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Federkiel und Wanderstock

von

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Hoffnungswege

„Denn Träume sterben niemals...“
 

Viele Kinder träumen, das wisst Ihr sicher selbst. Und manche träumen mehr als andere, verlieren sich darin, vergessen den Tag. Träume sind nicht Wirklichkeit. Bloß unerfüllte Hoffnungen.

So sagt man.

Ich aber sage, Hoffnung treibt uns vorwärts. Und Träume sind, was unser Leben ausmacht.
 

Das Mädchen, von dem ich euch erzählen will, glaubte fest daran. Sie kannte viele Geschichten, merkte sich einjede, die die Erzähler in ihrer Heimatstadt vortrugen, trug sie im Herzen, erinnerte sich in manch einsamer Stunde. Und träumte sich hinein.

Ich stelle mir gerne vor, dass sie sich als eine der Prinzessinen sah, die, gefangen in einem Turm, gerettet werden mussten. Doch wahrscheinlicher ist, dass sie sich in den Figuren wiederfand, die einfach waren, einsam, traurig.
 

Sie hatte alles, denn sie entstammte einer reichen Familie. Kleider, Stoffe, genug zu Essen, reichlich Unterricht in Dingen wie Geschichte, Musik, Sticken... doch eines hatte sie nicht: Freunde. Freunde, an die sie sich wenden konnte, wenn sie Gesellschaft suchte. Freunde, die ihr Wärme schenkten.

Ihre Mutter starb früh und hinterließ einen Fleck in ihrem Herzen, der nicht gefüllt werden konnte. Ihr Vater kümmerte sich gut um sie, vermochte ihr kaum einen Wunsch abzuschlagen, doch er sah es nicht gern, wenn sie auf der Straße spielte... sich mit Kindern anderer Familien traf, die nicht so hoch standen, wie ihre eigene.

Zu Anfang wehrte sie sich, schrie ihren Vater an, der unnachgiebig blieb, dann glaubte sie, sie würde damit leben können, denn herzlos war er nicht. Schließlich fürchtete sie, sie würde durch die Einsamkeit kalt werden, wie das Eis, das das Wasser im Winter mit einer schützenden Schicht umgibt. Und sie zog sich noch mehr in ihre Träume zurück.

Vielleicht war es das, was sie rettete.
 

Nun, was ich euch erzählen will, handelt zu der Zeit, als sie gerade als erwachsene Frau in die Gesellschaft aufgenommen worden war.

Bei den Feierlichkeiten dafür trug sie ein elegantes Kleid, hatte ihr Haupt erhoben, so, wie ihr Vater es erwartete. Er war stolz auf seine schöne Tochter und sah nicht, wie wenig sie all das berührte. Er wusste auch nicht, dass sie zurück in ihrem Zimmer, endlich wieder allein, lange wach in ihrem Bett saß, die Beine an sich gezogen, und grübelte. Was sollte es bringen, dass sie jetzt erwachsen war? Das Leben änderte sich nicht für sie. Wurde nicht besser.

Ihre Träume blieben die einzigen Freunde, die sie hatte. Auf die konnte sie sich verlassen.
 

Und doch, ich denke, sie träumte sich ihren Retter herbei... und er kam, in Gestalt eines jungen Gauklers, der auf dem Marktplatz seine Künste vorführte.

Niemand wollte ihm Unterkunft gewähren, auch, vielleicht gerade, ihr Vater nicht. Dennoch trat sie vor, bezaubert, und lud ihn in ihr Heim ein. Ihr Vater gab nach.
 

Hätte er seine Tochter besser gekannt, hätte er vielleicht gesehen, wie sie den jungen Mann ansah, wie sie ihm verfiel. All die Jahre hatte sie geglaubt, Träume könnten niemals Wirklichkeit werden... und doch erzählte ihr dieser hier, er hätte seinen Traum in die eigenen Hände genommen. Und sie trachtete danach, es ihm gleich zu tun, mit aller Sehnsucht, die sie als junge Frau in sich trug.

Sie war wie eine Prinzessin aus den alten Märchen... oder auch jenes einfache Mädchen, unentdeckt, unbeachtet bisher... und er war der Prinz, der sie rettete, der sie beachtete... sie mit sich nahm.
 

Es kam der Tag, an dem er weiterziehen wollte. Natürlich bat sie ihn zu bleiben. Sie war an ihr Heim gefesselt, an ihren Vater, bis dieser sie gehen ließ. Sie sank selbst auf die Knie nieder, flehte, bis Tränen ihre Augen röteten. Mit ihm wäre ein weiterer Traum gestorben... mitgerissen, fort von ihr. Wer konnte schon sagen, wie lange sie diesen Verlust verkraftet hätte?
 

Doch der Gaukler hatte andere Pläne.

„Begleite mich“, sagte er. Und sie stimmte zu. In der Nacht flohen sie. Nur ein Zettel blieb zurück, doch er reichte nicht, ihren Vater zu besänftigen. Die Verfolger fanden sie nicht, irgendwann gab man die Suche auf. Auch ihr Vater weinte über den Verlust eines Traumes, jenes Traumes, der seine Tochter gewesen war, doch er fand Trost in den Briefen, die er von ihr erhielt. Denn er erkannte, was sie gefunden hatte, obwohl es ihm schwer fiel, zu aktzeptieren.
 

Sie liebte. Sie lebte. Oh, natürlich lernte sie, dass Träume niemals einfach zu leben waren, doch sie fand die Freiheit, die sie sich erhofft hatte, in den Wegen, die sie gemeinsam wählten, die Wärme, nach der sie sich gesehnt hatte, in der Umarmung seiner schützenden Arme, und ihre Träume, die höher flogen, als jemals zuvor, Flügel spreizten, in dem einen Wunsch, der sich erfüllt hatte.
 

Das Mädchen, von dem ich erzähle... sie träumte auch von einem Heim, von Kindern, von Familie. Und irgendwann musste sie einsehen, dass sie ein Herz voller Unruhe nicht halten kann. Ihre Wege trennten sich, doch keiner von beiden hatte jemals die Entscheidung bereut, einander anzuvertrauen. Niemals. Ihr Glück währte zu lange, als dass es hätte verschenkt sein können.
 

Merkt euch dies: Träume sterben niemals. Sie gehen höchstens verloren, um neu entdeckt zu werden. Einmal erfüllt bringen sie neue hervor, größer, schöner, bunter.

Niemals sind sie leicht, doch immer sind sie es wert.

Und auch, wenn man einen Traum gehen lässt, lebt er fort, und fort... und fort.
 

Schweigen herrschte, als der Erzähler seine letzten Worte ausklingen ließ.

Einzig durchbrochen vom Stoffrascheln, als Anna aufstand und den Raum verließ, eilig, beinahe fluchtartig. Die Tür fiel laut hinter ihr ins Schloss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2014-01-02T18:45:14+00:00 02.01.2014 19:45
~ Kommentarfieber ~

Guten Abend,
es ist lange her. Es kommt mir aber wie gestern vor, dass ich dich das erste Mal kommentiert habe. Und immer, wenn ich den Titel lese, denke ich an diese angenehme Ruhe.
Da bin ich jetzt mal gespannt, ob meine Erinnerung mich trügt.

merkte sich einjede, die die Erzähler in ihrer Heimatstadt vortrugen
"einjede" ist mir überhaupt nicht geläufig. eine jede, würde ich schreiben. Ich suche jetzt nicht nach richtig oder falsch. Hier sagt mir das mein Bauchgefühl und der Klang. So werde ich natürlich nie zu einem passenden Ergebnis kommen. *seufz*

Ihre Mutter starb früh und hinterließ einen Fleck in ihrem Herzen, der nicht gefüllt werden konnte.
Keine Ahnung, ob das hier Geschmackssache ist oder nicht, aber "Loch im Herzen" klingt für mich besser.

Die Vorstellung, dass sie Briefe schreibt, ist wunderbar. Vielleicht erzählt sie auch schöne Geschichten...
Man sitzt praktisch zwischen den anderen Zuhörern, lauscht der Geschichte. Da darf ein Satz auch viel zu lang und zuviele Kommas haben, man erfährt das Gefühl, das in dem Erzählten mitfließt.

Eine kleine Krittelei habe ich dann aber doch noch. Die letzten Zeilen würden formatiert, und damit abgegerenzt, besser wirken. So musste ich einen Moment inne halten - nicht lang, nur einen Wimpernschlag - und eins und eins zusammenzhälen.

Ja, die Ruhe ist auch weiterhin vorhanden. Schade, dass es hier noch nicht weiter gegangen ist. Und in deine Liste habe ich auch noch nicht geschaut. Leider war ich eine treulose Leserin, aber, wie gesagt, ich verbinde diese Geschichte mit guten Erinnerungen. An deinen Schreibstil. Das ist doch schonmal was.

Mehr habe ich nicht zu sagen.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet

Antwort von:  Carifyn
03.01.2014 12:42
Also... wow. Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass noch einmal jemand ein Kommentar hier hinterlässt. Ist es wirklich schon drei Jahre her, seit ich hier das letzte Mal etwas hochgeladen habe?

Um mal kurz auf deine Punkte einzugehen:

Einjede - Ich muss ehrlich gestehen, ich habe das rein instinktiv so geschrieben, aber ob es stimmt? Wäre durchaus auch möglich, dass sowohl einjede als auch eine jede möglich wäre. Im Nachhinein würde ich wohl sogar selbst zu eine jede tendieren.

Fleck oder Loch - Da hast du vermutlich Recht^^

Formatierung - Hmm, ich denke, ich weiß, was du meinst. Aber wie würdest du es besser machen? Kursiv, wie den Anfang des Kapitels, um die Abgrenzung deutlicher werden zu lassen?

Davon abgesehen... vermutlich sieht es wirklich so aus wie eine von diesen nie beendeten, vergessenen Geschichten... ich kann dir aber versichern, dass ich noch an der Geschichte arbeite.
Eigentlich ist das, was hier auf Animexx steht, nur die Hälfte dessen, was insgesamt tatsächlich schon existiert - aber es sind noch ein paar Lücken vorhanden, die geschlossen werden wollen.
Leider ist das Leben dann manchmal doch spannender oder auch nur einnehmender, sodass ich in den letzten Monaten wirklich kaum geschrieben habe...

Da du das mit dieser Ruhe ansprichst... ich weiß, was du meinst. Und mir fällt gerade auf, dass ich in meinem derzeitigen Studiumsprojekt irgendwie eine ähnliche Stimmung anstrebe... nur, dass es eben keine Geschichte sondern ein 2D Jump and Run ist ;)

Jedenfalls... vielen Dank für ein so schönes Kommentar. Das motiviert ungemein. Irgendwann wird es hier auf jeden Fall noch weitergehen!
Antwort von: abgemeldet
03.01.2014 12:52
Wie die Zeit vergeht, nicht wahr? Deine Situation kann ich gut nachempfinden, mir geht es auch oft so. Und mein Perfektionismus hält mich davon ab, wieder etwas hochzulsen.
Ja, ich würde kursiv formatieren, dann hebt es sich genug vom Rest ab.
Beste Grüße.
Von:  blacksun2
2011-03-17T08:23:19+00:00 17.03.2011 09:23

oh ich möchte diese Geschichte kaufen, ich möchte sie drucken, ich will sie in der ganzen Welt verteilen, damit jeder sie lesen kann, denn sie ist wunderschön

die Geschichte des alten Mannes war sehr ähnlich zu der, die Elly angefangen hat zu erzählen, das wird wohl kein Zufall sein und nach Annas Reaktion drängt sich mir der Verdacht auf, es ist mehr als nur eine einfache Geschichte
was wieder sehr beeidruckend ist, weil du ein und dieselbe Geschichte aus zwei völlig verschiedenen Perspektiven erzählt hast, und interessant, dass Elly aus der Perspektive des Gauklers erzählt hat, obwohl man von ihr erwarten könnte, dass sie es aus der Sicht ihrer Mutter (wenn die Frau aus der Geschichte dieselbe ist, vielleicht irre ich mich ja) erzählt und der Geschichtenerzähler aus der Sicht des Mannes

und es war alles wieder sehr überlegt formuliert, sehr geschickt, die Zeilen haben mich abermals mitgerissen (ich sollte aufhören Kaffee zu kochen, bevor ich bei dir lese, ist nämlich schade um de Kaffee ^^)

der einzige Kritikpunkt: 921 Wörter - viel zu wenig, das ist wie, als würde man mir ne Weinflasche geben, wo nur noch ein Schluck drin ist, davon wird doch keiner zufrieden
schreib mehr, bitte

glg

Von:  Cygni
2011-02-24T12:00:53+00:00 24.02.2011 13:00
Oh mei Gott, Hat er das gemacht was ich glaube das er gemacht hat? Hat Elly nicht einfach irgenteine Geschichte erzählt? In meinem Kopf verknüpft sich gerade Ellys Geschichte mit der vom Geschichtenerzähler, mit der Unterhaltung von vor der Geschichte...

Das ist brilliant. Wenn es so ist wie ich denke, wenn nicht, ist es vllt. noch brillianter weil ich einfach nicht drauf komme.

Ich warte wieder gespannt, und werde warten solange es eben dauert...

LG
Von:  Caellon
2011-01-07T11:15:24+00:00 07.01.2011 12:15
*schnurr*
Von:  Ditsch
2010-12-29T23:20:21+00:00 30.12.2010 00:20
Hach... eine sehr schöne Geschichte über die Bedeutung von Träumen. Da denke ich selbst an meinen einen oder anderen Traum. Diese Geschichte lässt Hoffnung aufkeimen, und das ist wohl auch genau das, was der Geschichtenerzähler zum Ausdruck bringen wollte ^^ Träume sterben nicht.

Ansonsten... ich glaube, ich habe schon oft genug gesagt, dass ich deinen Stil liebe xD
Ich freue mich aufs nächste Kapitel ^___^


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