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Like a crimson sunrise or a waterblue sky full of cherry blossoms

Tatsu-Yukke
von

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Fear

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet Yusuke, dass es nur noch wenige Stunden bis zum Morgengrau waren, und sich der Zeitpunkt näherte, an welchem er dieses Gebäude offiziell verlassen durfte.
 

Er sollte froh darüber sein, dass er endlich wieder nach Hause durfte. Doch der Gedanke Tatsuro dann völlig allein zu lassen, nur umgeben von ihm unbekannten Person, stimmte ihn unruhig.
 

Er wollte nicht, dass das erste Gesicht was dieser sah, wenn er erwachte, dass eines Fremden war. Jemand der ihn auf unsensible Art über den Grund seines Aufenthaltes hier informierte, nur um ihn dann völlig überfordert mit dieser Situation sich selbst zu überlassen.
 

Er hatte Iwagami-san versprochen, dass er sich um Tatsuro kümmern, und dass er sie über Alles auf dem Laufenden halten würde, als sie sich gestern wieder von ihm verabschiedet hatte.
 

Während der gesamten Zeit, die sie neben Tatsuro verbracht hatten, hatten sie einander angeschwiegen. Iwagami-san hatte die Hand ihres Sohnes in die ihre gelegte, und immer wieder liebevoll darüber gestreichelt, und mit mütterlichem Geschick versucht, sich damit zu beruhigen. Mit sanfter Stimme hatte sie auf Tatsuro eingesprochen. Hatte ihm von alltäglichen Dingen erzählt. Von ihrem Zuhause. Und darüber das er sie, wenn er wieder genesen wäre, ruhig öfter besuchen kommen sollte.
 

Das alles hatten Yukke fast wieder an diese Grenze gebracht.
 

Diese Grenze an welcher es ihn so unglaublich viel Willensstärke kostete, nicht auf den Boden zu sinken und ungehalten auf diesen einzuschlagen, um seine Schuld durch physischen Schmerz zum Schweigen zu bringen.
 

Niemand außer ihm wusste um den wahren Grund, der dieses Drama heraufbeschworen hatte. Und auch wenn es so unendlich feige gewesen war die Wahrheit für sich zu behalten, hatte er es einfach nicht fertig gebracht Iwagami-san alles zu erzählen.
 

Sein Selbstschutz hatte sein abermals mahnendes, schlechtes Gewissen mit der Begründung in die hintersten Ecke seines Kopfs gesperrt, dass es sicherlich auch besser so war. Und er hatte sich nur zu gerne von der Richtigkeit dieses Gedanken überzeugen lassen.
 

Er hätte sie mit seinem Geständnis doch nur noch mehr aufgebracht, als es diese Situation eh schon tat und das wollte er ihr nicht antun. Und irgendwie schien sie das ebenso zu sehen, sonst hätte sie ihn doch sicherlich nach seinem Part in dieser ganzen Geschichte gefragt.
 

Oder nicht?
 


 

***
 


 

Hastig eilte Yukke auf den Eingang des Hospitals zu und konnte gerade noch so einer älteren Dame ausweichen, die im Begriff war dieses zu verlassen. Mit einen entschuldigenden Nicken, eilte er weiter. Er kannte den Weg und für einen kurzen Augenblick war er am Überlegen welche Option ihn am zügigsten in den gewünschten Stock bringen würde, da er sein Ziel so schnell wie möglich erreichen wollte. Ein Blick auf die geschlossenen Türen der beiden Aufzüge, ließ ihn folglich das Treppenhaus anstreben und die Stufen mit großen Schritten überwinden.
 

Etwas außer Atem kam er schließlich vor der ihm nur allzu bekannten Tür zum Stehen.
 

Doch wollte er vor wenigen Sekunden noch so schnell wie nur möglich genau hier her, so kamen nun Gedanken in ihm auf, die ihn zögern ließen. Seine Hand, die er zum Anklopfen an die vor ihm befindlicher Tür legen wollte, senkte sich gleichsam mit seinem Kopf ein Stück weit wieder nach unten.
 

Was wenn er die letzte Person war, die Tatsuro nun sehen wollte?
 

Was wenn er ihn mit seiner Anwesenheit so sehr aufregte, dass es ihm gleich wieder schlechter gehen würde?
 

Mit jeder dieser Eingebungen sank sein Mut, sich seinem Freund zu stellen, weiter. Vielleicht sollte er doch besser wieder gehen.
 

"Yukke?" Eine Hand legte sich auf seine Schulter und er wusste genau zu wem sie gehörte. Satochi tauchte nun an seiner Seite auf und schenkte ihm ein verstehendes Lächeln.
 

"Ist schon OK.", meinte Miya, ebenfalls im Versuch ihn etwas von den wohl recht deutlichen Zweifeln, die er mit seiner Mimik wiedergab, zu befreien.
 

"Lass uns reingehen."
 

Mit diesen Worten klopfte Miya kurz an, bevor er die Tür nach einem monotonen „Dozo“, langsam öffnete.
 

Er konnte nicht leugnen, dass auch er eine innerliche Unruhe mit sich herumtrug, die ihn in der letzten Zeit reichlich zu beschäftigen gewusst hatte.
 

Noch immer hatte ihnen niemand gesagt, was sie erwarten würde, käme Tatsuro erst einmal wieder zu Bewusstsein. Und als er das fast synchrone, tiefe durchatmen seiner hinter ihm befindlichen Freunde vernahm, wusste er, dass es diesen nicht anders erging.
 

Schließlich schwang er die Tür soweit auf, dass sie das Zimmer betreten konnten. Alle Aufmerksamkeit lenkte sich sofort auf Tatsuro. Doch schien die Erwartung, dass er wieder erwacht war, mit einem Schlag zerstört, als dieser noch immer mit geschlossenen Augen in seinem Bett lag und die Präsenz seiner Besucher gar nicht zu registrieren schien.
 

Nun meldete sich erneut die Stimme an sie, welche sie auch herein gebeten hatte und dessen dazugehöriges Erscheinungsbild ihnen schon recht vertraut geworden war.
 

Fast schon wäre Yusuke auf diesen Arzt, in seinem Hoffnung verheißenden weißen Kittel zugestürmt, um sich mit reichlich Verdruss darüber zu informieren, ob man sich mit ihnen hier einen makabren Scherz erlaubt hatte.
 

Mit einem, für Yukke unangebrachten Lächeln auf den Lippen, trat der leicht ergraute Mediziner an sie heran und bat darum ihnen doch wieder nach draußen zu folgen, um etwaige Störungen des Patienten zu vermeiden.
 

Erneut legte sich Yukkes Augenmerk auf Tatsuro, als sich plötzlich die Tür des Raumes schloss und er nun allein mit diesem war.
 

Er konnte noch die dumpfe Stimme Miyas vernehmen der darauf verwies, dass man ihnen nun gern alles mitteilen könne, was es zu sagen gäbe und somit die Einwände des Arztes, dass sie nicht vollzählig wären wissentlich außen vor ließ.
 

Er wusste das seine Freunde nicht vor hatte ihn uneingeweiht zu lassen, vielmehr konnte er sich vorstellen, dass die durchaus positive Miene des Doktors Miya hatte wissen lassen, dass es sich bei der Aufforderung zu einem Gespräch, um nichts unerfreuliches Handeln müsse. Dies sah er auch bestätigt, als sich die Tür auch nicht noch einmal öffnete um mitzuteilen, dass seine Anwesenheit sich nur negativ auswirken würde.
 

Er konnte sich gut vorstellen, wie sich Satochi und Miya mit vor der Brust verschränken Armen vor der Tür positioniert hatten, um auch jeglichen Ansatz hereingestürmt zu kommen zu minimieren.
 

Ein Plötzliches Rascheln lenkte seine Aufmerksamkeit aber nun wieder vollständig zurück auf Tatsuro, der gerade im Begriff war sich leicht im Schlaf zu bewegen. Und so unspektakulär diese Reaktion normalerweise auch war, so erfüllte sie ihn mit unsagbarer Erleichterung.
 

Vorsichtig trat er nun gänzlich an dessen Bett heran und blickte in das noch immer recht blasse Gesicht. Doch tat es ihm nicht mehr annähert so weh, wie in den Momenten, wo man nicht sicher sein konnte, wie sich alles entwickeln würde.
 

Ein schmales Lächeln legte sich auf seine Züge und der Wunsch den Namen des anderen auszusprechen bahnte sich zu seinen Stimmbändern.
 

Jedoch wollte er Tatsuro nicht unnötig stören. Sicherlich brauchte dieser jetzt noch einige Zeit wieder zu Kräften zu finden.
 

"Ich werde für dich da sein.", flüsterte er kaum hörbar in die Stille des Raumes und just in diesen Moment begannen Tatsuros Lieder leicht zu zucken, bis sie sich ein winziges Stück nach oben zogen.
 

"Tatsuro..."
 

Yukkes Stimme war noch immer nicht mehr als ein Wispern und doch schien Tatsuro es gehört zu haben und wendete seinen Kopf nun leicht in dessen Richtung.
 

Wie gebannt starrte Yusuke in die mehr geschlossenen, als wachen Augen und einem Reflex nachgehen streckte er eine seiner Hände nach dem fahlen Gesicht aus. So als müsse er sich vergewissern, dass dies alles real war. Keiner der Träume, die ihn nun fast jede Nacht heimgesucht und ihn immer wieder mit einer Illusion geködert hatte. Nur um ihn beim Erwachen so hart auf den Boden aufschlagen zu lassen, dass er manches Mal seine Verzweiflung nicht mehr unterdrücken konnte und angefangen hatte bittere Träne zu vergießen.
 

Nur für den Bruchteil einer Sekunde, spürte er die Wärme die von Tatsuro ausging, bevor sich die Tür des Zimmers wieder öffnete und ihn inne halten ließ.
 


 

***
 


 

Es war schon Januar.
 

Das hatte er mitbekommen durch das Gespräch, das eine der jungen Krankenschwester mit dem Arzt geführt hatte, welcher ihn täglich aufsuchte, um sich über seinen Zustand in Kenntnis zu setzen.
 

Tatsuro hingegen wollte einfach nur weg aus dieser Umgebung.
 

Seit er aus diesem, für ihn unendlichen tiefen Schlaf erwacht war, war ihm trotzdem als würde er immer noch träumen. Do unerklärlich kam ihm dies alles vor.
 

Doch der schwere Schleier, gleich einem Baldachin aus schwarzen Brokat, der sich über seinem Gedächtnis ausgebreitet hatte, ließ nichts hindurch scheinen, das ihm hätte etwas sagen können. Ihn hätte verstehen lassen.
 

Nur ein kleiner Funken, gleich einem aufgeschreckten Glühwürmchen, huschte unentwegt durch diese zähe Dunkelheit.
 

Es war ein Splitter einer Erinnerung.
 

Doch gab es keine Bilder, nur ein Gefühl.
 

Ein Gefühl von Schuld.
 

Nüchtern hatte man ihm erklärt, warum er hier lag, sobald man der Ansicht gewesen war, das er es verarbeiten könne.
 

Er wurde von einem Auto erfasst, infolgedessen er in einem kritischen Zustand in dieses Krankenhaus gebracht wurde und nach Tagen in einem komaähnlichen Zustand wieder zu sich gefunden hatte.
 

Dies wurde ihm auch von Miya so erklärt. Er meinte, dass es nur ein kleiner Augenblick der Unachtsamkeit gewesen sein musste, und dass das vorherrschende Wetter an diesem Tage sein Übriges dazu beigetragen hatte.
 

Mehr wusste er nicht.
 

Es fiel ihm schwer sich für längere Zeit auf etwas zu konzentrieren. Ständig zollte ihm sein Kopf dies mit heftigen Schmerzen und ließ eine unangenehme Übelkeit aufsteigen, sodass er es letztendlich immer aufgab weiter zu suchen. Letztendlich tat er stets das einzige, was er in seinem Zustand hier tun konnte.
 

Er versuchte zu schlafen.
 

Stets traumlos war diese Ruhe.
 

Keine Farben, keine Bilder.
 

Nur eine Stimme in seinen Gedanken zu ihm sprach.
 

Worte die er nicht greifen konnte, geformt mit diese Verzweiflung die doch stets den Wunsch in ihm zurück ließen, sich erinnern zu können.
 


 

*
 


 

Seit Tagen harrte Tatsuro nun schon bewusst hier aus und jede Stunde erschien ihm so endlos und so verschwendet.
 

Er war dankbar, dass ihm seine Freunde wenigstens einen Teil dieser Zeit abzulenken versuchten.
 

Erst gestern waren sie in zufällig großer Zahl zur Besuchszeit bei ihm aufgetaucht, dass es sogar zu leichtem Platzmangel in seinem Zimmer gekommen war. Es hatte die gute Laune nur noch mehr gefördert, bis schließlich eine der älteren Krankenschwestern mit strenger Miene und schneidender Stimme sie darauf verwiesen hatte, das sie kein Club wären, sondern ein Hospital und sie daraufhin alle Mann wieder hinaus dirigiert hatte.
 

Tatsuro wäre nur zu gern mitgegangen, aus eigenen Belangen und auch weil er nicht mehr wollte, dass man ihm in solch einer Umgebung wissen musste. Es schmerze ihn zu sehen, mit welcher Besorgnis seine Mutter bei jedem ihrer Besuche auf in blickte. Im Versuch ihm durch positives Auftreten wieder ein wenig Kraft zurück zu geben und deutlich zu machen, dass seine Familie immer für ihn da wäre.
 

Er wusste, dass es für sie kein leichtes gewesen war mit dieser Situation umzugehen, und es tat ihm leid.
 

Nie wollte er jemandem der ihm so nahe stand, solche Ängste bereiten.
 

Langsam wandte er seinen Kopf in Richtung des Fensters, das ihm den Blick in einen tristen Nachmittag offenbarte, worauf er sich wieder der Zimmerdecke zuwendete und nach einem genervten Schnaufen, über sein Los, die Augen schloss.
 

Es war viel zu ruhig.
 

Der Nährboden um Gedanken keimen zu lassen, die ihn unruhig machten.
 

Er konnte es nicht verdrängen.
 

Er hatte es nicht sofort bemerkt, viel zu betäubte fühlte er sich nach seinem Erwachen und auch noch einige Zeit danach, als das er es hätte erkennen können. Doch nun, wo sein Geist um einiges klarer war, hatte er sich mit einem Umstand konfrontiert gesehen, der ihn mit schleichender Angst erfüllte, welche er nur ignorieren konnte wenn er sich beschäftigt sah.
 

Nur waren die Möglichkeiten sich abzulenken mehr als gering und trugen ihn irgendwann immer wieder dorthin zurück. Zu dem Punkt, wo er nicht wusste, was er davon halten musste.
 

Niemand, nicht einmal der Arzt der sich ab und an bei ihm zeigte, hatte es angesprochen. Womöglich weil er sich nicht zu ersten Mal solch einem unkooperativen Patienten gegenüber sah.
 

Tatsuro hatte bis jetzt auch nicht versucht sich mitteilen zu wollen, aus Angst etwas zu erfahren, dass er nicht hören wollte. So hatte er wenigstens noch die Hoffnung, dass es nichts Ungewöhnliches war und es sich nur um eine Nebenerscheinung seines Zustandes handelte.
 

Ein kurzes Kratzen auf dem Boden ließ Tatsuro seine Augen wieder öffnen und seine Gedankengänge verloren sich als er erkannte, dass sich jemand auf den Stuhl der neben seinem Bett stand, niedergelassen hatte.
 

Es war Yukke.
 

Dieser sah ihn nicht an, womöglich weil er annahm, dass er schlafen würde und blickte so auf seine im Schoß liegenden Hände.
 

Es war das erste Mal, dass Yusuke ihn allein besuchen kam.
 

Abwartend lag sein Blick auf ihm. Dieser Ausdruck auf dessen Gesicht erinnerte ihn an die Sorge, die er auch bei seiner Mutter ablesen konnte, wenn sie bei ihm war.
 

Es schmerzte ihn immer wieder aufs Neue.
 

Und wieder wurde ihm bewusst, was er vor wenigen Augenblicken noch versucht hatte zu verdrängen.
 

Er konnte nichts sagen.
 

Die Worte in seinem Kopf ließen sich einfach nicht mit einem Klang festigen.
 

Egal wie oft er es versuchte, es blieb nur bei den Bewegungen seinen Lippen und drückender Stille.
 

Frustriert über diese Tatsache ballte er seine Hände zu Fäusten.
 

Konnte er denn gar nichts richtig machen?!
 

Doch die Wut die in ihm hoch kochen wollte verebbte jäh, als er die Tränen auf den Wangen Yusukes wahrnahm, welche unabdinglich von dessen Kinn, auf dessen Handrücken tropften.
 

Yukke...
 

Es war nicht das erste Mal, dass er ihn weinen sah, doch noch nie hatte er sich dabei so hilflos gefühlt wie jetzt.
 

Er wollte nicht, dass dieser sich seinetwegen so traurig fühlte.
 

Er wollte nicht, dass er sich wegen ihm solche Sorgen machte, dass es ihn so mitnahm.
 

Doch wie sollte er ihm das verständlich machen?
 

Er konnte ihn doch nicht einfach so in seinem Kummer sitzen lassen!
 

Vorsichtig und von Yukke ungeachtet, zog er seinen Arm unter der Bettdecke hervor, und streckte seine Hand in dessen Richtung, um ihm wenigstens durch eine Berührung zu zeigen, dass er keine Angst mehr um ihn haben musste. Doch nur wenige Millimeter bevor er dessen tränennasse Hände hätte erreichen können, sprang dieser von seinem Platz auf und schaute ihn aus seinen geröteten Augen an.
 

Ein Moment festgehalten wie auf einem Foto entstand, bevor sich Yukke wieder von ihm abwandte und rasch das Zimmer verließ.
 

Er war an diesem Tag nicht wieder zurückgekommen.
 


 

*
 


 

Es war dieser Augenblick, der Tatsuro dazu veranlasste hatte, sich an die erste Person mit medizinischen Kenntnissen zu wendeten, die wieder zu ihm herantrat, um etwas umständlich darauf zu verweisen, dass er sich mitteilen, es ihm aber aus irgendeinem Grund akustisch nicht gelingen wollte.
 

Etwas verwirrt hatte die junge Schwester in angeschaut und seine Bemühungen verfolgt, bis sie zu verstehen geglaubt hatte und ihm aus ihrem Kittel einen Zettel und einen Stift reichte.
 

Daraufhin hatte er ihr aufgeschrieben, was sein Anliegen war und nun stand, wie das kleine Plastikschild an seiner Brusttasche verriet, Dr. Nagano vor ihm und blickte fragend auf ihn herab. Er hatte ihm erklärt, dass sein Kollege nicht mehr im Haus wäre und er sich nun seiner annehmen würde, da er wohl bemerkt hatte, das Tatsuro leicht verwirrt schien mit seiner ihm unbekannten Präsenz.
 

Ein zögerliches Nicken von Seiten Tatsuros ließ deutlich werden, dass er sich damit abfinden konnte und reichte dem Arzt mit der markanten Kinnpartie einen Zettel, worauf er in der Zeit des Wartens seine Feststellung niedergeschrieben hatte. Ohne eine Miene zu verziehen, ließ Dr. Nagano sich von der immer noch mit anwesenden Schwester dessen Krankenpapiere reichen, um diese zu studieren. Tatsuro verfolgte angespannt dessen Tun, um auch jede noch so kleine Regung, in dem noch immer nichtssagenden Gesicht seines Gegenübers, einfangen zu können.
 

Schließlich klemmte sich dieser den grauen Hefter unter seinen linken Arm und mit ein paar Worten an die junge Frau neben ihm, verließ diese den Raum wieder. Tatsuro war sich nun gar nicht mehr so sicher, ob er das richtig getan hatte, oder ob nun nur noch alles schlimmer werden würde.
 


 

*
 


 

Mit ruhiger Stimme fing der Mann vor ihm an seine Theorie zu dieser Sache zu erklären. Das Erste was Tatsuro dabei in den Sinn kam war, das diese Stimme nicht zu der Erscheinung seiner Person passte.
 

Es dauerte zehn Minuten, bis der Monolog sein Ende gefunden hatte und mit einem leichten Gefühl von Scham musste Tatsuro sich eingestehen, dass er eigentlich gar nichts von dem Verstanden hatte, was man ihm vorgetragen hatte.
 

Sein Kopf hatte wieder begonnen zu schmerzen und so war es ihm schwer gefallen alles aufzunehmen. Außerdem hatte er auch keine Ahnung von all den Fachbegriffen gehabt, mit denen man ihn versucht hatte alles deutlich zu machen.
 

Schließlich hatte er nur wieder genickt und hoffte irgendwo noch immer, dass das alles nur ein schlechter Traum sei.
 


 

***
 


 

Vorsichtig stellte Miya die beiden Tassen auf die gläserne Oberfläche seines Couchtisches ab und setzte sich mit ein wenig Abstand nun ebenfalls auf das dunkle Polster, auf welchem Yukke saß und unentwegt an dem Reißverschluss seiner Stickjacke herumnestelte.
 

Unsicher strich sich Miya durch seine dunklen Haare, da Yukke bis jetzt noch kein Wort darüber verloren hatte, warum er hier aufgetaucht und so durch den Wind war.
 

Wahrscheinlich würde dieser sogar noch unten stehen, wäre er nicht gerade von seinen Einkäufen zurückgekommen und hätte ihn eingesammelt.
 

"Trink wenigstens etwas von dem Tee, der wird dich aufwärmen.", meinte er schließlich, da er das Gefühl hatte wenigstens etwas sagen zu müssen.
 

Er konnte verfolgen wie Yusuke in seinem nervösen Tun inne hielt und wenig später seine, von der winterlichen Kälte beanspruchte Hände, um die warme Keramik legen.
 

Doch anstatt einen Schluck daraus zu nehmen, kaute er nun unschlüssig auf seiner Unterlippe herum.
 

"Hast du dich nie gefragt warum?" Miya runzelte ob der unerwarteten Frage etwas die Stirn, denn er war sich nicht sicher auf was genau sich sein Freund mit dieser Frage bezog.
 

"Ich glaube er wird mir das nie verzeihen." Yusukes Unsicherheit, gepaart mit der in letzter Zeit allgegenwärtiger Betrübtheit in seinen Worten, war deutlich heraus zu hören.
 

"Du meinst Tatsuro?"
 

"Ich war heute bei ihm..." Kurz schluckte Yukke an dem Knoten der sich in seinem Hals bildete.
 

"...ich bin einfach wieder abgehauen..."
 

Er wusste, dass er nicht vor Tatsuro selbst davongerannt war, sondern vor dem Schuldgefühl das seine Fänge in ihn getrieben hatte. Und welches seit diesem Vorfall stets und ständig an ihm zerrte, sodass er es einfach nicht mehr ausgehalten hatte bei ihm zu bleiben.
 

Ein unmerkliches Schluchzen driftete über seine Lippen, als er sich das verwirrte Gesicht Tatsuros wieder zurück rief, als er so abrupt das Weite gesucht hatte.
 

"Ich kann damit nicht umgehen...", wisperte er und fühlte wie die Tränenflut erneut loszubrechen drohte.
 

Bis jetzt hatte er niemanden erzählt, was genau der Grund für diesen Unfall gewesen war, da er einfach zu viel Angst vor der Reaktion der Menschen hatte, die mit ihm und Tatsuro verbunden waren. Und andererseits hatte nie jemand gefragt, warum auch er in einem solch lädierten Zustand in dieses Krankenhaus gebracht worden war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie es wussten und ihn nicht darauf angesprochen hätten.
 

War es Unsicherheit aus welcher heraus sie ihn nicht damit belangten?
 

Eigentlich hätte er froh darüber sein sollen, dass sie ihn in Ruhe ließen. Doch die Angst, dass man ihn doch noch unerwartet damit konfrontieren würde, war stets präsent.
 

Er fühlte sich so oder so elend.
 

Diese Bürde der Schuld war immer schwerer geworden.
 

Und seit Tatsuro wieder wach war, hatte ihre Last sogar noch an Gewicht dazu gewonnen.
 

Dieser hatte seit seinem Erwachen kein einziges Wort zu ihm gesagt und soweit er es wusste auch nicht zu seinen anderen Freunden.
 

Und es irritierte ihn.
 

Es war ihm klar, dass dieser seine Zeit brauchen würde, um mit der gesamten Situation erst einmal zu Recht zu kommen.
 

Nur schien ihm dieser Zeitraum nun doch etwas zu gedehnt.
 

Tatsuro machte nicht den Eindruck, dass er nicht wüsste was um ihn herum passierte, oder passiert war.
 

Auch wenn dies letztendlich auch nur seine Meinung darstellte.
 

Schließlich war er kein Mediziner.
 

Also hatte er für sich den Entschluss gefasst, nun endlich mit der Sprache herauszurücken, auch auf die Gefahr hin, dass er einen Schwall der Missbilligung über sein verantwortungsloses und egoistisches Verhalten zu ertragen hatte.
 

Aber so ging es einfach nicht weiter und er hoffte das Miya ihn wenigstens etwas verstehen könnte, wenn er ihm die Wahrheit offen legen würde.
 

"Es ist meine Schuld gewesen.", setzte er also seine Beichte an und schaute dabei kurz zu Miya hinüber, der ihn noch immer beobachtete.
 

"Ich weiß, ich habe das schon öfter gesagt, aber..." Er schluckte hart an der Reue die ihn zu verspotten schien.
 

"Aber...", hakte nun Miya zögerlich nach, als er merkte, dass sein Freund wohl einen schweren innerlichen Kampf mit sich auszufechten hatte.
 

Die erste verwaiste Träne zog ihre Spur und Miya wusste, wie schwer es Yukke fallen musste dieses Gespräch aufrecht zu halten.
 

"...aber es gibt da noch etwas, dass ich bis jetzt niemandem erzählt habe."
 

Wieder schwieg er und wünschte sich etwas herbei an dem er sich festklammern konnte, um sich nicht so unendlich haltlos zu fühlen.
 

"Es ist ok..." Mit diesen Worten war Miya nun an ihn herangerückt und hatte ihm einen Arm um die angespannten Schultern gelegt.
 

Es tat ihm weh mit anzusehen, wie sehr sich Yukke quälte. Auch wenn sie sich alle um Tatsuro große Sorgen machten so sah man, dass dieser um einiges mehr litt als sie und bis jetzt hatte er nie darüber sprechen wollen. Und sie hatten sich dazu entschlossen, ihn auch nie damit zu bedrängen. Auch aus Furcht etwas loszureißen, das Yukke wieder völlig aus der Bahn werfen würde.
 

Er hatte es schon einmal, und nur zu deutlich miterleben dürfen.
 

Miya wusste, dass dieser Moment hier etwas sehr zerbrechliches war, und so versuchte er seinem Freund so viel Spielraum zu lassen, wie er benötigte, um sich nicht wieder verschreckt in sein Schneckenhaus zurückzuziehen, weil er sich zu etwas gezwungen sah.
 

Yusuke sollte einfach nur wissen, dass jemand da war.
 

Er würde ihm nun einfach die Zeit lassen die er brauchte, um sich zu überwinden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -aftermath-
2010-12-30T09:44:55+00:00 30.12.2010 10:44
Oh man.. >-<
Spannend..
Ich will wissen wie es weiter geht!
Von:  FLAU
2010-12-30T08:34:19+00:00 30.12.2010 09:34
oh du!! >_<
du hälst es auch wirklich sehr spannend!
jetzt können die zwei nichtmal eine ausprache haben...
argh!! ich hoffe allerdings, dass ich bald mehr lesen kann.
ich mag deine ff wirklich sehr.
eine der besten mucc ff's die ich lesen durfte. ♥
Von:  natsu-niji
2010-12-29T18:06:36+00:00 29.12.2010 19:06
oh liebes wenigstens ist tatsuro wieder wach aber leider hat er seine stimme nicht mehr, ich vermute durch den schock den er erlitten hat bzw. trauma.
der arme yukke wird sich wahrscheinlich nur noch mehr vorwürfe machen und sich die schuld geben als eh schon wenn er es merkt bis jetzt denkt er ja nur das dieser nicht mit ihnen sprechen will.
mir hat auch sehr gefallen das die jungs und tatsus mam yukke nicht zum reden drängen da sie mergen wie schlecht es ihm so schon alleine geht.
tatsuro scheint ja vergessen haben was genau passiert ist was wohl meist nach so einem unfall so ist.
er macht sich ja auch sorgen und gedanken um seine mam und yukke die so besorgt um ihn sind und ist verzweifelt weil er sich nicht verständigen kann.
fand es schön wie er aufgewacht und yukke ihm versichert das er für ihn da ist und wie tatsuro mit seiner hand auf yukke zugeht als dieser anfängt zu weinen-gänsehautmoment aber leider flieht er ja wieder aus dem krankenhaus.
hoffe das gespräch hilft ihm damit er mit seinen schuldgefühlen besser klar zu kommen und zu erkennen das ihn keine schuld trifft.
bin schon neugierig wie es mit den beiden süßen weiter geht.
danke für das bescheid sagen^-^
liebe knuddelgrüße deine evé^^


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