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Und ich wart` nicht...

von

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Teil 1

UND ICH WART` NICHT…
 

Teil 1
 

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Die Straße wand sich vorbei an sanften Hügeln, die spärlich mit vertrockneten Gräsern übersät waren. Regen hatte dieser Teil der Erde schon lange nicht mehr gesehen. Keine Wolke bot Schutz vor der gnadenlosen Mittagshitze, und kein Baum war weit und breit in Sicht. Tiefe Risse zogen sich durch den steinigen Boden, und jeder meiner Schritte wirbelte Staub auf.
 

Ich sah an mir hinunter und wusste, dass ich ein heißes Bad bitter nötig hatte. Eine kalte Dusche wäre in diesem Augenblick sogar noch willkommener gewesen. Oder Regen. Sanfte Wassertropfen, die meine Haut streicheln wie die butterweichen Küsse eines jungen Mädchens. Ich merkte, dass ich zu lange in der Sonne gewesen war.
 

Meine klägliche Begleitung bestand aus einem Kuhhirten und einem alten Weib auf der Durchreise. Der Hirte konnte nicht älter gewesen sein als zwanzig Jahre. Er hatte seinen verbeulten Strohhut tief in sein Gesicht gezogen und zog eine hölzerne Karre hinter sich her, vollgepackt mit Lebensmitteln, die er im letzten Dorf gegen seine zwei letzten Kühe eingetauscht hatte. Er sprach so gut wie nie. Das alte Weib dafür umso mehr. Sie erzählte die ganze Zeit davon, ihren Enkel in den Graslanden besuchen zu wollen. Ich hatte längst aufgegeben, ihr zu erklären, dass sie in die falsche Richtung lief.
 

Ich hoffte, die beiden an der nächsten Weggabelung los zu werden. Mir war auf meinen langen Reisen nicht nach Gesellschaft zumute. Es gab so vieles, worüber ich nachdenken, so vieles, das ich herausfinden musste, doch immer wenn ich versuchte, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, schweiften meine Gedanken ab und ehe ich mich versah, fand ich mich in einem schäbigen Wirtshaus wieder, mit meiner fünften Flasche Sake in der Hand und einer Hure zwischen meinen Beinen… Ich schien mich an dieses Leben erschreckend gut gewöhnt zu haben.
 

An der nächsten Kreuzung war ich schließlich derjenige, der zurück fiel und einen anderen Weg einschlug als meine kurzzeitigen Gefährten. Zwar hätte mich der Weg geradeaus schneller an mein Ziel gebracht, doch der Weg nach rechts versprach nach ein paar Kurven in dieselbe Richtung zu führen. Und täte er es nicht, konnte ich immer noch umkehren. Oder einfach ganz woanders mein Glück versuchen. Wer konnte schon wissen, ob die Fährte, die ich verfolgte, sich nicht erneut als Fehlschlag entpuppte? Das Land war so groß, und mein Informationsspektrum viel zu klein.
 

Im spärlichen Schatten eines vertrockneten Busches legte ich eine kurze Rast ein. Ich schnallte meinen schweren Rucksack ab und begutachtete die Vorräte, die ich im letzten Dorf gekauft hatte, durch welches mich mein Weg vor zwei oder drei Tagen geführt hatte. Viel war nicht mehr übrig, und da ich nicht wusste, wann mich mein Glück das nächste Mal in die Zivilisation zurück führte, setzte ich meinen Weg mit knurrendem Magen fort.
 

Mein Glück war mir auf merkwürdige Weise hold. Keine zwei Stunden war ich wieder unterwegs als mich mein Weg über einen steilen Hügel führte und ich in einem Tal dahinter eine kleine Stadt entdeckte, noch halb verborgen in dunstiger Ferne. Sie versprach groß genug zu sein für ein eigenes Badehaus und eine halbwegs passable Taverne. Ich beschleunigte meinen Schritt und erreichte die ersten Häuser noch vor Einbruch der Dämmerung.
 

„Sie müssen weit gereist sein.“ rief der dickbäuchige Wirt mir zu, nachdem ich mich mit letzter Kraft in das nächstgelegene Gasthaus geschleppt und mir notdürftig den Staub von den Kleidern geklopft hatte. Der Schankraum war mit dunklem Holz bekleidet, die Tische standen dicht an dicht und waren zu dieser Zeit des Tages vollbesetzt. Die Luft war warm und stickig, und der Lärmpegel ließ normale Konversationen kaum zu. Doch nichts desto trotz konnte ich mir in diesem Moment keinen schöneren Ort vorstellen.
 

Ich ließ mich auf einem Hocker an der Theke nieder. „Allerdings.“ antwortete ich dem Wirt knapp. „Ich hätte gerne einen Krug Sake. Und ein Zimmer für ein oder zwei Nächte.“ Der Wirt teilte mir mit, dass er ausgebucht sei, doch wie so viele von seiner Sorte war der Mann leicht zu bestechen. Ich trank meinen Krug Sake und danach einen zweiten, und lauschte den Gesprächsfetzen, die an mein Ohr drangen, in der Hoffnung auf eine interessante Information, irgendeinen Hinweis wie meine Reise weitergehen sollte. Ich schnappte die verschiedensten Gerüchte auf und erfuhr sehr viele Dinge, die mich nichts angingen. So wie immer. „Was treibt Euch in diese Gegend?“ fragte mich der Wirt irgendwann, aus Neugierde oder Höflichkeit, vielleicht sogar getrieben von Mitleid für diesen so verloren wirkenden Mann, der seinen Becher umklammerte, als hinge sein Leben daran. Es war immer dasselbe.
 

„Ich führe Recherchen.“ antwortete ich. „Für einen Roman… Einen Liebesroman.“ fügte ich hinzu, als der Mann eine entsprechende Frage stellte. „Sagen Sie, gibt es hier irgendein Zimmermädchen, das meine Kleider waschen und trocknen kann?“
 

Der Wirt beteuerte die Selbstverständlichkeit dieser Dienstleistung und brüllte einen Namen quer durch den Raum. „Shae!“ rief er, und prompt eilte eine der Kellnerinnen aus dem hinteren Teil herbei.
 

Ich blickte mich zu ihr um und maß sie von Kopf bis Fuß. Unter dem weiten Kleid und der Schürze zeichnete sich ein wohl geformter Körper ab. Lange Beine, schätzte ich, und, was für mich von noch größerer Bedeutung war, eine Oberweite, die sich sehen lassen konnte. Ihr Gesicht unter dem kurzen, blonden Haarschopf war nichts besonderes, doch als unsere Blicke sich trafen, schenkte sie mir ein Lächeln, das für ihre reizlosen Gesichtszüge entschädigte. Shae… Der Wirt erklärte knapp, was von ihr verlangt wurde, und ich hörte mich selbst sagen, sie könne doch heute Nacht zu meinem Zimmer kommen und sich meine Kleider abholen. Sie willigte ein und warf mir einen langen und viel sagenden Blick zu, der mir versicherte, dass ich die Nacht nicht alleine verbringen musste.
 

Shaes Nähe ließ mich meine Sorgen für ein paar Stunden vergessen, doch als die Laken wieder abgekühlt waren wand ich mich aus ihrer Umarmung und entzündete am Tisch eine Kerze, um an meinem Roman zu arbeiten. Ich hatte den Wirt in dieser Hinsicht nicht belogen, auch wenn das Verfassen eines Buches bei Weitem nicht das primäre Ziel meiner Reise darstellte. Es war ein netter Zeitvertreib, welcher mir gleichzeitig dabei half, die Erfahrungen zu verarbeiten, die ich auf meiner bisherigen Reise gesammelt hatte.
 

>Einsame Rose, welk und müde… Leeres, leeres Glas…< war alles, das ich schrieb, und das war noch nicht mal ein Bestandteil meines Buches. Tatsächlich handelte es sich um den Anfang eines Liedes, das ich vor ein paar Tagen (Wochen? Monaten?) von einem alten Fischermann aufgeschnappt hatte. Er hatte es halb betrunken mit rauchiger Stimme vor sich hin gesungen, und die Melancholie dieses Anblicks hatte sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Ich hatte mich in diesem Augenblick beinahe genauso verloren gefühlt wie er.
 

>Alles bezahlt… Der Rest war Liebe, doch die…< Doch die liegt längst im Grab… Ich war nicht fähig, den Satz zu Ende zu schreiben, und das ärgerte mich. Ich hatte geglaubt, die lange Reise hätte mich abgehärtet, zumindest ein wenig stärker gemacht, doch es schien sich rein gar nichts geändert zu haben. Verärgert klappte ich das Buch zu und löschte die Kerze. Ich überlegte für einen Augenblick, mich zurück zu Shae zu legen, meinen Arm um ihre Hüfte zu schlingen und endlich einmal Ruhe zu finden, doch nachdem der Liebesakt vollbracht war, hatte ich niemals das Bedürfnis an Ort und Stelle zu verweilen. Also streifte ich mir meine – noch immer von Staub und Schweiß steifen – Kleider über und zog leise die Zimmertüre auf, um die Treppen hinunter in den Schankraum zu nehmen, den ich um diese Uhrzeit natürlich dunkel und leer vor fand. Also ging ich weiter, hinaus aus der Eingangstür und die Straße hinunter, auf der Suche nach einer Bar, die zu dieser Stunde noch geöffnet hatte.
 

Fündig wurde ich nicht. Natürlich nicht. War ich denn immer noch Konohas buntes Treiben gewohnt? Das musste aufhören!
 

Ich erinnerte mich noch zu gut an die Stadt, in der ich meine Jugend verbracht hatte. An den großen Felsen mit den eingemeißelten Gesichtern der Hokage. An den Fluss und die breite, gewundene Geschäftsstraße, an die Akademie und den Verwaltungssitz, an den immer blauen Himmel, an die Geräusche von Gelächter und Kunais, die sich trafen, an den dunklen Wald, in dem die Shuunin- Prüfungen abgehalten werden, an die Angst die ich dort hatte, an Orochimaru und Tsunade, an mein Versagen, an das leise Rascheln der Blätter im Wind, an den Sonnenschein… Und an die Nacht… An die Dunkelheit. Jedes Mal wenn ich an Konoha dachte wurde die Erinnerung getrübt von den Vorfällen, die mich dazu zwangen, der Stadt den Rücken zu kehren. Ich wollte es endlich vergessen, doch gleichzeitig wusste ich, dass alleine Verbitterung mir dabei helfen würde, meine Suche fortzusetzen. Wie einfach wäre es, einfach abzuschließen und mein früheres Leben wieder aufzugreifen…. Das durfte niemals geschehen.
 

Die aufgehende Sonne fand mich gedankenverloren auf einer Parkbank sitzend wieder. Ich spielte mit dem Gedanken zurück zur Taverne zu gehen, bis mir auffiel, dass meine Habseligkeiten neben mir auf der Bank lagen, Mantel, Rucksack und alles. Der Mantel machte einen zerknitterten Eindruck, worauf ich schloss, dass ich zumindest für kurze Zeit geschlafen haben musste. Das war gut. Nächte ohne Schlaf brachten Tage voller Anstrengung mit sich.
 

Ich schnallte mir also meinen Rucksack um und setzte meinen Weg fort. Ich kaufte Vorräte und verließ das Dorf auf schnellstem Wege, Shae und die Aussicht auf frische Kleidung hinter mir zurück lassend. Nur eine Nacht und eine Hure mehr auf meiner langen Reise.
 

Ändern tat sich nichts. Nichts Wesentliches. Nicht für eine lange Zeit. Es lief alles nach ein und demselben Schema ab, der Tag folgte der Nacht und die Nacht dem Tag, der Tag fand mich schweigsam und lauschend und nachdenkend und nassgeschwitzt auf einer staubigen Straße wieder, und die Nacht wenn ich Glück hatte in einem Freudenhaus, wenn ich nicht ganz so viel Glück hatte im schäbigen Zimmer einer billigen Absteige, und wenn ich Pech hatte am Wegesrand an einem fast herunter gebrannten Feuer.
 

Shae wurde von einer lebhaften Erinnerung zu einer verschwommenen Kontur ohne Farben, bis ich schließlich ihr Aussehen mitsamt ihrem Namen und ihrer Existenz vergessen hatte. Menschen wurden zu Nummern, die ich ihnen gab, zu gesichtslosen Körpern, die auf der Straße des Lebens wandelten, ohne einen bestimmten Sinn oder Zweck zu erfüllen. Ich redete mir ein, dass ich keiner von ihnen war, dass mein Leben…, meine Reise zumindest einen Sinn hatte. Doch irgendwie bekam ich das Gefühl, immer weiter vom Pfad meiner Bestimmung abzuweichen und den Blick für das zu verlieren, was wirklich wichtig war.
 

>Und ich wart` nicht bis es Frühling wird, ich will nach Hause, will nach Hause…< murmelte ich vor mich hin, vergeblich versuchend, mir die Melodie des Liedes zurück ins Gedächtnis zu rufen.
 

>Das nächste Schiff, das vor Anker geht, bringt mich nach Hause, nach Hause… zu mir…< Ich konnte umkehren und versuchen, den alten Seemann wieder zu finden und ihn das Lied erneut für mich singen zu lassen. Doch ich war mir nicht sicher, ob ich den Weg zurück finden würde, geschweige denn ob besagter Mann nicht längst fort war. Aber was hätte das geändert?
 

Ich war kurz davor, meine Reise abzubrechen und das zusammen zu kratzen, was mir von dem Mann, der ich einmal gewesen war, noch blieb...
 

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Fortsetzung folgt…?



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