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Memory Fragments

von

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Kapitel 4

Kapitel 4:
 

Ich sah den beiden an, dass es ihnen schwer fiel, mich in das verlassene Viertel zu begleiten. Auch mir fiel es nicht leicht, Angst und Aufregung gingen Hand in Hand, doch ich zwang mich dazu weiter zu gehen.
 

„Du musst das nicht tun, Sasuke.“ Es war nicht so, dass Sakura mich aufhalten wollte oder es gar gekonnt hätte. Sie wollte mir nur zeigen, dass ich die Möglichkeit hatte umzukehren. Ein neues Leben zu beginnen und das alte zurück zu lassen.
 

Das war unmöglich. Ich war über das aufgeklärt worden, was passiert war, doch nicht darüber, warum es passiert war. Weder Naruto noch Sakura hatten mir darauf eine Antwort geben können.
 

Wir stiegen ohne Probleme über die Absperrung, denn wie schon vorher war die Straße davor verlassen. Es schien mir, als würden die Bewohner Konohas die Nähe dieses Viertels meiden. Als hätte die Pest darin gewütet.
 

Wieder einmal stand ich also in der menschenleeren Straße. Wieder sah ich die verlassenen Häuser, wieder sah ich den Verfall und die Trostlosigkeit in den leeren Fenstern. Doch dieses Mal war ich nicht allein. Sakura fasste mich am Arm und ein seltsamer Schauer lief mir über den Rücken. Ich glaubte, so etwas wie Vertrautheit in ihrer Berührung zu spüren und es tat mir Leid, dass ich dieses Gefühl nicht erwidern konnte.
 

Schließlich war es Naruto, der den ersten Schritt wagte.
 

Er drehte sich zu uns um.
 

„Kommt ihr?“
 

Ich schluckte. Das Gefühl, das ich bei meinem ersten Betreten verspürt hatte, kehrte zurück, mit überwältigender Stärke, mein Herz raste, schmerzte, der Boden schien mir unter meinen Füßen zu entgleiten. Ich zitterte.
 

„Alles okay?“ Beide sahen mich besorgt an.
 

„Nein“ Ich holte zu Naruto auf. „Lasst uns trotzdem weitergehen.“
 

Nach wenigen Minuten spürte ich, wie meine Angst – oder wie man es auch benennen wollte – nachließ. Es lag wohl an Sakura und Naruto, die einfach so, jeweils links und rechts neben mir, gingen, als wäre dieses Viertel wie jedes andere auch. Nur wenn ich genau hinsah, konnte ich das Unbehagen in ihren Augen glänzen sehen.
 

Ganz in Gedanken versunken bemerkte ich nicht, wie die beiden stehen blieben.
 

„Wir sind da.“ Narutos Stimme war angespannt.
 

„Da?“
 

Wir standen vor einem Haus, das so war wie jedes andere. Alt und verfallen. Ein Kunai steckte in dem Holz neben der Eingangstür, die Spitze hatte sich in das Symbol gebohrt, das ich auch draußen auf dem Tor gesehen hatte.
 

„Was ist das?“, fragte ich deswegen, weil es mir wieder eingefallen war. „Dieses ... Zeichen.“
 

Ich wagte es und trat einen Schritt hervor, um die Linie nachzufahren, die zwischen der weißen und der roten Farbe bestand, doch als meine Finger sie berührten, blätterte daneben der Lack ab wie welke Blätter.
 

„Es ist dein Familienwappen.“
 

So simpel die Frage, so simpel die Antwort. Ganz einfach. Sie erklärten mir mein Leben in kurzen, leicht zu verstehenden Sätzen, dennoch verstand ich nichts. Mein Familienwappen? Hier, wo meine Familie gelebt hatte? Meine Familie, die jetzt tot war, ermordet von meinem Bruder?
 

Meine Fingernägel kratzten über das Holz, ein Splitter bohrte sich in meine Haut, doch das – das war nicht der Rede wert. Oh ja, es war absolut nicht der Rede wert! Was machte dieser winzige Kratzer schon im Gegenzug zu meiner Erinnerung, zu meinem Leben?
 

Etwas Warmes berührte mich an der Schulter und als ich hoch sah, blickte ich direkt in Narutos Gesicht. Etwas, was für mich zu diesem Zeitpunkt noch unlesbar war, spiegelte sich darin wider und einen Moment lang – vielleicht auch für zwei – vergaß ich mein eigenes Leid und begann mich zum ersten Mal für die Leben Anderer zu interessieren.
 

Wer war er? Man hätte sagen können, dass ich mich nur für ihn interessierte, weil mein Leben auch mit seinem verbunden war. Ob es so war oder nicht – ich wollte mehr darüber erfahren. Doch dies war weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort.
 

„Du ... du hattest gesagt, wir wären da.“ Eine unausgesprochene Frage hing in der Luft.
 

„Ja“ Der Augenblick verschwand. „Hier“, Narutos Hand drückte meine Schulter, ehe er mich losließ, „hast du gewohnt.“
 

Im Gegensatz zu den vor Schock geweiteten Augen, die sie vielleicht erwartet hatten, blieb ich ganz ruhig. Das hier war das Viertel, in dem meine Familie gelebt hatte, mein Viertel – was sollte es mich da also noch überraschen, hier vor meinem Haus zu stehen.
 

Dennoch war ich nur äußerlich ruhig.
 

„Könntet ihr ... mich für eine Weile allein lassen?“
 

Für einen Augenblick hatte ich Angst, sie würden nicht auf meine Bitte eingehen. Doch sie wandten sich beinahe sofort um, stockten nur kurz, während ich ihre mitleidigen Blicke auf mir spürte, die sie die ganze Zeit so gut zu verbergen gewusst hatten, und gingen. Erneut war alles um mich herum tot.
 

Noch einmal strich ich über die verblichene Farbe des Symbols, des Zeichens meiner Familie und ich freute mich ein bisschen darüber, dass die Farbe dieses Mal nicht abblätterte. Nur feiner Staub klebte an meinen Fingern, rot wie Blut.
 

Wie hatte er es gekonnt? Dieser Itachi, von dem ich nichts wusste, für den ich nichts fühlte? Ein Mann gegen einen ganzen Clan. Und wieso war ich der Einzige, der noch lebte?
 

Ich schlug mit der flachen Hand gegen die Wand neben der Eingangstür. Sie knirschte, gab nicht nach, doch dieses Geräusch ließ mich in der Realität bleiben. Es war seltsam schwer, den Kopf aufrecht zu halten und hineinzugehen.
 

Mein Schatten verdeckte das Innere des Hauses, doch auch so konnte ich noch genug erkennen.
 

Und dieses Mal war es ein Schock.
 

Ich hatte nichts Großartiges erwartet, nur einen leeren, verlassenen Raum, passend zum Rest des Viertels. Nichts weiter.
 

Doch auf dem Boden vor mir starrte mich ein großer, dunkler, trockener Fleck an. Auch ohne Gedächtnis wusste ich sofort, was es war.
 

Blut.
 

Das Blut meiner Eltern.
 

Vielleicht auch mein Blut.
 

Ich fiel auf die Knie, denn das Zittern war zu stark geworden und obwohl ich mich immer noch kein bisschen erinnerte, war meine Luft wie abgeschnürt.
 

Ich wollte mich so sehr erinnern. Einfach nur, um nachvollziehen zu können, wie sehr ich gelitten haben musste.
 

„Sasuke“
 

Ich zuckte zusammen, wandte mich jedoch nicht um. Inzwischen erkannte ich Naruto auch so.
 

„Sakura hat sich Sorgen gemacht.“
 

„Du auch?“ Ich wusste nicht, warum ich diese Frage in jenem Moment stellte.
 

„Ja“
 

Er stand ganz dicht hinter mir und ich wunderte mich, dass ich mir dessen bewusst war. Er hatte sich so leise an mich herangeschlichen, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung von ihm gehabt hatte, ehe er meinen Namen aussprach.
 

„Du solltest hier nicht so lange bleiben.“
 

Ich starrte auf den Fleck.
 

„Warum nicht?“
 

„Warum?“ Narutos Atem war urplötzlich schneller geworden. „Verdammt, weil – weil ...“ Er verstummte und eine Weile lang konnte ich nur dabei zuhören, wie sich sein schneller gewordener Atem wieder beruhigte. „Weil ich nicht glaube, dass du das hier mit eigenen Augen sehen solltest.“ Er klang selbst nicht sonderlich überzeugt.
 

„Wieso haben sie das nicht weggewischt?“ Ich deutete auf das getrocknete Blut. „Ich habe im ganzen Viertel nichts davon gesehen und ... nur in meinem Haus ist – ist ...“
 

„Es soll als eine Art Warnung dienen.“, sagte Naruto langsam. „Eine Erinnerung an das, was hier geschehen ist.“
 

„Eine Erinnerung, ja?“ Mit müden Augen starrte ich auf den Fleck. „Sie scheint nicht sonderlich hilfreich zu sein.“
 

Naruto antwortete nicht darauf, und ich konnte mir denken warum: Er verstand mich nicht, ebenso wenig, wie ich ihn verstand. Es war, als kämen wir aus zwei völlig unterschiedlichen Welten, doch hier, vor mir, war der Beweis, dass wir die gleiche teilten oder es zumindest einmal getan hatten.
 

Doch war es wirklich ein Beweis?
 

Ich besah noch einmal den Fleck, ehe ich aufstand.
 

„Sasuke?“ Naruto machte einen Schritt auf mich zu. „Komm, lass uns gehen.“
 

„Nein!“ Ich wich ihm aus und trat über den Fleck hinweg, als wäre er nur Farbe. Auf einmal hatte ich mir ein Ziel gesetzt: Wie konnte ich mir sicher sein, dass das, was man mir erzählt hatte, auch die Wahrheit war? Ich brauchte einen Beweis, einen richtigen.
 

„Sasuke!“ Naruto packte mich grob am Arm und hinderte mich daran, die Treppenstufen ins nächste Stockwerk hochzugehen. „Wir sollten gar nicht hier sein, es ist verboten! Komm jetzt, oder wir kriegen mächtig Ärger!“
 

„Nein!“ Ich wollte mich von ihm losreißen, doch er schien viel stärker zu sein. „Lass mich los!“
 

„Nein, du kommst jetzt mit, Sasuke!“ Er zog mich zur Tür hin.
 

„Hast du Angst, dass ich die Wahrheit herausfinde, oder was?“
 

Erst da hielt er inne und sah mich verblüfft an.
 

„Die Wahrheit? Wir haben sie dir erzählt, was willst du noch?“
 

„Ich will einen richtigen Beweis! Das hier – woher soll ich wissen, ob das wirklich das Blut meiner Eltern ist? Woher soll ich wissen, dass ich wirklich ein Ninja dieses Dorfes war? Woher, verdammt?“
 

Narutos Mund, der bis eben noch offen gestanden hatte, klappte mit einem Mal zu. Er sah mich eine ganze Weile lang mit Augen an, die beängstigender waren als alles, was ich bisher erlebt hatte.
 

„Also gut.“, sagte er schließlich. „Ich habe ein Foto zu Hause, und darauf sind du, Sakura und ich. Reicht dir das als Beweis?“
 

Beinahe hätte ich ja gesagt, doch irgendetwas hielt mich doch davon ab. Naruto bemerkte meinen Wandel.
 

„Was ist jetzt noch? Wie soll ich's dir sonst beweisen?“
 

„Ich ... ich möchte gern mein Zimmer sehen.“ Ich schluckte und starrte die Treppenstufen hinauf. „Als ich das erste Mal in dieses Viertel gegangen bin, da ... hatte ich ... ach, du wirst mich für verrückt erklären, aber ich hatte da so ein seltsames Gefühl, deswegen bin ich ziemlich schnell wieder abgehauen. Wenn ich hier wirklich ein Zimmer haben sollte, bin ich mir sicher, dass ich das irgendwie spüren werde.“
 

Naruto lächelte.
 

„Ähm ... ist was?“, fragte ich perplex.
 

„Na ja“, er kratzte sich verlegen am Kopf. „Früher hättest du sowas nie gesagt.“
 

Ich mochte es nicht, wenn er von früher sprach, deswegen schwieg ich.
 

Naruto stieg vor mir die Treppe hinauf.
 

„Was ist, kommst du oder nicht?“ Er lächelte zaghaft. In seinem Blick konnte ich ohne Zweifel lesen, dass er dieses Viertel so schnell wie möglich wieder verlassen wollte.
 

Die Treppenstufen waren morsch und von einer dichten Staubschicht bedeckt. Mir war etwas mulmig zumute und ich versuchte gegen das lächerliche Gefühl anzukämpfen, in dieses Haus einzudringen. Es war schließlich mein Haus. Auch wenn ich mich nicht daheim fühlte.
 

„Pass auf“, Naruto nahm zwei Stufen auf einmal, „die Stufe ist nicht sicher.“
 

Vorsichtig überstieg ich dieselbe Stufe und folgte ihm weiter. Ob er schon oft hier gewesen war, dass er den Weg zu meinem Zimmer kannte?
 

Im ersten Stock herrschte fahles Licht. Anscheinend waren die Fenster schon seit Jahren nicht mehr geputzt worden. Naruto ging zielstrebig auf eine Tür am Ende des Ganges zu, öffnete sie und blickte mich auffordernd an. Ich schluckte – auf einmal war die Aufregung wieder da. Dahinter war mein Zimmer. Die Dielen knarrten unter meinen Füßen, als ich mich langsam näherte. Ich wagte es nicht, den Kopf zu drehen und einen Blick hinein zu werfen.
 

„Nun mach schon.“ Naruto wurde ungeduldig. „Du wolltest es so.“
 

Und ich tat es.
 

Das Erste, was mir in den Kopf kam: Völlig normal. Ich blickte in ein völlig normales Zimmer, wenn man von den Spinnweben in den Ecken und der dicken Staubschicht mal absah. Ein Bett, ein Schreibtisch, ein Schrank. Und wieder dieses Wappen an der Wand.
 

Das war das Erste, worauf ich zuging. Ich beachtete den restlichen Teil des Raumes gar nicht weiter, hatte meine ursprüngliche Absicht kurzfristig vergessen. Von diesem Wappen ging eine für mich unerklärliche Anziehung aus. Meine Finger hoben sich, um die kalte Wand zu berühren.
 

„Sieh her, Sasuke“ Naruto war hinter mich getreten, ohne dass ich es gemerkt hatte. Als ich mich umdrehte, sah ich direkt in die Augen vierer Menschen, die lächelnd aus einer Fotografie zu mir empor blickten.
 

Doch es waren nicht mein Anblick, der mich fesselte. Es war der des Mannes neben mir, der mir brüderlich den Arm auf die Schulter gelegt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-08-04T06:20:28+00:00 04.08.2009 08:20
Das Kapitel ist echt gut geworden! ^^
Mach weiter so! ^^


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