Überraschung
“Jetzt komm schon, ich will heute noch nach Hause.” Genervt sprang Albus von einem Fuß auf den anderen. Warum um alles in der Welt brauchten die beiden immer so lange, um sich von einander zu verabschieden?
Es waren doch nur zwei kurze Wochen, in denen sie sich nicht sehen, aber definitiv schreiben würden.
Das Verhalten der beiden wurde in letzter Zeit sowieso immer seltsamer. Hatte er sie vorher schon manchmal einfach nicht verstanden, setzte es jetzt zeitweise ganz aus. Es gab Tage, da redeten sie kein Wort miteinander und dann gab es wiederum Tage, an denen hockten sie wie die Kletten zusammen.
Außerdem hatte Rose jetzt angefangen, sich zu schminken. Scorpius hatte sie erst ein wenig verwundert angesehen, aber dann nur mit den Schultern gezuckt, während sich Albus über die Farbe im Gesicht, so dezent sie auch war, lustig gemacht hatte. Dass Rose dabei in Tränen ausgebrochen war und Scorpius alle Hände voll zu tun hatte, sie zu trösten, während er Albus zur Miniglibberschnecke machte, war für ihn so unverständlich, wie Quidditch ohne Schnatz.
Seitdem hatte er nichts mehr zu ihrer “Kriegsbemalung”, wie er es im Stillen nannte, gesagt. Scorpius schien es aber wirklich zu gefallen, denn er hatte ihr sogar Schminktipps gegeben, die wirklich besser aussahen.
Als Albus ihn beiseite genommen hatte und entsetzt gefragt hatte, wo er so was her hatte, meinte er nur gelassen und schulterzuckend: “Meine Mutter und ihre Freundinnen. Man bekommt da so einiges mit.”
Rose riss ihn aus seinen Gedanken. “Ist ja gut, ich komme ja schon. Wenn du dich ordentlich um die Ferienplanung gekümmert hättest, wäre das alles gar kein Problem, aber so sehen wir uns jetzt zwei Wochen nicht.” Ihm frech die Zunge rausstreckend rannte sie an ihm vorbei und sprang aus dem Zug, ihren Eltern entgegen, die sie und Albus vom Zug abholten. Eigentlich wollten sie ja in den Weihnachtsferien alle drei in Hogwarts bleiben, aber ihre Mütter hatten darauf bestanden, dass sie heim kamen, denn es sollte irgendetwas bekannt gegeben werden, was wohl sehr wichtig sei.
Deshalb konnte Scorpius auch diese Ferien nicht zu ihnen kommen, weshalb er eben zu seinen Eltern fuhr.
Während Albus neben seinem besten Freund aus dem Zug stieg, war Rose bereits bei ihrer Mutter angekommen, die sie auch sofort in eine Umarmung zog und einen Kuss gab. Irgendwie war Scorpius wegen dieser kleinen, einfachen Geste sauer. Warum konnte ihre Mutter so was einfach tun und er nicht? Zumal er mit ziemlicher Sicherheit sagen konnte, dass er Rose genauso gut kannte, wie ihre Mutter es tat. Wenn nicht sogar besser. Manchmal war die Welt einfach ungerecht.
Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als er zwei blonde Haarschöpfe neben den Potters stehen sah. Ein Bild, dass ihn ziemlich verwirrte, denn er wusste, dass es seine Eltern waren, die dort standen und auf ihn warteten. Und auf der anderen Seite der Potters waren die Weasleys. Auch Albus hatte mittlerweile dieses Bild erfasst und neigte seinen Kopf zu ihm.
Träume ich oder ist es Realität, dass da deine Eltern bei meinen und Rosis stehen?”, raunte er ihm zu. Albus konnte es also genauso wenig fassen wie er. Rose hatte es anscheinend noch nicht bemerkt oder sie ignorierte es einfach.
Zögernd gingen nun auch die Jungs zu ihren Familien.
Denen entgingen nicht sie ungläubigen und fragenden Blicke ihrer Kinder, auch wenn diese versuchten, das zu unterdrücken, doch war es mehr als verständlich, denn noch nie hatte irgendjemand diese Zusammenstellung gesehen.
Auch Rose hatte mittlerweile das Unmögliche bemerkt und zog fragend eine Augenbraue nach oben. Ihr Blick huschte zu Albus und Scorpius, die beide auch Blicke austauschten.
Harry beobachtete alle Blickkontakte und Wechsel mit Neugier. Ihm war in den letzten Jahren nicht entgangen, dass sich auch Rose und der Malfoyspross angefreundet hatten, auch wenn Ron das noch nicht mitbekommen hatte und es wahrscheinlich auch lieber nicht sehen wollte. Hermine hätte damit sicherlich kein so großes Problem gehabt. War nur noch zu erfahren, wie Draco und Astoria darüber denken würden. Er war sich sicher, dass das in den nächsten Tagen herausgefunden werden kann.
Er war mehr als gespannt, was die Kinder sagen würden, sobald sie erfahren würden, dass sie die gesamten Ferien zusammen verbringen würden, inklusive Familien versteht sich.
“Mum, Dad.” Scorpius hatte sich zu seinen Eltern begeben und obwohl er sich zusammen riss, konnten seine Eltern ihm ansehen, dass er mehr als verwirrt war. Lächelnd zog seine Mutter ihn in ihre Arme und flüsterte ihm ins Ohr: “Ich sehe dir an, dass du wissen willst, was das hier soll. Wir werden es dir bald erklären. Als erstes werden wir losfahren und dann werden wir alles erzählen, wenn wir am Ziel sind.”
Rose und Albus, die nebeneinander im Auto der Potters saßen, warfen sich immer wieder heimlich Blicke zu. Anscheinend wusste der jeweils andere auch nicht, wie es dazu kam, dass die Malfoys, die Potters und die Weasleys alle gemeinsam in Richtung Weasleyanwesen fuhren. Zumal da die ganze Rotschopfsippschaft anwesend sein sollte. Von Arthur über Molly zu dessen Kindern und Enkelkindern. Auch Scorpius’ Großeltern waren angeblich anwesend.
Rose wurde zusehends nervöser, war es doch vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen, dass die Malfoys sich mit ihren Familien zusammen taten. Doch das Unmögliche schien hier irgendwie passiert zu sein.
Das Schlimmste und Schwierigste war für die Kinder, dass sie sich nicht untereinander verständigen konnten, ob irgendwer was wusste. so wurde es nicht nur eine schweigsame sondern auch lange Fahrt nach Hause.
Als sie endlich ankamen, warteten Molly und Narzissa bereits auf die Ankömmlinge und schlossen ihre Enkelkinder in die Arme. Dass Molly wesentlich länger brauchte als Narzissa glich jene damit aus, dass sie auch Albus in die Arme schloss, der sie ja nicht zum ersten Mal sah.
“Nun, ich freue mich, dass ihr endlich alle da seid.” Arthur stand neben Lucius in der Mitte der Wohnstube und schaute freundlich lächelnd in die Runde. “Ich weiß, dass jeder hier wissen möchte, was das Ganze zu bedeuten hat. Denn außer mir und Lucius weiß ja noch niemand, worum es hier und heute gehen wird. Setzt euch am besten und dann hört zu.” Der Weasleyälteste sah dabei zu, wie sich jeder einen Platz suchte und wartete, bis alle ihre Aufmerksamkeit auf ihn richteten.
“Gut. Es ist folgendes. Lucius und ich haben vom Ministerium einen Auftrag bekommen, den wir so allein nicht lösen können. Wir werden jeden Einzelnen von euch brauchen, wenn wir erfolgreich sein wollen.” Er sah Lucius an, der nickte und dann fortfuhr: “Seit einiger Zeit hat die Zaubererwelt nicht mehr die höchste Geheimhaltungsstufe. Und das muss geändert werden. Viele Muggel haben bereits mitbekommen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, wenn wir aus dem Tropfenden Kessel ins normale Muggellondon gehen. Vor vielen hundert Jahren, noch weit vor der Gründung Hogwarts haben große Zauberer einen Schutzzauber über die Winkelgasse und die verschiedenen Zugänge zur Zaubererwelt gelegt. Mit Zugängen meine ich die Bahnhöfe, die Pubs, Seitenstraßen und so weiter. Das selbe gilt natürlich für unsere Zaubererhäuser. Denn es wäre unvorstellbar, dass ein Muggel einen Zauberer beim Quidditch sehen kann. Doch die Zeiten haben sich geändert. aus einem Grund, den wir nicht kennen, lassen die Zauber nach oder lösen sich sogar ganz auf. Für uns bedeutet das im Klartext, dass wir nicht mehr geschützt sind. Das Gleichgewicht, das herrscht, würde zerstört werden und die Muggelwelt hätte genauso ein großes Problem wie die Zaubererwelt.” Er blickte zu Arthur, der nun wieder sprach: “´Wie sollten wir beispielsweise die Existenz von Riesen, Einhörnern, Riesenspinnen, Werwölfen, Zentauren und anderen magischen Wesen erklären, die bis jetzt doch nur in der Fantasiewelt der Muggel vorkommen? Oder wie sollten wir die Muggel vor Vampiren und Werwölfen beschützen? Das unter Kontrolle zu bekommen, ohne die Zauber zu erneuern oder zu verbessern ist schlichtweg unmöglich, denn niemand würde das schaffen, Werwölfe und so von Frischfleisch fernzuhalten.”
Gespannt hatten alle zugehört und sahen jetzt mit großen Augen zu den Familienoberhäuptern.
Harry war der Erste, der sich rührte. “Wie lange geht das schon. Und wieso habt ihr nicht früher etwas gesagt?”
Arthur sah seinen Schwiegersohn entschuldigend an. “Wie lange es schon so unsicher für uns ist, weiß ich nicht, ich denke, es geht schon eine ganze Weile so, denn der Minister meinte, dass es bereits sehr brezlig sei.”
Lucius mischte sich ein: “Wir hätten euch auch nichts sagen können, denn wir haben es mit einem Zauber schwören müssen, es erst zur Sprache zu bringen, wenn alle da sind, die wir als wichtig erahnen. Was heute der Fall ist.”
Er sah ernst in die Runde und blieb am Ende bei seiner Frau hängen, die ihn ein wenig ängstlich ansah. Er konnte ihre stumme Frage verstehen. Was würde wohl passieren, wenn sie es nicht in den Griff bekommen würden? Er konnte nur mit den Schultern zucken, denn wenn er ehrlich war, konnte er ihr diese Frage nicht beantworten. Es war einfach nicht fassbar.
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Scorpius ihn ansprach: “Und wozu genau brauchst du nun jeden von uns?”
Ein leichtes Lächeln trat auf sein Gesicht und er wirkte fast entspannt, als er antwortete: “Ganz einfach. ihr alle habt die Kräfte, die für dieses Unterfangen notwendig sind. Ihr alle hier besitzt Genialität, Spontanität, Kraft, Intelligenz, Geschwindigkeit, Ausdauer und vor allem Mut, diese Aufgabe zu bewältigen.” Jedem einzelnen sah er kurz fest in die Augen und schaute dann wieder Arthur an, der nickte. “Lucius hat Recht. Nur wir und nur zusammen können es schaffen. Das bedeutet, dass ihr diese Ferien alle hier verbringen werdet und auch nach den Ferien weiter zusammen arbeiten müsst. Des weiteren werdet ihr nun vorerst jede Ferien hier her kommen, damit wir unsere Arbeitsschritte zusammenfügen können und weiter daran arbeiten.”
Er wusste, das, was er eben von seiner und Lucius’ Familie verlangte, war schwer und auch gefährlich, denn nicht wenig konnte schief gehen, aber musste es tun.
Als er sie alle musterte und sah, dass sie alle begriffen hatten, dass das hier absolut unumgänglich war, atmete er erleichtert auf. Doch als er auch noch ´bemerkte, dass jeder sich mit der Aufgabe und der Situation einverstanden erklärte, fiel ihm direkt ein Stein vom Herzen.
Nun also konnten sie beginnen, wieder die Zaubererwelt vor den Muggelaugen verschwinden zu lassen.