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Porzellan

Nicht nur Glück ist zerbrechlich...
von

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Kapitel 10

Ich kann doch noch schreiben. So ein bisschen jedenfalls. :D

Das nächste Kapitel wird dann wieder länger.
 

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„...wir wünschen Ihnen einen angenehmen Flug. Bei weiteren Fragen, wenden Sie sich bitte an unser Bordpersonal...-“

Schon bevor der Pilot angefangen hatte zu reden, hatte Farin damit angefangen, ihm nicht zuzuhören. Mit verschränkten Armen sah er aus dem Fenster, beobachte die Start- und Landebahn, die langsam unter ihnen davonrollte, und konnte nicht anders, als ein wenig Schwermut zu empfinden. Sie verließen den Boden, der sie wieder zusammengeführt hatte, so holprig der Weg auch war. Nur der wärmende Körper neben ihm war geblieben.

„Goodbye Kanada“, hörte er Bela flüstern und Farin drehte sich zu ihm. Auf den markanten Gesichtszügen lag ein schwaches Lächeln.

„Du bist zwar scheiße kalt, wirst aber immer einen Platz in meinem Herzen haben“

„Was für ein herzzerreißender Abschied“, grinste Farin und spürte, wie sich etwas in seinem Bauch überschlug, als sich das Flugzeug in den Himmel erhob, „wenn du jetzt noch anfängst zu heulen, bist du mein persönlicher Held für...für die nächsten drei Stunden“

Wie auf Befehl verzog Bela sein Gesicht zu einer Grimasse, kniff die Augen fest zusammen und ließ ein trockenes Schluchzen ertönen. Farin hob eine Augenbraue, legte den Kopf schief und schüttelte diesen schließen.

„Und so was will ein Schauspieler sein“, neckte er den Schlagzeuger und lachte laut auf, als er eine Faust als Reaktion darauf in seiner Seite fühlte.

„Verscherz es dir nicht mit mir, Vetter.“

„Ich käme noch nicht einmal im Traum darauf, Herr Felsenheimer“

Es war erstaunlich, wie sich ihre Gesichter während ihrer Unterhaltung immer weiter aufeinander zu bewegt hatten, bis Farin schließlich der herbe Geruch von Aftershave in die Nase stieg. Für einen Moment grinsten sie sich nur an, liebestrunken, geblendet von der Präsenz des jeweils Anderen. Dann atmete Farin tief durch, ließ seine Augen zugleiten und legte seinen Kopf auf Belas Schulter. Als dieser leise zum Reden ansetzte, spürte Farin die Vibration, die der Klang seiner Stimme verursachte, an seiner Wange.

„Willst du mich jetzt noch als Kopfkissen missbrauchen?“

„Ja“, seufzte Farin nur, rundum zufrieden mit der Situation und rutschte ein wenig auf seinem Sitz umher, um sich in eine komfortablere Position zu bringen, „am besten wär's natürlich, wenn du mir noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen würdest“

„Sonst noch Wünsche?“, lachte Bela, Farin jedoch schüttelte nur den Kopf.

„Okay...dann erzähl ich dir jetzt die Geschichte vom kleinen, neugierigen Gitarristen, der durch die ganze Welt reist, weil er alles mal gesehen haben muss“

„Kleiner Gitarrist?“, hakte Farin grinsend nach.

„Das nennt sich künstlerische Freiheit, du Idiot. Und jetzt unterbrich mich nicht in meinem Denkprozess, das wird ganz großes Kino“

Und er erzählte. Erzählte von Motorrädern, blauen Himmeln und so grünen Wiesen, dass Farin den Geruch von frischgemähtem Gras förmlich riechen konnte. Erzählte so lange, bis es zweitrangig wurde, was er überhaupt sagte - viel wichtiger war schließlich, wie er es sagte.

Belas Stimme klang wie geschmolzene Schokolade und Farin musste aufpassen, dass ihr Klang ihn nicht vollkommen lähmte. Erbarmungslos tröpfelte sie in seinen Gehörhang, machte aus seinem sonst so ordentlich gehegten Verstand einen süßlich klebrigen und undefinierbaren Gedankenbrei, der ihn wieder mal nur eine einzige Sache denken ließ: Bela, Bela, Bela. Wie schön wäre es, wenn er für die nächsten langen Stunden des Fluges nichts anderem als dieser Stimme lauschen könnte...
 

Sie traten durch die Eingangstore des Flughafens und ließen ihre Traumwelt hinter sich zurück. Die Realität hatte sie wieder und mit ihr die unterkühlte Stimmung in diesem Land, der Schneematsch auf den Straßen, der, wenn Farin an die endlosen Schneefelder Kanadas zurückdachte, einfach nur jämmerlich erschien. Keiner von ihnen sagte etwas, und so blieb das einzige Geräusch das der Rollen ihrer Koffer und das leise Schmatzen ihrer Schuhsohlen auf dem nassen Asphalt. Ab dem Moment an, in dem Farin aus dem Flugzeug gestiegen war, hatte sich etwas in ihm geändert. Die grenzenlose Zufriedenheit war gewichen, stattdessen lag seine Stirn nun in Falten, der Blick unfixiert auf dem Schlagzeuger. Was ihn so beschäftigte, wurde ihm erst jetzt, hier, kurz vor ihrem Abschied, bewusst: Die Ungewissheit.

Wenn er ehrlich zu sich selbst war, und das war er zu seinem Leidwesen immer, dann musste er sich eingestehen, dass er nicht im geringsten wusste, wie es mit ihm und Bela weitergehen sollte. Die blumige Umschreibung vom Vorabend, dass sie „einfach nur Jan und Dirk“ waren, schien nicht nur naiv und lächerlich, sondern half zudem keinen von ihnen dabei weiter, ihr Gedankenkarussel zum stehen zu bringen. Der Zauber dieses fremden Landes, der Charme der Blockhütte und des Schnees, die Nähe zum Schlagzeuger...all das hatte seinen sonst so berechnenden Geist in ein schnurrendes, verliebtes Mietzekätzchen verwandelt, das fröhlich in seiner Zuckerwattewelt umhersprang.

Der düstere Gedankengang endete jäh, als sich eine fremde Hand unbeholfen an dem Ärmel seiner Jacke entlang tastete und sich schließlich mit seinen klammen Fingern verschränkte. Farin blinzelte kurz ein wenig verwirrt auf und sah dann in das lächelnde Gesicht Belas.

„Denk mal weniger nach und kümmer dich mehr um mich. Ich brauch Aufmerksamkeit“, sagte er mit neckender Stimme und drückte die Hand in seiner ein wenig fester. Sein Grinsen hatte etwas wunderbar Ansteckendes, so dass sich Farin gar nicht dagegen wehren konnte, dass seine Mundwinkel unfreiwillig hochzuckten. Wie schon so oft beneidete Farin seinen Freund in diesem Moment um seine Leichtigkeit, die Unbeschwertheit – und merkte gleichzeitig, wie gut sie seinem eigenen verkopften Wesen tat. Ihre Schritte verlangsamten sich, als sie vor einer Reihe von Taxis ankamen.

Abschied. Hier würden sich ihre Wege nun endlich trennen.

Betreten sah Farin zu Boden, kaute gedankenverloren auf seiner mittlerweile schon geschwollenen Unterlippe und blickte schließlich auf. Für eine Weile wusste keiner von ihnen, wie er beginnen sollte, bis Farin schließlich zögernd seine Arme ausbreitete und den Schlagzeuger anlächelte. Dieser hob nur eine Augenbraue und begann zu schmunzeln.

„Warum so verklemmt?“, grinste er, und anstatt - wie eigentlich gedacht - Farin einfach nur zu umarmen, trat er einen Schritt auf ihn zu und legte seine Hände an die Wangen seines Freundes. Hitze schoss in sein blasses Gesicht hinauf, und bevor Farin reagieren konnte, kam Bela ein Stück näher und küsste ihn. Sanfter als sonst...und seltsamerweise fühlte es sich nach einem stummen Versprechen an.

Ich bleib bei dir, selbst wenn es nur in Gedanken ist. Die Anderen können uns mal.

Langsam schloss Farin seine weit geöffneten Arme um den ruhig atmenden Körper vor ihm. Ihre Herzen schlugen im Gleichtakt, jedenfalls bildete es sich Farin ein. Und er mochte die Vorstellung, mochte sie so sehr, dass er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren wollte, als auf den Rhythmus der dumpfen Schläge in ihrem Brustkorb. Sie verharrten, ließen die Zeit an ihnen vorbeiziehen, gaben diesen unbedeutenden Sekunden durch ihre bloße Berührung einen Sinn.

Der Kuss war vorbei, bevor so etwas Vergängliches wie Lust und Leidenschaft aufkommen konnte. Einzig und allein das Gefühl der tiefen Zuneigung, der Geborgenheit blieb.

„Mach's gut, Jan“, wisperte Bela und strich mit seinem Daumen über Farins blutleere Unterlippe.

„Ich ruf dich an“, antwortete Farin nur benommen. Ein schwaches Lächeln legte sich wieder auf seine Gesichtszüge.

„Und wehe nicht“

Lachend beugte sich Bela ein weiteres Mal Farin entgegen und küsste ihn kurz. Dann umfasste er den Griff seines Rollenkoffers ein wenig fester, schenkte Farin ein letztes ermutigendes Lächeln, und ließ seinen Freund allein.

Allein mit seinen Sorgen, allein mit dem ganzen Blut, das durch seine Adern raste, allein mit dem trostlosen Schneematsch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Big-Pasach
2009-06-08T20:10:57+00:00 08.06.2009 22:10
sie sind so süß >////<
die Stelle mit der Schokolade ist dir echt gelungen! xD
jetzt hab ich Hunger xD
Von:  Jimmey
2009-04-14T13:10:21+00:00 14.04.2009 15:10
So, nach langer Zeit ohne das geliebte Internet, kann ich nun doch wieder FFs lesen und diese hier ist und bleibt eine der besten, und das schzreib ichz dir jedes mal :P
Von: abgemeldet
2009-04-11T22:09:45+00:00 12.04.2009 00:09
Jetzt muss ich auch mal was zu dieser Geschichte hier schreiben :D

Als erstes: Ich finde sie ziemlich perfekt. Fängt schon mit dem Prolog super an, man denkt, ach das wird so ne lustige Geschichte, von wegen Bela und Farin wachen im selben Bett auf und ach Gott, was haben wir nur getan... Aber nein, es geht anders weiter.
Und dann, wie du die Reaktionen der beiden beschreibst... Das ist einfach wahnsinn. Das kapiert man nicht gleich beim ersten Lesen (also eigentlich schon, aber nicht beim flüchtigen lesen), sondern es ist etwas komplizierter, was man sich auch sehr gut bei den beiden vorstellen kann, besonders bei Farin (der bei dir übrigens sehr IC ist, genauso wie Bela. find ich zumindest).

Okay, ich kann jetzt nicht alle Szenen kommentieren, denn wie gesagt finde ich alles toll und alles musste genau so geschrieben sein wie du das getan hast.
Aber das sechste Kapitel, OMG, das ist mein absolutes Lieblingskapitel. Das hab ich bestimmt zehn mal oder so gelesen, ernsthaft. Die Flaschendrehen-Szene ist unglaublich (ich find keine anderen Worte).
Danach geht es super weiter und ich glaub ich hör jetzt mal auf zu quatschen, zu guter Letzt nur noch eins: Schreib bitte schnell weiter und schreib am besten noch sehr viel :) (und vielleicht wäre der Beruf Schriftstellerin ne Option für dich?^^)
Auf jeden Fall liebe ich deinen Bela und vor allem deinen Farin und ich will mehr :D

Liebe Grüße :) (Ich hoffe du kannst mit meinem Kommentar was anfangen XD)

(Äh und ach ja, dass du für ganz viel tolles Kopfkino verantwortlich bist, weißt du hoffentlich ;D)
Von: abgemeldet
2009-04-06T18:08:29+00:00 06.04.2009 20:08
oh man, ich hab echt gedacht der tach heud kann nich noch schöner werden, un dann kann ich auch noch das neue kapitel lesen...perfekt :)
das einzige was das alles toppen könnt wärn lottogewinn, aber da das eher unwahrscheinlich is, freu ich mich einfach über dieses zuckersüße feuerwerk der gefühle (un ernsthaft da wirds einem richtig warm ums herz..herrlich *_*)

der schluss(bzw letzte absatz) is zwar eher negativ, aber deses ...dieses....plüschgefühl siegt im moment xD

ich freue mich wirklich, wirklich aufs nächste kapi :)
Von: abgemeldet
2009-04-06T14:48:11+00:00 06.04.2009 16:48
Man, warum nehmen die mir alle worte weg? *böse Blicke werf*

Es ist schön! Wirklich wirklich schön und süß und wie du die Gefühle der beiden beschreibst ist einfach nur "ganz großes Kino" um es mal mit Belas worten aus dem Kapi zu sagen =)

UND ich kann Fu nur zustimmen: Belas Stimme ist der wahnsinn! Vor allem wie du sie beschreibst und mit schokolade gleichsetzt *quietsch* Einfach herrlich! Da kann man sich die Auswirkungen seiner Stimme vorstellen ohne irgendwas zu hören...oder so^^

Mach weiter so und schreib wieder mehr, ich werd sonst noch wahnsinnig!!
Lg
Von:  Science
2009-04-06T13:46:33+00:00 06.04.2009 15:46
Hallo,

endlich komme ich auch mal dazu, Dir einen Kommentar zu schreiben...
Ich habe mich eigentlich immer drum herumgedrückt, weil es zu 'Porzellan' nichts zu kritisieren gibt - absolut nichts - und dann werden Kommentare schon mal gerne zu diesen nichtssagenden 'Schreib-schnell-weiter-XY-ist-toll-AB-tut-mir-leid'-Quietschekommentaren.

Also, um mal zu beginnen: Kapitel Sechs - das Flaschendrehen-Kapitel - ist mein absolutes Lieblingskapitel. Du schaffst es, ohne dass viel passiert, diese Knister-Stimmung aufzubauen, die einem einen Schauer den Rücken herunterjagt. (Ich meine genau die:


>„Wahrheit oder Pflicht“, flüsterte Farin und riss Bela aus seiner Trance. Ihre Blicke trafen sich und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
>„Pflicht“
>„Beweg dich nicht“, befahl Farin kaum hörbar und Bela fror in seinen Bewegungen ein.)

Und diese zuckersüße Szene am Wasserfall (wobei 'süß' vermutlich das falsche Wort ist):

>„Du hast einfach kein Verständnis für Schönheit“, grinste Farin ohne den Blick abzuwenden und legte seine Hände auf den hölzernen Balken vor sich. Er klammerte sich so fest daran, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Gedankenverloren betrachtete Bela die schlanken Finger und ließ seinen Blick dann weiter hochgleiten zu Farins Gesicht…den geöffneten Lippen, deren Mundwinkel zu einem milden Lächeln verzogen waren…die vor Begeisterung strahlenden Augen…
>Kein Verständnis für Schönheit, dachte er bitter und schüttelte dann den Kopf, um den merkwürdigen Gedanken zu verscheuchen.

Aww, toll. Ich finde keine besseren Worte.
Für die gesamte Geschichte.

Gruß,
Science
Von: abgemeldet
2009-04-06T08:17:48+00:00 06.04.2009 10:17
Oh ist das schööön!
So mitreißend, so richtig mit Herschmerz, so gefühlvoll, so... ach ich könnt immer so weiter machen! ^^
Ich kann mich Mebell nur anschließen, mit deiner Art zu schreiben ziehst du einen so in den Bann, einfach nur klasse! Bitte mehr!!
Von:  Mebell
2009-04-05T20:18:41+00:00 05.04.2009 22:18
"Sie verharrten, ließen die Zeit an ihnen vorbeiziehen, gaben diesen unbedeutenden Sekunden durch ihre bloße Berührung einen Sinn."
Lieblingszeilen :)
Hach, es ist kurz für deine Verhältnisse aber so schön. Die Dialoge wirken so lebendig, so greifbar und echt. Du bist einfach nur verdammt talentiert und eine Meisterin der Worte.
Du kannst mit deinem Geschriebenen Menschen berühren, einen selber ins Geschehen ziehen.
Etwas von dir zu lesen ist wie ein schöner Sommertag. Als plumper Vergleich mal so :D
Neid,Liebe,Frieden,Kekse,Sonne und so weiter...
Die, die sie Mefa nannten


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