ihm gleich und schließlich liegen wir nebeneinander am Schwimmbecken, die Füße im Wasser und den Blick in den Sternenhimmel gerichtet. Viele Minuten lang sage ich nichts mehr und Miro bricht das Schweigen nicht.

Das Knistern der Atmosphäre bringt mich noch um, aber jetzt will ich nicht mehr reden, aus Angst, irgendetwas zu ruinieren. Immerhin, er ist nach dem Geständnis immer noch da. Er liegt sogar neben mir. Und er liegt gar nicht so weit weg.

»Meine Ma ist gestorben, als ich acht war«, sagt er dann und meine Ohren saugen den Klang seiner Stimme auf, mein Gehirn rattert fieberhaft. Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass ich die elementaren Dinge über Miro gar nicht weiß. Ich weiß nichts. Ich weiß nicht mal, ob er Geschwister hat.
 

Ich weiß, dass er lila mag und dass ihm das peinlich ist. Ich weiß, dass er gerne Dokumentationen übers Meer schaut und schon mal Segeln war. Ich weiß, dass er Bücher von Herman Hesse und Berthold Brecht liest und dass er die Dreigroschen Oper auswendig kennt. Ich weiß, dass er beim neuen Star Trek Film eingeschlafen ist, genau bei der Stelle, als es spannend wurde, weil er mit Science Fiction nichts anfangen kann. Ich weiß, dass in seinem DVD- Regal nur drei Filme stehen und dass er zwei davon noch nie gesehen hat. Ich weiß, dass seine Ohren leicht abstehen und er die Haare nur deswegen so lang trägt. Ich weiß, dass er sich immer am Hals kratzt, wenn er verlegen ist und dass er leicht die Stirn runzelt und das linke Auge verengt, wenn er aufmerksam zuhört oder etwas spannend findet. Ich erkenne ihn an seinen Schritten und ich weiß genau, wann er Dinge witzig findet, auch wenn er selten lacht. Ich weiß, dass er einen sehr großen Kaktus im Zimmer hat, der da schon seit sechs Jahren steht und genauso groß ist wie er, obwohl ich sein Zimmer oder sein Haus noch nie betreten habe. Ich weiß, dass er hochbegabt ist, aber sich nichts darauf einbildet, weil er Intelligenz für nicht messbar hält. Ich weiß, dass er, wenn er vor Wettkämpfen aufgeregt ist, immer die Haut um den Fingernagel des linken Daumens abknabbert.
 

All diese winzigen Sachen über ihn, die ich weiß und die mich eigentlich nicht wirklich weiter bringen. Ich weiß nichts über Miros Vergangenheit oder seine Zukunftspläne. Ich weiß nichts über seine Familie.

Aber ich weiß, dass ich schrecklich, unwiderruflich und bedingungslos verliebt in diesen verklemmten Kerl neben mir bin, der so ein Problem mit meiner Homosexualität zu haben scheint.

»Seitdem wohn ich mit meinem Vater alleine. Wir haben so ein Vater- Sohn- Verhältnis… wie das in amerikanischen Filmen manchmal ist. Ich erzähl ihm eigentlich alles. Wir streiten uns nie. Er ist ein toller Vater, ehrlich…«

Wieder schweigt er und ich stelle mir Miro mit seinem Vater auf einem Segelboot vor. Offensichtlich ist Miro Einzelkind. Mein Herz wummert unnatürlich laut in der Stille.

»Aber er… also… er mag Schwule nicht besonders…«

Da ist ein winziger Teil der Wahrheit, denn ich bin mir sicher, dass da noch mehr kommt, aber ich sage nichts. Ich höre nur zu. Und Miro scheint froh darüber zu sein, denn er redet weiter.

»Sobald irgendwas im Fernsehen läuft, was mit Homosexuellen zu tun hat, dann schaltet er weg. Er hält das für widernatürlich und abartig. Seit ich acht bin, hab ich gelernt, dass Schwule eklig und minderwertig sind. Ich hab das nie angezweifelt, ich kannte sowieso nie wirklich jemanden, der schwul war und mein Vater auch nicht, so weit ich weiß…«
 

Mein Herz verkrampft sich schmerzhaft und ich verkneife mir ein tiefes Einatmen, um ihn bloß nicht zu unterbrechen. Das Wasser fühlt sich plötzlich kälter an als noch vor zwei Minuten.

»Ich hab’s schon mit fünfzehn geahnt«, sagt er so leise, dass er ganz genau hinhören muss und mein Herz läuft plötzlich wieder zur Hochform auf. Er hat es geahnt? Mit fünfzehn? Dass er… dass er… ich wage gar nicht, es zu denken.

»Aber natürlich wollt ich das nie wahr haben. Schwule waren schließlich eklig und minderwertig und ich wollte nicht minderwertig sein. Und ich wollte nicht, dass mein Vater mich für minderwertig hält. Ich hab’s Jahre lang ignoriert, verdrängt und versucht mir einzureden, dass ich auf Frauen stehe. Wie fast jeder normale Mensch. Und dann sind wir hier her gezogen. Ich kam in diesen Schwimmverein… und ich hab den ersten homosexuellen Menschen in meinem Leben kennen gelernt, der damit offen umging und kein Geheimnis draus gemacht hat. Ich wollte tolerant sein. Aber ich kann nicht sagen, dass ich dich am Anfang nicht… nicht für… na ja…«
 

Er bricht ab, aber ich weiß, was er sagen will. Dass er mich für minderwertig gehalten hat. Und dass er es eklig fand, dass ich ihn angebaggert habe. Ich schlucke, sage aber immer noch nichts. Mein Kopf schwirrt.

»Plötzlich wurde ich drei Mal die Woche mit deiner und mit meiner eigenen… mit… damit konfrontiert, was ich seit Jahren nicht wahrhaben wollte. Und dann hab ich dich näher kennen gelernt und du warst so normal und so nett und so überhaupt nicht anders als andere Menschen. Das klingt vielleicht lächerlich, aber das hat mein komplettes Weltbild ins Wanken gebracht. Ich hab es nie anders gelernt. Und dann kamst du und hast mit Offenheit um dich geschmissen und zum ersten Mal in meinem Leben hab ich mir gedacht, dass ich vielleicht doch nicht minderwertig bin. Nicht abartig und eklig. Sondern eigentlich ganz normal, genau wie du. Ich hab mir gewünscht, so wie du zu sein. Aber selbst wenn ich es versucht hätte, dann hätte das bedeutet, dass ich es meinem Vater sagen müsste und das geht nicht. Er würde mich wahrscheinlich aus dem Haus jagen und nie mehr mit mir reden. Ich kann das alles nicht mehr ignorieren, seit ich dich kenne. Nicht nur weil… nicht nur weil du… weil du… damit so offen umgehst und ich dich vielleicht insgeheim sogar dafür bewundere… sondern auch… weil… weil… ich das erste Mal wirklich…«
 

Offensichtlich kann er es nicht sagen. Aber wundersame Weise bin ich mir sicher, was er sagen will. Und zwar, dass er Gefühle hat. Für einen Mann. Das erste Mal. Und zwar nicht für irgendeinen anderen Mann, sondern für mich. Wegen mir fühlt er sich nicht mehr so minderwertig, auch wenn es ein hartes Stück Arbeit war. Ich hab sein verqueres Weltbild zum Einsturz gebracht. Er mag mich. Und zwar nicht nur wie einen guten Freund.

Mir ist glasklar, dass es ewig dauert, bis er sich wirklich als normal betrachtet und keine Probleme mehr damit hat, schwul zu sein. Ich verstehe seinen Vater nicht, aber ich will ihn auch nicht kritisieren, weil Miro ihn so offensichtlich liebt.

»Miro?«, murmele ich leise. Ich höre ihn laut schlucken und dann dreht er endlich den Kopf zu mir herum und ich drehe meinen Kopf auch und sehe ihm in die türkisblauen Augen, die nicht wütend sind. Er sieht halb ängstlich und halb hoffnungsvoll aus.

»Tut mir Leid wegen… wegen dem Kuss und… allem, was danach kam«, flüstert er und starrt mich an, als würde er ernsthaft erwarten, dass ich deswegen sauer auf ihn bin.

»Du musst dich nicht entschuldigen«, nuschele ich und ich meine das ernst. Er sieht mir das wohl an, dann er schafft ein kaum merkliches, erleichtertes Lächeln.

Der Mond über uns ist ungewöhnlich groß. Es ist zwar kein Vollmond, aber das spielt keine Rolle.
 

»Darf ich… deine Hand nehmen…?«, frage ich unsicher und er sieht mich einen Moment lang mit glühenden Augen an, dann, ganz langsam schiebt er seine Finger über den Steinboden unter uns und berührt mit den Fingerspitzen meine Hand. Alles in mir kribbelt, als ich seine Finger mit meinen umschließe.

Ich weiß, dass der nächste Kuss noch lange dauern wird. Aber das ist mir egal. Ich werde mir alle Zeit der Welt nehmen, um Miro zu zeigen, was für ein toller Mensch er ist und dass er keinen Grund hat, sich minderwertig und abartig zu fühlen. Ganz behutsam streiche ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken und höre ihn sehr leise seufzen. Wir drehen den Kopf wieder so, dass wir den Himmel ansehen können. Das Wasser plätschert leise, wir schweigen und halten uns an den Händen. Und nur der Mond sieht uns zu.



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Kommentare zu dieser Fanfic (65)
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Von:  aschenneller
2014-11-14T18:29:05+00:00 14.11.2014 19:29
Eine schöne, romantische aber auch etwas melancholische Geschichte!!!
Ciao
Christina
Von:  Shunya
2011-11-03T00:15:21+00:00 03.11.2011 01:15
Finn ist ja auch so eine nudel für sich, so wie er Miro angebaggert hat. Find ich echt mutig von ihm, dass auch noch so offen zu machen. ;)
Miro's Problem ist auch ziemlich realistisch. Ich kann ihn gut verstehen, wenn er da so ein problem mit der homosexualität hat. Das kann man ihm echt nicht verübeln.
Die Kussszene nach dem Saufabend und das Ende haben mir beides ziemlich gut gefallen. Besonders das Ende ist so herrlich romantisch. >.<
Von: abgemeldet
2010-09-22T12:22:40+00:00 22.09.2010 14:22
QaF for ever *-*
Von: abgemeldet
2010-06-07T18:57:41+00:00 07.06.2010 20:57
*seufz*
Volle Packung Kitsch, aber das muss ja auch mal sein von Zeit zu Zeit :)
So ein romantisches Ende.
Erst versucht Finn Miro zu stalken gibt auf und dann steht Miro plötzlich hinter Finn <3
Ich mag übrigens den Namen Finn :)
Von: abgemeldet
2010-06-07T17:24:05+00:00 07.06.2010 19:24
Oh man, Miro, die Pfeife, versteckt sich vor Finn?!?!
DU KANNST NICHT EWIG DAVON RENNEN!!!
(Und sich den Hintern zunähen gilt auch nicht *__*)
Finn tut mir ein wenig Leid, da er ja noch nicht mal direkt Schuld war.
Der Kuss ging ja immerhin von Miro aus. Auch wenn er betrunken war...
Wer hätte den Kuss den nicht erwidert, wenn er in diese Situation gekommen wäre...
Von: abgemeldet
2010-06-07T16:58:54+00:00 07.06.2010 18:58
Queer as Folk!!
Jungs... Manche sind primitiv wie Steine D:

Ich hätte auch mal wieder Lust auf eine dieser Gartenparties. Oder einfach abends durch die Stadt streifen und sich mal hier und mal da in eine Bar zu setzen und zu tratschen... Das waren Zeiten!
Einfach dort sitzen und zu tratschen und ein wenig was trinken.
Du hast die Atmosphäre so schön rübergebracht *hach*

Und Miro küsst ihn zuerst. O-M-G
Das bereut er ja schon, als er noch betrunken ist. Oha...
Aber Finn hat die Chance wenigstens genutzt XD
Mal sehen, wie der Tag danach wird.
Von: abgemeldet
2010-06-07T10:45:20+00:00 07.06.2010 12:45
(inkognito)
Anfangs dachte ich Miro ist vollkommen abgeneigt. (--> Hassliebe <3)
Aber scheinbar hat er doch was für Finn übrig *_*
Bei dem Fahrrad musste ich echt schmunzeln und wie er ihm gegen den Arm boxt.
Sweet!!!
Das Hinterherschauen finde ich ein wenig gruselig, aber das ist ja Geschmackssache. Finde ich wen hübsch gaffe ich auch wie ein Weltmeister hinterher ;)


Von:  Yanosuke
2010-04-28T09:43:06+00:00 28.04.2010 11:43
Wunderschön geschrieben, dieser vergleich von seinen Augen und dem Wasser und auch der Vergleich mit ihm und dem Mond. Einfach schön, man merkt richtig wie verliebt Finn doch eigentlich ist. Es sind nicht die üblichen Worte die er für Miro nimmt, nein, er nimmt etwas einfallsreiches, etwas besonderes.

Er vergleicht seine Augen mit denen des Wassers und seine Schlaflosigkeit wegen ihm mit dem Mond. Ich finde es ist sehr kreativ und schön wie du das geschrieben hast. Richtig herzzerreißend und zum dahin schmelzen.

Ich mag das wenn man nicht immer die offensichtlichen Dinge zur Sprache bringt sondern sich auch was dabei denkt. Wie eben mit den Augen und dem Mond.
Ich bin wirklich froh diese FF lesen zu dürfen und ich freu mich schon auf weitere FF von dir.

LG SUKE

p.s den Spruch mit dem Waffenschein finde ich super.

Von:  Yanosuke
2010-04-28T09:17:29+00:00 28.04.2010 11:17
Oh man, der Arme Finn. Er kann ja nichts dafür und Miro ist das wahrscheinlich alles über den Kopf gewachsen.

Niedlich, ich freu mich schon so auf das zweite Kapitel. Aber ich kann Finn verstehen, wenn der Mann den man liebt einen ignoriert und man weiß nicht mal warum ^^....
das ist hart.

LG SUKE
Von:  Yanosuke
2010-04-28T09:08:09+00:00 28.04.2010 11:08
Süß, schon wieder mein erstes Wort...egal...Süß....

Ich glaube Miro hat sich Mut angetrunken und versucht darüber nachgedacht was er machen soll...
Der Arme, nach dem er Finn geküsst hat muss er festgestellt haben das er ihn mag....
Ich bin ja schon so gespannt wie es weiter gehen soll...

Ich liebe deine FF...ich freu mich so riesig auf das nächste Kapitel...^^

Die zwei sind so niedlich, auch wenn man von Miro noch nicht viel erfahren hat. Aber Finn ist schon sehr erwachsen finde ich und echt cool.

LG SUKE


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