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F.E.A.R. - Frightening Ends, Angels Rise

Was, wenn Bella überhaupt nicht so fasziniert von Edward ist? Was, wenn er ihrer Meinung nach das Böse schlechthin ist?
von

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Hoffnungslos

Sooo, nachdem ich jetzt endlich das dritte Chapter fertig hab (hatte ja auch mehrere Arschtreter ;D), freu ich mich, es euch endlich präsentieren zu können ;)
 

An dieser Stelle mal wieder vielen lieben Dank für eure tollen Kommentare. Wir freuen uns, dass euch die FF so gut gefällt.
 

Und jetzt viel Spass =)
 

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Hoffnungslos
 

Isabella Swan…
 


 

Was genau passiert bei der Diffusion?…

Stoffe haben das Bestreben, sich in dem ihnen gegebenen Raum gleichmäßig auszubreiten. Dabei läuft der gesamte Vorgang ohne die geringste Energieaufwendung ab.
 


 

Warum verdursten Schiffbrüchige, wenn sie Meerwasser trinken?…

Das Salz des Meerwassers entzieht den Zellen Wasser. Somit verdursten die Menschen, die es trinken. Im Grunde läuft dieser Vorgang sogar noch schneller vonstatten, als würden sie überhaupt nichts trinken.

Verantwortlich dafür ist die Osmose. Diese wird aufgrund der unterschiedlichen Salzkonzentrationen zwischen dem Zellinneren und dem Meerwasser aktiviert, da das Prinzip der Osmose darin besteht, unterschiedliche Substanzkonzentrationen auszugleichen.
 


 

S w a n…
 

I s a b e l l a…
 

Isabella Swan…
 

Ich hatte diesen Text jetzt bestimmt schon an die tausend Mal gelesen. Immer wieder wanderten meine Augen hinauf zu meinem Namen. Und dann auf die Antworten des Testbogens… Und dann wieder zu meinem Namen…

Das alles war so unwirklich. Die ausgefüllten Fragen, der mit ‘sehr gut’ bewertete Test… und das Ganze in meiner Handschrift… jedes kleine Detail, jede noch so winzige Eigenheit. Die Schnörkel im ‘a’, der Halbkreis über dem ‘i’, die Verlängerungen im ’B’… Nur die Formulierungen der Antworten entsprachen so gar nicht meinem Wortschatz. Wenn es nicht zu absurd klingen würde, hätte ich behauptet, meine Klausur wäre von Geisterhand geschrieben worden. Nur gab es solche paranormalen Phänomene nicht.

Ich hielt die Luft an und musste meinen letzten Gedankengang revidieren. Zu viel war in den letzten Tagen passiert, als dass ich so etwas jetzt noch behaupten konnte. Immerhin hatte ich einen Menschen dabei erwischt, wie er Blut trank. Das Wort ‘Mensch’ mochte unter Umständen sogar fehl am Platz sein. Welcher normale Mensch würde schon so etwas Verrücktes machen? Welcher normale Mensch hatte so eine unglaubliche Stärke? Welcher normale Mensch verfolgte jemanden sogar bis in die Gedanken, ließ diese überhaupt nicht zur Ruhe kommen und dieses Thema immer wieder aufgreifen?

Richtig! Niemand normales…

Aber genau das war Edward Cullen sowieso nicht.

Er war das pure Böse…
 

Ich seufzte frustriert auf und raufte mir die Haare. Mittlerweile saß ich bereits eine geschlagene Stunde vor meinem Schreibtisch und betrachtete den Bogen Papier vor meiner Nase. Nach der Schule war ich sofort nach Hause gefahren und hatte mich in meinem Zimmer verschanzt. Weder war mir nach essen zumute gewesen, noch danach, für Charlie etwas zu kochen. Stattdessen hatte ich meine Tasche aufs Bett geschmissen und meine Arbeit herausgeholt. Bereits jetzt sah das Papier dermaßen abgegriffen aus, dass man auf die Idee hätte kommen können, es sei schon Jahre alt. Ich war nämlich so überfordert mit diesem Ergebnis gewesen, dass ich mich den restlichen Schultag permanent vergewissern musste, es nicht doch nur geträumt zu haben. Die einzigen Dinge, an die ich denken konnte, waren ein durchgeknallter Psychopath mit den ausgefeiltesten Stalker-Ambitionen, die ich je gesehen hatte, und dieser mysteriöse Test vor mir.

Und plötzlich, als hätte jemand das Licht eingeschalten, erkannte ich die wahrscheinlich offensichtlichste Verbindung. Es gab nur eine Person, die dafür verantwortlich gemacht werden konnte. Nur eine, die mich einfach nicht mehr in Ruhe lassen wollte und die mich sprichwörtlich in den Wahnsinn trieb. Edward Cullen.

Je öfter ich diesen Namen dachte, desto mehr hasste ich ihn.

Bestimmt hatte er meinen Test ausgefüllt. Nur warum? Was erhoffte er sich davon?

Tat es ihm womöglich leid, mich angegriffen oder mein Leben in eine einzige Horrorgeschichte verwandelt zu haben? Das klang so grotesk, dass ich schon fast angefangen hätte laut aufzulachen.

Nein, mit Sicherheit verfolgte er andere Ziele. Eventuell wollte er mich dadurch einschüchtern und mir zeigen, welche Macht er besaß; vor allem über mich. Als wollte er mir auf diesem Weg zeigen, dass ich meinen Mund über das Geschehene halten sollte, ansonsten würde ich es bitterlich bereuen - ansonsten würde er dafür sorgen, dass ich meinen Mund nie wieder öffnen könnte. Ha! Als wenn mir irgendjemand diese absurde Geschichte glauben würde…
 

Wenn man allerdings genau darüber nachdachte, konnte dieser ausgefüllte Test theoretisch gar nicht existent sein. Ich bezweifelte, dass Mr. Mills meinen Testbogen die gesamte Stunde über auf meinem Platz hatte liegen lassen. Aber selbst wenn… Wie war es Edward dennoch möglich gewesen, unbemerkt meinen Zettel zu entwenden, geschweige denn ihn innerhalb von Sekunden vollständig und mit meiner Handschrift auszufüllen? Realistisch betrachtet war das einfach ausgeschlossen. Leider konnte ich mittlerweile aber nichts mehr wirklich realistisch betrachten. Weder die Szene im Wald, noch das A auf meiner Klausur.

Und trotzdem hatte er das Unmögliche möglich gemacht. Wenn er also zu so etwas fähig war, würde er auch in der Lage sein, mich unauffällig zu beseitigen.
 

Ich stöhnte gequält auf. Was konnte ich noch tun, um ihm aus dem Weg zu gehen? Zurück nach Phoenix zu meiner Mutter? Sollte ich ihr aus reinem Eigennutz einen Teil meiner Misere abgeben, in dem ich mich ihr wieder aufdrängte? Mir war bewusst, welchen Egoismus diese Option in sich barg, nur leider mangelte es mir an weiteren Alternativen. Ich wusste einfach keinen Ausweg mehr. Aber selbst wenn ich diese Idee in die Tat umsetzte… Renée hielt es ja nicht einmal für nötig, sich nach dem Wohlbefinden ihrer Tochter zu erkundigen. Wenn meine Anrufe schon unbeantwortet blieben, was konnte ich da denn noch groß erwarten?

Fast schon genervt zerknüllte ich das Papier und warf es mit aller Kraft in die Ecke, nur um mich im nächsten Augenblick bäuchlings aufs Bett fallen zu lassen und mein Gesicht in den Kissen zu vergraben. Ich brauchte Ruhe. Ganz viel Ruhe und ich musste mich irgendwie ablenken, um nicht an jemand bestimmtes zu denken…
 

Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte, nur anhand des schummrigen Lichts in meinem Zimmer konnte ich erkennen, dass es draußen bereits dämmerte. Ein kühler Windhauch fuhr mir über den Nacken und ließ mich frösteln. Automatisch hob ich meinen Kopf und sah zum Fenster, weil ich mich vergewissern wollte, dass es geschlossen war. Seit der Sache im Wald hatte ich es vermieden, es über einen längeren Zeitraum offen stehen zu lassen.

Die Gardine bewegte sich ganz leicht. Offenbar musste ich es doch nicht richtig geschlossen haben. Schweiß brach auf meiner Stirn aus und augenblicklich verdoppelte sich mein Pulsschlag. Hastig stand ich auf, um es richtig zuzumachen. Es war tatsächlich einen winzigen Spalt breit offen gewesen. Wie töricht es doch von mir war, das Fenster vorher nicht richtig kontrolliert zu haben und mich dann auch noch ohne weitere Bedenken auszuruhen. Wer wusste denn schon, ob dieser Typ nicht einfach in mein Zimmer einsteigen würde? Zuzutrauen wäre ihm alles. Selbst wenn ich im ersten Stock wohnte. Ich rechnete ja schon beinahe damit, Fußabdrücke auf dem Fenstersims zu entdecken.
 

Schluss jetzt! Reiß dich zusammen und hör auf, weiter über ihn nachzudenken!
 

Fahrig strich ich mir übers Gesicht und seufzte. Wie lange ich dieses Spektakel wohl noch aushalten müsste? Würde es überhaupt jemals ein Ende haben? Ich hoffte es. Ich hoffte es so sehr.

Für den Moment allerdings konnte ich nichts weiter tun, als den Cullens um jeden Preis aus dem Weg zu gehen. In meiner Freizeit war das einfach, denn dazu musste ich einfach zu Hause bleiben. Nur in der Schule würde es sich wie immer schwer bewerkstelligen lassen. Aber das bekam ich hin. Ich musste…
 

Ich hatte mir längst vorgenommen, immer so spät wie möglich zur Schule zu fahren, um zu vermeiden, den anderen auf dem Parkplatz zu begegnen. Bis jetzt lief das auch ziemlich gut. Mein Blick wanderte schon automatisch über die Autodächer, nur um ein gewisses ausfindig zu machen. Und wie jeden Morgen fand ich auch den silbernen Volvo. Der glänzende Lack und das hochwertige Erscheinungsbild drängten sich mir geradezu auf.

Ich stieg aus meinem Transporter und schloss ab. Nervös drehte ich mich in alle Richtungen, um sicher zu gehen, dass auch niemand der fünf Cullens in der Nähe war, bevor ich mich letzten Endes auf den Weg zum Gebäude machte - stets die Angst im Genick, jemand könnte mich verfolgen.

In der Schule waren die Gänge schon so gut wie ausgestorben. Nur noch vereinzelt traf ich auf einen Schüler oder einen Lehrer. Ich beeilte mich, zu meinem Unterrichtsraum zu gelangen und erreichte diesen auch noch rechtzeitig, ehe die Klingel läutete.
 

Den gesamten Vormittag über schaffte ich es, ihnen und vor allem ihm nicht über den Weg zu laufen. Jedes Mal, wenn ich um eine Ecke biegen wollte, linste ich zuerst um sie herum. Sollte im nächsten Gang ein gewisser Cullen stehen, würde ich sofort einen anderen Weg einschlagen. Doch bisher hatte ich Glück gehabt. Ich hatte ihn nicht ein einziges Mal gesehen. Ich sah ihn nicht ein einziges Mal. Man sollte meinen, er hätte sich in Luft aufgelöst und eigentlich musste mich diese kleine, hoffnungsvolle und nichtsdestotrotz surreale Erkenntnis beruhigen - wäre da nicht dieses Gefühl, permanent beobachtet zu werden. Aber immer, wenn ich mich umdrehte, war niemand zu sehen.

Ganz, ganz üble Paranoia… Nur leider war meine gerechtfertigt.
 

Ich hielt meine Tasche fest an meinen Körper gedrückt, als ich mich in der Mittagspause zur Cafeteria aufmachte. Fast schon scheu näherte ich mich dem Essenssaal… und blieb wie angewurzelt stehen, als ich bereits vom Eingang aus fünf blasse Gesichter an einem abgelegenen Tisch erkennen konnte. Wie betäubt starrte ich sie an, ich war nicht in der Lage, meinen Blick abzuwenden. Als hätte mir jemand gegen die Brust geschlagen, fiel mir das Atmen auf einmal schwer und mein Herz fing wie wild an zu klopfen. Mein Körper versagte mir jeden weiteren Schritt nach vorn.

Ich konnte da nicht hinein. Auf keinen Fall. Was, wenn er wieder versuchen würde, auf mich zuzukommen? Was, wenn er mir noch deutlicher vor Augen halten wollte, wie schwach ich war?

Als hätte er meine Gedanken gehört, schoss sein Kopf plötzlich in meine Richtung. Unsere Blicke trafen sich und wie auf Kommando ergriff die Panik Besitz von mir. Krampfhaft umklammerte ich meine Tasche und versuchte alles, um meine Starre aufzulösen. Als er Anstalten machte, sich zu erheben, wurde er jäh von der Blonden neben ihm am Arm gepackt und somit aufgehalten. Wütend drehte er sich zu ihr um und funkelte sie an. Die kurze Unterbrechung nutzte ich, um meine eingefrorene Haltung aufzulösen und eine Kehrtwendung Richtung Flur zu machen. Mit schnellen Schritten folgte ich dem Gang, ohne wirklich darauf zu achten, wohin ich lief.
 

Als ich nach schier unendlichen Minuten zum Stehen kam, weil meine Beine dem schnellen Gehen versagten, wurde mir bewusst, dass ich noch nie in diesem Teil der Schule gewesen war. Dabei lebte ich bereits über fünf Monate in dieser verregneten Kleinstadt.

Der Flur wirkte alt und leicht zerfallen, an den Wänden blätterte die Farbe allmählich ab. Vorsichtig lugte ich in einen der Räume. Wie ich erkannte, wurde er als Abstellraum genutzt. Die Tafel sowie alle anderen Möbel waren eingestaubt, die Einzeltische standen kreuz und quer im Raum. Weitere Tische waren übereinander gestapelt, hier und dort fanden sich Stühle in unterschiedlichen Größen und Farben an. Bilder und Rahmen, Staffeleien und Tafelutensilien wie Zeigestöcke, Lineal und Dreieck standen herum.

Langsam trat ich ein. Bei jedem Schritt achtete ich darauf, nicht zu laut zu sein. Wer wusste, ob es nicht verboten war, sich hier aufzuhalten. Ich bahnte mir einen Weg zum hinteren Teil des Zimmers und rückte mir einen der Tische zurecht, nahm mir einen Stuhl und wischte mit der Hand die leichte Staubschicht herunter, um mich anschließend zu setzen.
 

Ich atmete schwerfällig aus und fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare. Fürs Erste schien ich in Sicherheit, fürs Erste konnte ich mich wieder beruhigen. Ich wusste nicht, ob Edward mir am Ende doch noch gefolgt war oder ob er auf seine Schwester gehört hatte. Bis jetzt war er aber nicht aufgetaucht und innerlich hoffte ich, dass diese Tatsache auch so bleiben würde.

Wenn ich daran dachte, dass ich ihm beinahe wieder in die Arme gelaufen wäre… Mich schüttelte es bei diesem grauenvollen Gedanken. Dass sein Gesicht vor meinem inneren Auge aufflackerte, half auch nicht besonders, meine Anspannung zu lösen. Das Einzige, was mich wunderte, war seine Miene. Ein schmerzvoll verzogener Ausdruck, dazu eine gewisse Frustration in Verbindung mit Zorn. Als wäre ich Schuld an seinem Leid, dabei war ich doch das Opfer hier. Ich war diejenige, die jeden Tag und jede Nacht Höllenqualen durchlitt…
 

Ehe ich mich versah, hörte ich in der Ferne das leise Klingeln, welches das Ende der Pause signalisierte. Schweren Herzens erhob ich mich, um mich dem Rest des Schultages zu stellen, wenn auch widerwillig. Aber ich hatte ja keine Wahl. Wenn ich nicht wollte, dass Charlie oder jemand anderes etwas mitbekamen, musste ich da durch.

Mit leisen Schritten verließ ich den Raum und machte mich auf den Weg zu meiner letzten Unterrichtsstunde. Ich musste mich etwas beeilen, weil ich doch ziemlich weit entfernt von den belebteren Fluren schien. Das hinderte mich aber nicht daran, mit Vorsicht um jede Abbiegung zu gehen und zweimal hinzusehen, wenn ich denn zufällig jemanden mit Edward verwechselte. Obwohl es ja eigentlich kaum vorstellbar war, dass noch jemand anderes die gleiche atemberaubende und zugleich erschaudernde Schönheit besaß wie er - außer vielleicht seine Geschwister, doch das konnte ich schlecht beurteilen. Und ich legte auch keinen Wert darauf, es je in Erfahrung zu bringen.
 

Ich war regelrecht erleichtert, als ich nach Unterrichtsschluss langsam auf meinen Transporter zuging und in meinem gedanklichen Resumé über den Vormittag feststellen musste, dass Edward keinen weiteren Versuch gestartet hatte, mich aufzusuchen. Unter Umständen hätte mich diese kleine Diagnose heiter stimmen können. Wäre da nicht die kleine Alarmglocke in meinem Hinterkopf, die mich daran erinnerte, dass das hier nicht mein letzter Tag an der Forks High war und dass noch sehr viele dieser Art folgen würden…
 

Die restliche Woche verlief dementsprechend ähnlich. Kurze, unruhige Nächte und nicht enden wollende, von Verfolgungswahn und Herzklopfen geprägte Tage. Ich fuhr spät los, schlich zu meinen Unterrichtsfächern und mied Gänge, auf denen Edward entlanglief, oder auf denen auch nur die geringste Möglichkeit bestand, ihm in irgendeiner Weise zu begegnen. Ich machte mich also so gut es ging unsichtbar. Nicht, dass das in meinem Fall besonders schwer war.

Meine Mittagspause verbrachte ich in dem alten Klassenzimmer, das ich entdeckt hatte. Den Appetit hatte ich die letzten Tage fast gänzlich verloren. Zwar nahm ich mir zur Sicherheit immer etwas von zu Hause mit, nur meistens blieb das gesamte Lunchpaket unberührt in meinem Rucksack. Hin und wieder knurrte mein Magen, doch ich ignorierte das Geräusch. Die Lust zum Essen fehlte einfach. Das Einzige, was ich noch zu mir nahm, war meine morgendliche Schüssel Cornflakes. So würde ich wenigstens nicht den gesamten Tag mit leerem Magen unterwegs sein.

Natürlich bestand jedes Mal aufs Neue die Gefahr, dass mich hier jemand entdecken konnte, aber bisher war ich diesem Schicksal entkommen. Anscheinend musste ich wohl doch jemandem ‘da oben’ wichtig sein.
 

Als die Klingel läutete, machte ich mich wieder auf den Weg zurück. Während ich auf den halb leeren Fluren wanderte, überkam mich wieder einer dieser Müdigkeitsanfälle, die seit geraumer Zeit mein ständiger Begleiter waren. Meine Lider waren schwer und ich verlangsamte automatisch meine Schritte, um beim Laufen nicht noch anzufangen zu schwanken.

Als ich dann aber ein paar Stimmen in naher Entfernung miteinander wispern hörte, war ich wieder wach.

Ich kannte sie nicht, nur war die außergewöhnliche Klangfarbe allein schon Grund genug, hellhörig zu werden.

Abrupt blieb ich stehen und rückte näher an die Wand heran. Meinen Kopf schob ich nur minimal nach vorne, damit ich mit Bedacht um die Ecke sehen konnte. Nicht weit entfernt standen die Verursacher des geheimnisvollen Flüsterns. Es waren drei der Cullens und unter ihnen befand sich Edward. Leider konnte ich nicht verstehen, worüber sie sich unterhielten, dafür war ihr Mienenspiel aber umso deutlicher. Sie schienen sich zu streiten, wobei der Blonde versuchte, alles ein wenig zu schlichten. Trotzdem schien es, als stünde er auf der Seite seiner Zwillingsschwester.

Wie gebannt starrte ich auf sie. Ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie über mich redeten. Ich sollte von hier verschwinden, ehe sie mich noch bemerkten, nur konnte ich meinen Körper nicht regen.

Auf einmal huschte der Blick der Blonden in meine Richtung. Ruckartig zog ich meinen Kopf zurück und presste meinen Rücken gegen die Wand. Ich betete inständig, dass sie mich nicht gesehen hatte, oder dass sie mich für eine optische Täuschung hielt.

“Edward, lass das!”, hörte ich sie auf einmal durch den Flur rufen.
 

“Isabella?”

Oh nein!

Er war doch nicht etwa…

Das Adrenalin schoss durch meine Venen, ebenso pumpte mein Herz viel zu viel Blut in die Laufbahn. Meine Lungen taten sich schwer, den Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen. In meinem Kopf pochte es unangenehm.

Ich war nicht mal in der Lage, mich von diesem Fleck wegzubewegen, zu eingefroren waren meine Gliedmaßen.

Ein blasses Gesicht schummelte sich in mein Sichtfeld, als er sich mir zuwandte. “Isabella, kann ich mit dir re-”

“Lass mich in Ruhe”, wimmerte ich hilflos und kniff meine Augen so fest wie möglich zusammen, nur um ihn nicht sehen zu müssen. Mit den Händen stieß ich mich leicht von der Wand ab und stolperte blind ein paar Schritte in die Richtung, aus der ich gekommen war. Schnell öffnete ich meine Augen wieder, um nicht Gefahr zu laufen, auch noch hinzufallen. Ich musste mich zusammenreißen, nicht wie eine Verrückte loszurennen.

“Isabella, warte!”, rief er mir nach und beinahe wäre ich beim Klang seiner Stimme stehen geblieben. Aber das durfte ich nicht. Die Ungewissheit, ob er mir folgte, war allerdings unerträglich. In einem Flur, in dem sich noch andere Schüler befanden, würde er mir nicht nachlaufen, oder? Ich wollte nicht nach hinten sehen und womöglich feststellen, dass er es doch tat…
 

Erst als ich an meinem Transporter angekommen war, hielt ich inne und ordnete meine Gedanken. Es hatte nicht mehr viel gefehlt und ich wäre ihm in die Falle gegangen. Seine Stimme hörte sich an wie flüssiger Honig… wie ein dünnes Band, dass in Zucker eingetaucht und ausgelegt wurde, um die ahnungslose Beute anzulocken. Und dann war da noch dieser brüchige, verzweifelte Unterton. Aber den musste ich mir eingebildet haben. Ein Edward Cullen würde nicht so reden. Nein, er würde nur… Plötzlich erinnerte ich mich wieder an das Knurren, das ich vernommen hatte, kurz bevor er mich im Wald auf den Boden gerissen hatte. Ich konnte mir damals nicht erklären, woher es kam. War er das gewesen? Hatte er so ein… furchterregendes Geräusch von sich gegeben? Aber kein Mensch konnte einen derartigen Laut verursachen…
 

In meinem Kopf pochte es unaufhörlich. All die Überlegungen zermarterten mir das Gehirn. Ich sollte endlich mit meinen Grübeleien aufhören und stattdessen so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ich gab einen Dreck auf die letzte Stunde. Die konnte ich getrost wegfallen lassen, schließlich würde es gar nicht auffallen, wenn ich fehlte.

Ich holte meinen Schlüssel aus dem Rucksack und stieg ein. Fahrig führte ich ihn zum Zündschloss. Ein paar Mal verfehlte ich es, so sehr zitterten meine Hände, doch als ich es endlich getroffen hatte, startete ich den Motor und fuhr ohne nach hinten zu sehen aus der Parklücke und hinunter vom Schulgelände.
 

Ich war nie ein Freund von Schnelligkeit gewesen. Jetzt allerdings war es mir viel wichtiger, in einer relativ kurzen Zeit eine möglichst große Distanz zur Hölle hinter mir zu schaffen. Ich fuhr nicht sofort nach Hause. Die Strecke bis dorthin war einfach zu kurz, um sich vollständig zu beruhigen. Einer Route ohne bestimmtes Ziel zu verfolgen, war weitaus angenehmer. Es ging mir momentan nicht nur darum, mich irgendwo vor ihm zu verstecken. Ich wollte einfach nur in Bewegung bleiben, mich einzig und allein auf die Geschwindigkeit konzentrieren und alle anderen Gedanken ausblenden. Mich irgendwie ablenken, wenigstens einmal. Zu Hause würde ich auch nichts anderes machen, als mich unter einer Decke zu verkriechen, die Beine anzuziehen und mir wie verrückt selbst einzureden, dass ich das schon irgendwie überstehen würde. Aber das stimmte nicht. Ich konnte mir schon denken, wie es dann weiterging. Meine Gedanken würden jede neue Sekunde zu ihm wandern, zu den schrecklichen Bildern der Erinnerung. Dann würde ich abermals meine Handgelenke betrachten und anschließend meinen Hals umfassen, um sicher zu gehen, dass sich dort wirklich keine lebensbedrohlichen Wunden befanden; dass er nicht so weit gegangen war… Noch nicht. Jetzt einfach nur ohne jeglichen Zwischenstopp geradeaus zu fahren, war bei weitem die bessere Variante als das einsame Zusammenkauern daheim.

Es war ein Paradoxem, dass ich einerseits vor ihm und damit vor meinem Tod floh, und andererseits wie eine Irre über den feuchten Asphalt raste. Man könnte meinen, Edward Cullen hätte sogar das hier geplant, um mich um die Ecke zu bringen.

Es war so lächerlich von mir zu denken, ich könnte ihm überhaupt auf irgendeine Weise entkommen. Das war schier unmöglich! Die Hoffnungslosigkeit überfiel meinen Körper ohne Vorwarnung und ließ ihn erschlaffen. Tränen bahnten sich ihren Weg zu meinen Augen. Ich versuchte, sie mit aller Kraft zu unterdrücken. Mein Unterkiefer spannte sich dabei so sehr an, dass er anfing zu schmerzen. Meine Finger krallten sich um das Leder des Lenkrads; so sehr, dass meine Knöchel bereits weiß hervortraten. Meine Sicht begann zu verschwimmen, als die ersten Tränen den Widerstand durchbrachen und über die kleinen Wimpern auf meine Wangen tropften, langsam schmale, feuchte Linien auf der Haut hinterließen und schlussendlich von meinem Unterkiefer perlten…
 

Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Auto direkt vor mir auf… ein parkendes Auto auf der anderen Seite, daneben ein Person. Wie war ich verdammt noch mal auf die falsche Fahrbahn gelangt?

Das Adrenalin, das meinen Körper überschwemmte, klärte meine Sinne. Mein Herz schlug erbarmungslos gegen meine Rippen. Mit voller Kraft trat ich auf das Bremspedal und riss zeitgleich das Lenkrad herum. Ich spürte, wie mein Transporter etwas streifte, hatte aber keine Zeit, mein Gefühl zu bestätigen. Das Geräusch von quietschendem Gummi auf dem Beton legte sich in meine Ohren und machte sie beinahe taub für alles andere. Um mich herum drehte sich alles, das Fahrzeug schleuderte beinahe um seine eigene Achse und plötzlich sah ich den Baum vor mir auftauchen. Reflexartig kniff ich meine Augen zusammen, hielt mich einfach nur noch am Lenkrad fest und drückte mich in meinen Sitz.
 

Das war´s. Jetzt würde alles enden…
 

Sekunden vergingen. Unendlich lange Sekunden, in denen ich auf den Knall warte, auf das Ende. Oder war es womöglich schon längst geschehen? War ich bereits tot?

Noch immer hielt ich meine Augen geschlossen, bis ein stumpfes Klopfen zu meiner Linken ertönte.

“Miss?”, sprach jemand leise und gedämpft. “Alles in Ordnung mit Ihnen?”

Zaghaft hob ich meine Lider und nur ganz langsam richtete ich meinen Kopf auf, der mittlerweile auf meinen Händen gelegen hatte. Vorsichtig lugte ich durch die Windschutzscheibe. Direkt vor mir sah ich die dunkelbraun-gräuliche, durchfurchte Rinde des Baums. Noch immer hämmerte es unaufhörlich in meinem Brustkorb, ich atmete langsam und geräuschvoll ein und aus. In meinem Kopf pulsierte der Schmerz, ich bebte am ganzen Leib.

Mein Transporter war zum Stillstand gekommen, doch viel wichtiger: Er hatte sich nicht um den Stamm gewickelt, wie ich es eigentlich erwartete. Ich hatte ja nicht einmal mehr damit gerechnet, noch am Leben zu sein. Denn das war ich doch, oder?
 

“Hallo! Geht es Ihnen gut?”

Abermals diese fremde Stimme. Mit einem japsenden Laut schoss mein Kopf zur Seite. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich Edward dahinter erwartet, musste dann aber glücklicherweise feststellen, dass dem nicht so war. Hinter der Scheibe der Fahrertür stand jemand. Ein Mann, womöglich nur ein paar Jahre älter als ich. Anfang, Mitte Zwanzig, wenn ich schätzen sollte. Er hatte struppelige, dunkelbraune Haare und sein Teint war leicht blass. Ein bisschen so wie meiner, nur dass seiner einen leichten Olivstich besaß, wodurch er ein wenig kränklich wirkte. Dazu kam, dass seine Haut unwahrscheinlich dünnwandig erschien. Etwas an ihm erinnerte mich an jemanden… Leider fiel mir nicht ein, an wen.

Auf seinem Gesicht lag die Sorge. Ich sah abermals nach vorne, dann wieder zurück zu ihm. Erwartungsvoll hob er seine Augenbrauen.

“Ich…”, stammelte ich fast tonlos vor mich hin und rang weiter nach Worten. Nur wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich war gerade dem Tod entkommen. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen. Zittrig griff ich nach meiner Tür und öffnete sie unbeholfen. Der Fremde half von außen etwas nach. Als ich ausstieg und dabei beinahe gestolpert wäre, legte er blitzartig seine Hand an meine Schulter, um mich zu stützen. Instinktiv strich ich sie von mir, als ich mein Gleichgewicht wiedererlangt hatte. Normalerweise sollte ich ihm dankbar sein, doch ich wollte nicht, dass mich jemand Unbekanntes berührte… dass mich überhaupt jemand berührte.

“Mir geht´s gut”, murmelte ich und sah nur für ein paar Sekunden scheu zu ihm auf. Seine Augen schimmerten in einem tiefen Braun, dessen Wärme meine innere Unruhe für einen Augenblick besänftigte. Aber ich durfte mich nicht davon täuschen lassen. Einem Wildfremden konnte ich schließlich nicht einfach so trauen.

“Das ist schön zu wissen”, erwiderte er und lächelte. Ein… bezauberndes Lächeln, wie ich zu meinem Leidwesen feststellen musste. Es erschwerte mir tatsächlich die Aufrechterhaltung meiner Schutzbarriere und für einen kurzen Moment war ich wie benommen.
 

“Was… ist passiert?”, wollte ich wissen und schritt mit wackeligen Beinen ein wenig von ihm weg, um mich auf der verlassenen Straße umzusehen. Häuser gab es nicht, nur Bäume, welche die Straße säumten und jede Menge Wald zu beiden Seiten. Allerdings konnte ich mich nicht daran erinnern, Forks überhaupt verlassen zu haben.

“Sie müssen wohl die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren haben. Mein Auto hat am Straßenrand geparkt und Sie scheinen es nicht gesehen zu haben, konnten aber noch rechtzeitig ausweichen…”

Voller Entsetzen schlug ich die Hand vor den Mund. Mir fiel ein, dass ich mit dem Auto gegen etwas gerammt war. “Hab ich Sie irgendwo angefahren? Sie verletzt?”

Überrascht runzelte er die Stirn, schüttelte dann aber kichernd den Kopf. “Nein, keine Sorge. Mir geht es bestens.”

“Sind Sie sicher? Mir kam es nämlich so vor, als hätte ich mit meinem Transporter etwas getroffen”, erklärte ich, immer noch geschockt - gleichzeitig aber verwirrt über seine Aussage.

“Wirklich. Es ist alles in Ordnung. Das Einzige, was Sie getroffen haben, ist der Baum.” Mit seinem Arm deutete er auf die Kühlerhaube meines Transporters, die… den Stamm berührte. Ein bisschen verwunderlich war es schon, da ich den Aufprall nicht gespürt hatte. Andererseits war aber auch keine Delle zu sehen. Hatte ich es geschafft, noch rechtzeitig anzuhalten?

Wie gebannt starrte ich auf den Punkt, an dem sich Metall und Rinde trafen. Mit verengten Augen betrachtete ich die Stelle genauer und erst jetzt erkannte ich, dass sich beides gar nicht wirklich berührte. Von meinem Standpunkt ausgehend sah es nach reinster Millimeterarbeit aus. “Na ja, nicht ganz…”, stellte ich beiläufig fest.
 

Ich bekam erst mit, dass der Fremde sich mir genährt hatte, als er bereits direkt vor mir stand und seine Hand meinem Gesicht gefährlich nahe kam. “Vielleicht ist es besser, wenn ich Sie in ein Krankenhaus bringe.”

“Was?”, keuchte ich alarmiert auf und wich einen Schritt zurück. “Nein!… Ich meine, das ist nicht nötig. Mit mir ist alles okay.” Abermals machte ich den Fehler, in seine Augen zu sehen. Sein Blick war so überzeugend fürsorglich, dass ich beinahe doch auf seinen Vorschlag eingegangen wäre. Auch realisierte ich erst jetzt, wie sonderbar melodisch seine Stimme klang. Man hätte ihr fast alles geglaubt, solch eine klare Transparenz legte sie in jedes Wort, das gesprochen wurde. Aber ich durfte mich von so etwas nicht täuschen lassen. Ich musste standhaft bleiben und der Versuchung widerstehen.

“Sind Sie sich sicher?”, hakte er noch einmal nach. Ich nickte.

Ein ergebenes Lächeln zierte seine Gesichtszüge, als er leise schmunzelte. “Na schön… Wenn Sie meinen…”

“Ja…”, antwortete ich bestimmt und obwohl ich es zu unterdrücken versuchte, stahl sich ebenfalls ein Lächeln auf meine Lippen.

“Ich seh mal nach, ob mit dem Motor alles in Ordnung ist, okay?” Er nickte in Richtung Transporter und wollte schon darauf zugehen, als ich ihn aufhielt. “Das müssen Sie nicht. Ich hab glücklicherweise nichts angefahren, also sollte auch nichts beschädigt sein.”

Ungläubig schaute er mich an und schien zu überlegen, ob er mir vertrauen sollte. “Nicht, dass ich später noch wegen Fahrerflucht gesucht werde, wenn Ihnen doch etwas passiert.”

“Bestimmt nicht.“ Heftig schüttelte ich meinen Kopf, erleichtert, dass er meiner Bitte nachkam. Ich wollte nicht, dass er eventuell noch an meinem Auto herumbastelte. Wer wusste schon, was genau er alles mit der Mechanik anstellte.

Noch einmal warf er einen Blick zur Motorhaube, ehe er sich wieder mir zuwendete… und mich neugierig musterte. “Wie haben Sie überhaupt die Kontrolle verloren?”

Überrumpelt von seiner Frage setzte ich erst etwas später zu einer Antwort an. “Weil…” Aber was sollte ich sagen? Dass ich mich von meinem Klassenkameraden verfolgt fühlte und gerade aus der Schule geflüchtet war? Dass meine Konzentration durch meine Angst so sehr geschwächt wurde, dass ich nicht einmal mitbekommen hatte, wie ich auf die andere Straßenseite gefahren war?

“Ich denke, dass ich in letzter Zeit einfach zu wenig Schlaf bekommen habe”, meinte ich stattdessen und es war noch nicht einmal gelogen. Er nickte verständnisvoll.
 

“Na gut, wenn Sie sonst keine weitere Hilfe benötigen, werde ich mich jetzt auf den Weg machen”, verabschiedete er sich. “Vielleicht sieht man sich irgendwann mal wieder.”

Ich lächelte verhalten. Seine Worte klangen angenehm, nur wusste ich, dass er spätestens beim zweiten Treffen herausfinden würde, wie seltsam ich war. Und dann würde er diesen Satz garantiert kein weiteres Mal sagen.

Als ich gerade zu meinem Transporter gehen wollte, streckte er mir seine Hand aus. “Ich bin übrigens Fynn. Fynn Agapiou.”

Abwechselnd musterte ich ihn und seinen Arm. Vielleicht wirkte es überzogen, bei so einer harmlosen Geste innezuhalten, nur ließ mich eine gewisse Achtsamkeit zögern. Ich dachte angestrengt darüber nach, ob ich ihm meinen richtigen Namen verraten sollte, oder nicht. Die letzten Wochen hatten meine Überlebensinstinkte geschärft und ließen mich fremde Kontakte mit Vorsicht behandeln. Diese belastende Anspannung wollte einfach nicht mehr von mir weichen. Ganz im Gegensatz zu ihm. Er nahm die Situation sehr viel gelassener als ich, was mich nicht wunderte. Schließlich musste er nicht dasselbe durchmachen wie ich. Während mich immer noch der Beinahe-Unfall und seine Ursache beschäftigten - und ein regelrechtes Hämmern in meinem Schädel auslösten -, war mein Gegenüber bereits zu Kennlernphase und Plauderlaune übergegangen.
 

“Keine Angst, ich beiße nicht”, scherzte er amüsiert und wartete immer noch darauf, dass ich seine Hand nahm.

Vielleicht war es ja auch falsch, gleich jedem Fremden zu misstrauen. Wenn ich meine Paranoia nicht bald unter Kontrolle bekam, würde ich wirklich noch wahnsinnig werden.

Gerade als ich ihm meine Hand entgegenreichen wollte, drehte er seinen Kopf blitzartig zur Seite. Ein merkwürdiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht.

“Was ist los?”, fragte ich und folgte seiner Blickrichtung.

Ein kurzer Moment der Stille, dann antwortete er langsam, sah aber noch immer zum Wald. “Ich dachte, ich hätte etwas gehört…” Mit einem breiten Lächeln wandte er sich wieder mir zu. “Muss mich wohl geirrt haben.”

Unerklärlicherweise verdoppelte sich mein Puls wie von selbst und das einzig und allein deswegen, weil mir der Name Edward Cullen gleich als erstes in den Sinn kam und damit die Befürchtung, dass er mir doch gefolgt war.

Ich konnte mein Gegenüber nur wie betäubt anstarren. Ich wollte lächeln, aber es klappte nicht. Das Pulsieren in meinem Kopf wurde stärker. In meinen Ohren fing es an zu rauschen, als sich ein gewisser Druck auf mein Gleichgewichtsorgan legte. Mein Atem hörte sich ungewöhnlich laut an und zusammen mit meinem unregelmäßigen Herzschlag übertönte er fast alles andere. Dass dieser Fynn etwas zu mir sagte, erkannte ich einzig an dem merkwürdigen, tiefen Laut, den seine Lippen von sich gaben und die Bewegungen, die sie dabei vollführten. Aber selbst die verschwammen schon bald vor meinen Augen, so wie der Rest meiner Umgebung. Alles um mich herum drehte sich und ich konnte kaum noch den Boden unter meinen Füßen spüren. Der Tinnitus in meinen Ohren und ein entferntes, schwaches Knurren waren alles, was ich vernahm, ehe die Dunkelheit mein Bewusstsein gänzlich verschlang.
 


 

Mein Körper schien von Eis umgeben, wurde fast vollständig davon umklammert…
 

Kalte Luft rauschte an mir vorbei und ließ mich erschaudern…
 

Meine Lider waren schwer wie Blei. Ich schaffte es nur, sie für einen kurzen Augenblick ein Stück weit zu heben. Ein permanenter, grüner Schleier rauschte an mir vorbei und wurde hin und wieder von einem Rascheln begleitet, gefolgt von dem leisen Surren des Windes…
 

Ein honigsüßer Duft legte sich mir in die Nase. Er war so verlockend und verführerisch, dass ich automatisch tiefer einatmete…
 

Die Anstrengung übermannte mich allmählich und langsam sank ich zurück in die traumlose Schwärze…
 


 

Von überall drangen Stimmen an mein Gehör, eine aufgeregter als die andere. Ich konnte kein einziges Wort verstehen. Grelles Licht blendete mich, als ich meine Augen halb öffnete. Reflexartig kniff ich sie wieder zusammen und drehte meinen Kopf weg…
 

Ich befand mich in steter Bewegung und war weiterhin in der frostigen Umarmung gefangen. Auch der liebliche Geruch war noch gegenwärtig. Er vernebelte meine Sinne, betäubte meinen ohnehin schon schwachen Körper…
 

Die unterschiedlichsten Geräusche drangen an meine Ohren: Durcheinander redende Menschen, ein Piepen in unterschiedlichen Intervallen, mal dichter, mal weiter weg, das Rascheln von Papier, das Klingeln von Telefonen, das leise Klappern von Türen, das hektische Getrappel von Füßen…

Ich wollte die Quelle von alledem wissen, den Ort, an dem ich mich gerade befand und versuchte abermals, meine Lider zu öffnen. Es waren nur Schemen zu erkennen und ich meinte, etwas Rötliches schimmern gesehen zu haben…
 

”Was ist passiert?”

Eine wohlklingende, männliche Stimme, in der Sorge, aber gleichzeitig auch Professionalität und Routine lagen.

An meiner Ohrmuschel, die an etwas hartem gelehnt war, konnte ich ein schwaches Vibrieren spüren und gleich darauf war ein mir nur zu bekanntes, leises Knurren zu hören. Mein Puls beschleunigte sich schlagartig.

”Nein, hab ich nicht. Sie ist auf der Straße zusammengebrochen.”

Das war die Antwort und als mir bewusst wurde, dass ich diese betörende, heimtückische Tonlage bereits ein Mal gehört hatte, riss ich meine Augen auf.
 

Edward Cullen!
 

Meine Lungen wollten mir den Sauerstoff verweigern und bei jedem schwerfälligen Atemzug schmerzte mein Brustkorb. Die Panik schoss wie Flutwellen durch meinen Körper und ich rechnete jeden Augenblick damit, dass mir mein Herz aus der Brust springen würde.

Edward Cullen trug mich eisern auf seinen Armen. Ich hätte mich wie wild gewehrt, nur war mein Körper durch die Erschöpfung wie gelähmt. Meine Arme und Beine hingen schlaff nach unten und wollten sich partout nicht bewegen.

“Nein…”, flüsterte ich heiser und starrte in das blasse Gesicht meines Peinigers. Ich fing an zu schluchzen, ich spürte bereits, wie meine Augen feucht wurden. “Bitte!”, flehte ich verzweifelt. “Bitte, bring mich nicht um…”

Edwards Gesichtszüge waren zu Stein erstarrt und er schien überhaupt nicht in der Lage zu sein, etwas zu erwidern.
 

“Miss Swan, niemand wird hier… umgebracht. Sie sind in einem Krankenhaus. Mein Name ist Dr. Cullen. Ich werde mich um Sie kümmern, hören Sie?” Erst jetzt nahm ich die zweite, männliche Person wahr. Sie hatte eine hoch gewachsene Statur, gepflegte, blonde Haare und trug einen weißen Kittel. Ich erkannte die gleiche blasse Haut, die goldenen Augen, die violetten Schatten unter ihnen… das gleiche perfekte Antlitz.

Dr. Cullen… Das bedeutete, dass er zu Edwards Familie gehörte…

Ich musste hier weg und zwar sofort, aber ausgerechnet in dieser Situation wurden sämtliche Befehle meines Gehirns ignoriert. Also war das jetzt wirklich das Ende. Beim ersten Mal war ich verschont worden, aber ein zweites Mal würde ich nicht soviel Glück besitzen. Nur eine klitzekleine Unachtsamkeit und prompt war ich ihnen wie ein dummes Lamm in die Falle gelaufen. Ich wusste zuviel, sie mussten mich beseitigen.

Und nun bot sich ihnen die perfekte Gelegenheit…
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2009-11-12T16:45:40+00:00 12.11.2009 17:45
ohman
najah~
n bisschen lang wenn man bedenkt dass die monologe in den letzten 3 chaps immer um das gleiche ging
bisschen sehr paranoid die kleine....
also ich will nicht fies klingen aber ich hab sehr viel davon übersprungen, denn ich fand die story schon echt gut aber die ging viel zu schleppend voran. vieles war unnötig aber okay, is eure sache und den leuten scheints jah auch zu gefallen. is hier nur eine kleine einzel.-kritik. btw, wer soll denn fynn sein?
Von: abgemeldet
2009-07-24T20:50:58+00:00 24.07.2009 22:50
genial!!!!
ich find das kapi suuupi^^
freu mich schon aufs nächste..
grüße sobi ♥
Von: abgemeldet
2009-07-17T13:00:53+00:00 17.07.2009 15:00
GEIL! einfach nur HAMMERGEIL!

LG
heartly xD
Von: abgemeldet
2009-07-16T21:31:33+00:00 16.07.2009 23:31
Hallo Ihr Drei,

erstmal vielen Dank für den GB-Eintrag. Hat mich wirklich gefreut ein paar Worte von euch zu hören und vorallem, dass Ihr Euch die Kommis wirklich zu Herzen nehmt. Danke auch für die Erklärung über das Verhalten der Cullens, leuchtet mir ein und dann kann ich auch die angedeuteten Diskussionen in diesem Kapitel gut nachvollziehen!
Aber vorallem motiviert mich eure Nachricht doch glatt wiederum auch zu diesem Kapital meinen Kommentar abzugeben ;-)

Wo fang ich denn da an? Ach ich find Fynn super! Irgendwie ist er mir gleich sympatisch und ich hoffe doch, dass es noch mehr von ihm gibt... Blöder Edward, dass der sich da gleich einmischt *grummel* Nein Spaß beiseite natürlich bewegt sich die Story ja in eine bestimmte Richtung und da ist es schon richtig, dass er sie zur Carlisle geschleppt hat. Wenn man bei einem Cullen entwickeln kann, dann ja wohl bei Carlisle. Ich bin auf jedenfall gespannt, wie der Krankenhausbesuch weitergeht, ihr habt ja da einen schönen kleinen Cliffhänger eingebaut!!!

Was mich auch gleich zum nächsten Thema bringt: das beinah-zusammentreffen. Oh man, als Bella in diesem unbekannten Flur reingelaufen ist, hab ich doch beim Lesen glatt den Atem angehalten, weil ich die ganze Zeit dachte, dass Edward um die Ecke kommt. Clevere Storyline, da ich mal davon ausgehe, dass es anderen so ähnlich ging.

Ich mag eure vielen kleinen Andeutungen in diesem Kapitel, die zeigen, dass Edward irgendwie doch immer in der Nähe ist und bereits sehr wohl von ihr faziniert ist (gut, kann man jetzt auch als meine Interpretation verstehen). Ich finde es gut und konsequent, dass Bella die "Betörungswaffen" der Vampire sehr wohl wahrnimmt und quasi davon auch irgendwie angezogen wird, aber sich der Gefahr gleichzeitig auch bewusst ist und dagegen ankämpft. Dadurch kann ich beim Lesen ihre Angst, Unruhe und Verzweifelung gut verstehen und mitfühlen.

Ansonsten gebt Bella jetzt aber was zu essen und gönnt ihr etwas Schlaf, sonst fängt Charlie vielleicht doch ausnahmsweise mal an was zu checken und sie hält die nächsten Kapitel nicht durch und ich weiß dann nicht, wie es weitergeht!

In diesem Sinne weiter so

Lg vom "Schimpfnamen"
Von:  Cygni
2009-07-15T20:46:10+00:00 15.07.2009 22:46
ich zittere grad wirklich!(okay ich hab auch mein fenster auf aber das ist nebensächlich...)

woa.... alter, angst, reinste panik wenn man versucht sich in bellas lage zu versetzen. super geshrieben!
warte gespannt auf mehr

lg stellax3
Von: abgemeldet
2009-07-15T13:40:35+00:00 15.07.2009 15:40
AH, das war spannend!
Nennt mich einen Sadistin, aber ich genieße es einfach, wenn Edward nicht sofort bekommt, was er will und ordentlich leiden muss ;). Unglaublich einprägsam und mitreißend beschrieben!, fällt mir immer als Erstes ein, wenn ich eure FF zu lesen beginne.
Bella ist furchtsam, aber genial (beides verständlich) charakterisiert. Allein, wie ihr auf diese Idee gekommen seid...
Lob Lob Lob an alle!
lg Theo
Von: abgemeldet
2009-07-15T11:47:27+00:00 15.07.2009 13:47
Da kann man gar nicht genug davon bekommen! Wirklich super geschrieben...auch die ganzen Ängste und Gefühle. Da kann man sich richtig in die Lage hineinversetzen.
Ich bin mal gespannt, was Edward mit ihr reden will. Immerhin wird das nicht so einfach werden!!!
Und ich schätze mal dass dieser Fynn irgendwie nicht so gut mit Edward kann, oder?

OK, ich lass mich überraschen.
LG
Von:  dark-butterfly
2009-07-15T11:18:48+00:00 15.07.2009 13:18
O_o... Wow...
Die Story ist echt der Hammer! So ganz anderst als das Original aber so eine Seite, wie es hätte laufen können ist echt toll.
Und das liegt zum einen an den Ideen, der Verlauf des ganzen und die echt mitreißende art wie die FF geschrieben ist.
Man fängt an und wird so mitgerissen das man einfach weiter lesen muss, besonderst die Panik die Bella hat ist so nahe und so kann ich auch sagen das ich einfach hoffe das es schon bald ein neues Kapitel gibt, es ist sooo spannend!

Ich bin auch wirklich neugierig wie Eddi mit der ganzen Sache umgeht und auch die restlichen Cullens.
Und noch besser, wer ist Fynn? Oje... auf jeden Fall freue ich mich schon darauf wie es weiter geht.

LG dark-butterfly ^^


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