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HoroxRen - dieses Mal in erstaunlicher Zusammenstellung! abgebrochen
von

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1 Kapitel

1 Kapitel
 

Immer noch rauchend, im Geiste sowohl in der mageren Realität, schien der Junge nun aus dem Fenster zu blicken, so gut es eben ging. Seine Sicht wurde von einem gewissen Gestrüpp versperrt, was sich Baum nannte. Wieso hatten die hier überhaupt so viel Grünzeug? Ein riesiger Rasen tat sich vor ihm auf, der anscheinend nicht wie früher in der Schule mindestens wöchentlich gemäht wurde. Viele Blumen und kleine Beete zierten den Streifen rund um das Gebäude, was in dem hellen Sonnenlicht Besucher sicher blendete…
 

Vielleicht hieß es deswegen ´Sonnenschein´? Alleine der Name hatte ihm nicht gefallen, aber diese neue Therapie schien wirklich nur hier statt zu finden. Die Zeit zu überstehen war nicht das Problem, der Muskelmann von vorhin musste mehr als einmal japsen wegen den vielen Büchern, die er mit sich schleppte. Sein Grinsen musste er sich dabei verkneifen, schließlich war er hier vielleicht schneller, aber sicher nicht kräftiger als Mister Supermann in Spe.
 

Allerdings sah er hier nirgends einen Zigarettenautomaten!
 

Wütend fuhr er sich durch die Haare, ehe er die Asche des Restes aus dem Fenster kippte. Leider traf er dabei niemanden. Also musste er es sich einteilen, wozu er bisher noch nie gezwungen war. Ein verdammtes Laster sollte der Mensch doch haben dürfe, oder? Schließlich war er doch genug bestraft…
 

Und wo war sein Möchtegern Bettnachbar? Innerlich kam ein Horrorszenario nach dem nächsten durch seine Gedanken. Mit was würde er es zu tun haben? Einen potenziellen Selbstmörder? Einer, der Scherben schluckte? Mit Hodenkrebs?

Hier schien alles möglich, oder?
 

Aber er schien wenigstens gehen zu können, er oder sie, wohlgemerkt. Obwohl ein Kerl sicher besser wäre, als ein überfürsorgliches Mädchen. Mit Dicken und Dünnen wussten die meisten umzugehen, mit Behinderten dagegen nicht. Wie jämmerlich, wenn man es genau betrachtete. Was soll´s.
 

Wo blieb dieser… Mensch denn? Alleine kam er nicht in die obersten Regale, und anscheinend sollte er heute bereits alles auspacken, und wollte es auch, denn wenn er eins nicht leiden konnte, dann aus Koffern zu leben!

Aber kaum war er fertig mit dem fluchen und vor sich hin murmeln, öffnete sich schon die Tür.
 

Verantwortungsbewusste hatte der Junge, der im Herzen noch immer ein Kind war, das kleine Tierchen sicher nach draußen in seine Heimat, das hohe Gras, entlassen. Als er dabei auf ein kleines Kleeblatt stieß, vergaß er auch gleich alles um sich herum und suchte fieberhaft nach einem Vierblättrigen. Vielleicht konnten ihn seine Eltern oder seine große Schwester dann wieder besuchen...
 

Zu allem Bedauern fand er leider keins und ging so unverrichteter Dinge wieder zurück, denn langsam spürte er Hunger. Vielleicht konnte er vor dem Essen auch noch etwas mit seinem Game Boy spielen, darauf freute er sich immer wieder.

Als er wieder in die Eingangshalle trat sah er auch gleich auf die Uhr, es blieben noch ein paar Stunden bis zum Essen, leider. Doch in Vorfreude auf sein Lieblingsspiel lief er dennoch gleich schneller zu seinem Zimmer. Er öffnete die Tür gewohnt schwungvoll und warf sie mehr hinter sich zu. Kurz erschreckte er sich dann, als er einen fremden kleinen Mann in seinem Zimmer sah. Irritiert starrte er jenen direkt an, mit einer Mischung aus Angst und Verwirrung.

"Was machst du hier? Wer bist du? Ich kenne dich nicht..."
 

Fremden gegenüber war er schon immer recht scheu gewesen. Dies war auch deutlich daran zu erkennen dass er einen Sicherheitsabstand hielt und sich nahezu an die Tür drückte als könne er noch weiter zurückweichen. Gleichzeitig trieb ihm auch ein grässlicher Gestank die Tränen in die Augen. So etwas hatte er hier noch nie gerochen, woher kam das?
 

„Die Frage lautet eher: was machst du hier? Ich wohne jetzt für eine Weile hier, also?“ meinte der Rollstuhlfahrer eher genervt. Noch erkannte er nicht, dass er keinen normalen Jungen vor sich hatte. Das er schüchtern… wenn nicht sogar verängstigt zu sein schien, musste noch lange nichts bedeuten. Seine Zigarette war gerade zu Ende, sodass er noch ein letztes Mal daran zog und sie dann aus dem Fenster schnippte, weiter abwartend, was passierte.

Vorerst rollte er sich aber ein Stück zurück und machte dann eine Wende, um diese großen blauen Kerl unter die Luppe zu nehmen. Und stutzte dann. Irgendetwas stimmte nicht… oder irrte er sich?
 

„Warum bist du den hier in dieser Reha gelandet?“
 

Jener unscheinbare Junge bemerkte nun auch was Ren in der Hand hatte und war nahezu entsetzt als er die Kippe einfach so aus dem Fenster warf. Entrüstet stürzte er auch auf das Fenster zu und sah hinunter. Aus der Höhe konnte man locker nach draußen Springen, da es nur etwas höher als das eigentliche Erdgeschoss war, damit darunter noch Platz für Kellerfenster war.
 

"Nein! Was tust du? Wenn es so stinkt kommen sie nicht wieder... "
 

Tottraurig und vorwurfsvoll blickte er seinen scheinbar neuen Zimmergenossen mit großen Augen an. Wie sollten die Armen Marienkäfer auch den Weg zu ihm zurück finden wenn es unter seinem Fenster und in dem Zimmer nun so ekelhaft stank?

Jegliche anderen Fragen waren inzwischen schon wieder vollkommen aus seinem Bewusstsein getilgt. Er lebte für den Moment, wortwörtlich.
 

Erschrocken rollte der im Moment Kleinere ein kleines Stück zurück, als der Junge nun einmal zum Fenster stürmte. Nein, nicht Junge, sondern Mann! Der Kerl war sehr viel größer als er! Alleine sein Gesicht wirkte schief… Und von was verdammt redete er da?
 

„Wer soll bitte wieder kommen? Vögel?“ fragte er stumpfsinnig. „Außerdem wird man doch wohl noch mal eine rauchen dürfen!“ Kurze Stille entstand. „Wer bist du den nun eigentlich, Schlaumeier?“
 

Der junge Mann schüttelte daraufhin nur den Kopf und hustet kurz als ihm eine neue Wolke des beißenden Qualms in die Nase stieg. So wedelte er nur recht hilflos vor seinem Gesicht mit der Hand um den Geruch zu vertreiben. Das mochte er definitiv nicht.
 

"Nein! Die Marienkäfer!"
 

Er sprach das Wort mehr wie ein Kind aus, als ein Erwachsener Mann, dennoch entsprach es seinem Wesen. Dann stutze er kurz, war es doch lange her, dass ihn jemand nach seinem Namen gefragt hatte. Hier kannte ihn immerhin jeder, nur ein weiteres Zeichen dafür, dass es ein Fremder war. Doch nun legte er sein leicht schiefes Grinsen wieder auf.
 

"Horokeu Usui... du kannst auch Horo sagen..."

Nahezu freudestrahlend gab er diese Information nun preis.
 

Hätte der im Moment Kleinere noch geraucht, wäre die Zigarette ohne einen Zug abgebrannt. Seine Gedanken waren erst leer, verdutzt, bis er laut meinte:

„Marienkäfer?! Um so einen scheiß machst du dir Gedanken? Bist du fünf oder was??“ Entsetzt sah er ihn an, zugleich wütend und mehr als genervt, dass ihm so ein Kindskopf begegnete! Und mit diesem Kerl musste er sich nun ein Zimmer teilen? Stöhnend sank er zurück. Was sollte das denn werden?

Das schiefe Grinsen ließ ihn dann die Hutschnurr hochgehen.

„Man! Bist du doof oder so etwas?“ sprach er ohne nachzudenken aus, sich den Kopf haltend. Wie sollten sie miteinander aus kommen?
 

Der angesprochene stutzte da kurz. Und wurde plötzlich still. Er hatte das schon oft gehört, vor allem bevor er hier war. So fasste er sich langsam und schluckte kurz. Es tat dennoch weh es wieder zu hören. Was war so falsch an ihm?

"Ich bin nicht doof..."

Ein beinahe verletzter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit und ließ ihn auch gleich ernster wirken.
 

Dennoch hatte er kindlich beleidigt das Gesicht abgewandt. Ihm gefiel auch der Ton mit dem der Fremde da mit ihm sprach überhaupt nicht. Er mochte ihn nicht. Er spürte wie ihm die Tränen kamen und wischte sich schnell übers Gesicht um sie zu verstecken.

Schließlich hatte er seiner Mutter versprochen nicht zu weinen, wenn sie nicht da waren. Er ging langsam noch ein paar Schritte weg von Ren, er wollte nicht noch mehr beleidigt werden. Der Mann war böse. Er verjagte die armen Marienkäfer und beleidigte ihn. Er mochte ihn definitiv nicht. Zudem stank es noch immer so ekelerregend im Zimmer.
 

//Ach du Scheiße…//
 

Immer noch entsetzt, und vor allem wirklich an ein Kleines Kind erinnert, blieb der Schwarzhaarige noch auf der Stelle. Was sollte das werden? Wie sollte er mit einem… geistig Behinderten auf Höhe eines Fünf Jährigen klar kommen?

Vieles konnte man ihm nachsagen, das er rauchte und unhöflich war, verletzend, sarkastisch und direkt, aber eines war er nicht: sich seines eigenen Charakters nicht bewusst. Selbst wenn er es nicht wollte, würde er diesen… Horo? ... verletzen, oder gar beleidigen. Und vor allem, wollte er das theoretisch sogar, wenn er dieses kindische Gesicht sah… Kleine Kinder musste man einfach nerven und ihnen klar stellen das sie nicht machen konnten was sie wollten.

Trotzdem würde er ärger bekommen, und musste sich wohl entschuldigen…
 

„Entschuldige, ja? Ich wollte dich nicht beleidigen. Und deine…“ Er traute sich gar nicht, das Wort auszusprechen, so sehr gruselte er ihn, weil das so verdammt süß war. „… Marienkäfer werden sicher morgen wieder kommen, ich rauche ja ab morgen draußen und nicht hier, ja? Irgendwie müssen wir ja miteinander auskommen… Apropos solltest du mit beim einpacken helfen, eigentlich. Wenn du nicht willst, versteh ich das…“

Wow, er war richtig stolz auf sich, das er das so diplomatisch sagen konnte. Fast schon stolz reckte er sich. Es war alles halb so schlimm! Wahrscheinlich musste er ihm nur Süßigkeiten kaufen, dann war alles wieder Heile … Wenn er nur endlich aufhören könnte da halb zu weinen!

„Man, hör auf mit weinen, bist du ein Baby? Ich hab doch gesagt, es tut mir leid!"
 

Noch immer beleidigt und verletzt stand der große kleine Junge von ihm abgewandt da und versuchte sich, seiner Mutter zuliebe, zusammenzureißen, was ihm nach einiger Konzentration auch gelang. So wischte er sich nur noch ungeduldig übers Gesicht ehe er sich wieder herumdrehte. Er hatte ihn ja währenddessen gehört. Und er fühlte sich etwas besser, immerhin schien der böse Mann nicht vollständig böse zu sein.

Dennoch würde er sich noch vor ihm hüten, sonst tat er aus Rache den armen Marienkäfern vielleicht noch etwas an.

Langsam nickte er so, ehe sich jedoch ein etwas fragender Ausdruck auf sein Gesicht legte.
 

"Warum soll ich dir denn helfen? Kannst du nicht stehen?"
 

Eine naive Frage. Von einem kindlichen Verstand, der aus der Tatsache, dass Ren im Rollstuhl saß, noch nicht mehr schloss, als dass er in einem Stuhl saß mit dem man bequem umher rollen konnte. Ein Spielzeug genaugenommen. Die Schwestern fuhren öfter einige Patienten in solchen Stühlen umher, aber die konnten eigentlich alle selbst laufen, waren nur zu bockig oder zu schwach. Er selbst durfte hin und wieder auch mit einem umherfahren. Es machte wirklich Spaß, also warum war jemand so böse wenn man in so einem lustigen Stuhl sitzen durfte?
 

Der im Moment anscheinend wenigstens geistig Ältere schaute diesen Kerl kurz an, ehe er lachen musste. So eine Frage war in seinem Leben noch nicht aufgetaucht! Das Lachen hatte nichts Freundliches an sich, es war eher sarkastisch und fast traurig. „Nein… ich kann nicht stehen, ich bin querschnittsgelähmt, Großer. Das heißt…“ erzählte er weiter als würde er es einem Kind erklären, welches er ja anscheinend vor sich hatte, „ das ich nicht laufen oder stehen kann, weil meine Beine taub sind. Ich kann sie weder bewegen noch fühle ich etwas mit denen.“ Er deutet auf seine inzwischen ziemlich schlaffen Gliedmaßen. Oft blickten ihn Leute an ohne etwas zu sagen, starrten einfach nur und er konnte das Mitleid in ihren Augen sehen. Sowas kotzte ihn an! Aber dieses… Kind hier stellte wenigstens offen und ehrlich, wenn auch ziemlich unsinnige, Fragen.
 

Dieses trockene Lachen hatte ihm zuerst Angst gemacht, weshalb er aus Angst vor Gefahr noch weiter zurückgewichen war. Doch er spürte nun auch die Traurigkeit die von dem anderen ausging, auch wenn er es selbst nicht erklären konnte, wusste er dass keine wirkliche Gefahr von ihm ausging. So traute er sich langsam wieder heran und setzte sich ihm gegenüber auf sein Bett. Er begutachtete die Beine des anderen, wo die Erklärungen doch recht kinderfreundlich gehalten waren. So konnte auch er langsam verstehen.
 

"Aber sie sehen nicht anders aus als meine! Warum funktionieren sie dann nicht wie meine? Oder werden meine auch noch so?"
 

Völlig erstaunt mit weit aufgerissenen Augen deutete der große kleine Junge zwischen seinen und den Beinen des Fremden hin und her, ehe er ihn mit den großen runden Augen fragend und fast schon erschreckt musterte. Immerhin hatte ihm das noch niemand gesagt, dass er einmal so werdn würde. Auch konnte er sich sonst nicht erklären warum der andere so sein sollte.

"Wurdest du verhext?"

Eine einfache naive Frage und doch haftete wohl mehr Wahrheit an ihr, als an den meisten sterilen, klinischen Berichten jeglicher Spezialisten.
 

„Mhh, verhext?“ meinte der Querschnittsgelähmte etwas zu sich selbst. Traf das zu?

„Könnte man so sagen. Und nein, deine werden nicht so…“ Fälle zu nennen, das es bei ihm auch gegeben falls passieren könnte, waren hier unnötig. „Wie soll ich dir das erklären…“ murmelte er dann weiter vor sich hin. Wie erklärte man einem sichtlichen Kind, was für andere schon vorneherein klar war? Vor allem, hörte er den nie mit Fragen auf? Seine Geduld kannte auch Grenzen.
 

„Ich hatte einen Unfall, und da wurde meine Wirbelsäule verletzt. Die hier den Kopf runter verläuft.“ Beim sprechen deutete er es mit dem Finger an, indem er seinen Nacken abwärts deutete. „Das kann tödlich sein, aber bei mir war es nur eine Querschnittslähmung, die dabei heraus kam.“ NUR war gut. Er wäre lieber gestorben, als so von allen von oben herab betrachtet zu werden! Unwillkürlich ballte er die Hand und sein Blick wurde finsterer.
 

Der Junge hörte aufmerksam zu, war es doch echt interessant was der Fremde ihm da erzählen konnte. Soviel Mühe hatte lang niemand mehr mit ihm gemacht. Man hatte schon vor einiger Zeit aufgehört zu versuchen ihm neue Dinge beizubringen, seinen Geist anzustrengen und zu fördern. Als man dabei auf eine Blockade traf hatte man es schnell aufgegeben. Seither war er hin und wieder der Laufbursche für die Schwestern oder einfach der große, kleine Junge, der von allen nur mitleidig belächelt wurde.
 

'Die armen Eltern...'
 

Auch wenn es die Schwestern es nicht ahnten, er hörte es jedes Mal, wenn sie es sagten und wenn nicht, dann sah er es in ihren Augen, klar und deutlich. Kinder sind nicht dumm.
 

"Das muss ein schlimmer Unfall gewesen sein...."
 

Stellte der überhaupt nicht dumme Junge nachdenklich fest.

Doch schließlich lächelte er den armen Verhexten an, diesmal nicht ganz so schief wie sonst. Er schien schon fast zu strahlen.
 

"Aber es ist schön, dass du nicht tot bist. Das ist doch toll! Sonst könntest du gar nicht mehr in dem tollen Stuhl herumfahren!"
 

Ein einfaches naives Lächeln und so einfache Worte, und doch meinten sie das wichtigste. Er lebte, war das nicht die Hauptsache?
 

Der Schwarzhaarige dagegen wusste das ja nicht, das dieser Kerl, dieser Horo, so behandelt wurde; ihm war es eine Selbstverständlichkeit, das Leuten, die etwas nicht wussten, genau jenes erklärt wurde. Er war selbst eben so erzogen worden, und dazu noch viel zu früh erwachsen gewesen. Vor ihm wurde keine Realität versüßt. Und der Kerl vor ihm hatte mehr Jahre auf dem Buckel als er selbst! Da musste man sich weis Gott nicht zurück halten…
 

So antwortete er mehr in Trance. Diese Worte hatte er schon oft gehört. Und die darauffolgenden auch. „Ja, es war ein schlimmer Unfall… und nein, ich freue mich nicht, dass ich nicht tot bin.“ Seine Tonlage war so trocken wie die Sahara Wüste, und er blickte dann mit der Erwartung zu dem Blauhaarigen, das jener sicher mehr als erschrocken gucken würde. Wenn er nämlich das nicht erwartete sagte, das er dabei am liebsten gestorben wäre, wurden die meisten bleich und fingen an zu stottern, zu stammeln und sich heraus zu reden. Das alles sei doch nicht so wild, er werde schon sehen, pah! Als ob einer von ihnen schon jeweils in dieser Lage gewesen wäre! Ihn auch nur einen hauch verstehen würde!
 

„Ich kann diesen Rollstuhl überhaupt nicht leiden! Ich würde ihn am liebsten durch die Kante schmeißen! Weißt du wie es ist, nicht mal eigenständig auf das verdammte Klo gehen zu können? Nie das Regal zu erreichen, was man wollte? Das alle einen von oben herab ansehen und ich hab nicht mehr mitgezählt wie viele Gebäude eine Treppe haben, die ich ohne Hilfe nicht rauf komme? Das ich nicht mal eine Braut flachlegen kann, geschweige den anständig scheißen…? Darf man sowas überhaupt leben nennen?“
 

Irritiert von vielen Worten dessen Bedeutung er nicht kannte sah er seinen armen verhexten vielleicht Freund weiter an. Wie er sich immer weiter hinein steigerte und vor sich hin fluchte. Und doch verstand er soviel. Er war nicht glücklich. Nicht glücklich in dem tollen Stuhl zu sein. Nicht glücklich zu leben. Einige der Gründe hatte er erfassen können, so beschränkte er sich darauf.
 

"Aber ich kann dir doch was aus dem Regal geben... oder dich die Treppe hochziehen... ich bin ganz stark!"
 

Gab er dabei nicht ohne Stolz gleich wieder on sich und straffte seinen Rücken. Dabei fiel auf, dass er durchaus eine sehr männliche, ansehnliche Statur hatte. Nur wollte der Verstand nicht recht dazu passen. Unter anderen Umständen wäre er vielleicht Student gewesen, hätte eine Freundin nach der anderen. Ein normaler junger Mann.

Doch er hielt kurz inne, scheinbar um zu überlegen ehe er weitersprach.

"Ich hatte auch mal einen schlimmen Unfall... ich weiß es nicht mehr, das haben mir nur die Schwestern gesagt... darum bin ich glaube ich auch hier... sie sagen man kann jetzt Magneten an meinen Kopf machen!"

Dabei strahlte er wieder, als wäre das eine Fähigkeit, der Supermanns gleich. Kurz darauf verfiel er in leichtes Gelächter über sich selbst, ehe er sich wieder fing. Er hielt inne als wäre ihm wieder etwas eingefallen.

"Ach ja... wenn du tot bist... müssen die anderen Menschen, dann nicht noch tiefer zu dir runter gucken? Du liegst doch dann in einem Grab oder? Und wird deine Mama nicht traurig sein? Meine sagt immer sie ist froh, dass ich nicht gestorben bin..."

Er lachte wieder, diesmal sanfter.

"... aber sie weint auch immer, wenn sie das sagt..."

fügte der große, kleine Junge schließlich nur noch nachdenklich hinzu.
 

Der Chinese war so gefangen gewesen von seiner eigenen Rede, und dann fast schon so perplex von der Dummheit des Gegenübers, das er einfach mal sprachlos war.

Dieser Blauhaarige Kerl sollte das für ihn tun? Ja, klar, das konnte jeder, aber nicht er selbst! Und genau diese fehlende Eigenständigkeit machte ihn doch so wütend. Und er hatte langsam keinen Nerv mehr dafür, diesem Kind etwas zu erzählen. Genauso wenig interessierte er sich für dessen Krankengeschichte!
 

„Dann bist du wohl Super-Metall-Mann, was?“ sprach er eher sarkastisch. „Und nein, wenn ich Tod wäre, wäre meine Seele im Himmel und dann könnte ich auf euch alle runter spucken.“ Mit einem Grinsen musste er sich das vorstellen, da würde er so manchen gerne mal Kleber in die Haare schmieren…
 

Aber nun hatte er langsam wirklich genug. Musste er hier Psychiater spielen? Sich die Sorgen eines Kindes anhören? Und dem Kleinen zu erklären, das seine Mutter wahrscheinlich log und ihn am liebsten Tod anstatt so behindert gehabt hätte, wäre für ihn sicher der Schock seines kindlichen Lebens gewesen.
 

„Mich interessiert nicht, was deine Mutter sagt, verstanden? Meiner war es egal, ob ich lebe oder sterbe, weder weint sie noch lacht sie, alles klar? Und wenn du mir jetzt nicht helfen willst den Koffer auszupacken, dann verzieh dich. Im Gegensatz zu dir brauche ich dann etwas um in die dämliche Kantine zu kommen.“
 

Erst legte sich noch ein Lächeln auf die Lippen des Jungen, doch schnell war es wieder zu einer angsterfüllten Fratze verzogen. Ihm gefiel dieser Ton nicht. Er hatte etwas Böses, Unheilvolles. Erschrocken schreckte er so zurück und brauchte etwas ehe er wusste was der andere von ihm wollte.

Verschreckt nickte er nur und ging schnell zum Koffer des anderen. Aus Angst er könnte ihm weh tun, wenn er nicht tat was er ihm sagte. Oder ihn wohl noch anschreien.
 

Etwas unbeholfen nahm er nun einfach Sachen aus dem koffer und verteilte sie scheinbar wahllos im Schrank. Der einzige Gedanke der ihm jetzt durch den Kopf ging war Flucht. Er hatte es gewusst. Dieser Junge war böse und gemein. Und er hatte Angst vor ihm. Am besten kam er ihm nie mehr zu nah, sonst verhexte er womöglich auch noch seine Beine. Er schauerte bei dem Gedanken und verließ auch fluchtartig den Raum als er den Koffer in Windeseile geleert hatte.
 

„Heh, heh…“ wollte er ihn aufhalten, als er die ganzen Sachen so in Windeseile willkürlich in den Schrank packte. Wie sollte er da oben an die Shirts rankommen? Und Bücher packte man nicht zu den Schuhen! Aber dieser Kerl gehorchte anscheinend einfach nicht. Und war dann schon verschwunden.
 

Hatte er ihm etwa wirklich Angst gemacht? Irgendwie hatte er daraus ein gutes Gefühl erwartet, so wie wenn man das Kartenhaus eines anderen zerstört. Aber er fühlte eigentlich nur… Mitleid. Und das war selten bei ihm. Andere kleine verzogene Bälgen hatte er schon auf der Hinfahrt erschreckt und das Fürchten gelehrt, sie waren natürlich fast schreiend zu Mama und Papa gelaufen und sowas. Das hatte Spaß gemacht, so verzogen wie sie waren. Aber hier… das machte überhaupt keinen Spaß.
 

Missmutig drehte er sich in seinem Stuhl und rollte zum noch offenen Schrank hin, kramte sich mühevoll ein Buch heraus und legt es wenig später auf den Nachtschrank.
 

Eigentlich war Essenszeit… obwohl er eher Hunger auf eine Zigarette hatte. Aber mit denen musste er ja sparsam umgehen. Und er hörte die Worte seiner Schwester noch halb im Ohr, er müsse ja etwas essen und zunehmen. Ja, ja.

So rollte er außerhalb des Zimmers und zog nach einer Drehung des Rollstuhls die Tür hinter sich zu. Nun war er ganz alleine in dem Flur, und wusste zugegebener weise nicht recht, wo er lang musste.

Schulterzuckend rollte er Richtung des nächsten Fahrstuhls; irgendwo würde er schon landen. Wenn er das Essen verpassen würde, wäre es ihm nur umso rechter.
 

Der Verängstigte Junge hatte sich zunächst nach draußen geflüchtet, natürlich zu seinem momentanen Lieblingskleefeld.

"Er ist so gemein... er macht mit Angst..."

Teilte er so gerade dem interessierten Weißklee mit, welcher sich nur wie in Zustimmung leicht im Wind wiegte.

Der große, kleine Junge hockte weiter neben seinem Freund und stocherte monoton in die Erde, schien sich zu sammeln. Auch wenn die Schwestern vor ihm eine sorgsame Wortwahl hatten, hatte er hin und wieder doch dieses oder jenes "böse Wort" aufgeschnappt. Auch wenn er nicht immer genau wusste was sie hießen kannte er doch das ungefähre Anwendungsgebiet.
 

"Er ist so ein... A... A-arsch!"
 

Schließlich brachte er das ungewohnte Wort nun doch noch über die Lippen. Verfiel darauf aber gleich in kindisches Gekicher darüber, dass er es wirklich gesagt hatte. Der Weißklee nickte weiter zustimmend.

So langsam hatte er sich selbst wieder etwas aufgemuntert und den bösen Jungen im lustigen Stuhl schon wieder fast vergessen. Als er die Eingangshalle wieder betrat stellte er fest, dass es nun auch Essenszeit war, also machte er sich auf zum Speisesaal. Immerhin wollte er nicht wieder von den Schwestern ausgeschimpft werden, warum er denn nicht beim Essen war.
 

+*+*+



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  Meeresstern
2009-12-28T02:00:45+00:00 28.12.2009 03:00
woah! o_O
das ist richtig gut!
es ist gut gemacht, es hat ne ernste thematik, gefällt mir!
nur im prolog wird noch nicht eindeutig genug beschrieben das ren im rollstuhl sitzt, finde ich, das einzige das kommt ist das er zum zimmer rollt, ohne die vorkenntnisse dank der beschreibung wäre das zu wenig an information.

ich habe etwas gerungen bevor ich angefangen hab es zu lesen, da ich ja so ein sensibelchen bin was ernste themen angeht, aber das hier ist ein meisterwerk!
ich bin beeindruckt und intressiert
eure formulierungen sind echt gut, die umsetzung, wie bereits gesagt, eins ah, die untershciedlichen gefühlswelten nachvollziehbar beschrieben und trotz des ernstes und der verzweiflung sehr herzlich, vor allem dank horo. ihre jeweiligen behinderungen sind gut zum ausdruck gebracht. vor allem das kontrastieren der beiden charaktere ist gut, es lockert die atmosphäre immer wieder auf, und macht die fic so herzlich, ich weis nicht genau wie ich es beschreiben soll ....
was ich meine ist halt das da so hin und wieder solche awww~ momente drinne sind x3
ich bin absolut überweltigt! <3
auch die rollen verteilung gefällt mir, und das ihr es trotz dieser schafft dem charakter der den beiden protagonisten ja ursprünglich von shaman king erschaffer takei gegeben wurde gerecht zu werden.
so nun muss ich aba langsam das zweite kapi lesen ^.~
...
mhh da fallen mir aba n paar logik fehler auf, ahrg sry >,< wo ich grad den komi von einfaso lese, es stimmt shcon, ich wurde auch etwas stutzig in bezug darauf in welcher art klinik sich die beiden befinden öö
vor allem, da diese ja anschienend nicht auf rens bedürfnisse zugerichtet ist, man müsse doch meinen das sie zumindest das zimmer so einrichten können, dass er ohne hilfe klarkommt....
naja aba das sind logikfehler die erlaubt sind einzubauen da sie ins story konzept passen XD" *hiks*
und es gibt ja so klinik-komplexe, wo dann alles auf einen haufen ist, nur in unterschiedliche stationen unterteilt, dann is er wohl in nem andren bereich denn die essgestörten
trotzdem ... körperlich und geisitg behindert im selben raum ....
ich kann mal meine schwester fragen ob das möglich ist, sie arbeitet in so einem klinik-komplex ^^"
und ansonstn, wie gesagt manchmal muss man die logik zu gunsten der story beugen! >,<
Von: abgemeldet
2009-05-29T18:51:52+00:00 29.05.2009 20:51
Hi,

alle Fälle die Sache mit dem Marienkäfer fand ich total niedlich – Ren’s geschockten Gesichtsausdruck kann ich mir bildlich vorstellen. Aber auch die Aktion auf der Wiese als er Ren erst einmal als Arsch beschimpft hat, was so was von typisch 5 Jähriger like ^^

Auch die Sache wie Ren vor sich hin geflucht hatte, dass er diesen Rollstuhl mehr als alles andere hasste. Jetzt bin ich mal gespannt, ob er beim Speisesaal ankommt.

Mach weiter so

Bye Tsunakai
Von:  Pinchi
2009-01-11T13:47:12+00:00 11.01.2009 14:47
Oh, das ist einmal eine interessante Idee und so teilnahmsvoll geschreiben. Man kriegt richtig mit, wie die beiden fühlen und wie sie denken. Das ist eine der besten FFs die ich seit langem gelesen hab. Einfach toll. Ich bin schon sehr auf das neue Kapitel gespannt, ich kann es kaum abwarten^^
lg
Pinchi
Von:  dejulez
2009-01-04T13:49:57+00:00 04.01.2009 14:49
hi
so ich wieder ....
ich finde die idee immmer noch gelungen auch wie ihr die einzelnen charaktere rüberbringt ist einfach unglaublich manchmal erinnert mich das an meine ausbildung wir hatten ein behidertenheim neben an.....
ich kann nur schreiben weiterso ich bin gespannt auf das nächste kappi
mfg
julia
Von:  Mikako-chan
2009-01-04T13:12:37+00:00 04.01.2009 14:12
ui kapi is shcon da~
hab ich vorher ja gar nich mitbekommen... war ja nu relativ lang nich bei mexx xD
njo find ich aber toll dass es wohl so gut ankommt ^^ bin auch gespannt wie wir das noch machen =)
trotz allem~

joa dann auch bis bald =)

Bye, Mika ^^
Von: abgemeldet
2009-01-04T01:34:24+00:00 04.01.2009 02:34
Ja, die Story und die FF ist echt genial!
Kann ich nicht oft genug schreiben XD
Die Art und weise wie du etwas schreibst und beschreibst finde ich einfach klasse ^^
Von:  Violetta
2009-01-03T18:59:16+00:00 03.01.2009 19:59
wie schon im vorigen kommentar geschrieben - ich mag eure ideen ^^y
ich find es zwar furchtbar, dass ihr ren zigaretten gegeben habt, abernaja ... horo wird sie ihm austreiben - sonst treiben sie horo aus x"D
man darf gespannt sein ^^ zurzeit ist ren ja nur der böse mann, der die armen marienkäfer vertreibt ...~

ach, iwie kann ich grad ned schreiben -.-
ihr wisst, was ich mein xD
ich freu mich aufs neue kapitel, undsoweiter halt *lol*


ein frohes neues jahr ^-^
vio
Von:  GreenDarkness
2009-01-03T11:57:33+00:00 03.01.2009 12:57
uh, okay, ich bin die erste..
fuh, tief durchatmen XD

ich finde es wunderbar, wie du das umgesetzt hast. du hast es gut hinbekommen aus der Sicht eines Behinderten zu schreiben. Ich denke mal, ich habe jetzt eine Vorstellung davon, wie es für einen Behinderten sein muss.

Ich find auch Rens Ansichten kommen doch sehr klar rüber XD

und es ist einfach so knuffig, dass Horo über "arsch" lacht XD

man liest sich^^

pacos
Von: abgemeldet
2009-01-03T11:49:36+00:00 03.01.2009 12:49
Hallo!

Also erst einmal : Frohes neues Jahr euch beiden ^^ Auf dass ihr auch dieses Jahr inspiriert bleibt !

Zum ersten Kapitel: Sowohl stilistisch als auch inhaltlich hat mir das Kapitel sehr gut gefallen, vor allem die Mischung aus Intelligenz und Kindesverstand bei Horo fand ich sehr gelungen.
Ich frage mich, in welcher Art Klinikum befinden sich Ren und Horo eigentlich? Anfangs war ja von Essgestörten die Rede, ist Ren also dort weil er zu dünn ist ? Oder soll er in eine Therapie seiner Beine wegen? Und wie kommt es dann, dass Horo als geistig Zurückgebliebener dort ist? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir einmal erklären könntet, wie ihr euch diese Klink gedacht habt.

mfg, einfaso


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