Auf dem Weg über das Gebirge
Der Bibliothekar konnte den Halbbrüdern ja nicht wirklich weiterhelfen, warnte sie jedoch vor den Gefahren des Gebirges. Zu Recht?
So many times, it happens too fast
You change your passion for glory
Don't lose your grip on the dreams of the past
You must fight just to keep them alive
Eye of the tiger, Scorpions
3. Auf dem Weg über das Gebirge
Nachdem der Bibliothekar nochmals versichert hatte, keine Ahnung zu haben, wo sich die Quelle des Lebens befinden könnte, sahen die Halbbrüder selten einig nicht den geringsten Anlass, sich noch länger hier aufzuhalten. So machten sie sich ohne Abschied auf den Weg, aus der Stadt, die Vorhügel empor, hinauf in das Gebirge.
Sesshoumaru war entschlossen, den Weg durch die Höhlen von Karu zu nehmen, wie damals als kaum Halbwüchsiger mit seinem Vater, gleich, welche Gefahren es nun dort geben mochte. Er war schließlich kein Irgendwer und nun erwachsen, und würde gewiss mit allem fertig werden, was sich in den vergangenen Jahren dort angesiedelt hatte. Soweit er sich entsann, war dies der kürzeste Weg auf die andere Seite des Gebirges. Folglich war alles andere Zeitverschwendung.
Er warf einen unwillkürlichen Blick an seine linke Seite, wo Inuyasha ging. War diesem Bastard eigentlich bewusst, was er da tat? Betrachtete der sich wirklich als gleichrangig? Irgendwo konnte er es nicht glauben. Vermutlich hatte der einfach keine Ahnung von der Höflichkeit, die man älteren Familienmitgliedern gewöhnlich zollte. Für einen Moment stieg in ihm der Einfall auf, was wohl seine Mutter dazu sagen würde, würde er ihr das Halbblut zur höfischen Erziehung schicken. Aber das könnte vermutlich kaum gut gehen.
Inuyasha blickte sich wieder neugierig um. Noch gab es hier Felder, aber sie wurden weniger, während die Bäume zunahmen. Weiter oben schien es gar keine Äcker mehr zu geben. Irgendwo dort musste das Einflussgebiet des Bibliothekars enden, wie auch immer das zu verstehen war. Außer den paar Kriegern am Stadttor hatte er keinerlei Bewaffnete gesehen. Allerdings wusste er aus Erfahrung nur zu gut, dass es auch andere Methoden gab, sich zu verteidigen, nicht zuletzt Magie. Aber im Grunde würde ihn etwas anderes viel mehr interessieren: „Warum war Vater eigentlich hier?“
Das hatte er, Sesshoumaru, sich selbst schon damals gefragt, ohne dass es ihn freilich sonderlich interessiert hatte. Heute nahm er an, dass es um Verbesserungen an den Schwertern Tessaiga und Tenseiga gegangen war. Aber ihre Eigenschaften mussten sie ja bereits zuvor besessen haben, schon als Toutousai sie herstellte. Dennoch hatte sein verehrter Vater mit diesem Schmied in der Stadt drüben im Mirtal viel gesprochen, auch mit dem Bibliothekar, ja, war auf deren dämliche Bedingungen eingegangen.
Der Jüngere sah seitwärts. Wusste es Sesshoumaru etwa nicht? Oder wollte er nur seinen Atem nicht weiter an einen Hanyou verschwenden? Beides war möglich. Immerhin hatte er zuvor ihm ja doch schon einige Hinweise gegeben.
Der Wald veränderte sich. Die Laubbäume verschwanden und wurden durch Nadelbäume ersetzt, und der Weg, dem sie bislang gefolgt waren, endete auf einer Lichtung. Eindeutig hörte hier der Einfluss des Bibliothekars auf. Nun würde es gefährlicher werden, wobei keiner der Hundebrüder auch nur einen Gedanken daran verschwendete, zu sicher, mit allem fertig werden zu können.
So wanderten sie nebeneinander, wenn auch schweigend, ohne Pfad weiter. Sesshoumaru redete nicht, wenn es nichts zu sagen gab, und Inuyasha wollte sich eine Anrede wie „dämlicher Hanyou“ nur zu gern ersparen. Rechts und links von ihnen schimmerten immer größere Kalkfelsen aus dem Boden, durch den lichter werdenden Wald. Bald würden wohl gar keine Bäume mehr wachsen.
Seltsam still war es hier, befand der Hanyou plötzlich. Kein Vogel sang, kein Zweig knackte unter einem Tier. Unwillkürlich versuchte er zu wittern, legte die Hand an sein Schwert. Aber die Gerüche auf dieser Insel waren ungewohnt. Eine Gefahr war so nicht zu erkennen.
Sein Halbbruder hatte bemerkt, dass der Jüngere angespannt wurde. Auch seine Sinne vermochten nichts zu entdecken, aber er musste, wenn auch ungern, zugeben, dass das Halbblut Recht hatte. Irgendetwas war hier, das die Geräusche des Waldes verstummen ließ. Nur, was?
Vor ihnen stiegen steil die ersten Klippen des eigentlichen Gebirges auf, bildeten einen trichterförmigen Bergeinschnitt. Soweit sich Sesshoumaru erinnern konnte, musste man diesem folgen, ehe man zu einer Art kreisrundem Tal gelangte. Dort begann das Schluchtensystem, das zu den Höhlen von Karu führte. Wandte man sich da nach links, nach Norden, würde man in das Gebiet der Harpyien kommen.
Sie erreichten gerade den Beginn des Bergeinschnittes, als unvermutet die Falle zuschnappte. Scheinbar aus dem Nichts schossen Fangarme auf sie zu, von der Seite und von oben. Unwillkürlich sprangen die Halbbrüder empor, schlugen mit den Klauen zu und zerteilten einige davon. Dabei stellten sie schmerzhaft fest, dass diese mit Nesseln bewehrt waren.
„Mistvieh!“ knurrte Inuyasha denn auch, nur um fast erschreckt festzustellen, dass aus den Fangarmen, die er soeben zerfetzt hatte, unverzüglich zwei neue entstanden. Er wollte noch sagen: wir müssen hier weg, als er bemerkte, dass der Hundeyoukai bereits nach vorne sprang. So folgte er diesem Beispiel.
Genau das hatte das Wesen beabsichtigt. Ehe die Halbbrüder die Falle erkennen konnten, öffnete sich unter ihnen der Boden und sie fielen in ein Loch, das mit Flüssigkeit gefüllt war. Fast unverzüglich schlossen sich über ihnen die Fangarme, verdeckten den Himmel, um ein Entkommen zu verhindern.
„Igitt“, machte der Hanyou, der sich bis zur Taille in der Flüssigkeit wieder fand und sich nur mit dem Anblick seines gewöhnlich so ordentlich aussehenden Halbbruders tröstete, dem das nicht anders erging. „Das meint dieses Vieh doch nicht im Ernst…“ Er zog Tessaiga.
Sesshoumaru schwieg dazu, nahm auch selbst kein Schwert zur Hand. Es genügte, wenn das Halbblut etwas unternahm, wozu Kraft in einem sinnlosen Versuch verschwenden.
„Kaze no Kizu!“
Die Macht der Windnarbe raste empor und zerfetzte einen Teil der Fangarme, die sich unverzüglich zu regenerieren begannen - in der doppelten Anzahl. Dieses Wachstum verlief so schnell, dass selbst die beiden Hundebrüder keine Chance sahen, hinausspringen zu können.
„Mist“, murmelte Inuyasha denn auch: „Das wird ja noch mehr und dichter...“ Und jeder einzelne Fangarm war mit Nesseln gespickt, die sich ihnen schon schmerzhaft vorgestellt hatten. „Kannst du dieses Mistvieh nicht ins Jenseits befördern? Mit dem Meidou?“
Was für eine Idee! „Da wir uns in ihm befinden, würden wir ebenfalls dort landen.“ Warum erklärte er es ihm eigentlich? Sie mussten jedoch irgendetwas unternehmen, das war klar. Wenn ihn seine Nase nicht trog, war die Flüssigkeit, in der sie standen, zur Verdauung der Beute gedacht.
Dies war auch Inuyasha bewusst: „Dann lass dir mal was Besseres einfallen, nii-chan.“
Unter normalen Umständen hätte ihm diese Anrede mindestens einen Fausthieb eingebracht, erkannten beide.
So kam allerdings nur die sachliche Anweisung: „Schlag einen einzelnen Fangarm ab.“ Weder Klaue noch Dokka-so wirkten gegen die unverletzte Haut des Wesens, dessen war er sich bewusst.
„Und dann?“
Sesshoumaru hob statt einer Antwort die Hand, die im Halbdunkel ihres Gefängnisses grünlich aufleuchtete.
Also wollte er sein Gift einsetzen, um zu verhindern, dass der Fangarm nachwachsen konnte, sich wieder verdoppelte. Nun, einen Versuch war es wert, zumal der Hanyou an seinen bloßen Füssen bereits spürte, dass ihn das Wesen verdauen wollte. So sprang er empor und setzte nur Stahl und Kraft gegen einen Fangarm ein. Während er zurück in die Flüssigkeit fiel, stieg Sesshoumaru an ihm vorbei und blieb oben schweben, während er die giftige, ätzende Säure gegen den verletzten Fangarm sprühen ließ.
„Na also, “ meinte Inuyasha, als er erkannte, dass sich das Wesen zumindest an dieser Stelle nicht regenerieren konnte. So machte er erneut den Satz empor, um einen weiteren Arm abzuschlagen. Irgendwie war es zwar verdrießlich, dass er hier wie ein Ball auf und abhopsen musste, während der Herr Halbbruder da oben schwebte, aber er konnte eben nicht fliegen. Immerhin klebte auch die weite Hakama momentan geradezu peinlich eng an diesem. Und freiwillig schien dieses Mistvieh sie nicht gehen lassen zu wollen.
Nur Minuten später war das Loch in den Fangarmen groß genug, dass die Hundebrüder hindurch konnten und auf sicherem Grund landeten. Für einen Moment betrachteten sie noch die Glieder auf dem Boden, die sich nun erst rasch in die Erde zurückzogen, ehe Inuyasha Tessaiga zurück in die Scheide schob. Was für eine nette Gegend das hier war. Langsam verstand er, warum der Bibliothekar gemeint hatte, der Weg über das Gebirge sei gefährlich.
Sesshoumaru hatte einen ähnlichen Gedankengang. Derartige Wesen hatten hier früher nicht existiert, und es war davon auszugehen, dass es in der Tat noch andere Überraschungen geben konnte. Dabei waren die Probleme, die sie in der Hauptstadt des Mirtal erwarten mochten, groß genug. Er entsann sich nur äußerst ungern des Kampfes in der dortigen Arena. Und er würde sich eher vierteilen lassen, als seine ungewohnten Gefühle dort irgendjemandem gegenüber zuzugeben. Natürlich hatte sein mächtiger Vater gewonnen, aber zum ersten Mal in seinem Leben war damals die eisige Furcht in ihm selbst aufgetaucht, er könne es nicht schaffen, sie würden beide sterben. Die Magie dieses Kampfplatzes hatte es in sich.
Nun, wenn es irgend ging, würde er auf sie verzichten. Immerhin wollte er ja nichts von dem Schmied, wie Vater damals. Der hatte zur Bedingung für Antworten gemacht, dass sich der Inu no Taishou der Arena und ihren Kämpfen stellte.
Bei ihrer Rückkehr in das Land des Frühlings hatte der Bibliothekar ihnen dann erstaunt erzählt, dass dies kaum je einer in Jahrtausenden überlebt hätte – und sich dem Sieger des legendären Seelenturniers unterworfen.
Das trichterförmige Tal wurde immer enger, während die weißen Steinwände immer höher wurden. Bald schon konnten die Wanderer nicht mehr erkennen, was oben war. Entsprechend vorsichtig wurden sie, suchten in Geräuschen und Witterungen nach weiteren Gefahren. Aber dies war eine vollkommen fremde Umgebung und das Wesen zuvor hatte nur zu deutlich gemacht, dass manche Risiken so nicht zu erkennen waren. Daher hielten sie auch Boden und Felswände im Auge, um Bewegungen rechtzeitig zu erkennen. Es war nicht gesagt, dass dieses seltsame Fallenwesen das Einzige seiner Art war.
Inuyasha blickte wieder einmal empor: „Es wird langsam dunkel. Kannst du dich erinnern, wie lange es noch zu diesen Höhlen dauert?“
Dem Hundeyoukai wurde bewusst, dass es für das Halbblut anscheinend einen erheblichen Unterschied bedeutete, ob es Tag oder Nacht sei. Nun gut. Halber Dämon, eben: „Wir gehen weiter.“ Wollte der etwa Pause machen?
„Ja, klar“, fauchte der Hanyou prompt: „Glaubst du, ich will eine Mütze voll Schlaf nehmen? Beantworte bloß nicht meine Fragen, das wäre ja auch zu brüderlich!“
„Warum fragst du dann?“
„Weil mir die Idee kam, dass sich nachts hier vielleicht andere Wesen herumtreiben als am Tag.“
„Du und eine Idee?“ Das klang ungläubig: „Noch dazu eine richtige.“
„Keh!“ Was für ein netter Reisegefährte! Am liebsten würde er diesem Mistkerl einmal die Windnarbe um die Ohren schlagen…Aber immerhin war das der Einzige, der sich hier auskannte und womöglich noch irgendeine Ahnung hatte, wen man nach dieser dämlichen Quelle fragen konnte. Die Alternative dazu bedeutete die Gefahr, dass er zu einem wahnsinnigen Mörder wurde, der alles abschlachtete, das er sah. Und das war wirklich keine Wahlmöglichkeit. „Du wirst noch froh sein, dass du mich dabei hast!“ ergänzte er nur hart.
Sesshoumaru wollte schon „Niemals“ sagen, aber dann dachte er daran, dass er selbst nicht wusste, was es hier an neuen Gefahren gab. Und da mochte Tessaiga eine gute Hilfe sein. „Ich weiß, dass Tessaiga nützlich ist“, gab er nur zurück.
Das Schwert, nicht der eigene Bruder, na schön, Halbbruder. Inuyasha konnte nicht verhindern, dass er sich verletzt fühlte, aber er verdrängte das nur zu bekannte Gefühl. Nein. Irgendwann würde er diesem arroganten Hund zeigen, dass er etwas wert war, dass er nicht nutzlos war. „Immerhin etwas“, antwortete er bloß.
Die Dämmerung war langsam der Nacht gewichen, als die Hundebrüder instinktiv stehen blieben. Beide hatten etwas gehört. Aber nicht einmal Sesshoumaru konnte etwas riechen.
„Da ist was...“ flüsterte Inuyasha unbeabsichtigt, die Hand am Schwert. Im nächsten Moment ärgerte er sich darüber. Das hier war nicht Kagome, mit der er unterwegs war, sondern der arrogante Herr Hundeyoukai.
Was für eine sinnvolle Bemerkung, dachte der Ältere unwillkürlich. Aber das Halbblut hatte Recht. Irgendwo um sie war eine Lebensform, die er nicht einordnen konnte. Es war nichts zu wittern, außer den Felsen um sie herum, aber die erste Falle, in die sie gestürzt waren, hatte auch keinen spezifischen Geruch gehabt. Auf der Insel der Vier Jahreszeiten gab es einige seltsame Wesen, die sonst nirgendwo existierten.
Im nächsten Moment war ein Surren um sie, als ob sich tausende Mücken auf sie stürzen würden, dann fanden sie sich eingehüllt in einen gewaltigen Schwarm fliegender Wesen, die um sie wirbelten und versuchten, sich auf sie zu setzen. Wo es ihnen gelang, stachen sie unverzüglich zu.
Inuyasha spürte im Schutz seines Gewandes aus Feuerrattenhaaren die Stiche nur an den Händen und im Gesicht, an seinen Ohren, aber das tat weh genug. Sesshoumaru wurde durch seine Rüstung abgeschirmt, selbst die Kleidung war hilfreich, aber er begriff, dass diese Wesen nicht auf diese Art versuchten, ihm Gift einzuflössen, sondern sein Blut zu trinken. Mehrere Klauenangriffe verschafften ein wenig Erleichterung, aber diese Kreaturen waren zu klein und zu flink, um wirklich etwas ausrichten zu können. Sie waren einfach auch zu viele. Wie ungemein lästig.
„Das sind Steinflöhe!“ keuchte Inuyasha plötzlich: „Verdammt, lass uns abhauen!“ Er selbst rannte schon los.
Abhauen? Fliehen? Der Hundeyoukai zögerte für einen Moment, ehe er beschloss, dass dies ja kein Kampf war, aus dem eine Flucht schändlich wäre, sondern nur ein Rückzug vor Ungeziefer. So folgte er dem Jüngeren. Überdies, woher wusste der den Namen dieser Flöhe?
Fast tausend Schritte später blieben die beiden halten, als sie das Surren des Schwarms nicht mehr hören konnten. Inuyasha rieb seine Ohren, um den Rest der Steinflöhe von ihnen zu bekommen. Sie schienen sie heiß und innig geliebt zu haben, hatten sie sich doch vorrangig darauf gestürzt. Immer seine armen Ohren…
„Steinflöhe.“ Sesshoumaru hätte eher sonst etwas getan, als nachzufragen, was es mit diesen Wesen auf sich habe und woher sein Halbbruder davon wisse.
Dem war das klar. Aber er war trotz allem zu hilfsbereit, um nicht dennoch zu antworten: „Ich bin ihnen mal begegnet, weit im Norden, als ich noch fast ein Kind war. Myouga nannte sie Steinflöhe. Sie wohnen in Felsen und er meinte, sie können dort ziemlich lange unauffällig leben. Aber wenn dann irgendein Lebewesen, egal, ob Mensch, Tier oder Youkai vorbeikommt, überfallen sie es und trinken sein Blut. Solange, wohlgemerkt, bis es keins mehr hat.“
Myouga hatte mal etwas erklärt und war bei einem derartigen Überfall dabei gewesen? Das klang fast unglaubwürdig.
Der Hanyou fuhr nachdenklich fort: „Er fand mich in ziemlich miesem Zustand, aber ich habe es ja überlebt.“ Und das, so hatte er nicht nur da gelernt, war alles, was zählte.
Zum ersten Mal fragte sich der Hundeyoukai, was sein jüngerer Halbbruder in seinen Kindertagen so alles erlebt hatte. Aber er wandte sich nur zum Gehen. Das konnte ihm gleich sein. Wie er erwartet hatte, war Inuyasha unverzüglich an seiner linken Seite. Immerhin beachtete das törichte Halbblut, dass er so seinen Schwertarm frei hatte. Inuyasha freilich müsste sich im Falle eines Überfalls drehen.
„Die Steinflöhe haben im Pass zu den Höhlen von Karu etwas angegriffen, Megaira.“
„Tiere, Youkai oder Menschen?“
„Ich bin mir nicht sicher. Ich flog sehr hoch. Aber sie scheinen ihnen entkommen zu sein.“
„Sie?“
„Zwei Zweibeiner mit weißen Haaren.“
„Dann sind es Youkai. Menschen wären nicht schnell und stark genug, um den Steinflöhen zu entkommen. Schon lange hatten wir keine derartigen Besucher mehr. Wir wollen ihnen ein nettes Willkommen bereiten. – Gib Alarm, dass sich jemand unserem Horst nähert.“
Die ersten Strahlen der Morgendämmerung boten gerade genug Licht, um den Hundebrüdern zu zeigen, dass sie sich in einem fast kreisrunden Talkessel befanden. Geradezu führte eine schmale Schlucht tiefer in das Gebirge. Sesshoumaru entsann sich, dass dies der Weg zu den Höhlen von Karu sein musste. Linker Hand öffnete sich ein weites, grünes Tal, scheinbar harmlos und einlandend, aber das würde sich bald ändern, führte es doch in das Gebiet, das die Harpyien für sich beanspruchten. Er hatte nur gehört, dass dies durchaus respektable Gegnerinnen sein konnten, nun, sicher kaum für ihn.
Ein schriller Vogelschrei ließ die Halbbrüder stehen bleiben, zumal, als er von der anderen Seite des Talkessels erwidert wurde. Sie blickten sich um.
„Wer ist das denn?“ fragte der Hanyou niemand Bestimmten, als er das Halbwesen entdeckte, das soeben in der Mitte des breiteren Talausgang landete und die Flügel einzog. So etwas hatte er noch nie gesehen. Es war ein Vogel, ja, ein sehr großer Vogel. Aber ab der Brust aufwärts war es eindeutig ein weiblicher Mensch…Nein, das nun gerade wohl kaum. Aber es sah aus wie eine Frau. Die Brust wurde von einer Rüstung bedeckt. Zwischen der menschlichen Seite und dem Vogelkörper spannte sich ein Ledergürtel, ab dem ein Schwert hing. Eine Hand hatte das Wesen an dessen Griff gelegt. Und, wenn er das so richtig einschätzen konnte, bot das stählern leuchtende Federgewand einen guten Schutz gegen feindliche Angriffe. Er hatte nicht mit einer Antwort gerechnet. So blickte er erstaunt seitwärts, als Sesshoumaru erwiderte:
„Eine Harpyie.“
„Fremde in unserem Gebiet“, stellte diese fest: „Und gleich zwei Youkai.“
„Wieso euer Gebiet?“ erkundigte sich Inuyasha sofort: „Uns wurde gesagt, dass ihr weiter da drüben wohnt. – Wir wollen nur zu den Höhlen.“
„Zu den Höhlen von Karu?“ Die schwarzhaarige Harpyie musterte die beiden abschätzend: „Leichtsinnig oder mutig? Dumm oder stark? Wolltet ihr ins Mirtal?“
„Da wollen wir immer noch hin.“
Sie lachte fast fröhlich auf: „Junger Youkai, du weißt nicht, mit wem du es zu tun hast, nicht wahr? Fremde, die in unser Gebiet kommen, müssen uns zu unserem Horst begleiten.“
„Unsinn.“ Er legte die Hand an Tessaiga: „Wir gehen da weiter. Und du solltest uns besser in Ruhe lassen.“
„Nun, Kleiner, du kannst es dir aussuchen. Entweder ihr begleitet uns zu unserem Horst oder sterbt hier.“
„Keh! Du hast keine Chance gegen mich.“
Erneut lachte die Harpyie auf: „Dein...hm...Bruder scheint es schon bemerkt zu haben…“
„Was?“ Er sah seitwärts, entdeckte, dass Sesshoumaru prüfend den Kopf hob, offenbar witterte. „He, was ist los?“
Dieser sparte sich die Antwort, als sich rund um den Talkessel die Harpyien zeigten, Kopf an Kopf.
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Im nächsten Kapitel: "Im Horst der Harpyien" erfahren die Hundebrüder - und ihr -was die Harpyien unter "Entjungferung" verstehen...
bye
hotep