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Glass Wings

[IXxVI]
von

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~°*:-+-:*°~ Ģ ι ą ş ś – Ŵ ï й ġ ş ~°*:-+-:*°~

~°*:-+-:*°~ ĨҖҗVĨ ~°*:-+-:*°~
 

Love, love, love is a word so small

Let it fill up, up, up 'til I can't see at all
 

*°+~ Τ ą ġ – Ë ΐ η ś ~+°*
 

Er hatte sich auf sein Bett gelegt, auch wenn er nicht mehr wusste, wie er zu selbigem gelangt war. Sein silberblaues Haar hatte sich über beide seiner Augen begeben, doch trotzdem hielt er seine Hände über die geschlossenen Lider und tastete mit den Fingern über das, was von der dünnen Hautschicht verdeckt wurde. Starke Bewegung war zu bemerken, ihm wurden verschiedene, zusammenhanglose Bilder in den Kopf projiziert, und doch war alles ... dunkel.

Es war nicht in dem Sinne dunkel, dass die Nie Gewesene Welt nah, gar schon zu nah an der Dunkelheit lag. Ebenso waren es nicht seine geschlossenen Augen oder die Beleuchtung in seinem Raum, denn egal, welche äußeren Einflüsse man veränderte, es blieb dunkel, schwarz und leer. Er sah nichts außer Finsternis und den Bildern, die sein Gehirn seinem geistigen Auge vorsetzte, damit es nicht gänzlich vergaß, wie Farben aussahen.

Alles war verschwommen. Verschwommen, verging in einem Strudel, führte sich zusammen und verband sich zu einer konsumierenden Schwärze, die alles aufnahm und jeden verschlang, der ihr zu nah kam. Sein Gedächtnis hatte Lücken; er wusste, wie viel Zeit vergangen war, jedoch hatte er keinerlei Ahnung, was in den letzten Stunden passiert war. Verdammt noch mal, er wusste nicht einmal mehr, ob er seine Stiefel noch trug, er fühlte sie nicht einmal mehr, vollkommen egal, welchen Zustand seine Füße innehatten.

Die Kraft der Dunkelheit flimmerte vor ihm; er konnte es spüren. Ein Portal, ein dunkler Korridor in sein Zimmer öffnete sich, und jemand betrat dadurch sein heiliges Refugium, den Ort, an den er zu jeder Zeit gehen konnte, um für einige Zeit dem vorgefertigten Alltag zu entfliehen. Er wusste, um wen es sich handelte, dieser Mann hatte eine individuelle Aura an sich, und auch wenn er eine ihm höhergestellte Person war, schenkte er ihm keinerlei Aufmerksamkeit, bewegte sich keinen Millimeter – denn er wusste noch von früher, von damals, dass er dieses Privileg hatte.

Der tiefe Bass ertönte, hallte im gesamten Raum wider, prallte von den Wänden ab und drang unaufhaltsam in seine sensiblen Ohren, brachte sie zum Schmerzen und trotzdem rührte er sich nicht. "Nummer VI", dröhnte es beherrschend und allmächtig, ein Befehl, eine Aufforderung allein, ohne Worte verlieren zu müssen, "warum bist du nicht zur heutigen Versammlung erschienen?"

"Hat Nummer IV nichts verlauten lassen?", stellte er eine Gegenfrage und rieb sich müde über die geschlossenen Augen. Er fühlte sich leer, leerer als sonst, und es nagte an seiner Psyche, verbrauchte all seine Energie und gab ihm dafür ausschließlich den Drang nach Schlaf.

"Nein, hat er nicht. Und ich weigere mich, anzufangen, wenn nicht alle Mitglieder anwesend sind. Erkläre mir, warum du hier bist."

Ein Seufzen entrang seinen schmalen Lippen, als er sich gegen seine eigene Entscheidung langsam aufsetzte und im Schneidersitz auf der Matratze verweilte, die Hände auf seinem Schoß gefaltet, der Kopf gesenkt, die Augen weiterhin geschlossen. Es brachte nichts, sie zu öffnen, ihn würde nichts anderes erwarten als diese hässliche Wahrheit, der er sich eventuell sogar bis zum Ende seines Lebens stellen müsste.

"Das letzte Experiment von Nummer IV, bei dem ich auf Euer Geheiß als Assistent dienen sollte, endete in Misserfolg", begann er, zu erklären, merkte jedoch nicht, wie seine Stimme leicht schwankte. Er wollte es nicht erzählen, wollte es wirklich nicht, und doch so sehr, dass dieses Empfinden gar nicht durch die sie definierende Logik zu erklären war. "Es kam zu einer geringen Explosion. Bis auf ein paar Reagenzgläser und einigen ausgelaufenen Flüssigkeiten ist es zu keinem nennenswerten Schaden am Inventar gekommen. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Substanzen nicht durch das gesamte Labor flogen. Ich weiß nicht mehr, was es war, aber ich wurde von zähflüssiger Materie getroffen."

Er pausierte.

"Beende die Theatralik", wurde ihm angeordnet, "was hat diese Substanz an dir für Wirkungen ausgefaltet? Mir scheint, dass dir rein äußerlich keine negative Veränderung unterlaufen sei."

Es war der schwerste Teil. Der schwerste Teil des Ganzen, was er zu erzählen hatte. Es war nicht einfach nur eine Wiedergabe dessen, was vonstatten gegangen war, es war geradezu ein Geständnis, was aus ihm geworden war. Ein Geständnis, dass er weniger seinem Vorgesetzten, sondern mehr sich selbst gegenüber machen musste. Er hätte nicht erwartet, dass es so hart war, sich selbst seine Lage einzugestehen, dass es für ihre Ansprüche schon fast als unmöglich zu bezeichnen war.

Ihre Ansprüche an alles und jeden waren nur ein Ding: Gleichgültigkeit. Doch die empfand er nicht. Das war das große Problem, mit dem er nun zu kämpfen hatte. Rein aus der Theorie heraus konnte er nicht fühlen, keine Gefühle, nichts. Er war ein Niemand, eine wortwörtlich herzlose Kreatur, die weder im Licht noch in der Dunkelheit existierte, und doch aß es an ihm, labte sich an seine Unfähigkeit, es zu überwinden.

Doch es brachte nichts; er hatte keine Wahl, als zu dem zu stehen, was aus ihm geworden war.

"Ich bin erblindet."

Drei Worte. Drei kleine Worte, die in ihrer geballten Ladung eintausend und mehr Bedeutungen hatten. Er konnte nicht mehr sehen. Man konnte ihn nicht mehr unbeaufsichtigt lassen, da man nicht wusste, was er anstellte, wobei er sich selbst verletzen könnte. Er konnte nicht mehr allein irgendwohin gehen, konnte keine Nachforschungen anstellen, konnte bei keinen Experimenten oder dergleichen als Assistent agieren. Er konnte so den ihm aufgetragenen Aufgaben nicht mehr nachgehen.

Er war schlicht und ergreifend nutzlos für die Organisation in seinem momentanen Zustand.

Sein Gegenüber regte sich einen Augenblick lang nicht, welcher sich in mehrere wandelte, die in ihrer Dauer anschwollen. Dann hörte er das leichte Rascheln der Lederkutte, ein Einatmen von Luft und schließlich ihn: "Steh auf und komm mit."

Dem Befehl nachgehend, tastete er sich langsam über die Matratze zum Bettrand, hielt sich daran fest, als er langsam aus der Schlafstätte kletterte und dabei ungeahnt vorsichtig vorging. Zwar wusste er um die räumliche Beschaffenheit seines Quartiers, doch nicht sehen zu können, wo man selbst oder etwas anderes war, verhinderte einem alles. Es blieb schwarz überall und er erinnerte sich noch, im Laboratorium gegen die verschiedensten Dinge gekommen zu sein.

Wenigstens wusste er jetzt, dass er seine Fußbekleidung noch trug ...

Bedächtig tastete er sich voran, immer mit einer Hand an der Bettkante entlang gleitend, bis er schließlich am Fußende ankam und sich fragte, was nun? Es hatte keinen Sinn, in seinem Zustand einfach loszugehen, denn somit konnte er an hunderten Orten ankommen und den richtigen nie finden.

Eine Hand ergriff seinen Ellenbogen, Worte ertönten, die er nicht ausmachen konnte, und dann fühlte er sich wie unter einer Walze, wurde von einer andersartigen Kraft gezerrt und gezogen und erdrückt und er konnte einige Sekunden lang nicht atmen. Dann war es vorbei, und unterbewusst spürte er, wie die Klauen der Dunkelheit nach unbewusstem Durchqueren eines dunklen Korridors von ihm abließen. Sein Ellenbogen wurde losgelassen und auch wenn er nicht sehen konnte, wusste er genau, wo er war. Erregtes Stimmengewirr verriet seine Umgebung, und wissend, wo man ihn abgestellt hatte, ließ er sich nieder auf seinem Thron in der großen Versammlungshalle direkt zwischen Lexaeus und Saïx. Er konnte alle Blicke auf sich ruhen spüren, wie sie ihn von oben bis unten musterten. Demonstrativ überschlug er seine Beine und verschränkte die Arme vor der Brust, nahm eine indirekte Abwehrhaltung ein, hielt vehement seine Augen geschlossen.

"Nummer IV", sprach ihr Anführer in erhabenem Ton, der von der Akustik der Halle aufgenommen und wiedergegeben wurde. Das Echo jagte durch Mark und Bein und konnte Unwissenden einen gewaltigen Schreck einjagen. Nun musste er sich eingestehen, dass es noch einen Nachteil gab: Er konnte die Reaktionen der anderen auf irgendetwas nicht mehr so genau wie zuvor bestimmen, und das missfiel ihm ungemein. "Wieso hast du uns nicht unterrichtet, wie es um die körperliche Verfassung von Nummer VI steht?"

Die Blicke ließen von ihm ab, nur noch einer verweilte noch auf ihm. Er konnte ihn nicht zuordnen, spürte ihn nur, konnte nicht sagen, von wo er kam, wusste nur, dass er mehr Bedeutung, mehr Tiefgründigkeit hatte als die anderen. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen, er versuchte, ein Puzzle zu lösen, das gar nicht existierte. Wie sie selbst.

"Ich war der Auffassung, da die Substanz in ihrer Konzentration zwar hoch, aber in ihrer Wirkung bisher geringer Auswirkungen war, dass es sich nach einigen Stunden wieder lege", antwortete Vexen, und seiner Stimme konnte man entnehmen, dass er wusste, einen gewaltigen Fehler begangen zu haben. "Anscheinend vervielfältigt sich ihre Wirkung, wenn sie auf organisches Material trifft. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dies eine interessante Eröffnung, da wird mir Nummer VI sicherlich zustimmen." Er bewegte sich keinen Zentimeter, denn auch wenn dies sich nach einer eventuellen Innovation in der Chemie anhörte, er war alles andere als dazu aufgelegt, sich zu freuen – abgesehen davon, dass seine Freude nur eine Vorgabe war, nichts weiter. "Aber nun hat es sich zu einem Problem entwickelt, für das ich mich aufrichtig entschuldige. Mit Eurer Erlaubnis würde ich mich augenblicklich daran machen, ein Gegenmittel zu suchen."

Bevor Xemnas antworten konnte, sprach ihm jemand dazwischen, der Stimme nach zu urteilen Xigbar: "Okay, bevor das hier jetzt 'ne Privatunterhaltung wird und wir übrigen theoretisch 'ne Pinkelpause einlegen können, spreche ich wohl für alle, wenn ich frage, was genau eigentlich das Problem ist."

Das Knautschen von Leder war zu hören; Xemnas hatte sich wohl auf seinem Thron zurückgelehnt. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie der silberhaarige Niemand die Beine übereinander schlug, seine Ellenbögen auf die Knie stellte und die Hände faltete, um sein Kinn darauf abzulegen. "Nummer VI", begann er in langen, ausgedehnten Worten, die sich selbst in das Gehirn eines lernbehinderten Kindes von fünf Jahren gebrannt hätten. Es missfiel ihm. Es missfiel ihm vollkommen, das zu hören, diesen Tonfall, der eine Imitation von Gehässigkeit und vorgespielter Überheblichkeit war, über sich ergehen lassen zu müssen. Hätte er gekonnt, hätte er sich die Ohren zugehalten. Aber er konnte nicht; nicht hier, nicht vor ihrem Anführer, nur für sich allein in seinem Refugium, wo es keinerlei Wirkung hätte. "Wird sich für die Dauer eines von Nummer IV bereiteten Problems unfähig vorfinden, jeglichen Aufgaben nachzukommen, die ihm in irgendeiner Art und Weise aufgetragen würden. Deshalb werden wir sämtliche Arbeitsaufträge neu verteilen müssen, denn bis auf Weiteres ist Nummer VI suspendiert." Eine kurze Pause, dann das, was er nicht hören wollte. "Er ist kurzfristig erblindet."

Auf einmal war es still, vollkommen still. Es war stiller hier als im Schloss Radiant Gardens, wenn alle Experimente des Tages abgeschlossen waren und jeder sich zur Ruhe gebettet hatte. Es gab kein ersticktes Einatmen von Luft, es gab kein Zucken, denn das raschelnde Geräusch, das die Ledermäntel von sich gaben, blieb aus. Eine merkwürdige Spannung entstand, die einem ohne Umschweife die Kehle zuschnürte und die langsame Erstickung einleitete.

Ihn beschlich die Ahnung, dass ein gewisses neues Mitglied, gerade vor einem Monat entdeckt, seinen Mund öffnen wollte, um irgendetwas zu fragen, doch Xemnas kam ihm zuvor: "Ich habe mich entschieden, wie wir die Aufgaben übertragen werden: Nummer II und Nummer III werden neben dem weiteren Aufstöbern neuer Mitglieder auch einige Feldmissionen übernehmen, Nummer IV wird an einem Heilmittel arbeiten, Nummer V, Nummer VII und Nummer VIII kriegen weiterhin ihre Missionen. Was Nummer IX angeht ..."

Es raschelte. Das neuste Mitglied der Organisation wand sich unter dem Blick, den Nummer I ihm in diesem Moment definitiv zuwarf. Einschüchternd für den Neuzugang, mit Sicherheit, doch für ihn selbst war dieser Ausdruck nichts weiter als ein verzweifelter Versuch, zu verbergen, welche indirekte Verzweiflung innerlich an ihnen allen nagte, und bliebe daher vollkommen erfolglos: "J- ja?"

"Da dies eine gute Gelegenheit ist, uns zu zeigen, dass du mehr kannst, als dich von einem Ort zum anderen zu schleichen und dich musikalisch auszuleben", fuhr Xemnas fort und wenn er es nicht besser wüsste, würde er ihm für diesen sarkastisch-humoristischen Unterton gratulieren, "übertrage ich dir hiermit die Verantwortung für die Sicherheit von Nummer VI. Du hast darauf zu achten, dass nichts passiert, was einer von uns eines Tages bereuen würde, besonders Nummer VI nicht."

Damit war er nicht einverstanden. Er wollte nicht bemuttert werden, brauchte keinen Wächter, der darauf aufpasste, dass er auch ja nicht gegen eine Wand lief. Verdammt noch mal, er war zwar blind, aber nicht paralysiert!

Es verlangte ihm nicht danach, mit Samthandschuhen angefasst zu werden, auch wenn diese Situation neu und chaotisch war und er nicht wirklich verstand, was genau man von ihm erwartete, das er sich selbst antat. Suizid mithilfe eines scharfen Messers, wenn er wusste, dass man ihn nicht mehr in die Küche ließe? Suizid mithilfe eines Strickes, wenn er wusste, dass er zum einen das kleinste ihrer aus momentan neun Mitgliedern bestehenden Organisation war und sie auch nur dünne Fäden aufbewahrten, für den Fall, dass eine der Kutten hie oder da eventuell einen Riss erhielte? Suizid mithilfe eines Rasierers, wenn er wusste, dass bis auf das Haar auf ihrem Kopfe sich nichts mehr an ihren Körpern veränderte und sie deshalb solche Gegenstände gar nicht weiter besaßen? Suizid mithilfe irgendwelcher Giftstoffe, wenn er wusste, dass er nicht einmal mehr sehen konnte, was er zusammenmischte?

Das war vollkommener Blödsinn.

Verhörte er sich oder salutierte Nummer IX? "Ja, Sir, ich werde mich um Nummer VI kümmern."

"In Ordnung", erwiderte ihr Anführer, ein Seufzen glitt über seine Lippen, "damit ist diese Versammlung beendet. Die nächste folgt in genau einer Woche."

Portale, schwarze Korridore öffneten sich und sie verschwanden einer nach dem anderen bis auf ihn und denjenigen, der nun auf ihn aufzupassen hatte wie auf einen Schäferhund, der sich erst an die neue Umgebung und Familie zu gewöhnen hatte. Aber er war kein Schoßhund, er war ein Niemand, einer der mit der meisten Erfahrung noch dazu. Nicht etwa ein Neugeborenes, dem man noch alles beizubringen hatte wie Laufen oder dergleichen. Zugegeben, nun hatte er einige Dinge anders zu machen und die Umgewöhnung würde wohl etwas Zeit in Anspruch nehmen, aber er brauchte niemandem, der ihn fütterte, ihn zudeckte und ihm unter die Dusche half.

Resigniert lehnte er sich in seinem Thron zurück, ließ seinen Kopf an der weißen Lehne ruhen und seufzte. Er hätte rebellieren sollen. Er hätte sich dagegen aussprechen sollen, dementieren sollen, was alle dachten – denn er war nicht hilflos, so sehr seine fragile Erscheinung diese Nachricht auch vermitteln mochte. Er hätte ihnen sagen sollen, dass er okay sei, dass er alleine klarkäme, und doch hatte er es nicht getan. Und warum nicht? Weil Xemnas nie mit sich hätte argumentieren lassen, und das war ihm seit damals schon bewusst.

"Ist alles okay mit dir? Tut dir irgendetwas, nun ja, weh, Zexion?", ertönte die sanfte Stimme Demyxens etwas weiter links von ihm, noch immer dieselbe Lautstärke wie zuvor, woraus er schloss, dass er seinen Platz nicht weiter verlassen hatte. Er grummelte leise; er wollte nichts mit diesem Neuling mit den verqueren Ansichten zu tun haben, doch dann wiederum war er ihm dankbar, ihn davor bewahrt zu haben, in die dunkelsten Abgründe seiner Vergangenheit zu fallen, die jeden anderen innerlich zerrissen hätten.

"Nummer VI", erwiderte er automatisch in bissigem Tonfall, längst zu einer Gewohnheit geworden, die er nicht mehr einfach so abschütteln konnte und auch nicht wollte. Er schüttelte den Kopf. "Ich bin erblindet, nicht von hungrigen Wölfen angefallen worden, die mich zerfleischen wollten."

"Gibt es denn gar nichts, das ich für dich tun kann?", fragte Demyx, und wenn er es nicht besser wüsste, war das Flehende in dieser melodischen Stimme echt. Unwillkürlich verspürte er den Drang, einfach die Augen zu öffnen und in die des anderen zu blicken, erst jetzt realisierend, dass er deren Farbe noch nicht einmal kannte; aber es war sinnlos, er würde keine Farben sehen, gar nichts, nur endlose Finsternis, sich nicht ändernde Schwärze, wofür also sollte es sich lohnen?

"Du kannst mich zu meinem Zimmer bringen." Denn er wollte sich für diesen Tag nicht mehr damit befassen, wollte es einfach nur abschließen und für einige Stunden Schlaf einfach alles vergessen. Er hatte die Zeit, nichts zu tun, konnte einfach in den Tag leben und sich gehen lassen, und doch hatte er seinen Nutzen, den Sinn und Zweck seiner weiteren Existenz in Erreichen ihres Ziels, Kingdom Hearts, verloren.

Es schmerzte. Es schmerzte ihn, doch wollte er darüber nicht nachdenken. Es war nur Einbildung, sonst nichts.

"Okay, dann komm", erklang die Stimmer von Nummer IX direkt neben ihm und innerlich erschrak er, trotz übernatürlicher Sinne nicht bemerkt zu haben, wie der junge Niemand sich ihm genähert hatte. Er ergriff seinen Ellenbogen und zerrte ihn in einen dunklen Korridor, doch war dieser nicht so erdrückend wie der, den Xemnas geöffnet hatte. Er war ... angenehm, in einem Sinne, den er selbst nicht verstehen konnte. Oder vielmehr wollte.

Demyx blieb noch, bis er bettfertig war und ging erst dann, mit dem Versprechen, am nächsten Morgen wieder da zu sein. Dann war alles nur noch still und ... dunkel.
 

*°+~ Τ ą ġ – Ž ω ε ΐ ~+°*
 

Er folgte ihm wie ein trainierter Blindenhund. Nur schlimmer. Viel schlimmer.

Er konnte nichts mehr machen ohne sein Augenlicht, folglich hatte er den gesamten Vormittag in seinem Zimmer verbracht, war auf seinem Bett gelegen und hatte mit geschlossenen Augen die Decke angestarrt und nachgedacht. Was konnte er tun, damit er nicht vor Langeweile in der Zeit verkam, die Nummer IV brauchte, um ein Gegenmittel zu finden? Er würde sich mit Lesen beschäftigen, doch das Problem daran war, dass diese Tätigkeit voraussetzte, dass man sehen konnte, und Blindenschrift war ihm aufgrund bisheriger Überflüssigkeit nicht bekannt. Folglich konnte er eigentlich nichts anderes machen als Nachdenken.

Als Nummer IX um gefühlt elf Uhr – ohne auf eine Uhr blicken zu können und kein Licht mehr ausmachen zu können (abgesehen von der konstanten Nacht in der Nie Gewesenen Welt), war Zeitbestimmung eine komplizierte Sache geworden – die Tür aufwerfend in sein Zimmer stolperte und sich mehrfach entschuldigte ob seiner Verspätung, war es aus mit der seligen Ruhe, in der er hätte nachdenken und nachdenken können.

"Was machst du immer noch im Bett, Zexion?", hatte er ihn gefragt.

"Nummer VI", hatte er maschinell erwidert, "was soll ich denn tun?"

"Tja ..., keine Ahnung? Vielleicht Gewichte stemmen oder so?"

"Ich habe keine Gewichte, ich beziehe mich nicht auf physische Überlegenheit."

"Aber du musst dich doch fit halten, oder? Mach doch Akrobatik oder Aerobic!"

"Ohne sehen zu können, wann ich einmal allein den Arm zu weit ausstrecke?"

Das hatte ihn vorerst zum Schweigen gebracht. Doch nach einer weiteren Stunde, in der sich Nummer IX dazu herabgelassen hatte, zu summen und ihn mit stummen Blicken zu bedenken, hielt er es in seinen vier Wänden nicht mehr aus.

Er richtete sich auf, lehnte sich auf seine Arme, die Handflächen auf die Matratze gelegt. Dem Summen folgend, neigte er seinen Kopf in die Richtung, in der er den jungen Niemand vermutete, und murmelte leicht: "Nummer IX."

Demyx erschrak; es war leicht an einem überraschtem Ausruf und dem Knistern von Leder auszumachen, das augenblicklich nach dem abrupten Ende der gesummten Melodie eintrat – einer Melodie, die etwas Sanftes und auch Beruhigendes an sich hatte. "J- ja? Was möchtest du, Zex- ... Nummer VI?"

Knapp gerettet. "Ich möchte in die Bibliothek."

Den überraschten Ausdruck, der sich nun über Demyxens Gesicht gelegt haben musste, hatte man sich nicht vorzustellen, denn man wusste einfach, dass er da war. "Das versteh' ich nicht, wieso solltest du-?"

Wie war Demyxens Gesicht eigentlich geschnitten? Waren die Wangenknochen stark ausgebildet, waren es sanfte Züge, wie Jugendliche sie hatten, oder waren sie bereits markanter und ausgeprägter, vielleicht auch eine Mischung? Wie passten seine Augen, sein Mund und seine Nase darin? War es eine makellose Symmetrie? Gab es irgendwelche Unebenheiten, Dinge, die eine mögliche Perfektion zunichte machten? Und wie war der Haarschnitt?

"-Bitte zur Bibliothek gehen wollen? Ich meine, ah, mit den Büchern kannst du doch zurzeit nichts anfangen, oder kannst du auch lesen, wenn du nur mit dem Finger über die gedruckten Buchstaben gehst? Nicht, dass es mich verwundern würde, aber-"

Wieso interessierte ihn auf einmal, wie das Gesicht des neusten Mitglieds der Organisation aussah? Es hatte ihn vorher auch noch nie interessiert, wieso also nun?

Er winkte ab. Es musste diese Erinnerung an das Gefühl des Verlorenseins sein, durch die er auf einmal visueller Dinge begierte, die im Normalfall nicht unwichtiger sein könnten.

"-Ich glaube, nicht einmal du kannst das."

Er gab kein Geräusch von sich, schob sich nur langsam von der Matratze, hielt sich an der Bettkante fest und erhob sich auf wackeligen Beinen und richtete sich zu voller Größe auf (zugegeben, es war nicht sonderlich viel) und verfiel seiner alltäglichen Eleganz und Erhabenheit, die er von Moment Null an bereits besaß und die er von damals übernommen und sogar noch in erhöhter Stufe prinzipiell geschenkt bekommen hatte.

"Warte, ich halt dich", sprach sein Begleiter, er hörte Schritte und spürte, wie sein Ellenbogen ergriffen wurde.

Bevor Demyx einen dunklen Korridor öffnen konnte, hob er seinen freien Arm und legte ihn auf den ausgestreckten des anderen, nachdem er bedächtig danach in der Luft getastet hatte. "Ich möchte zu Fuß gehen."

Schweigen, keine einzige Regung. Leicht konnte man der Imagination verfallen, dass sein Gegenüber mehrfach blinzelte, doch würde dies auf ewig eine unbeantwortete Frage bleiben, weshalb er sie sich nicht stellte.

"Okay, dann gehen wir halt zu Fuß."
 

Die Hallen waren lang und zum ersten Mal in seinem Leben fand er sich nicht in einer inneren, negativen Erörterung wieder, die das in den Augen schmerzende Weiß behandelte. Dieses Mal war alles monoton und unverändert. Und auch wenn er ein Echo von Erleichterung empfand, nicht von dem ewiggleichen Farbschema erschlagen zu werden, "freuen" konnte er sich selbst im metaphorischen, auf Niemande bezogenen Weg nicht.

Selbst wenn es idiotisch war, dieses Weiß hatte eine tiefere Bedeutung. Jetzt war sie für ihn gestorben.

Nicht sehen zu können, wohin man ging, und immer auf das nächste "Achtung, Stufen!" angewiesen zu sein, ließ ihn seine Füße mit mehr Bedacht absetzen, als er es für gewöhnlich tat, sogar so weit, dass er es gelegentlich schaffte, über seine eigenen Füße zu fallen. Die Hand, die seinen Ellenbogen hielt und ihm als eine Stütze und Richtungskoordinator half, verhinderte, dass er sogar auf die Knie fiel.

Normalerweise liebte er den Korridor, der zur Bibliothek führte. Hier war es immer ruhig und nur selten gab es in irgendeiner Form auch nur ein einziges Geräusch wie von einer auf dem Boden aufkommenden Nähnadel. Doch heute gefiel ihm diese Stille nicht. Ihre Schritte, die einen rhythmisch, die anderen zwar noch immer federnd und leicht, aber doch ungeschickt und schwerfällig, hallten von den Wänden wider, die Resonanz auf einmal viel zu laut für seine Ohren und die Stille, die sie aufgrund gelegentlicher Pausen ob seiner Orientierungslosigkeit umschloss, viel zu erdrückend, viel zu schwer auf einmal für seine Schultern, er konnte sie nicht mehr tragen, sie drohte, ihn zu zerquetschen und ihn unter sich zu begraben.

"Nur noch eine letzte Kurve und wir stehen vor den großen Türen", hörte er Demyxens Stimme in mehrfacher Wiedergabe, war erleichtert um diesen Durchbruch dieser Tonlosigkeit, als sie erneut stehen blieben und sich in die neue Richtung drehten, vorsichtig, unüberstürzt, überlegt. Unwillkürlich holte er einmal tief Luft. Vor seinem inneren Auge bildete sich bereits das Bild der großen, weißen Flügeltüren, die in den großen, geradezu endlos erscheinenden Raum führten. Ein leichtes Zerren an seinem Ellenbogen signalisierte ihm, dass sie weitergingen.

Klack ... Klack ... Klack ...

Die Absätze ihrer Stiefel kamen auf den weißen Boden auf und verursachten konstant die wiederkehrende Resonanz, und doch erschien sie ihm mit jedem weiteren Schritt leiser zu werden. Man konnte von einer gewissen Distanz heraus meinen, dass es eine Art Vorfreude sein musste, die seinen Körper befiel, was allerdings aus näherer Betrachtung heraus sogleich einer Widerlegung erlag.

Doch er wusste, wenn er ein Herz hätte, hätte es wie verrückt geschlagen.

Die Hand, die ihn hielt und anleitete, drückte einmal kurz zu, signalisierte ihm, dass sie nun direkt vor den Türen standen. Den Wunsch, sie selbst zu öffnen, brauchte er nicht zu äußern, und dafür war er dankbar. Sanft, doch mit Gewissheit hob er die Hände, zog den Handschuh der einen aus und berührte mit dieser die Tür, fuhr über das starke Holz, die eingravierten Formen, das in einem umgekehrten Herz endende Kreuz, die heraus stechenden Rahmen in kristallener Form, wanderte mit den Fingerspitzen über die glatte Überfläche hinab bis zu der Klinke, schloss seine Finger in vollen Kreisen um den Griff und hielt inne.

"Es muss wirklich hart für dich sein", murmelte Demyx neben ihm, doch wahrscheinlich war dies nicht für seine Ohren gedacht. Es hinderte ihn jedoch nicht daran, Kontemplationen darüber anzustellen. War es hart für ihn? War es hart für ihn, auf einmal alles verloren zu haben, was ihn zu dem machte, der er (nicht-) war? War es hart für ihn, auf einen Schlag nutzlos und ausschließlich ein Klotz am Bein zu sein?

Und davon abgesehen, sollte es ihm nicht eigentlich vollkommen egal sein?

"Nein, Nummer IX", log er, denn er selbst wusste in diesem Moment nicht wirklich, woran er war, "denn egal, wie oft du es verdrängen magst, ändert es nichts an der Tatsache, dass wir Niemande sind. Wesen, die jeglicher Gefühle unfähig sind."

Er drückte die Klinke herunter, und trotz der ewigen Dunkelheit seiner Augen konnte er alles vor sich sehen: der grüne Teppich, der sämtliche Geräusche von jeglicher Art der Fortbewegung zu verschlucken schien; die unendlichen Regale, die die sonst so leeren Wände füllten und vor alten Büchern, Schriftrollen, Duden und Lexika überzuquellen wagten; die kleinen Tische mit den cremefarbenen Sesseln und Couchen um sie herum, auf denen alle altertümliche Lampen standen und alle zwei Regalreihen aufzufinden waren. Die zarte Atmosphäre von Ruhe, Gelassenheit und Freiheit umfing ihn wie silberne Schwingen aus Glas, der schöne, altertümliche Geruch von antiken Niederschriften drang ihm in die Nase und trotz seiner momentanen Lage fühlte er sich wohl, als hätte es wieder alles einen Sinn.

Ohne Demyxens Geleit schritt er durch die Halle, hielt direkt vor einem Sessel, tastete nach den Armlehnen und ließ sich darin sinken, genoss das Gefühl von Komfort, das das bereits eingesessene Leder an ihn abgab. Ein erfreutes Seufzen entrang seiner Kehle; auch wenn er nicht mehr tun konnte, so wusste er um wenigstens einen Ort, an dem er sich keine Sorgen machen musste, endgültig der Dunkelheit zum Opfer zu fallen.

Zögerlich kam Demyx näher, vielleicht sah er sich auch nur um, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass der junge Niemand bereits hier gewesen war. Das Zerknautschen von Leder signalisierte ihm, dass er sich auf der Couch niedergelassen hatte, und seine Vorstellung zeigte ihm deutlich, wie er über dem gesamten Möbelstück lag, die Arme auf der einen Lehne hinter dem Kopf verschränkt, die Beine über der anderen gehängt. Leises Summen durchdrang die Stille, bevor sie sich über sie legen konnte.

Nummer IX schien ihn trotz unterentwickelter Kenntnisse besser zu verstehen als diejenigen, die er schon seit Jahren kannte. In einer eigenen Form war dies etwas Beunruhigendes, doch dann wiederum war er nicht in der Lage, Nervosität zu empfinden.

"Nummer IX", adressierte er den jungen Mann neben ihm.

Abrupt endete das Summen, es raschelte und er fühlte die Augen des anderen auf sich: "Ja?"

Er ließ sich zu einem entspannten Gesichtsausdruck hinreißen.

"Danke."
 

*°~+ Τ ą ġ – Ғ ü η ғ ~+°*
 

Demyx kam zu ihm ins Zimmer am frühen Morgen. Wenn er es richtig einschätzte, wurde er Tag um Tag immer früher mit der Öffnung seiner Tür begrüßt. Keine Uhr und nur ein geringes Erkenntnis an Lichteinflüssen waren allerdings keine zuverlässigen Quellen, um dies zu bestimmen.

"Zex- ... Nummer VI?"

Er neigte den Kopf leicht, als Zeichen, dass er zuhörte. Er hatte noch nie viel gesprochen und momentan wurde es auch nicht weiter von ihm verlangt.

"Nummer ... war es nun III oder IV? Egal, also, Vexen lässt dir ausrichten, dass er bisher noch immer nichts gefunden hat. Momentan hat er einige Probleme, die Substanz, die dich erwischt hat, zu reproduzieren, da sich ... ach man, die Pampe wurde von deiner Haut aufgesogen wie von 'nem Schwamm und hat sich wohl in deinen Augen abgesetzt, weshalb es, nun ja, hierzu gekommen ist. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sie ein Gegenmittel finden."

Die Erklärung endete. Er blieb still. Reglos und still. Dies war bereits der fünfte Tag, an dem er keine Wahl hatte als vor sich hinzuvegetieren, und Vexen konnte nichts machen? Nicht ein bisschen? Der sich selbst als Genie und Meisterwissenschaftler Bezeichnende war ... unfähig, ihn hiervon zu befreien und ihm seine fragilen Flügel wieder zu festigen?

Es war ... demoralisierend (in einer anderen Form der Existenz hätte er es als "deprimierend" bezeichnet).

"Und ich soll dir von unserem Chef ausrichten, dass du dir einen Ort suchen sollst, an dem die Erinnerung von Wohlgefallen am stärksten für dich ist. Und da ich da so eine gewisse Ahnung habe ... Wollen wir zur Bibliothek gehen?"

Er erhob sich von seinem Schreibtischstuhl, wartete geduldig auf das Ergreifen seines Ellenbogens und ließ sich führen.
 

*°+~ Τ ą ġ – Ŝ ΐ ε в ε η ~+°*
 

Sie waren zu einer Übereinkunft gekommen: Sobald alles getan war, würden sie sich in die Bibliothek begeben, immer zu Fuß, denn es half ihm, sich zu erinnern, wie es war, als er noch alles so wahrnehmen konnte wie jeder andere. Zwar wurde es ihm trotzdem verhindert, zumal er nichts lesen konnte, aber die sanfte Ruhe, die sich über sie legte und aufgrund Demyxens Summen nie zu erdrückend ward, war ein Genuss, ein wundervolles Erlebnis, das die Einsamkeit und diese Erinnerungen an Verlorensein, die er in seinem Zimmer immer wieder empfand, vollends verbannte.

Das neunte Mitglied ihrer Organisation war in der Zeit mit ihm unerwartet ruhig, wenn das, was er von den anderen hörte, der Wahrheit entsprach, dass dieser junge Mann nicht in der Lage wäre, auch nur einmal den Mund zu halten. Vom konstanten Summen her hatte er schon geschlossen, dass eine gewisse Masse an Hintergrundgeräusch oder überhaupt Geräusch vorhanden sein musste, aber von einem nie abbrechenden Redefluss hatte er noch nichts mitbekommen.

Allerdings war die monotone Tonlosigkeit nach einer gesamten Woche auch für ihn zu viel. Die Lustlosigkeit und Gleichgültigkeit stapelten sich übereinander zu einem hohen Turm, der über ihm einzustürzen drohte. Genau genommen war es verwunderlich, dass er noch keine Art von Niemand'scher Paranoia entwickelt hatte, wodurch er sicherlich ein noch erfreulicheres Testsubjekt für Nummer IV wäre.

Doch genug war genug. Er mochte zwar nicht der gesprächigste Niemand unter ihnen sein, aber verdammt, das änderte nichts daran, dass auch er tiefgründige und langatmige Gespräche zu führen und zu schätzen wusste. Zwar war die Auswahl an Gesprächspartnern momentan genauso nicht-existent wie sie, aber es konnte ihm nicht weniger wichtig sein.

"Nummer IX", sprach er seinen Begleiter an, der augenblicklich seine Aufmerksamkeit von dem Erschaffen von Musik via geschlossener Lippen und des Erschaffens von Schwingungen in den Stimmbändern zu ihm lenkte.

Augen unbekannter Farbe fanden sich bei ihm ein. "Was gibt es, Zexion?"

Er murmelte ein leicht entnervtes "Nummer VI", hob die Hand, nicht mehr länger in Handschuhe gekleidet, und winkte seinen Beschützer zu sich hinüber. Das Rascheln des Ledermantels und das gedämpfte Klack der Stiefel sowie ihr langsames Verblassen signalisierte ihm, dass der Mann vor ihm angekommen war.

"Hol dir einen Sessel und setze dich mir gegenüber", befahl er und hörte, wie Möbel verrückt wurden, wie sich jemand dumpf in das weiche Polster fallen ließ und vermutlich die Beine übereinander schlug. "Rede mit mir."

Ein erschrockenes Quieken ertönte ähnlich dem eines jungen Ferkels: "Entschuldige bitte, was?"

Er schnaubte in etwas, das leichte Verärgerung hätte sein können. "Du sollst mit mir reden."

Es war nur zu leicht vorstellbar, wie die geschwungene (?) Augenbraue die gesamte Stirn hinaufwanderte. "Ist dir diese komische Substanz jetzt auch noch ins Hirn gestiegen?"

Tief Luft holend, um seine Contenance beizubehalten, erwiderte er: "Es dient, die Monotonie zu zerstreuen."

"What the fuck?", kam ihm entgegen.

Er schnappte. "So sehr ich die jetzt herrschenden Ruhe und Frieden mag, Nummer IX, wird es mir nun, wo ich nicht in der Lage bin, mehr zu tun als irgendwo zu sitzen, nachzudenken und zu schlafen, über. Zugegebenermaßen bin ich nicht die gesprächigste Eminenz, die man sich wünschen kann, aber auch ich bin nicht stumm. Ich bevorzuge es ausschließlich ... zuzuhören. Wenn du mir nicht glaubst, dass man in einem Zustand des inneren Vergehens und der äußerlichen Unfähigkeit irgendwann einfach keinerlei Verlangen mehr hat, seinen alten Gewohnheiten nachzugehen – zumindest denen, denen man noch nachgehen kann –, befehle ich dir als dein Vorgesetzter, mit mir zu reden."

Wenn man es genau betrachtete, war es erschreckend, wie ruhig er selbst in den Momenten blieb, in denen andere Individuen vor Wut bereits an die Decke gegangen wären. Es hatte nichts mit der Gefühllosigkeit selbst zu tun, sondern vielmehr mit seinem ruhigen Charakter, den er von Ienzo beibehalten hatte. Axel hatte ein explosives Temperament und war Choleriker ersten Ranges, doch nach einiger Zeit verlor sein Geschrei seine Wirkung und ließ einen entnervt und mit der Frage zurück, wann dem Rotschopf wohl die Luft ausginge. Seine Gelassenheit war von weitaus einschüchternder Natur, denn man wusste nie, bis zu welcher Länge sich die Lava nach dem Vulkanausbruch ausweiten würde.

Demyx schien endlich seinen Wunsch registriert zu haben. "Ähm, ja, also ... Nun, weißt du ..." Ein Seufzen erklang. "Es ist nicht gerade einfach, auf Befehl ein Thema zu finden, über das wir diskutieren könnten, ohne uns auf die eine oder andere Weise gegenseitig zu beleidigen."

"Du hast Zeit, ich laufe nicht weg", entgegnete er nur, und ein Schweigen überlagerte sie, welches konstant an Intensität hinzugewann. Nichts weiter zu tun habend als abzuwarten, ließ er sich dazu herab, die vergehenden Sekunden zu zählen.

Die Stille wurde evakuiert nach dreihundertsiebenundneunzig Sekunden.

"Wie ... wie fühlst du dich ..., Nummer VI?", erklang es unsicher.

Er öffnete die Augen. Auch wenn er nichts sah außer Schwärze, es fühlte sich an wie eine kleine Befreiung. Neben Demyx war er in der vergangenen Woche andauernd von irgendwem angesprochen worden, weil sie wissen wollten, ob er wieder in der Lage wäre, seine Aufgaben wieder aufzunehmen. Keiner hatte nach seiner physischen oder eventuell auch psychischen Verfassung gefragt – in Wirklichkeit gab es sogar negative Kommentare über seinen Zustand, die bei jedem anderen zur Folge hätten, dass schon in nahster Zukunft Unmengen von Talern an den einen oder anderen Psychologen gehen würden.

Nummer IX war der erste, der ihn nach seinem Wohlergehen fragte. "Gut, schätze ich."

"Du schätzt?"

Das Gespräch wirkte bereits jetzt gestellt und künstlich. Aber wie sollte es auch mehr Wert erhalten?

"Ich kann es nicht genau beurteilen", antwortete er bedacht, suchte jedes Wort mit größter Vorsicht aus und legte alle in seinem Mund in Ketten zusammen, "zum einen kann ich mich nicht über jegliche Schmerzen beklagen. Das einzige an mir, was körperlich untauglich ist, sind meine Augen. Durch diese Untauglichkeit sind mir massig Dinge verwehrt, denen ich unter normalen Umständen als einer Konstante nachgegangen wäre." Er schüttelte seinen Kopf. "Es ist eine schwierige Situation."

"Mach dir keine Sorgen", hörte er Demyx sagen, vernahm das Rascheln von Stoff und spürte einen Moment später etwas auf seinem Oberschenkel. Langgliedrige Finger tanzten über das bekleidete Bein in einer beruhigenden Manier. Sein unsehender Blick ging hinab in der Vermutung, auf diese Stelle zu sehen, die seinen kalten Körper mit einer unbekannten Wärme füllte, und dann hinauf, wo er annahm, Demyxens Gesicht direkt vor seinem zu haben und ihm in die Augen zu schauen. Der Klang der Stimme, die an seine Ohren drang, war sanft und schmeichelnd, beruhigend wie die kreisförmigen Bewegungen und gab seinen gläsernen Flügeln wieder ein wenig feste Materie. "Ich bin mir sicher, dass sie in einiger Zeit einen Weg finden, alles wieder in Ordnung zu bringen. Solange schaffen wir das schon irgendwie, eine Woche haben wir schließlich auch schon fast bezwungen."

Entgegen allem, was er sich geschworen hatte, ließ er ein kleines, kaum merkliches Lächeln zu. "Stimmt."
 

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Noch immer war keine Heilung in Sicht, doch mittlerweile hatte sich ein akzeptabler Tagesrhythmus eingestellt, dem zu folgen eigentlich recht simpel war. Er bestand aus schlafen, aufstehen, warten, mit Demyx zur Bibliothek gehen, dort den Tag verbringen, wieder zurückgehen und wieder schlafen. Mehr gab es auch nicht zu tun, wenn man im Nie Gewesenen Schloss suspendiert war und man einem nicht zumutete, das Gelände auch nur für einen längeren Spaziergang zu verlassen.

Sie hatten trotz anfänglicher Schwierigkeiten über vieles gesprochen. Es begann mit der simplen Aussage "Also, ich spiele gerne auf meiner Sitar, auch wenn ich weiß, dass das Ding eigentlich eine Waffe sein soll. Was machst du gerne?". Sie waren zu Büchern gekommen, hatten über verschiedene Romane gesprochen, ihre Interpretationen getauscht und waren wieder zur Musik zurückgestolpert, hatten über die Vor- und Nachteile von Rock- und klassischer Musik debattiert und Mozart, Beethoven und ihren Freunden den Sieg überlassen. Sie hatten sich über ihr Leben als Jemande unterhalten, das, woran sie sich auf jeden Fall erinnern konnten, nicht das, was eventuell falsch sein könnte.

"Und du hast ihn wirklich davon überzeugt, dieses Labor einzurichten?"

Er seufzte, strich sich unnötigerweise eine silberblaue Strähne aus dem Gesicht, die sofort in ihre Ursprungsposition zurückkehrte: "Wir waren der Auffassung, es würde uns zu neuen Erkenntnissen bringen, mit denen wir die Welten beschützen könnten."

Das Knauschen von Leder verriet ihm, dass sein Gesprächspartner die Arme verschränkte, vermutlich vor der Brust. "Aber dadurch", meinte er nachdenklich, "habt ihr 'ne gesamte Welt vernichtet, oder? Ich glaube kaum, dass das gerechtfertigt war, wenn du mich fragst."

"Wir waren der Auffassung, es zum Wohl der Welt zu tun", seufzte er und blinzelte unnötigerweise, "das, was passierte, war unerwartet. In sämtlichen zuvor durchgeführten Experimenten ist es nie zu solchen Weiten gekommen. Zugegebenermaßen ist uns die eine oder andere Gerätschaft in unzeremoniösen Wegen abhanden gekommen, aber nie soweit, dass irgendetwas der Dunkelheit zum Opfer fiel. Wir wussten, dass wir uns großer Gefahr aussetzten, aber dass wir durch ein einziges Experiment dermaßen von dunklen Mächten überrannt würden, war zwar in die Kalkulation genommen worden, doch als es geschah, konnten wir nichts dagegen unternehmen."

Demyx kaute auf seiner Unterlippe, das Schmatzen war Indikator. "Ich weiß noch immer nicht, was ich davon halten soll."

Er ließ sich zu einem kleinen Grinsen selbstgefälliger Art hinreißen, verjagte es allerdings sogleich wieder aufgrund seiner Unangebrachtheit: "Alles, was wir wollten, war ausschließlich die Sicherung unserer Welt vor sämtlichen Gefahren, die in der Dunkelheit lauerten. Es war nie unsere Absicht, jemanden zu verletzen, wir wollten nur ... helfen."

Nummer IX zögerte; dann meinte er nachdenklich: "Nun ja, so gesehen ... war das, was ihr getan habt, eigentlich recht ... nobel."

Er unterließ es, ihm zu sagen, dass Xehanort andere Pläne verfolgte. Für ihn allerdings galt damals noch die Versicherung, dass diejenigen, die ihm nahe waren, außer Gefahren waren.
 

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Nummer V kam in die Bibliothek. Es war das erste Mal, dass jemand anderes als sie beide diesen großen Raum, ihr Refugium, aufsuchte, und es war ihm nicht einmal bekannt, weshalb der große Mann mit den geradezu gemeißelten Muskeln sich zu ihnen oder vorsorglich zu dem Bücherhort begab, jedoch war ihm nicht klar, was er davon halten sollte, als der sanfte Geruch von Ton sich in seine Nase begab und langsam immer mehr intensivierte als Indikator. Demyx merkte es nicht, er besaß auch nicht diese übernatürliche Fähigkeit.

"Zexion, ist irgendetwas?", unterbrach die Melodie der Nacht ihren Redefluss über verschiedene Walfische und er spürte diesen merkwürdigen Blick auf sich, der immer dann aufkam, wenn der andere der Auffassung war, mit ihm stimme irgendetwas nicht, "du wirkst so angespannt, sag mir, was ist."

Er schüttelte den Kopf. "Nummer V kommt hierher."

"Was will er hier?", wurde er gefragt, doch konnte er nur mit den Schultern zucken. Zwar wurde er oft dem bezichtigt, doch war auch er nicht in der Lage, Gedanken zu lesen. Er konnte Illusionen spinnen, die fast schon Realität waren, konnte sich in Menschen hineinversetzen und sie dadurch manipulieren, um den kleinen Finger wickeln und für seine Zwecke benutzen, aber dort endete es auch bereits. Gedankenlesen – das konnte in den ihm bekannten Welten niemand. "Dann werden wir es sehen."

Fünf Minuten später öffneten sich die großen Flügeltüren und die schweren Schritte, die der bullige Niemand verursachte, wurden von dem Teppich verschluckt, als er sich näherte.

"Hey, Lex!", rief Demyx in euphorischer Manier, von der er immer noch nicht wusste, woher sie kam.

"Nummer IX, Nummer VI", grüßte er sie beide, trat dann einige Schritte auf seinen Sitzplatz zu und lehnte sich auf den Händen auf die Armlehnen auf den Sessel. Er hob den Kopf in dem Wissen, dass Lexaeus über ihm lehnte, und hoffte, ihm so metaphorisch ins Gesicht zu sehen. "Ich wollte wissen, wie es dir geht."

"Du kommst spät", erwiderte er apathisch.

"Ich wurde mit Arbeit überladen", rechtfertigte der Mann sich in seinem tiefen Bass, "wenn ich gekonnt hätte, wäre ich früher gekommen, um nach dir zu sehen."

Er neigte leicht den Kopf, hob die Hand und legte sie nach sorgfältiger Suche auf die Schulter seines großen Gegenübers: "Ich laufe nicht weg."

"Natürlich nicht", entgegnete man ihm mit affektiertem Amüsement. "Was machen deine Augen?"

"Keine Besserung in Sicht. Weißt du etwas von Nummer IV?"

"Er hat es mittlerweile geschafft, die Substanz zu reproduzieren, und hat bereits mit verschiedenen Versuchen zur Herstellung eines Gegenmittels begonnen. Ich glaube, in einigen Tagen wird er nach dir in seinem Laboratorium verlangen."

"Gut", flüsterte er nur. Zu wissen, dass endlich Fortschritte gemacht wurden, war eine Wohltat, eine Art Erleichterung, die nur Niemande verspüren konnten. Er würde schon in absehbarer Zeit wieder in der Lage sein, zu lesen, zu arbeiten, zu sehen. Doch warum hatte er das Gefühl, dass ihm dafür dann etwas fehlen würde?

"Außerdem will unser Anführer, dass du dich, auch wenn du momentan aufgrund einiger Beschwerden nicht vollständig agieren kannst, um Nummer IX kümmerst", wisperte Lexaeus ihm zu, und er war verwundert von der Ernsthaftigkeit, die sich auf einmal in die tiefe Stimme geschlichen hatte. Ebenso verwunderlich war es, dass Demyx nichts unternahm, um sie zu belauschen – unwillkürlich fragte er sich, was er wohl davon hielt. "Da er noch neu ist, dürfen sein Training und die Einführung in sein Element nicht vernachlässigt werden. Ich halte nichts davon, dir das aufzuerlegen, aber-"

"Mach dir nichts daraus, Nummer V", schnitt er ihm ins Wort, "ich schätze es, dass mir diese Aufgabe überlassen wird, obwohl mein Zustand mich in die Räume und Hallen dieses Schlosses sperrt. Wenn ich diese Aufgabe übernehme, habe ich endlich wieder etwas zu tun außer sinnlos irgendwo zu sitzen und abzuwarten, dass sich an meiner Situation etwas ändert oder neue Erkenntnisse aufkommen. Richte Nummer I aus, dass ich seinem Befehl nachkommen werde."

Nummer V schwieg einen Moment. "Wie du wünschst." Knautschende Möbelgarnitur und das Entfernen einer Aura von Stärke und Schutz signalisierte ihm, dass Lexaeus sich wieder aufrichtete. "Auch wenn es nichts bedeutet: Pass auf dich auf."

Finsternis waberte, als ein dunkler Korridor geöffnet wurde und der Stille Held verschwand, wohin auch immer.

Einen Moment lang herrschte wieder erdrückende Stille, doch er machte keinerlei Anstalten, sie zu durchbrechen, nicht einmal via Bewegung. Dann räusperte sich sein permanenter Begleiter diskret, rutschte in seinem Ledersessel hin und her und erkundigte sich in einer kindlichen Form der Neugierde: "Was ist los?"

Er konnte nicht anders, als über diese Form der Naivität zu schmunzeln. "Es gibt endlich Fortschritte. Nummer IV konnte die Substanz wiederherstellen und ist nun daran, ein Gegenmittel zu entwickeln."

"Das ist doch wunderbar-!" Er fuhr unberührt von diesem Einwurf fort.

"Und ich soll nun dein Training übernehmen."

Die euphorische (nicht-) Freude ebbte augenblicklich ab und in die Stimme drang eine Form von Konsternation: "Äh, wie meinen?"

Es war ihm nicht möglich, sich das Seufzen zu verkneifen. "Ich soll mich darum kümmern, dass du trotz deiner momentanen Aufgabe, mich zu überwachen, die Ausarbeitung und Verbesserung deiner Kampfkünste nicht vernachlässigst. Nummer V hat mich gerade davon unterrichtet, dass Nummer I sehen will, wie ich mich dessen annehme."

"Aha, und ... was machen wir?"

"Lass mir etwas Zeit, darüber nachzudenken. Sobald mir etwas eingefallen ist, werde ich dich davon unterrichten. Vermutlich in drei Tagen höchstens, denn viel mehr als nachdenken kann ich ohnehin nicht."
 

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Er hatte einen Plan ausgearbeitet, den er mit Demyx durchgehen würde, um zu gewährleisten, dass er sich ganz in ihrem Sinne entwickelte. Was ihr Sinn war, war allerdings eine Frage, die er nicht sonderlich gerne einkalkulierte. Folglich begründete er sein Konzept: Es war zum Wohle von Nummer IX selbst, denn auch wenn die Kraft der Herzlosen von Welt zu Welt variierte, man wusste nie, in welcher sie einen überwältigen konnten.

Geduldig wartete er auf seinem Schreibtischstuhl, blickte stumm in die Finsternis, in der er eine Reihe von Biologiefachwerken vermutete, und hielt die Ohren offen für das immer andere Geräusch der sich öffnenden Tür. Er wollte so schnell wie möglich dem anderen seine Konzeption erläutern und hoffte, er sei damit einverstanden.

Die Tür ging auf, weder sanft noch gewalttätig, doch dies war nicht die Art, mit der die Melodie der Nacht sich Zugang in sein Zimmer verschaffte.

Er drehte sich auf seinem Stuhl um, hob den Kopf in gewohnter Manier und wusste doch nicht, ob dieser Winkel passend war, hielt die Augen geschlossen und gab als Begrüßung tonlos von sich: "Nummer IV."

"Nummer VI", erwiderte der Frostige Gelehrte, als er zum Stehen kam. Seine Stimme verriet eine gewisse Nuance an Erschöpfung sowie einen Hauch von Resignation. "Momentan haben wir schlechte Aussichten, denn alles, was ich bis dato versuchte, schlug fehl. Einzig eine Probe konnte geringfügig etwas gegen die Substanz anrichten, doch ging auch sie kurz darauf unter. Ich würde es begrüßen, wenn du mich in mein Laboratorium begleitest, sodass ich einige Tests anstellen kann, um einige Variablen aus den Gleichungen zu streichen."

Leicht kniff er die Lider zusammen; es behagte ihm nicht, dass es zum einen so lange brauchte, um eine Substanz zu bekämpfen, und er zum anderen dazu aufgefordert wurde, sich selbst zu einem Versuchskaninchen zu degradieren, mit welchem man umspringen konnte, wie es einem beliebte. Damals waren von allen Versuchstieren die von Even mit geradezu exponentialer Steigerung eines nach dem anderen zugrunde gegangen.

Aber hatte er eine Wahl?

"Hast du Nummer I bereits davon in Kenntnis gesetzt?", fragte er, denn ohne die Zustimmung ihres Anführers würde er dies nicht mit sich machen lassen.

"Ist bereits gestern abgeschlossen worden, und nun komm."

"Hast du Nummer IX Bescheid gegeben?", fragte er weiter, denn wenn Demyx nichts davon wusste und er selbst gleich für einen ganzen Tag in den Kerkern des Schlosses zu verweilen hatte ...

Er hatte einfach das Gefühl, dass es schlicht und ergreifend falsch oder auch nicht in Ordnung war. Indirekt, so konnte man es sehen, fühlte er sich an Betrug erinnert.

Nummer IV schnaubte verächtlich: "Er wird schon einen Tag ohne dich überleben. Und nun, komm jetzt."

Er hatte keinerlei Zeit, irgendwelche Einwände vorzulegen, als er gepackt und durch einen beißend-eiskalten dunklen Korridor gezerrt wurde und zu dem Ort gelangte, an dem dieses Dilemma seinen Anfang genommen hatte ...
 

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Als er sich nach Mitternacht freundlicherweise von Vexen vor seine Zimmertür zurückgebracht vorfand und noch immer leicht zitterte von der Kälte, die während des Durchschreitens des finsteren Portals von seinem schlanken Körper Besitz ergriffen hatte und noch immer sein Rückgrat auf- und abwanderte, als wolle sie ihn systematisch einfrieren, nahm er die Präsenz eines anderen in seinem Raum wahr. Der Geruch von Salzwasser, Strand und Meeresbrise erfüllte ihn mit einem Schlag vollkommen und ihn beschlich das Gefühl, dass sich in seiner Brust irgendetwas verkrampfte, was eigentlich gar nicht hätte da sein sollen.

Demyx wartete auf ihn. Wartete wahrscheinlich schon den gesamten Tag darauf, dass er zurückkam, dass er ihm in irgendeiner Art und Weise bestätigte, dass er in Ordnung und in Sicherheit war, wartete auf ihn, weil ... weil ...

Abwesend rieb er sich mit der Hand über eine frische Punktionswunde, die sicherlich zu einer Narbe würde. Nummer IX brauchte keinen Grund, um auf ihn zu warten. Er tat es einfach. Es war eine Tugend, die der andere besaß, und doch war es nicht alltäglich, dass diese nicht-existente Frohnatur auf einen der ihren wartete. Nur auf ihn, keinen anderen – nicht einmal auf Nummer VIII oder Nummer II, die beide als seine besten "Freunde" galten.

War da vielleicht doch ein Grund ... ?

Ohne es selbst wirklich zu realisieren, öffnete er seine Tür, trat langsam in die Räumlichkeiten und schloss sie leise wieder hinter sich. Nach einigen Schritten schon hörte er ein Rasseln, dann laute und schnelle Schritte und schließlich fand er sich vorwarnungslos an der Wand wieder.

Sein Hinterkopf kam gegen die feste Bildung und begann, vor Schmerz zu pochen, machte ihn orientierungslos und verhinderte ihm, die sich nun ausbreitende Szenerie auf Anhieb erkennen zu können. Ein Gewicht – nicht zu schwer und nicht zu leicht, geradezu angenehm – hatte sich an ihn gehängt und zog ihn hinab und hielt ihn zugleich aufrecht, starke Arme hielten seinen Oberkörper umschlungen, einer um die Schultern, der andere um die Taille, ein Körper presste sich an ihn, als sei er eine wertvolle chinesische Vase, die man unter allen Umständen schon vor einem geringfügigen Kratzer zu schützen versuchte.

Heißer Atem wisperte über die nackte Haut seines Nackens, der Duft von Meer und Salz und Brise und Sand überwältigte ihn, nahm ihn ein, als sei er eine unbefestigte Burg, die von feindlichen Rittern im Krieg überrannt würde, und er fand sich für einen Moment in einem Zustand vollkommenen Verlorenseins auf, von dem er nicht wusste, wie er entfliehen sollte.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Als Niemand sollte ihm egal sein, was das hier war, doch das war es ihm nicht mehr. Nicht mehr, seit all das hier angefangen hatte, nicht mehr, seit Demyx aufgetragen wurde, über ihn zu wachen, nicht mehr, seit Demyx angefangen hatte, mit ihm zu reden, ihm Dinge zu erzählen, die noch keiner sonst hören durfte, nicht mehr, seit er akzeptiert hatte, dass Demyx ihn mit seinem Namen ansprach und er nur noch Demyx nicht mehr korrigierte, ihn doch via seiner Nummer anzusprechen.

Demyx war der einzige, der ihn aus seiner Isolation riss, was in all den Jahren nicht einmal Lexaeus schaffte. Und das allein in nicht einmal zwanzig Tagen.

"Ich hatte Angst, dir sei irgendwas über Nacht passiert oder so!", sprach der hohe Tenor in einer verzweifelten Stimme, die sich leichter Hysterie verschrieb und der Sorge einen offenen Eingang ließ – und er konnte einfach nicht sagen, ob sie nun falsch war oder nicht, er konnte es einfach nicht, er verfluchte sich selbst, aber er konnte es nicht! "Du hast keine Ahnung, was für Todesängste ich ausgestanden habe, als ich dich nirgends auffinden konnte, weder in der Bibliothek noch auf dem Trainingsplatz oder hier, nirgends!"

"Demyx ...", versuchte er sich an einer Antwort, doch seine Stimme, die in ihrer Unwirklichkeit geradezu nur ein Wispern war, versagte ihm. Und mit einem Schlag fand er sich in einer Schwäche, die er nicht einmal als Jemand erlebt hatte. Seine Beine verloren ihre Kraft, seine Knie gaben unter ihm nach und er rutschte die Wand hinab, zusammen mit Nummer IX, welcher noch immer an ihm hing und ihn festhielt wie die wertvollste Kostbarkeit sämtlicher Welten. In einem Augenblick geistiger Unfähigkeit klammerte er sich an die breiten Schultern seines Beschützers, zu überrascht ob seines Kraftverlustes, um über die Handlung seines Körpers noch groß nachzudenken, und spürte, wie sich die Knie seines Gegenübers leicht in die Unterseiten seiner Oberschenkel gruben und er noch fester in die ihn geradezu zerbrechende Umarmung zerrten. Doch es schmerzte nicht. Es war einfach nur ... warm.

"Wo warst du, verdammt?", wurde er lautstark gefragt, und eine unglaubliche Verzweiflung hatte sich in die sonst so verspielte Stimme gebracht, dass er erschauderte ob dieses Wandels. Er wünschte sich jetzt mehr als alles andere, in die Augen desjenigen sehen zu können, der ihn so fest hielt, ihn allein mit einem Blick zu beruhigen, dass ja, es ging ihm gut, ihm war nichts passiert, es war alles in Ordnung, man müsse sich keinerlei Sorgen machen; doch das konnte er nicht. Er konnte nicht in die Seelenspiegel unbekannter Farbe blicken, und zum ersten Mal hasste er sich dafür. Bisher hatte er es einfach nur hingenommen, wie es war, denn er konnte es nicht ändern; jetzt erstmalig verabscheute er sich selbst für dieses Handicap und verwünschte sich selbst, dem nicht entgangen zu sein.

Er versuchte, sich zu erklären, doch verschnürte ihm etwas seine Kehle, erschwerte es ihm, die Worte herauszubringen: "Ich- ich war bei Nummer IV, er ... er hat mich in sein Laboratorium geholt, ich konnte nichts dagegen machen, ich ... Ich wollte dir Bescheid sagen, aber ich ..."

Ein Finger legte sich auf seine Lippen und es fiel ihm auf, wie sehr diese bebten. Seine Hände krallten sich in die Lederkutte, die der andere über seinen Schultern trug, seine Beine winkelten sich an, die Muskeln, besonders die um die Knie herum, krampften. Er wurde gezwungen aufzusehen, und rein aus Gewohnheit heraus öffnete er seine Augen, doch begrüßte ihn noch immer nichts anderes als Finsternis.

"Es ist okay", wurde ihm zart zugeflüstert, beruhigend, und es erfüllte ihn mit falscher Angst. Was sollte das? Was war dies für ein radikaler Umschwung in der eigenen Laune, der menschlich nicht zu erklären war? Es war unmöglich, es ging nicht, irgendwo musste sie noch sein, diese Verzweiflung, die nun von der ebenso vorhandenen ... Sorge übernommen ... wurde ...

Er vergaß allein für diese Gegenwart, dass sie Niemande waren.
 

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Wie es schlussendlich passiert war, war ihm nicht bekannt, er konnte sich an rein gar nichts erinnern, was nach dem Finger auf seinen Lippen geschah. Der letzte Tag verlief in Zeitlupe und in Schnellraffung zugleich und alles, was er vor seinem inneren Auge sah, waren Fetzen von unbedeutenden Wortwechseln, die in der Bibliothek stattfanden. Es war, als sei der Vorfall in der Nacht gar nicht vonstatten gegangen, als hätte es ihn nie gegeben, und er fand sich konsterniert, ob das so gut war oder nicht.

Doch momentan konnte er sich darüber nicht den Kopf zerbrechen, denn er fand sich in einer ihm ebenso lange nicht mehr untergekommenen Situation wieder: Er lag in seinem Bett, er hatte die Nacht über gut geschlafen, aber was zur Hölle war diese Wärme, die ein anderer Körper via Kontakt auf ihn übertrug? Was war dies in seinem Rücken und um seine Hüften, das ihn festhielt und ihm somit Sicherheit vermittelte?

Er konnte sich nicht umdrehen, um nachzusehen – dafür war der Griff um ihn herum viel zu stark –, ehe er realisierte, dass es nichts brachte, selbst wenn er es könnte. Seine Augen waren wahrscheinlich noch lange nicht geheilt.

Seufzend ergab er sich seinem Schicksal und wartete, ließ sich in der Wärme gehen und wartete. Wartete darauf, dass sich etwas tat, und nur kurz nach einem versehentlichen Zucken seinerseits, welches ein kurzes Schaudern verursachte, erklang ganz nah an seinem Ohr ein unzufriedenes Stöhnen, und erst jetzt bemerkte er den heißen Atem, der seinen Nacken aufwärmte und der wahre Grund für sein Erschaudern sein könnte.

Diese Stimme, zwar unglaublich verschlafen, konnte er nach den nun fast schon drei Wochen zu leicht überall wieder erkennen; und als der Geruch von Meeresbrise in seine Nase stieg und ihn einzunehmen drohte, war alles vollkommen klar.

"Guten Morgen, Zexion!", grüßte sein neuerlich konstanter Begleiter ihn und setzte sich auf, dem Quietschen der Matratze und dem Verschieben der dünnen Bettdecke nach zu urteilen, blickte ihn an, was sich anfühlte wie Wohlsein. Er konnte nicht anders als seufzen, als er sich langsam in der nun gelockerten Umarmung umdrehte und einen Kopf sowohl auf dem Kissen als auch teilweise der nächsten Schulter ruhen ließ.

"Woher wusste ich nur, dass du ein Morgenmensch bist?", fragte er rhetorisch, als er die Decke leicht zur Seite schlug und sich wunderte, warum er (und Demyx wahrscheinlich auch) in dem Ledermantel zu Bett gegangen war.

"Tja, warum wohl?" Er konnte den subtilen Sarkasmus heraushören und fragte sich, ob man in drei Wochen so sehr auf jemand anderen abfärben konnte. Einen Moment später bestätigte er: ja. "Gehen wir dann heute trainieren?"

"Sobald wir fertig sind", erwiderte er, stand vorsichtig mit den Händen auf der Matratze und dem Bettrahmen auf und tastete sich an der Wand entlang in sein Badezimmer. "Nun geh schon, ich brauche niemanden, der mir beim Zähneputzen zusieht."

"Okay, bis gleich!", bekam er als Antwort und war verwundert von dieser sprießenden Euphorie, die der andere ausstrahlte. Laut Xigbar und Vexen war Demyx jemand, der das Kämpfen vorliebend mied und sich beim Training bereits dementsprechend unkonzentriert und desinteressiert zeigte, woher kam also diese definitive (nicht-) Vorfreude, die er nun besaß?

Die Tür schlug zu – und er wusste, nur fünf bis zehn Minuten und sie würde wieder auffliegen.
 

Schon nach kurzer Zeit befanden sie sich auf einer der äußeren Plattformen des Nie Gewesenen Schlosses, welche auf einem der höchsten Türme gelegen war. Er wusste nicht, wie es um Nummer IX stand, aber er selbst kam gerne gelegentlich hierher, um einfach die Einsamkeit zu genießen, sich gehen zu lassen, wenn der kalte Wind um einen herum und durch die Haare wehte. Auch jetzt bedankte er sich für die leicht beruhigende Wirkung, die der starke Hauch verursachte, als er nach langer Zeit erstmalig wieder an freier Luft war. Und er atmete großzügig ein und aus – unerwartet, dass es ihm jemals so ergehen würde.

"Na, tut's dir gut?", wurde er gefragt und konnte nichts anderes als Nicken. Es tat ihm wirklich gut, endlich mal wieder etwas in Freiheit zu sein, draußen zu sein, etwas, was ihm seit nun fast einundzwanzig ganzen Tagen verwehrt geblieben war. "Na, dann sag Bescheid, wenn du soweit bist, ich hab' noch den ganzen Tag, lass dir also so viel Zeit, wie du brauchst ..."

Netter Versuch; er grinste leicht. "Demyx, so kannst du deinem Training nicht entfliehen." Er griff nach der Hand des anderen, welche an seinem Ellenbogen ruhte (sie waren zu Fuß gegangen), zog den Handschuh darum aus und fuhr mit zarten Fingerkuppen über die nackte Haut, nahm deren Sanftheit wahr und erschauderte ob dessen innerlich. Dann fuhr er die Fingerkuppen des anderen ab. "Du bist zwar noch nicht lange hier, hast aber schon Schwielen. Wie oft spielst du Sitar?"

"Eigentlich jeden Tag so für ein, zwei Stunden, wieso?", erwiderte Demyx, welcher sich seiner Untersuchung einfach so ohne Zuckung unterordnete. Er sollte keine Antwort auf seine Gegenfrage erhalten.

"Du bist ein Magier, im Großen und Ganzen zumindest", antwortete er, "ein Magier, der das Wasser beherrscht. Da du bereits etwas mit Nummer IV trainiert hast, dürftest du mittlerweile grundlegend wissen, wie du dein Element beschwören und in einige Formen bringen kannst, nicht wahr?"

"Ja, aber-"

"Da werden wir anknüpfen. Ich werde dir soweit beibringen, dich auf magischer Ebene zu bewehren, wie ich in diesem Zustand kann. Sobald wir eine Heilung gefunden haben, helfe ich dir auch weiterhin auf diesem Gebiet."

"Ja, und was ist mit Physischem?"

Er überlegte einen Moment: "Ich würde dir empfehlen, dich auf diesem Gebiet mit Nummer V zusammenzuschließen. Nicht nur, dass er von uns allen am geduldigsten ist, er hat eine Waffe mit einem Gewicht für ihn vergleichbar dem Gewicht der Sitar für dich. Persönlich würde ich sagen, bei ihm bist du diesbezüglich am besten aufgehoben."

"Du hast wohl schon einige Missionen mit Lexaeus gemacht."

"Fast alle mit ihm, ja."

"Und die, die du nicht mit ihm gemacht hast?"

"Allein."

"Oh."

"Demyx."

"Hm?"

"Heute üben wir Haltung und einfaches Heraufbeschwören. Ich will sehen, wie weit du bist."

"Zexion, ich will ja nichts sagen, aber sehen?"

"Fang endlich an!"
 

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Er hatte ihn gefangen. Er hatte es aus ihm unerklärlichen Gründen geschafft, ihn in die Buchwelt zu verbannen. Ursprünglich sollte es ein Ausweichtraining magischer Angriffe werden (bei dem seine "beißenden" Bücher bereits mit Gebissen zum Aufziehen verglichen wurden) und Demyx hatte lautstark herumgetönt, dass es für ihn kein Problem sei, den Angriffen eines Sehbehinderten zu entgehen.

Momentan empfand er etwas, was man in einem anderen Leben zufrieden Schadenfreude titulierte.

Es war ihm möglich, alles innerhalb der Welt der Bücher zu sehen. Er projizierte sich selbst, seinen Verstand schlicht hinein und konnte mit einem einzigen Gedanken die gesamte Struktur dieser Dimension ändern; sie gehörte ihm, sie war sein und niemand sonst konnte sie besitzen oder unterdrücken. Und er konnte sehen. Alles, jede einzelne beschriebene Seite, jede Staubwolke, jedes ach so kleine Sauerstoffatom – und ihn.

Er konnte Demyx sehen. Zwar, da er nicht zur Bücherwelt selbst gehörte, nur umrisshaft und schwarzweiß, aber er konnte ihn sehen. Und allein endlich mal Umrisse zu sehen, sie nicht zu fühlen, sondern sie zu sehen, erfüllte ihn mit einer nicht mehr gekannten Erleichterung und ... Freude, dass er langsam zu zweifeln begann, wie das mit den Niemanden stimmen könne.

Diese Zweifel blieben etwa eineinhalb Millisekunden und verschwanden wieder, ohne wirklich realisiert worden zu sein.

Das, was er als Mund vermutete, verzog sich zu etwas, was nur theatralischem Schmollen gleichgesetzt werden konnte. "Zexy~", vernahm er ein kindliches Quengeln, welches durch die momentane Beschaffenheit der Bücherwelt mehrfach widerhallte. "Verdammt noch mal, Zexion, das ist gemein! Lass mich raus!!"

In ihm wuchs der Drang, dem anderen zu sagen, er habe Pech gehabt, dass er seine Verteidigung vernachlässigte, doch siegte er erfolgreich. Jedoch konnte er das belustigte Grinsen, welches sich auf seine Lippen schlich, nicht abwehren. Er erschuf einen Doppelgänger von sich selbst – ein schwarzes Abbild, das erschien wie aus Teer gegossen – und lenkte ihn auf den Schemen Demyxens zu, bemerkte nun erstmals, was er schon einige Male erfühlt hatte: hochgestylte Haare.

Er sehnte sich danach, wieder normal sehen zu können.

"Wer war denn nicht in der Lage, auszuweichen?", fragte er mit einem neckischen Unterton in der Stimme und bemerkte erfreut, dass seine Stimme nicht widerhallte.

Demyxens allerdings schon: "Zexy!! Du bist gemein, ich habe nicht erwartet, gleich von sechs Büchern attackiert zu werden, die von links, rechts, vorne, hinten, oben und unten kommen und mich bei lebendigem Leibe verspeisen wollen!! Mit dreien wär' ich klargekommen, aber sechs?!" Er gestikulierte wild mit den Armen, und es erinnerte ihn an Radiant Garden, an junge Vögel, die zum allerersten Mal einen Flugversuch unternahmen ...

"Und was machst du, wenn dich "nur" drei Invictoren angreifen, um nur ein Beispiel zu nennen?", fragte er ihn und ergriff die aus Eingeschnapptheit zu Fäusten geballten Hände, hielt sie sanft in den eigenen in einer beruhigenden Geste, blickte auf in die schwarzumrandeten weißen Augen mit seinen schwarzen, "du kannst nicht vorbereitet genug sein auf das, was in der Dunkelheit auf uns lauert. Wir wissen, was zu erwarten ist, wir haben sozusagen die Prototypen der Herzlosen erschaffen. Du stehst noch am Anfang dieser Existenz, du bist noch nicht so weit wie wir. Du musst auf wirklich alles vorbereitet werden, auf das wir dich vorbereiten können. Es könnte heute, morgen oder erst in fünf Jahren sein, wo du auf eine Mission geschickt wirst, von Unmengen von Herzlosen verfolgt und sogar eingekreist wirst und nicht in der Lage bist, einen dunklen Korridor zu öffnen oder nach Verstärkung zu rufen. All das ist nur zu deinem besten, verstehst du?"

Demyx blinzelte, blickte auf sein Gesicht, dann auf ihre Hände und wieder zurück. Sein Mund, der bis eben noch eine gerade Linie beschrieben hatte (wann hatte er zu schmollen aufgehört?), verformte sich langsam, die Muskeln in seinem Gesicht verzogen sich, zerrten die Mundwinkel hinauf und resultierten in einem sanften Lächeln, dass man getrost als herzerwärmend bezeichnen könnte, und hätte er ein Herz, wäre er mit Sicherheit dahin geschmolzen.

"Mach dir keine Sorgen, ich pass' schon auf und lerne, damit mir so was nicht passiert. Das lass' ich nicht zu, ich weiß doch, dass du dich um mich sorgst."

Es hatte keinen Sinn, mit ihm darüber zu streiten: Er beließ es dabei.
 

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Er stand hinter Demyx, hielt seine Handgelenke umschlossen, fest, als wolle er ihm die Hände via bloßem Druck abtrennen; er musste sehen, dass sein Schüler (sie waren zu den Bezeichnungen "Schüler" und "Meister" gekommen, da der Begriff "Padawan" ihm persönlich sehr missfiel, ebenso die Assoziationen, dass ihre Form der Magie eine Variante der "Macht" sei, auch wenn diese Übertragung eigentlich nicht einmal so idiotisch erschien – allerdings trug es zu viele Erinnerungen an damals) auch in Situationen, in denen ihm die Hände gebunden waren und er es nicht schaffte, seine Waffe zu beschwören, Wasser allein zu beherrschen fähig war, um sich zu befreien. Bisher war der Erfolg nicht-existent.

"Demyx, versuchst du überhaupt, dich zu befreien?", fragte er ihn und war mittlerweile so entnervt, dass er seinen Kopf am liebsten einfach an Demyx' Nacken lehnen würde, bis eine Stunde vergangen war und sie dem Tag ein Ende setzten. Diese Möglichkeit war umso verführerischer, weil er größentechnisch auch kaum weiter kam.

"Entschuldige bitte, dass ich es nicht schaffe!", schnaufte sein Vordermann leicht verärgert und er spürte die Sehnen unter seinen Händen, wie sie sich zusammenzogen und wieder dehnten, jedoch sonst nichts, "hast du überhaupt eine Ahnung, wie doll es wehtut, wie du mich hier festhältst? Wenn in mir noch irgendetwas Blut pumpen würde, wäre alles dort aufgehalten worden wie bei 'nem Staudamm! Und weißt du eigentlich, wie sehr dein heißer Atem in meinem Nacken mir meine Konzentration stiehlt?!"

Innerlich erschrak er, ließ wie von einer Königskobra gebissen die Handgelenke los und trat einige Schritte zurück. Hinter sich hörte er es leise knacken; ein Stück des Randes dieser Trainingsfläche brach unter seinem Schuh ab und fiel in den endlosen Abgrund unter dem Schloss. Er erinnerte sich wieder daran, dass dieser Außenbereich als einer der einzigen nicht durch Geländer oder erhöhte Zinnen abgetrennt war.

Unbewusst hatte er die Augen aufgerissen, nun rieb er sie mit der Hand und schloss sie wieder, ließ seine Hand über den Lidern verweilen und richtete seinen Kopf zu Boden in einer Geste der Verlegenheit. Wieso hatten ihn diese Worte so ... schockiert? Wieso gaben sie ihm das Gefühl, als fehle etwas in seiner Brust und war doch da und zog sich schmerzhaft zusammen?

"Zex?"

Der Meister blickte zu den Worten seines Schülers nicht auf, sondern blieb stehen, paralysiert, festgefroren, versteinert. Er war eine Statue, ein Bildnis seines Selbst, unbeweglich und schwer, viel zu schwer, um es zu heben. Und warum? Warum war er so? Weil er all die Zeit über, die er nun schon ein Niemand war, sich vor allem und jedem distanziert und nur in sich eingekehrt gelebt hatte, in einem immergleichen Zustand der Bewegungslosigkeit. Er bemerkte niemanden, er roch niemanden, er hörte niemanden. Er sah niemanden.

Sie alle hatten Flügel, wunderschöne Flügel, dämonische Schwingen in Schwarz oder violett oder Engelsschwingen aus schwarzen Federn. Aber sie waren aus biologischem Material. Seine waren aus Glas. Glasflügel, zerbrechlich wie die eines Schmetterlings, allein eine Berührung und sie zersplitterten in Abermillionen Scherben. Er konnte fliegen, doch nicht lange. Das Glas hatte bereits unzählige Sprünge – ein Fehler und sie barsten.

"Hey, bist du okay?"

Warme, große Hände auf seinen Schultern rissen ihn aus seinen Gedanken, erschreckten ihn und hielten sie ihn nicht fest, wäre er hinabgestürzt, dem kleinen Stück Schloss hinterher. Doch nichts dergleichen geschah. Er wurde zu einem anderen Körper gezogen, einen Körper, der eine beruhigende Wärme ausstrahlte, die ihn einnahm und seinen Kopf benebelte.

"Tut mir leid, ich hätte das nicht sagen sollen. Verzeih mir, Zexion", wisperte Demyx ihm ins Ohr, als eine seiner Hände sich um seine Hüfte schlang, ihn somit weiter an den jüngeren Niemand presste, und die andere an seinen Hinterkopf wanderte, sich in sein silberblaues Haar vergrub und leicht über seinen Kopf streichelte.

Seine Hände wanderten wie von selbst auf die leicht muskulösen Oberarme.

"Hör auf, dich dauernd für Dinge zu entschuldigen, die du nicht begangen hast."

Tiefe Wärme umschloss ihn wie schneeweiße Flügel; Glas wurde unter großer Hitze gefertigt.
 

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Er hatte sich entschieden, den vergangenen Tag allein in seinem Zimmer zu verbringen. Trotz wachsender Skeptik hatte Demyx sich fortbegeben, wahrscheinlich zu Axel oder Xigbar, aber es könnte ihn nicht weniger interessieren. Er hatte die Zeit gebraucht, um sich über etwas klar zu werden.

Er versank, wurde für Standards von Niemanden wahnsinnig, verrückt und wie man es noch nennen mochte, wenn man den Verstand verlor. Sein (nicht-) Leben stellte sich auf den Kopf, drehte sich um einhundertachtzig Grad und ließ ihn an den Überzeugungen zweifeln, die er die letzten Jahre über für richtig gehalten hatte. Viel zu oft fand er sich des Nachts in Träumen wieder – Träumen, die sich aus seinen Erinnerungen von damals manifestierten, Träume von Ereignissen, die Ienzo widerfahren waren, nicht ihm, seinem ursprünglichen Ich. Es war fast so schlimm wie zu Beginn dieser verfluchten Existenz und Nicht-Existenz, als sie sich alle noch nach dem alten Zustand sehnten und nicht wussten, wie sie mit der neuen Situation umzugehen hatten.

Der Glaube an das Dasein von Gefühlen in ihnen, in Niemanden, äußerte sich wie ein unterschwelliges Flüstern, das nur seine Ohren zu kitzeln schien und sich gar nicht erst an die der anderen wagte. Doch genau das war es, was er nicht verstand; bei den anderen hätte es viel mehr Erfolg, er war schon seit langer Zeit Verfechter der Überzeugung von Gefühllosigkeit gewesen, es sollte sich eher an die Ohren von Axel wenden oder von ...

Es musste an der Blindheit liegen. Ihm fiel keine andere Erklärung dafür ein. Er wurde wahrhaftig verrückt, wenn er nun schon an solch offensichtlichen Dingen zweifelte. Seit Jahren hatte er nichts mehr empfunden, seit Jahren wusste er nicht mehr, was es hieß, Anteil an irgendetwas zu nehmen, er war dabei gewesen, als Welten zerstört wurden und untergingen, hatte sogar selbst einige in den Abgrund der Finsternis gestoßen, und es war ihm egal, er begegnete dem mit kalter Gleichgültigkeit. Erst jetzt, wo er erblindet war, war es anders.

Aber vielleicht lag es nicht an der Blindheit selbst, sondern dem, was damit zu ihm kam: Nummer IX. Das hieß im Grunde, dass Demyx es irgendwie bewerkstelligt hatte, ihn zu all diesen Unsicherheiten zu bringen, doch was genau war es, dass er gemacht hatte? Er konnte nirgends seinen Finger drauflegen, denn aus seiner Sicht der Dinge war daran nichts, was ihn in irgendeiner Form so sehr aus der Bahn werfen könnte.

Was immer es war, es gab im Grunde nur eine Lösung zu diesem Problem: sich weit weg von Demyx zu begeben.

Es war geradezu zynisch-humoristische Ironie, dass dies genau das war, was für ihn unmöglich erschien.

Er kam zu dem Schluss, dass diese Veränderung vielleicht auch etwas Gutes haben könnte. Nun galt es nur noch, herauszufinden, was es eigentlich war.
 

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Sie hatten sich nach einem anstrengenden Trainingstag dazu entschlossen, den nächsten in der Bibliothek zu verbringen und sich Ruhe zu gönnen. Nicht nur, dass er selbst in letzter Zeit immer öfter von Vexen entführt wurde, um sich einigen potenziellen Heilmitteln zu unterziehen (frische Punktionswunden zeugten von den Nadelstichen der Spritzen, eine Stunde Müdigkeit und Migräne sowie Fieber, Schüttelfrost und akuter Taubheit von den Misserfolgen), auch Demyx fand sich in einem ewigen Hin und Her zwischen Training, Führung und Berichten für Xemnas, da Nummer I unbedingt über die Fortschritte, die sie machten – oder eben nicht machten –, unterrichtet werden wollte, sowohl bezüglich seiner Blindheit als auch des Trainingsfortschritts.

Momentan waren sie dabei, sich gegenseitig anzuschweigen und einfach die Ruhe und den Frieden dieses Moments zu genießen. Bisher waren keine weiteren wichtigen Aufgaben wie "Kommt so schnell wie möglich zum Zielort" aufgekommen, was ihnen genügend Zeit gab, sich ausreichend zu erholen.

Bisher war nicht wieder ein Augenblick aufgetreten, in dem er sich unfähig fand, irgendetwas zu unternehmen, in dem in ihm die verschiedensten Zweifel aufkamen, und langsam verlor er seinen Glauben an die Theorie, Demyx sei der Grund für was auch immer das für eine Veränderung war, die in ihm vorging. Es war geradezu wieder zu Status Quo zurückgekehrt, auch wenn er sich sicher war, nie mehr in der Lage zu sein, Demyx nur bei seiner Nummer anzusprechen; dazu war er ihm trotz Neutralisation dieser Merkwürdigkeiten auf einmal zu wichtig geworden.

Ihm fiel es unglaublich schwer, dies endgültig zu realisieren und vor allem zu akzeptieren.

"Sag mal", unterbrach Demyx schließlich die Stille. "Macht es dir etwas aus, wenn ich 'n bisschen Sitar spiele und dazu was singe?"

Er lächelte leicht, als er sich in seinem Sessel zurechtrückte. "Nein. So kann ich endlich Zeuge deiner musikalischen Fähigkeiten werden."

Das Grinsen, das sich nun in Demyxens Gesicht befand, brauchte er nicht sehen, er wusste, dass es da war. Dafür hörte er ein leichtes Plätschern, ein Tropfen, ein Klimpern wie von einem Glockenspiel und schlussendlich das Knautschen von Leder. Dann war es einen Moment still, kurz und schnell wieder vorbei.

Dann erklang Musik, helle und schnelle, eine konstante Wiederholung ein un derselben Tonfolge ungefähr zwanzig Mal, während eine klare und unerwartet wohlklingende Stimme die erste Strophe sang und das erste Mal den Refrain, als er andere Handgriffe nutzte (er sah es nicht, er wusste es einfach, er hatte in seiner Zeit als Ienzo einige Rockkonzerte besucht) und wieder zum Ursprung zurückkehrte. Die Lyriken flogen zuerst an ihm vorbei, da er viel zu hypnotisiert war von dem tiefen Klang der Sitar, der sich ähnlich und vollkommen anders dem von Gitarren anhörte.

Der zweite Refrain, leicht variiert von ersten, ließ ihn allerdings aufhorchen.

"So when I see you, you know all the things I've done. And I'm blinded like I'm staring down the sun. When I see you, when I see you, when I see you – it's like I'm staring down the sun."

Wenn es nicht vollkommen seinem Charakter unentsprechend wäre, hätte er gelacht. Schallend gelacht. Touché.
 

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Xemnas verlangte nach ihnen. Aus welchem Grund er sie beide verlangte, war ihm nicht klar, denn auch zuvor hatte er ausschließlich nach Demyx verlangt, während Vexen nur ihn rief, als hätten die beiden sich abgesprochen. Aber eine Wahl hatten sie sowieso nicht. Also begaben sie sich hinüber in die Versammlungshalle, gingen zu Fuß, denn Nummer I wusste mittlerweile, dass es Zexion besser ging, wenn sie so wenig teleportierten wie möglich.

Auf ihrem Weg trafen sie Xigbar und Xaldin, wie immer in einer Art brüderlichem Scheinstreit versunken. Das verspielte Lachen des Freischützen hallte durch die Korridore ebenso wie das genervte Grummeln des Wirbelnden Lanzenträgers, und der Griff, den Demyx um seinen Ellenbogen hatte, verstärkte sich leicht. Er neigte den Kopf, als wolle er auf die ihn haltende Hand blicken, doch gelang ihm nichts dergleichen aus gesundheitlichen Gründen. Als Erwiderung wurde er näher an seinen Begleiter gezogen, und er wurde sich bewusst, dass er ihn beschützen wollte.

Ihm war nicht klar, was Nummer II und Nummer III für Gefahr darstellen könnten.

Sie fielen durch ihre Schritte auf. Er spürte die Blicke der anderen beiden Ursprünglichen Sechs auf sich. Einen Moment später wurde er losgerissen von Demyx, brutal, sodass der plötzliche Verlust der ihn haltenden Hand an seinem Ellenbogen einen stechenden Schmerz verursachte, als habe ihn eine Katze gleich mehrfach mit ihren Klauen bedacht. Er wurde gegen eine Wand gedrückt, das umgekehrte Herz bohrte sich schmerzhaft in seinen Rücken, die Spitze des oberen Kreuzes kratzte die entblößte Partie seines Nackens auf, seine Kapuze brachte nichts als Abwehr oder Polster oder dergleichen, unter seinen Füßen war kein Grund und er wusste nicht, in wie vielen Metern Höhe er sich befand. Das Blut, welches aus der aufgekratzten Stelle trat, floss langsam seinen Rücken hinab, klebte das Leder an seine Haut. Seine Hände fanden die Unterarme desjenigen, der ihn am Kragen immer stärker an die Wand presste, drückten zu, doch war es zu wenig; physisch konnte er vielleicht Demyx und eventuell sogar Axel und Vexen überbieten, aber nicht Xigbar.

"Da ist ja der Kleine, der uns all die Arbeit aufgehalst hat", grummelte es ungehalten vor ihm und er konnte nichts gegen das in ihm aufkeimende Verlangen, sich in sein Zimmer einzuschließen, unternehmen. "Na, was macht das Handicap? Immer noch blind, mein Lieber?"

Er unterließ es, eine Erwiderung zu geben. Selbst wenn er könnte, würde er nicht in das goldene Auge seines Gegenübers blicken, nicht in diesem Moment.

"Na, was soll ich mit ihm machen, Xal? Wie soll ich ihn bestrafen für all die Scheiße, die wir seinetwegen aufgebrummt bekommen?"

Xaldins Worte waren für ihn unverständlich, als Xigbar nicht eine Sekunde auf eine Antwort wartete und ihm mit flacher Hand ins Gesicht schlug. Sein Kopf wurde herumgerissen, prallte gegen die Wand und der Schmerz, der sich dadurch in seinem Kopf ausbreitete, betäubte seinen Körper für die kommende Pein, als Xigbar erneut zuschlug, und erneut und erneut.

Versehentlich biss er sich auf die Zunge und die Unterlippe. Das Blut rann seinen linken Mundwinkel hinab.

"Wenn du jemandem die Schuld an deiner momentanen Situation geben willst, dann gib sie Nummer IV", erwiderte er schließlich, hielt den Kopf hoch, als blicke er seinem Angreifer ins Gesicht, "aufgrund seines stupiden Versuches, Pyrobkristalle mit Finsterkristallen, Zwielichtkristallen und Duktilkristallen zu verbinden. Und unserem Anführer, mich gerade für dieses Experiment als seinen Assistenten aufzustellen. Ich kann nichts dafür, dass Nummer IV es geschafft hat, das Reagenzglas, nachdem wir bereits eine kleine, kaum merkliche Explosion hatten, so stark zu überhitzen, dass eine weitere, stärkere Detonation zustande kam und mir diese zähflüssige Substanz ins Gesicht flog."

Xigbar grunzte verärgert; er wusste, dass mit ihm zu argumentieren sinnlos war, seine Logik durchstieß nicht einmal das Schlüsselschwert. "Dann solltest du besser hoffen", knurrte er ungehalten, "dass ich deinem lieben Freund Vexen nichts antue."

Er wurde losgelassen. Er fiel hinab, hinab und hinab. Ein erstickter Schrei versuchte, sich über seine Lippen hinaus zu begeben, doch wurde er von dem an ihm vorbeirauschenden Wind verschluckt. Er hatte keinerlei Ahnung, wie weit er schon gestürzt war, doch das war irrelevant, denn zum ersten Mal in seinem Nicht-Leben empfand er etwas, über das er froh war, es nicht mehr zu besitzen: Angst.

Er wollte nicht fallen. Er wollte nicht fallen, weil er wusste, dass am Ende einzig der Aufprall auf ihn wartete. Und der Aufprall würde, gemessen an der bisherigen Dauer des Falls und der konstanten Beschleunigung seiner Fallgeschwindigkeit, im Tode enden. Unwillkürlich fragte er sich, wie dieser für einen Niemand wohl ausfallen würde, doch wurde diese Kuriosität schnell verdrängt, als sich in ihm der Wunsch immer weiter festigte, nicht hinab zu fallen, nicht aufzukommen, nicht zu sterben. Es gab noch so viel, was er in seiner Lage, sowohl momentan als allgemein, zu tun vorhatte. Und alles drehte sich um eine einzige Sache: Demyx.

Er könnte direkt unter sich einen dunklen Korridor öffnen, doch konnte er nicht sagen, wo er landen würde ob seiner Blindheit. Würde er es schaffen, wieder auf solidem Boden aufzukommen? Würde er eventuell unwiderruflich in eine Wand kommen? Würde er auf einer anderen Welt landen oder gar im unendlichen Sternenmeer? Es war einfach zu riskant, um es auszuprobieren.

Er konnte nichts tun, um sein Schicksal abzuwenden. Allein diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, weitaus schlimmer als das, was ihm Xigbar beigebracht hatte. Ihm blieb keine Wahl, als zu fallen und zu hoffen, dass sein Tod ein schneller wird. Er kniff die Lider zu, schlang seine Arme um seinen Oberkörper, die ihm entgegenströmende Luft peitschte ihm ins Gesicht und schaffte es, ihm die linke Wange aufzukratzen – er vermutete, Xigbar hatte die Schwerkraft manipuliert. Depression ergriff von ihm Besitz und er kam nicht davon ab, zu glauben, gar zu wissen, dass sie real war.

Demyx ...

"Zexion!!!"

Irgendetwas knallte gegen seinen Rücken, zerplatzte und minderte seinen Fall geringfügig. Er wurde von einer kalten Nässe umfasst, die ihn in Kombination mit der ihn noch immer geradezu attackierenden Luft zum Frieren brachte und die (reale?) Furcht in ihm sogar noch verstärkte, sodass er sich leicht zusammenkugelte in der Hoffnung, so dem schlimmsten zu entgehen, als weitere nasse Barrieren an ihm zergingen und ihn in tiefere und tiefere Kälte hüllten.

Und schließlich kam er auf. Allerdings nicht auf dem harten, kühlen Boden, der seinen sicheren Tod bedeutete, sondern auf etwas Weichem, etwas Warmen, was er schon seit einigen Tagen nicht mehr gespürt und unbewusst ersehnt hatte. Ihm war so eisig, seine Haare klebten an seinem Kopf, besonders an seiner Stirn, sein Ledermantel an seinem gesamten Körper, die Hose haftete sich so eng an seine Beine an, dass man sie für seine Haut halten könnte, dass er sich so nah wie möglich an dieses Warme schmiegte, auf dem er lag.

Starke Arme umschlangen ihn, drückten ihn noch zusätzlich hinab, legten sich einmal um seine Hüfte und andernfalls halb um seine Schulter hinauf über seinen Nacken, endete in der Hand, die sich wie bereits einmal geschehen in den Haaren seines Hinterkopfes vergrub. Er seinerseits vergrub sein Gesicht in der Brust seines Gegenübers, atmete tief und lang.

Hätte er ein Herz, es würde wie verrückt in seiner Brust schlagen.

Ein leises Flüstern, kaum mehr als ein Hauch, gelangte an sein Ohr, brachte ihn dazu, seinen Griff um die Schultern jener Person zu intensivieren: "Ich hatte unglaubliche Angst um dich, Zexion! Xaldin und ich haben alles versucht, Xigbar zu stoppen, aber er hörte nicht zu! Wir konnten nichts machen, rein gar nichts, um es zu verhindern!! Oh Gott, du weißt gar nicht, wie froh ich bin, dich mit diesen übergroßen Wasserblasen gerettet zu haben!! Es tut mir so leid, Zexion, es tut mir so leid!!"

Er richtete sich leicht auf, öffnete die Augen und glaubte, für eine Sekunde ein meeresgrünes Blitzen gesehen zu haben in dem endlosen Schwarz, doch war dieser Augenblick zu schnell wieder vorbei.

"Hatte ich nicht gesagt, du brauchst dich nicht für Dinge entschuldigen, an denen du nicht schuld bist?"
 

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Schließlich, mit durch Axel getrockneten Kleidern und Haaren und durch Potions geheilte Wunden, in der Versammlungshalle angekommen, erfuhren sie, dass Xemnas sie alle ausschließlich zu sich beordert hatte, um ihnen erneut einen seiner ewigen Monologe vorzusagen, der ihre missliche Lage umschrieb und sie daran erinnerte, dass sie gefühllose, leere Hüllen waren, die es mit Herzen zu füllen galt.

Ausnahmsweise war er die ganze Zeit über alles andere als ein guter Zuhörer. Zum ersten Mal gab er keinen Hehl über das, was ihr Anführer ihnen mitzuteilen versuchte, und wünschte sich mehr, dass er endlich schlicht und ergreifend die Klappe halten würde, damit er so schnell wie möglich in sein Zimmer gelangen, duschen und schließlich schlafen konnte, denn sein Sturz und die daraus resultierende Nahtoderfahrung saßen noch tief in seinen Knochen.

Eineinhalb Stunden später hatte sich sein Wunsch erfüllt. Er hatte sich von Demyx getrennt und war so schnell wie noch nie im sehenden Zustand unter die Dusche geflohen, hatte kochendheißes Wasser über seinen nackten Körper gejagt und sich gewünscht, einfach zu verglühen. Danach war er vollkommen erschöpft und ausgelaugt ins Bett gefallen und war in einen Schlaf gefallen, der ihm kontinuierlich wieder zu diesem Sturz zurückbrachte und ihm verbat, aufzuwachen, bis Demyx ihn so stark gerüttelt hatte, dass sie gemeinsam aus dem Bett fielen.

Mittlerweile hatte er sich von dem, was da passiert war, so gut wie möglich erholt. Lexaeus war, als er davon erfuhr, sofort vorbeigekommen, um zu sehen, wie es ihm ging, und zum ersten Mal seit langem, als sie zu dritt in der Bibliothek saßen, Tee tranken und einfach nur redeten, fühlte er sich wie damals – mit dem einzigen Unterschied, dass Demyxens Platz von einem anderen besetzt war, einem anderen, der mittlerweile vollkommen zu existieren aufhörte.

Trotz ihres Verlustes ihrer ursprünglichen Persönlichkeit hatten sie alle außer ihrem Aussehen viele ihrer Charakterzüge mit in diese (nicht-) Existenz mitgenommen; mit Xemnas' Erwachen war Xehanort endgültig gestorben.

An diesem Tag waren sie wieder unter sich. Es war der letzte Tag, den sie sich als freien Tag vorgenommen hatten, bevor sie sich wieder dem Training widmen wollten. Demyxens Fähigkeiten hatten bewiesen, dass er nun endlich lernte, wie man sich wehren musste und was man alles mit Magie machen konnte, folglich wusste er, dass das, was er tat, wirklich wert war, weiterhin zu existieren.

Er war dankbar für diese Chance, die er nun bekommen hatte.

In der Bibliothek gab es eine breite Couch, auf der sie beide genug Platz hatten. Er hatte sich an die eine Ecke gesetzt, leicht schräg mit dem Rücken dort, wo Armlehne und Polster sich trafen. Demyx hatte sich radikal auf die Sitzgelegenheit geschmissen (es hatte stark gewackelt) und seinen Kopf auf seinen Schoß gebettet. Erst war es ihm unangenehm, aber mit den vergehenden Stunden hatte er sich daran gewöhnt.

Ihr Gespräch war an Xemnas' Ansprache angelangt, und die Melodie der Nacht rückte ein wenig zurecht, was er als ein Zeichen der Abneigung ansah. "Ich weiß ja nich', was genau ihm widerfahren sein muss, dass er so festgefahren is', was diesen ganzen Gefühlskram betrifft", meckere Demyx, "aber ich halt' das alles für totalen Schwachsinn."

Er seufzte leicht; über die Zeit war ihm mittlerweile klar geworden, dass Demyx der Auffassung war, sie besäßen Gefühle, doch war dies bisher noch nie in irgendeiner Form geäußert worden. Er hatte nie den passenden Augenblick gefunden, ihn darauf anzusprechen, ihn zu fragen, was ihm diese Meinung verlieh, um dann, entsprechend der Erwiderung, so viele Argumente dagegen vorzulegen, dass er ihn vom Gegenteil überzeugen konnte. Das Problem daran war nur, dass er selbst ins Straucheln geraten war, was diese Tatsachen, die ihnen Xemnas immer wieder in ihren Verstand geradezu prügelte, betraf.

"Wie kommst du darauf, dass wir Gefühle haben?", fragte er also, denn wollte er nicht nur endlich erfahren, was es war, dass den anderen bestimmte, sondern gleichzeitig, woran er eigentlich war, wie es um ihn stand momentan, welchen Weg er nun eingeschlagen hatte. Von sich selbst und den anderen wusste er um das Leben ohne Gefühle; wie sah das von Demyx aus?

"Uff, ja, gute Frage, Moment", entgegnete Demyx, machte im Anschluss ein "Hmm", ließ einige Sekunden verstreichen und fuhr dann fort, "weißt du, ich seh' das so: Weil Xemnas davon überzeugt ist, dass wir keine Gefühle haben und er zugleich unser großer Anführer ist, glauben wir auch daran und modellieren unser Leben dementsprechend. Das ist im Prinzip so, als würde man wie verrückt seinem Idol nacheifern. Das Idol mag Punkmusik, also magst du auch Punkmusik, weil dein Idol es ja mag. Das Idol isst gerne Fisch, also isst du auch gerne Fisch, auch wenn du ihn eigentlich nicht ausstehen kannst. Es liegt einfach in der Psyche des Menschen – und da wir einst Menschen waren, auch in der der Niemande. Und genau das ist der Fehler. Man ist viel zu sehr auf das fixiert, was man zu sein glaubt – herz- und gefühllos –, und tut nur noch alles, um nach einer Heilung zu suchen – Kingdom Hearts. Rate mal, was man dabei vollkommen vergisst."

Er hatte keine Lust auf Ratespiele: "Was denn?"

Demyx seufzte: "Tse, du gibst mir auch keine Chance, das hier ein bisschen aufzulockern, gell? Aber weil du es bist: Man vergisst, dass es in uns noch mehr als ein fehlendes Herz gibt. In unserem eifrigen und unaufhaltsamen Streben nach Kingdom Hearts, nach dem Ganzsein, schauen wir nur geradeaus auf den Fortschritt, den dieses komische, ausgehöhlte Herz am Himmel macht. Wir sehen nicht in uns selbst hinein und untersuchen nicht, was noch an uns ist. Zum Beispiel Blut. Wenn wir doch kein Herz mehr haben, welches das Blut durch unsere Adern pumpt, wie kommt es dann, dass wir bluten? Du hast doch Biologie damals studiert, unter Ansem, nicht wahr?"

"Ja, aber was-"

Zum ersten Mal in seinem Leben wurde er unterbrochen. Zum ersten Mal fiel ihm in dieser Existenz jemand ins Wort. Wieder etwas, wovon er nicht wusste, was er davon halten sollte. Wäre es jeder andere gewesen, hätte er es als Darstellung von Respektlosigkeit gewertet, doch bei Demyx ... Bei Demyx war es anders, bei Demyx war es keine Respektlosigkeit, bei Demyx wusste er um seinen Wert, seine Stellung, bei Demyx war es schlicht und ergreifend okay.

"Dann ist dir Amygdala doch ein Begriff, oder?"
 

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Amygdala, das war ein Bereich im Gehirn, welcher für Empfindungen wie Panik zuständig war. Er hatte sich zu Vexen eskortieren lassen, um mit ihm unter vier Augen noch einmal einige Berichte von frühen Experimenten an Dämmerlingen durchzugehen, in denen sie sie auf Leber und Niere untersucht hatten. In ihren Ergebnissen waren sie auf den Schluss gekommen, dass sogar niedere Niemande ein funktionstüchtiges Gehirn besaßen, welches allerdings im Gegensatz zu ihren recht unterentwickelt schien.

Mit diesem wissenschaftlichen Beweis hatte er nicht gerechnet. Das schlimmste daran war, dass sie es schon vor Jahren entdeckt, jedoch nie wirklich ernst genommen hatten, denn ihre Studien bezüglich dem Herzen hatten sie in die Irre geführt und ihren Verstand benebelt.

Nun war ihm eines klar geworden: Auch wenn es ihnen keiner, weder Jemand noch Niemand, glauben mochte, sie hatten Gefühle, sie waren da, nicht aufgrund irgendeiner Erinnerung, sondern wirklich, echt, zum metaphorischen Anfassen. Sie hatten ihr Rufen nur nicht mehr gehört; mit dem Herzen hatte man ihnen ihr Sprachorgan genommen, das, was sozusagen als Megaphon für sie fungierte. Nur wenn man deutlich hinhörte, könnte man sie auch wirklich wahrnehmen.

Ein Wispern kitzelte ihn am Ohr. Er hörte hin.
 

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Erneut wurden sie alle zusammengerufen. Es ging nicht um das Ausrufen einer gefundenen Heilung (das hätte er bemerkt), sondern um etwas anderes. Es ging um das Ausrufen eines neuen Mitglieds der Organisation. Die ganze Zeit über hatte er nichts dazu beigetragen, als Nummer X, namentlich Luxord, in ihre Reihen aufgenommen und ihm erklärt wurde, wie er sich zu verhalten habe, wie das Leben ohne ein Herz sei, dass es sowohl Fluch als auch Segnung zugleich sei.

Das einzige, was er tat, war auf die tiefe Stimme mit diesem leichten, britischen Akzent zu hören, sich den neuen Geruch – Zigaretten und Brandy – einzuverleiben und ansonsten so emotionslos wie möglich herüberzukommen, ohne zu zeigen, wie wenig er noch an das glaubte, was vor ihm gesagt wurde. Doch er wusste um die Sinnlosigkeit, seine Entdeckung, nein, Demyxens Entdeckung ihrem Anführer zu präsentieren; er würde nicht auf sie hören, würde der Stimme des Wissenschaftlers, der er einst war, entsagen und einfach weitermachen wie bisher.

Als es vorbei war, kam Demyx zu ihm und gemeinsam verließen sie die Versammlungshalle wieder.

"Was hältst du von diesem Neuen, Zexion?", fragte dieser ihn, nachdem sie bereits einige Hallen passiert hatten.

"Bisher noch nichts, ich kann mir noch kein Bild machen. Er scheint mir ein Manipulator zu sein, zumindest erscheint seine Stimme dementsprechend, doch viel mehr kann ich noch nicht sagen. Es ist wie mit dir: Die Zeit wird sagen, was wirklich in ihm steckt", antwortete er und der verstärkte Druck an seinem Ellenbogen brachte ihn dazu, noch anzuhängen, "wobei das mit dir auf einer viel tiefer gehenden Ebene geschah, einer Ebene, die kein anderer erreichen kann."

Der Druck verringerte sich wieder. Das Grinsen war zu hören. "Willst du wissen, wie er aussieht?"

"Nein, aber du wirst es mir trotzdem sagen."

"Kennst du diesen Schweizer oder Österreicher, der dieses eine komische Lied gesungen hat?"

"Welches?"

"Ich weiß den genauen Titel nicht mehr, nur noch ein paar Zeilen."

"Sag mal."

"Ich bin der Anton aus Tirol!"

"Uh, hör auf, das reicht, um sich zu erinnern."

"So sieht er ungefähr aus. Nur ohne diese dämliche Mütze."

"Solange er nicht auch so singt ..."

"Keine Sorge, fürs Singen hab ich's Privileg!"
 

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"Weißt du, wie sich ein Kuss anfühlt?"

Ihm war vollkommen unklar, wie sie dorthin gelangt waren. Tatsache war nur, dass sie da waren. Hier, in der Bibliothek, auf ihrer Couch, er wieder in seiner Ecke, Demyx wieder längs darauf mit dem Kopf auf seinem Schoß. Erst zuvor hatten sie über vielerlei Interpretationsmöglichkeiten von Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen diskutiert und auf einmal hatte Demyx einen Sprung gemacht und war dort gelandet. Er schob es auf die vorige Trainingsrunde – mit schwarzen Energiekugeln getroffen zu werden, noch dazu am Kopf, erschien nicht sonderlich gesundheitsfördernd.

Seine Erinnerungen überschlugen sich. Ja, er erinnerte sich daran, wie sich ein Kuss anfühlte. Ienzo war damals auf vielen Rockkonzerten gewesen. Eines endete als One-Night-Stand mit dem Leadsänger der Band, bei dem es nicht blieb und immer wieder, wenn sie aufeinander trafen, fanden sie sich, fanden sich ihre Lippen in einem sanften Kuss, nie grob und brutal, immer sanft und zärtlich. Wenn er sich recht entsann, war Ienzo damals verliebt gewesen in diesen Musiker, vielleicht aber auch nur verknallt. Die Erinnerung war zu verschwommen, um das noch genau benennen zu können, ebenso wenig, ob seine Gefühle erwidert wurden oder ob der Sänger doch nur eine Sexgelegenheit in ihm sah.

"Wieso fragst du?"

"Ach, ich hab mich grad an was erinnert", winkte Demyx ab und in seine Stimme schlich sich ein leicht nervöser Unterton, als wolle er nun doch gar nicht darüber reden. Als sei es ihm peinlich, darüber zu reden.

Er hatte nicht mit seiner Hartnäckigkeit gerechnet. "Woran?"

"Du willst es wirklich wissen?"

"Hmm."

"Okay, dann erzähl ich's dir halt", sein Schüler atmete einmal tief durch, "damals, als ich noch ein Jemand war, da war ich Musiker, ich war Sänger in 'ner Band. Weiß nicht mehr, wie die hieß. Jedenfalls kamen wir öfter in diese eine Stadt. Nicht nur, weil wir immer wieder um Konzerte gebeten wurden, sondern auch, weil dort ein Junge lebte, den mein Jemand geliebt hat. Daran hab ich mich erinnert."

Vorsichtig tastete er sich mit seinen Fingern voran, strich eine Strähne aus der Stirn des anderen und ließ seine Hand an der Wange ruhen. "Wie war diese Liebe?"

"Sie war ... kindlich, rein und unschuldig. Kaum zu glauben, wie rein eigentlich, wenn man bedenkt, dass Schwule damals nicht wirklich akzeptiert wurden. Immer wenn ich ihn traf, war das erste, was wir teilten, ein Kuss. Irgendwie, ich weiß nicht, haben wir dadurch unsere Ängste um einander und den Frust des Alleinseins beigelegt. Es war immer so schön mit ihm damals, und heute klingt es wie ein weit entferntes Märchen."

In seinem Kopf machte es Klick. Zwei Puzzleteile fanden einander und fügten sich zusammen, lösten eines seiner inneren Rätsel, welche er sich schon seit langer Zeit unfähig fand, zu lösen. Die Frage, warum er sich um Demyx so leicht, so befreit fühlte, sogar mehr als bei Lexaeus, deren Antwort war nun zum Greifen nah.

"Wie lautet dein Name?", fragte er ihn, wohl wissend, dass die Antwort einige Momente brauchte, um ihn zu erreichen.

"Wie jetzt, na Demyx natürlich!", schaffte die Melodie der Nacht, ihren Meister wieder einmal nicht in seinen Erwartungen zu enttäuschen.

"Nein, dein richtiger Name."

Schweigen legte sich über sie und er wusste nur zu gut, dass Demyx ihn anstarrte, er spürte, dass er ihn anstarrte. Er brauchte nicht mehr sehen, um zu wissen, was in dem anderen vor sich ging; er musste einfach nur da sein und er wusste geradezu automatisch, was den anderen bewegte oder zum Stillstand zwang, was ihn freute, aufregte, traurig stimmte. Er nahm die Hand von der Wange seines Gegenübers.

"Myde. Und bevor du fragst, der Junge damals hieß-"

"Ienzo."
 

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Er hatte nicht erwartet, dass allein sein Name und das Wissen um Demyxens ursprünglichen Namen solche Signifikanz besaßen. Ein Name, und alles war auf einen Schlag anders geworden und doch gleich geblieben. Sie hatten sich gesagt, den nächsten Tag wieder voneinander entfernt zu verbringen, um über das, was sie nun wussten, nachdenken zu können.

Damals waren ihre Jemande zusammen gewesen. Liebhaber. Geliebte. Ein Paar. Ein Liebespaar. Dies war harter Tobak, den zu schlucken eine Herausforderung darstellte. Er wusste nicht, was von allem der größte Schock war: dass sie Gefühle hatten, dass er aus seiner Isolation gezerrt wurde, dass er und Demyx in einem anderen Leben ineinander verliebt waren oder dass seine gläsernen Flügel repariert wurden.

Irgendwie machte ihn alles fertig, brachte seinen Nerven eine schlaflose Nacht und ließ ihn dementsprechend wie aus alten Gewohnheiten nach Kaffee gieren. Jetzt, wo er um Demyx' Jemand wusste, hatte er ein Bild vor sich – ein Bild mit meergrünen Augen, endlose Wasser ohne irgendeine Form von Verschmutzung, Reinheit in ihrer Vollkommenheit.

Wie sollte man sich verhalten, wenn man geliebt hatte, gestorben, in einer neuen Existenzebene erwacht, erblindet war und seine Liebe wieder gefunden hatte? Er hatte keine Ahnung, er wollte sich einfach nur für den ganzen, weiteren Tag in seinem Zimmer einschließen, sich unter die Dusche stellen und einfach alles wegwaschen, was in den letzten Tagen passiert war. Tatsache jedoch war, dass er das nicht konnte. Es war ihm einfach zu wichtig.

Ein Klopfen an seiner Zimmertür riss ihn aus seinen Gedanken. Da war der junge Mann, um den sich die letzten Stunden pausenlos gedreht hatten. Er erhob sich aus seinem Bett, auf dem er gelegen hatte, gekleidet in einen violettblauen Seidenpyjama, den Demyx ihm gebracht hatte, und begab sich zur Tür, stützte sich an den Wänden ab, um den Weg zu finden und den Halt nicht zu verlieren. Er hatte sich angewöhnt, so viel wie möglich selbstständig zu machen, sodass er nicht zu sehr eine Belastung würde, bis Vexen es endlich schaffte, ein Gegenmittel zu entdecken.

Die Klinke war kalt wie Eis, als er sie hinabdrückte und die Pforte mit einem leisen Quietschen zur Seite glitt. Er brauchte nichts sehen, um zu wissen, dass Demyx vor ihm stand. Auch wenn der Geruch von Meeresbrise, Salzwasser und Strand in seine Nase drang und ihm bereits leicht den Verstand betäubte, mehr noch als zuvor nun, da er um ihren gegenseitigen Wert wusste, er brauchte seinen Geruchssinn nicht, um das zu erkennen.

"Hey, ähm, kann ich reinkommen?"

Er erwiderte nichts, trat zur Seite, ließ seinem Begleiter den erwünschten Eintritt und schloss die Tür hinter ihm, ehe er in sein Hauptzimmer zurückkehrte und sich auf sein Bett setzte. Demyx ließ sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder, welcher leicht knarrte und ein protestierendes Quietschen von sich gab, als er mit einem zusätzlichen Gewicht umgedreht wurde.

"Du kannst dich ruhig neben mich setzen, Demyx", meinte er leicht abwesend und neigte den Kopf in Richtung seines Besuchers, öffnete nichts sehende Augen und hoffte, ihn anzusehen.

"Nein, ich ...", widersprach Demyx, die Stimme leise und ein wenig verzerrt von Angst, doch wovor war ihm nicht klar, "versteh mich nicht falsch, ich würde gern, aber ... Wir müssen vorher noch reden."

"Über uns."

"Genau. Über uns."

Schweigen. Es hielt fünf Minuten. Dann hielt er es nicht mehr aus und zerschlug es.

"Also, Demyx?"

"Auch ... auch wenn es idiotisch klingen mag, du- du bedeutest mir ungemein viel!" Demyxens Beginn war stockend, doch dann war es, als hätte jemand in ihm ohne Vorwarnung einen Schalter umgelegt und er sprach all seine Worte hinab, als gäbe es nichts Leichteres auf der Welt. "Ich weiß, dass du der Auffassung bist, Niemande haben keine Gefühle und keine Herzen und all das, aber versteh doch, zwischen uns ist über die letzten Tage etwas entstanden, das man nicht einfach so ignorieren kann. Ich kann es nicht!! Du kannst es auch nicht, sonst hättest du nie so eifrig zugestimmt, dass wir uns den Tag voneinander getrennt gönnen! Es war hart für mich, dich jeden Tag zu sehen und zu wissen, du kommst mir bekannt vor, aber nicht zu wissen, warum! Bis vorgestern. Vorgestern habe ich mich endlich erinnert, und auf einmal hat sich alles zusammengesetzt. Willst du wissen, was? Nur deine Nähe, keine andere, nur deine erlaubt es mir, so zu sein, wie ich sein will! Bei den anderen habe ich das Gefühl, immer unter Druck zu stehen, doch bei dir ist dieser Druck weg, einfach weg, und ich bin frei, ich kann meine Flügel ausbreiten und wegfliegen, ich kann ins Wasser springen und so tief tauchen, wie ich will! Ich bin ich! Und ich fühle in deiner Gegenwart. Mein Gott, ich fühle sogar mehr, als ich damals gefühlt hatte, und das heißt was!! Ich weiß, du musst mich für einen Narren halten, aber ich liebe dich mehr, als Myde damals Ienzo geliebt hatte!"

Er blinzelte. Saß da wie versteinert und blinzelte. Saß da wie versteinert, blinzelte und fragte sich innerlich, wie viel Schmerz sich wirklich in dem jungen Niemand vor ihm abgespielt haben musste, wie verloren er wirklich war, wie hart es für ihn war, hierher zu kommen, sein wahres Ich nur noch bruchstückweise zu kennen und zu realisieren, dass der einzige Anker, der ihn an seine Vergangenheit kettete, direkt vor ihm stand, die ganze Zeit, zu wissen, dass er da war, aber es doch nicht wissen.

In ihm drängte sich die Frage auf, was er getan hätte, hätte er Demyx vor seiner Blindheit einmal wirklich betrachtet. Er konnte sich an das Aussehen Mydes erinnern, nur nicht an den Namen – Demyx kannte Ienzos Namen, aber nicht sein Aussehen. Hätte er Demyx also gesehen ... er konnte sich nicht ausmalen, wie es ausgegangen wäre. Aber nun manifestierte sich stärker denn je der Wunsch danach, ihn zu sehen, ihm in die Augen blicken zu können und ihm zu sagen, dass das Damals keine Bedeutung mehr auf das Jetzt hatte und doch so viel Bedeutung für sie zugleich.

Aber nun war es egal. Nun war all das "Was wäre, wenn" vollkommen nichtig und irrelevant. Es gab nur noch eins, was zu tun war, nur noch eins, und dann war es besiegelt.

Er stand auf von seinem Bett, hielt sich am Pfosten fest und begab sich hinüber zu seinem Stuhl, ignorierte das erstaunte "Zexion?!", tastete sich nach den Schultern des anderen und ließ sich schlussendlich auf seinem Schoß nieder. Einen Moment setzte er sich noch zurecht, dann seufzte er, hob den Kopf mit geöffneten Augen und hoffte, sein Gegenüber sah die Aufrichtigkeit in ihnen, die er ihm entgegenbrachte.

"Demyx, du bist kein Narr", sprach er sanft, ließ eine Hand von der Schulter auf die weichen Lippen seines Gegenübers wandern, um zu verhindern, dass er ihn unterbrach, "wenn, dann bin ich der Narr. All die Jahre habe ich nicht realisiert, dass das Herz nicht der Ursprung der Gefühle, sondern ausschließlich ein Katalysator ist. All die Jahre habe ich in Einsamkeit und Abgeschiedenheit gelebt, habe mich vor allem und jedem verschlossen und eine perfekte Maske der Gleichgültigkeit getragen. Ich selbst war diese Maske. Und dann kamst du. Zuerst habe ich nicht auf dich geachtet, wie auf alles andere auch. Doch dann erblindete ich und auch wenn du mir von Nummer I an die Seite gestellt wurdest, du wärst auch freiwillig gekommen. Zuerst war es eine Last. Ich wollte nicht behandelt werden wie ein kleines Kind, wollte nicht bemuttert und mit Samthandschuhen angefasst werden. Schon nach kurzer Zeit jedoch bemerkte ich, dass du mehr warst als einfach ein Aufpasser. Du hast mir die Augen geöffnet, mir die Wahrheit gezeigt, du bist mir ein Freund geworden, auf den ich nicht mehr verzichten konnte. Du hast mir das Leben gerettet."

Er legte beide Hände an Demyxens Wangen, hielt ihn sanft fest und lächelte. Lächelte sanftherzig und fröhlich zugleich, etwas, das vor knapp siebzig Tagen noch ein Ding der Unmöglichkeit war.

"Von uns allen ist dein nicht-existentes Herz am realsten. Wenn es nach mir ginge, würde ich sagen, es ist verdammt ansteckend." Er beugte sich leicht vor. "Wolltest du nicht wissen, wie sich ein Kuss anfühlt?"
 

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Keiner bemerkte, dass etwas zwischen ihnen anders war. Nicht einmal Lexaeus war aufgefallen, dass es jetzt noch einfacher, noch leichter war, die Nadelstiche von Vexens misslungenen Versuchen oder Xemnas dreitägige Abfrage nach Fortschritten (wie er auf drei Tage gekommen war, wussten sie immer noch nicht) zu ertragen. Denn nun wussten sie, es war immer jemand da, der auf sie wartete.

Die ersten Küsse, die sie wechselten, waren von Unsicherheit geprägt, denn als Niemande waren die Erinnerungen an diese Dinge zwar noch da, jedoch war das Empfinden, das Verstehen, das Durchführen noch immer auf einer anderen Ebene, die es erst zu erreichen galt. Es gab viele Hindernisse, die zu überwinden waren, denn auch wenn er mittlerweile eingesehen hatte, dass seine Annahme, sie alle seien vollkommen gefühllos, falsch war, so fiel es schwer, einfach von alten, dies betreffenden Gewohnheiten abzulassen. Es zeigte sich am meisten an ihren Küssen, doch auch in kleinen Berührungen, die willkürlich hervorgerufen wurden, war diese gewisse Distanz noch immer vorhanden.

Was Berührungen allerdings betraf, gab es eine Ausnahme: den Trainingsplatz. Dies war der einzige Ort, an dem jede Form von Kontakt natürlich und somit unvermeidbar war.

Seine Ohren nahmen das Geräusch von herannahender Gefahr auf und mit einem ungeahnten Druck riss er sein geöffnetes Lexikon hinauf und wehrte die Speere aus kaltem Wasser ab, die auf ihn zugerauscht kamen, schloss sie in die Buchwelt ein und ließ sie dort in Wasserstoff- und Sauerstoffatome zerlegen, bis von ihnen nichts mehr übrig blieb.

Das war schon die vierte Attacke, die er problemlos hatte blocken können, ohne in irgendeiner Weise auf Zurufe wie "Duck dich!" angewiesen zu sein. Entweder verbesserte sich sein Gehör oder Demyx ließ nach. Was immer es war, es hatte hinterfragt zu werden.

"Verlierst du deine Konzentration?", denn die Angriffe, die er auf ihn schleuderte, verloren auch an Kraft, als würde Demyx an den Rand der Erschöpfung getrieben. Das war auch Teil des Trainings: Was würde man tun, wenn man vollkommen kraftlos wäre und immer neue Gegner auf einen zukämen? Doch anscheinend war da mehr, viel mehr als bloße Ermüdung des Geistes und der Muskulatur.

Demyx schien mehr im Kopf zu haben als einfach nur sein Training. Er spürte einen Hauch von Energie, es blubberte und die Erkenntnis traf ihn, dass Demyx vor offiziellem Ende ihrer Trainingszeit seine Waffe verschwinden ließ. Schritte erklangen hinter ihm, kamen auf ihn zu, und auch er ließ sein Lexikon wieder in die Dunkelheit zurückkehren, ehe er sich, die Frage nach dem Wohlbefinden des anderen auf den Lippen, umdrehen wollte, als diese starken Arme sich um ihn schlangen und ihn an sich zogen, sein Rücken an die warme und sich aufgrund von leicht schleppender Atmung hebende und senkende Brust kam und er nicht anders konnte als sich eingängig zu verkrampfen.

"Ich bin müde, können wir für heute nicht einfach aufhören?" Die Stimmlage, in der Demyx zu ihm sprach, war tief, heiser und erschöpft von bisheriger Ertüchtigung (er musste zugeben, dass er, auch wenn er selbst nicht ganz so viel Kraft verbraucht hatte und so viel über die Arena gerannt war wie Nummer IX, auch leicht ins Schwitzen geraten war) und doch noch viel mehr. Da war dieser Unterton, der eine Wanderung ins Laszive unternahm, kombiniert mit dem heißen Atem auf seinem leicht ausgekühlten Nacken, dass ihm schlichtweg sämtliche Zurückhaltung gestohlen wurde und er sich in die Umarmung lehnte, seinen Kopf auf die breiten Schultern fallen ließ und einmal tief durchatmete.

"Was genau schwebt dir vor, Demyx?", fragte er und konnte nichts dagegen unternehmen, als seine Stimme sich einem Klang von leichtem Delirium zuordnete.

"Hmm", erwiderte sein Schüler gespielt nachdenklich, drückte ihn noch näher an sich, als wolle er mit ihm fusionieren, "wie wär's mit 'ner langen, ausgedehnten Dusche?"

"Hört sich gar nicht mal so schlecht an – dafür schreibe ich dir ein A in dem nächsten Bericht auf."

"Danke, Sir."
 

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Sie hatten eine neue Routine entwickelt. Diese war in drei Abschnitte aufzuteilen: trainieren, duschen, besuchen der Bibliothek. Training war so hart wie immer, ohne nennenswerte Veränderungen. Die Besuche in der Bibliothek ebenfalls, denn sobald sie dort ankamen, begaben sie sich zu ihrer Couch, er setzte sich hin, Demyx legte sich hin und bettete seinen Kopf auf seinen Schoß, ließ seine Hände über verschiedene Parts seiner Anatomie wandern, während er selbst sich mit den nach dem Duschen ungestylten Haaren beschäftigte und sie gelegentlich sogar zu kleinen Zöpfen flocht und im Anschluss bedauerte, dass er immer wieder vergaß, Haarbänder mitzunehmen. Es würde in langen Gesprächen oder wundervollen Melodien enden, die die Sitar in Kombination mit der Stimme der Melodie der Nacht zu produzieren wusste. Das Duschen allerdings ...

Das Duschen war eine neue Errungenschaft in ihrer Beziehung. Trotz seiner freiwilligen Zusage war das erste Mal gemeinsam unter jenen Wasserstrahlen etwas Ungewohntes für beide gewesen, bekannt aus alten Zeiten, doch ungewohnt. Für ihn war es ob seiner Blindheit nicht ganz so schlimm gewesen, weil er nichts sehen und sich deshalb für nichts hätte schämen können. Dafür war es umso schlimmer, wenn es um Berührungen und engen Hautkontakt ging. Nicht sehen zu können, was es war, das ihn oder er berührte, machte ihn immer wieder leicht nervös und brachte immer wieder rote Farbe in sein Gesicht. Aber mittlerweile war es okay. Sie hatten sich eingespielt, langsam aber sicher, und sie kamen damit klar, auch wenn noch immer ein wenig Verlegenheit vorhanden blieb.

Er zupfte an dem Handtuch, welches zwischen seinem Schoß und Demyxens Kopf lag, um die Nässe abzuhalten, die noch immer in den Strähnen des anderen vorhanden war. In ihrem feuchten Zustand konnte er sie in beliebige Formen bringen, die dann im trockenen für eine Weile die entsprechenden Muster einhielten.

"Hey, würdest du was für mich singen?"

Er hielt in der Bewegung seiner Finger inne. Mittlerweile war er an die verschiedensten Aufforderungen bereits gewohnt, beispielsweise hatten sie schon miteinander getanzt (wobei sie recht früh wieder aufgehört hatten, da kaputt getretene Füße nicht sonderlich zum Weitermachen verführten), doch hatte man ihm gegenüber noch nie solch einen Wunsch geäußert. "Wie bitte?"

"Würdest du was für mich singen?", fragte Demyx erneut und er konnte das sanftmütige Lächeln regelrecht fühlen.

"Du erwartest von mir, dass ich singe?"

"Bist du taub oder hast du mich nicht verstanden? Nur im akustischen Sinne, natürlich."

"Lass den Sarkasmus, natürlich habe ich dich verstanden. Ich zweifle nur daran, dass das, was du von mir verlangst, wirklich ernst gemeint ist."

"Würde ich dich anlügen?"

Er schluckte; Demyx würde vielleicht nicht in diesem Sinne loyal zu den anderen Mitgliedern ihrer Organisation sein, aber zu ihm war er das. Ihn würde er nie belügen. Jeden anderen, aber ihn nicht. Niemals ihn.

"Einfach so singen?"

"Einfach so singen."

Seufzend beugte er sich seinem Schicksal, überlegte kurz, traf eine Entscheidung, holte tief Luft und sang in seinem sanften Tenor:

"And I never believed fairy tales came true, but now I know that they really do, now that I found you and now that I’m here with you. Just look at the sunshine in you."

Als er mit dieser einen Strophe fertig war, legte sich eine tiefe Stille über sie, die mit jeder verstreichenden Sekunde schlimmer zu werden schien. Langsam schlich sich eine widerliche Nervosität in seine Gliedmaßen und er nahm seine Hände von Nummer IX, ließ sie einfach an seinen Seiten herunterhängen, lehnte den Kopf an die Rückenlehne der Couch und kniff die ohnehin geschlossenen Augenlider stärker zusammen. Sein Kopf war leer, er konnte keinen Gedanken fassen, und dann drang Demyxens Stimme an sein Ohr, so hell und klar und so freundlich, dass alle negativen Gedanken aus ihm gejagt wurden:

"Das war wunderschön."
 

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"Demyx, nein, ich beharre darauf, dass wir damit noch warten."

Demyxens Arme um ihn herum verstärkten ihren Griff geringfügig, während das warme Wasser aus dem Duschkopf geradezu unaufhörlich auf sie hernieder lief und der aufsteigende Dampf ihm das Atmen erschwerte.

"Aber warum nicht?" Er konnte das Hinaufziehen einer Augenbraue aus dem skeptischen Tonfall hören.

Ein Seufzen drang über seine Lippen. Wieso verstand er nicht den Grund, aus dem er zögerte, warum war ihm das nicht klar? Eigentlich müsste es vollkommen offensichtlich sein seit nun schon neunzig Tagen! Doch dann wiederum war Demyx nicht unbedingt bekannt für sofortiges Verstehen von Dingen wie diesen.

Er hätte es wissen müssen.

"Ich will dich wieder sehen können, Demyx."

Ein eiskaltes Schweigen senkte sich über sie, das nicht einmal das warme Wasser aufzutauen wusste. Innerlich schrumpfte er zusammen. Er wusste, dass das selbstsüchtig war, er wusste, wie sehr Nummer IX das mit ihm tun wollte, verdammt noch mal, er wollte es doch selbst, aber ... es ging einfach nicht anders. Er wollte es nicht anders. Er wollte mit diesem Ereignis nicht nur seinen schlechten, physischen Zustand hinter sich lassen, als sei nichts weiter geschehen. Ihm war es viel wichtiger, damit den Beginn von etwas ganz Neuem zu markieren, das ihnen beiden in dieser Art noch nicht widerfahren war. Natürlich kam auch ein gewisses Potenzial an Nervosität hinzu, doch hauptsächlich ging es ihm einfach um den Anbeginn einer neuen Zeit, einer Zeit, in der er sich nicht mehr von den Reden von Nummer I einlullen ließ, in denen er sich nicht mehr in eigens gesponnenen Illusionen verfing, in denen er so sein konnte, wie er war – und gemeinsam würden sie ihre Herzen finden und gemeinsam würden sie gehen, nach Radiant Garden, nach Traverse Town oder Twilight Town, irgendwohin wo immer sie wollten.

Die Arme, die sich um ihn schlossen, pressten ihn an den nackten, heißen Körper hinter sich, ließen ihre Hände wandern, die eine hinab auf seine Hüfte, die andere hinauf. Sie strich sanfte, konzentrische Kreise um seine Brustwarze, ehe sie ganz leicht darüber glitt und ihm unwillkürlich ein leichtes, wohliges Seufzen entlockte.

"Dann warten wir noch damit", hauchte man ihm lasziv ins Ohr, ehe sanfte Zähne daran knabberten, sich nun auch die andere Hand hinaufbegab und ihren Vorgänger bis aufs letzte Detail imitierte, sodass er nicht in der Lage war, das leichte Keuchen aufzuhalten, dass sich über seine Lippen begab. "Aber das heißt nicht, dass wir mit anderen Dingen auch noch warten müssen, oder?"

Als Erwiderung konnte er keine Worte finden. Er drehte sich in der Umarmung um, hob seine Arme, fuhr mit ihnen die der Melodie der Nacht entlang bis zu seinen Schultern, auf denen er seine Hände ruhen ließ, und legte seine Lippen auf die des anderen und war allein von ihrer Zartheit eingenommen, wurde geradezu absorbiert, und er fand sich in einem heißhungrigen Kuss wieder, in dem Mund gegen Mund, Zunge gegen Zunge spielte, in dem es nichts gab, was man als Rhythmus bezeichnen konnte, sondern ausschließlich eine Mischung aus Sehnsucht und naher Verzweiflung, die nun endlich entweichen konnte ...

"Nicht mehr lange", blies Demyx ihm über den Nacken, als er ihre Becken gegeneinander drückte und er die köstliche Reibung, die daraus resultierte, genoss, "es dauert nicht mehr lange ..."
 

*°~+ Τ ą ġ – Ž ω ε ΐ υ η đ η ε υ η ź ΐ ġ +~°*
 

Er konnte hören, wie Nummer IV erfreut um den Untersuchungstisch in seinem Laboratorium ging, eine Runde nach der anderen, doch konnte er sich keinen Reim darauf machen, woher diese Euphorie stammen konnte. Genau genommen konnte er sich nicht einmal darauf einen Reim machen, wie er eigentlich hierher gelangt war. Das letzte, woran er sich erinnerte, waren sein Bett, seine Decke und der warme Körper Demyxens neben dem seinen, als sie beide zusammen in einem sanften Schlaf drifteten.

Nun war er hier. Warum war er hier? Er wollte fragen, doch bekam er kein Wort heraus, seine Kehle fühlte sich schlimmer an als die Wüste Agrabahs und er hatte das Gefühl, irgendetwas hielt ihn an den kleinen, harten, weißsilbrigen Tisch gefesselt, von dem er nicht wissen wollte, was es war.

"Ah, ich sehe, du bist erwacht, Nummer VI", dröhnte die leicht zu hohe Stimme des Frostigen Gelehrten, dehnte sich vom einen Ende des Raumes zum anderen, und es brachte ihm ob des metallenen Echos Kopfschmerzen. Das Klacken von Glas auf Glas oder auf andere Oberflächen drang zu ihm durch, ebenso das Tropfen von Flüssigkeit, und der beißende Geruch von Schwefelsäure drang ihm brennend in die Nase, sodass er dem Glauben verfiel, ihm würde gleich der Schädel platzen. Sein Versuch, sich gegen die Fesseln aufzusetzen, die ihn an den Tisch hielten, scheiterte hoffnungslos.

Nummer IV gab einen Ton von sich, der an den Schrei Doktor Victor Frankensteins erinnerte, und er roch, wie sich die Schwefelsäure mit irgendetwas vermischte und ein neuer, viel giftigerer Geruch zustande kam, von dem er das Gefühl hatte, er ätze seine Schleimhäute gänzlich weg.

Hallende Schritte erklangen erneut, diesmal zielsicher auf ihn zu. Als ihr Echo verging, wurde sein Arm angepackt – nackt, wie er jetzt erst realisierte – von einer eiskalten Hand, die ihn geradezu einzufrieren drohte, und trotz der Betäubung, die diese Kälte brachte, spürte er deutlich, wie eine Nadelspitze an seine Haut gesetzt und gedrückt wurde, wie sie die Schichten hinter sich ließ, den Weg in seine Blutbahn fand.

"Das letzte Mittel hat dich vielleicht zur Ohnmacht gebracht und dich zu wilden Rotationen geführt, sodass ich dich hier ... fixieren musste", wisperte der Wissenschaftler in sein Ohr, tief, nichts weiter als ein Hauch gefüllt von maliziösem Vergnügen, und als er den leichten Druck wahrnahm, der über die Nadel in seinem Körper ging, nur ganz kurz und fast schon nicht-existent, schoss ein unglaublicher Schmerz durch seinen gesamten Körper und er bäumte sich auf, zuckte gewaltsam hin und her, riss an den Fesseln, alles, um dieser Pein zu entkommen. Er brannte, er brannte von innen heraus, sie verbrannten sein Inneres, es war so heiß, es tat so weh, nein! "Aber dafür habe ich deine Augen beobachten können. Sie gewinnen ihre Farbe zurück." Neuer alter Druck, neue Schmerzen, Benzin ins Feuer, sie kamen, sie waren hinter ihm her, sie wollten sein Herz, oh Gott, bitte! "Weißt du, was das bedeutet? Es bedeutet, dass du, sobald meine süße kleine Entdeckung vollständig von deinem System aufgenommen und in deinen Metabolismus übergegangen ist, endlich wieder sehen kannst." Und mehr wurde in ihn hineingebracht, noch mehr Feuer, Flammenwände, kein Entkommen, kein Fliehen vor den Kreaturen der Dunkelheit, die sie selbst erschaffen hatten, und ein Schrei riss sich von seiner Kehle, ein Schmerzensschrei, seine Augen tränten und er wand sich stärker als zuvor, krümmte sich vor Leid. "Ich denke, dass die Schmerzen, die du dafür ertragen musst, es wert sind." Der Rest, alles in ihn hinein, ein Inferno, heiß, so unsagbar heiß, und es wurde ihm herausgerissen, aus der Brust, sie hielten es in der Hand, nein — nein — nein!!

Es brannte zu sehr, es hatte das Eis an seinem Arm geschmolzen, doch merkte er nicht, wie die Nadel wieder aus ihm gezogen und Blut aus der kleinen Punktionswunde mitgenommen wurde, wie die rote Flüssigkeit über seine Haut lief und sich langsam auf den Untersuchungstisch tropfte, wie sich Schweiß hinzugesellte, er merkte nicht, wie schwer er atmete, wie sehr er um jedes kleine bisschen Luft schnappte, das er bekommen konnte, kannte nur noch den Schmerz, der mit seinem Blut durch seinen gesamten Körper strömte und ihn einnahm und Schreie der Agonie aus ihm brach.

"Schrei soviel du willst, niemand wird dich hier unten hören-", sprach Nummer IV noch einmal auf ihn ein, doch mit jedem weiteren Wort wurde es verschwommener und auf einmal war es weg und alles, was blieb, waren das Feuer, die schwarzen Kreaturen, sein Herz, die Schmerzen, das Blut und ein Name.
 

Demyx, bitte ...
 

*°~+ Τ ą ġ – Ë ΐ η ђ υ η đ ε ŗ ł +~°*
 

Er erwachte aus einem traumlosen Schlaf. Orientierungslos wie er war, setzte er sich langsam auf, rieb sich über die trüben Augen und streckte sich leicht. Die Erinnerungen an Vergangenes erfüllten seinen Kopf und wie zum Andenken schoss eine erneute Woge Feuer seine Venen und Arterien entlang, und er zog sich in sich zusammen in einer definitiven Abwehrhaltung.

Der seidene Stoff unter seinen Händen erschien ihm unerklärlich. Dass er sich frei bewegen konnte, erschien ihm unerklärlich. Dass er in seinem eigenen Bett war, erschien ihm unerklärlich. Was zur Hölle war passiert, was war geschehen in all dem Schmerz, der nicht zu enden schien?

Starke Arme legten sich um seine Schultern, die so stark zu zittern begonnen hatten, dass er sich wunderte, weshalb diese nicht barsten. Er wurde an einen warmen Körper gezogen, sanft, herzhaft, und ein leichtes, wohliges Kribbeln ging über seine Haut, das vollkommene Gegenteil zu dem, was ihm zuvor passiert war. Eine plötzliche Realisation brach über ihn herein und er ließ sich in dieser liebevollen Umarmung gehen.

"Ich bin ja so froh, dass du in Ordnung bist!", schluchzte die Person, die sich ihren Weg in sein (Nicht-) Herz geschlichen hatte, spürte die Anspannung den jungen Körper verlassen, und er drehte sich um, schloss seine Arme um den anderen, ließ ihn seine um seinen Rücken schlingen und ihn sich an seiner Schulter ausweinen. Der Pyjama war verrutscht und er spürte die warme Nässe auf seiner nackten Haut. Beruhigend strich er über den weiten Rücken, hielt ihn fest, zeigte ihm, dass es ihm nun gut ging, dass es vorbei war, dass alles in Ordnung war. "Ich hatte solche Angst um dich, als du nach drei Stunden noch immer nicht aus diesem Labor raus gekommen bist! Dann hab' ich's nich' mehr ausgehalten und bin rein gegangen und du hast geschrieen, laut und schrill und schmerzverzerrt. Oh Gott, das war das schrecklichste, was mir je passiert war!!"

Er öffnete den Mund und war überrascht, wie zerkratzt und rau seine Stimme war: "Mach dir keine Sorgen mehr, Demyx. Ich bin okay."

Der Kopf entfernte sich von seiner Schulter, er wurde leicht, aber bestimmt weggedrückt, und er wusste, Nummer IX blickte ihm direkt ins Gesicht. "War es das ... auch wert?"

Er wusste, was er meinte. Er wusste es nur zu genau. Aber er hatte Angst vor der Wahrheit, Angst vor dem, was nun kommen würde: Enttäuschung oder Befreiung. War er geheilt oder war dies ein weiterer Stein auf seinem Weg, sein Augenlicht zurück zu gewinnen? Ihn erfüllte eine Furcht, die er nicht gekannt hatte: Vollkommen egal, wie es nun war, was würde es ändern?

Er hatte nicht gemerkt, dass er den Blick abgewandt hatte, ehe eine zarte Hand an seinem Kinn seinen Kopf drehte und eine leichte Spannung in seinem Nacken verschwand. "Egal, wie es auch ausgehen mag", sprach Demyx auf ihn ein, langsam und vorsichtig, freundlich und liebevoll, warm und herzlich, beruhigend, "es wird sich nichts zwischen uns ändern. Ob du sehen kannst oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Ich bleibe bei dir bis ans Ende der Zeit."

Er war nicht allein. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Noch mehrfach atmete er tief durch, wiederholte Demyxens letzte Worte immer wieder in seinem Kopf, konzentrierte sich. Ich kann es schaffen, ging es ihm durch den Schädel und er hob langsamer als jemals zuvor seine Augenlider.

Aus Schwarz wurde Grau, aus dem Grau kristallisierten sich Formen, eine Nase, ein Mund in einem sanftmütigen Lächeln, hohe Wangenknochen, eine weite Stirn, herunterhängende Haare, alles in perfekter Symmetrie. Farbe kam hinzu, eine hübsch gebräunte Haut, wundervolle, dunkelblonde Strähnen. Und schließlich meeresgrüne Augen, hübsch und rein und unendlich, und er verlor sich in ihnen, ging in ihnen unter, dass er nichts weiter mehr realisierte, nicht merkte, wie er seine Hände hob, sie auf die Wangen legte und leichte Kreise mit den Daumen über sie zog.

Das Lächeln auf dem Mund erreichte die Augen und ein wunderschönes Funkeln trat in sie, welches er noch nie zuvor gesehen hatte, und seine Brust schwoll von unerwartetem Stolz an, als einziger dazu in der Lage zu sein. "Ich nehme an, du kannst wieder sehen?"

"Du bist ... wunderschön ...", konnte er nur auf den leicht neckischen Ton erwidern, ehe er sich vorbeugte, eine Hand in dem dunkelblonden Haar vergrub und seine Lippen sanft auf die Demyxens legte, sie federleicht berührte, nur ganz leicht bewegte, und doch schoss dies ein Schaudern sein Rückgrat hinab, das ihm schon seit langer, langer Zeit unbekannt gewesen und doch unvergessen war. Erfreut beobachtete er, wie diese tiefen Smaragde in Wohlgefallen zuflatterten, doch traute er sich nicht, seine eigenen Saphire zu schließen – aus Angst, er könne etwas verpassen.

"Demyx, ich kann sehen", flüsterte er, ehe er seinen Kopf an die starke Brust des jüngeren Niemands lehnte, sich jedoch an dessen Schultern festhielt, als ihn dieser bestimmt wieder auf die Matratze drückte, ihn hinlegte, ihm half, es bequem zu haben, ehe er sich über ihn beugte, sich mit seinem Unterkörper auf ihn legte, seine Beine zwischen den eigenen, ihre Becken direkt übereinander, sich berührend, mit den Armen neben seinem Kopf abgestützt, so weit heruntergebeugt, dass nur wenige Millimeter sie trennten, und er seufzte erfreut auf.

"Dann lass uns nicht mehr warten ..."

Zarte Lippen versiegelten die seinen, Hände begaben sich auf Wanderschaft, erforschten alles, was ihren Weg kreuzte.

Zexion hatte kein Gegenargument parat.
 

I want to be blind

Only my hands to guide me

Bring all of you inside me

(Vienna Teng – Now three)
 

~°*:-+-:*°~ End ~°*:-+-:*°~



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2009-08-15T00:26:49+00:00 15.08.2009 02:26
bei fanfiktion habe ich deine geschichte schon durchgelesen
und diesmal habe ich sie mir noch mal durchgelesen XD
ich galube ich lese sie mir jedes mal durch wenn ich lust auf Zemyx hab *_*
ich liebe diese Geschichte über alles
ich liebe dein Schreibstil, sie ist so wundervoll
wirklich toll

Von:  Alcaraz
2009-08-11T23:18:47+00:00 12.08.2009 01:18
Ich finde es schön wie du Zexion dargestellt hast. Diese analytische Art, ach ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen, auch wenn es mir zu der Uhrzeit echt schwer fällt mich zu konzentrieren *lach*
Ich fand's sehr schön zum Lesen, mach weiter so ;)
Wäre schön wenn du mich informieren könntest wenn da irgendetwas weitergeht, so in Richtung Fortsetzung.
Oh und ich muss meine Lieblingsstelle (natürlich) noch hervorheben:
Wo Zexion Demyx befiehlt mit ihm zu reden *lach* Wirklich, ich konnte nicht mehr.
Gaanz großes Lob ;)

Liebe Grüße,
Smileykid
Von:  Bittersweet-Sora
2009-06-10T16:01:25+00:00 10.06.2009 18:01
Ich fand das so schöööön
besonderst weil ich das paaring mag ^///^
du hast einen schönen coolen still der topp einfach alles was ich bis jetz
gelesen habe!
was ich etwas erschrocken war waren die 47 seiten von dem einem kapittel ...
nagut mit sowas hab ich auch nicht gerechnet wen ich erlich bin ^^°
aber es gehörte ja alles zu einem und es hat mir riesen spaß gemacht es zu lesen
freue mich schon auf die fortsetzung ^///^

ganz liebe grüße : Sora-ChanXIII
Von:  Naib
2009-06-09T21:05:46+00:00 09.06.2009 23:05
wunderwunderwunderwunderwunderwunder schön!!!
es ist soooooooo schön!!
ich konnte nicht aufhören zu lesen, so schön war es...und es passt...alles, ich konnt mir ALLES richtig gut vorstellen... die gedanken, die worte, die berührungen, die atmosphäre...ich bin verzaubert, diese ff toppt so ziemlich alles!!!
ich liebe sie...und wäre für einer fortsetzung!
du schreibst so schön und realistisch, das ist wirklich was besonderes.
mach weiter so, es ist so toll!!

allerliebste grüße, Pfannekuchen!


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