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Drachenblut

von

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„Ich möchte unbesiegbar, ja unsterblich sein!“ sagte Valet und starrte auf den unbewegten See hinaus. Kein Lüftchen regte sich in dieser Nacht und es war still. Beinahe zu still für diese Jahreszeit, denn nicht mal das Zirpen der Grillen oder das Quaken der Frösche war zu vernehmen. Die Sterne spiegelten sich auf dem Wasser und der Mond war nur eine kleine Sichel und spendete kaum Licht.

Das Geräusch von leichten Füßen, die über feuchtes Gras huschten ließ Valet aufhorchen. Die noch immer nackte Elfe war hinter ihm herangetreten und legte ihm die Hände um die Hüften. Sie strahlte nun noch mehr. Es war als würde ein Licht von ihr ausgehen, dass aus ihrem Inneren kam. Dieses seltsame matte Leuchten, das ihre Haut verströmte war nur eines der vielen Rätsel, welches der mittlerweile schon alte Krieger, in seinem gesamten Leben nicht hatte entschlüsseln können. Und wahrscheinlich war es genau das, was ihn an ihr reizte. Er drehte sich in ihrer Umarmung herum und sah auf das schöne Geschöpf herunter. Er küsste sie und blickte ihr dann lange in die Augen. Doch Naijas Blick wandte sich und ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Du willst also unsterblich werden? Wie hast du dir das vorgestellt?“, fragte sie lachend.

Aber Valet blieb ernst: „Drachenblut!“, meinte er nur kurz.

Naija ließ ihn los und wich einige Schritte von ihm fort.

„Das kannst du doch nicht ernst meinen oder?“, ihre Stimme klang verzerrt und schrill.

„Na doch! Kennst du nicht die Sage, von dem Mann, der im Drachenblut badete und dann unbesiegbar wurde?“, fragte er und machte einige Schritte wieder auf sie zu.

Naija begann erneut zu lachen, doch ihre Augen leuchteten nicht mehr spöttisch sondern blickten ihn ernst an, als wollten sie ihn durchdringen.

„Das hat doch schon damals nicht geklappt!“

„Mach dich nicht über mich lustig!“, er klang verletzt, aber Naija reagierte nicht, sondern drehte sich nur um und lief zu ihren Sachen zurück, die überall im Gras verteilt lagen. Sie sammelte sie ein und begann sich anzukleiden.

Valet erreichte sie, als sie gerade in die enge Hose schlüpfte, die ihrer schlanken Figur schmeichelte, so dass Valet das Bedürfnis hatte, ihr sie sofort wieder auszuziehen. Er hockte sich vor sie hin und begann sie erneut zu liebkosen, doch Naija stieß ihn mit sanfter Gewalt von sich und setzte fort sich weiter anzukleiden. Sie sagte kein Wort. Erst als sie fertig war und sich den Köcher mit den Pfeilen über die Schulter warf und auch den Bogen an ihrer Kleidung befestigt hatte, ging sie wieder zu Valet hinüber, der mittlerweile wieder am See stand und auf das Wasser blickte. Diesmal umarmte sie ihn nicht, sondern stellte sich nur neben ihn und wartete, dass er sich zu ihr herumdrehte. Es dauerte einige Zeit bis Valet aus seiner Erstarrung erwachte und Naija ansah. Diese lächelte nun wieder und auch der angespannte Ausdruck in ihren Augen war verschwunden.

„Ich muss jetzt los“, meinte sie, „Bitte, Valet, versprich mir, dass du keinen Unsinn machst!“

„Du kennst mich doch.“, meinte er trocken.

„Ja ich kenne dich und genau deswegen sage ich es ja. Ich will nicht, dass du etwas unüberlegtes tust.“, meinte sie mit sanfter Stimme.

„Kannst du mich denn nicht wenigstens ein Stück weit verstehen? Ich meine, sieh dich an. Du bist so jung und so wunderschön. Ich kenne dich nun seit zwanzig Jahren und du siehst noch immer so jung aus, wie bei unserem ersten Treffen und dann sieh mich an. Ich bin ein alter Mann. Mir bleiben nur noch wenige Jahre und ich werde das Kriegerhandwerk aufgeben müssen, wenn ich nicht bis dahin schon lange von einem Jungspund aufgeschlitzt wurde. Aber selbst wenn ich das überlebe. Wie viel Zeit bleibt mir noch? Und wie lange wirst du den alten Mann noch lieben können? Wie lange wirst du noch bei mir sein, wenn ich nicht mehr gehen kann? Ich möchte dich nicht verlieren.“

„Das wirst du nicht!“, meinte Naija lächelnd, wurde aber sofort wieder von Valet unterbrochen.

„Aber ich möchte das nicht. Ich möchte nicht altern und sterben. Ich möchte lieber jung bleiben und mit dir zusammen die Ewigkeit genießen!“

Naija seufzte. Was sollte sie dazu denn noch sagen? Er hatte doch keine Vorstellung davon was eine Ewigkeit war und wie schrecklich öde die Jahre waren, die nur so dahin krochen. Da er es nicht verstehen konnte, selbst wenn er es wollte, entschied sie sich dazu lieber zu schweigen, beugte sich zu dem diskussionsbereiten Krieger hinüber und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Ich muss jetzt wirklich gehen, mein Vater erwartet mich! Bitte, mach nichts, ehe wir nicht noch mal darüber gesprochen haben. Versprich es mir!“, verlangte sie. Naija hatte ein ungutes Gefühl. Sie kannte Valet eben auch schon seit Jahren. Sie hoffte einfach nur, dass er vielleicht doch auf seine „alten“ Tage vernünftig geworden war.

Valet nickte nur stumm und machte keine Anstalten sich von der jungen Elfe zu verabschieden. Er war enttäuscht, er hatte sich so darauf gefreut sie zu sehen. Er wollte mit ihr im feuchten Gras liegen, bis der Morgen hereinbrach, doch die Diskussion über das Drachenblut hatte alles kaputt gemacht. Warum versuchte Naija ihn nicht einmal zu verstehen.
 

Naija bemerkte schnell, dass Valet sich nicht geändert hatte. Im Gegenteil, nach dem kurzen Gespräch mit Naija war er nun noch überzeugter einen Drachen zu jagen. Er kam nicht mehr zum Hain, an dem sie sich in den letzten Jahren Nacht für Nacht getroffen hatte, er blieb verschwunden und die junge Elfe wusste oder ahnte zumindest wohin er gegangen war.

Er wollte jung sein und er wollte Naija zeigen, dass er das schaffen konnte. Sie schien es ihm nicht zuzutrauen und so war es nicht nur der Wunsch wieder jung zu sein, der ihn vorantrieb. Die Elfe hatte ihn bei seiner Ehre gepackt. Vielleicht war es seinem Alter geschuldet oder auch dem Wunsch noch einmal ein Abenteuer zu erleben, aber er hatte das Gefühl das tun zu müssen. Noch dazu wollte er es wissen. Er wollte wissen, ob es nur ein Märchen war, dass Drachenblut Unsterblichkeit verleihen könnte.

Jetzt jedoch ritt er seit Tagen durch diese verdammte Wüste. Es war heiß, er hatte Durst und auch sein treues Pferd, das seit Beginn seiner Reise an seiner Seite war, war in seinem Schritt lange nicht mehr so kraftvoll, wie noch vor wenigen Tagen. Die leise Stimme in seinem Kopf, die Tag für Tag ein Stück leiser zu werden schien, verfluchte die Idee seines kranken Hirns, direkt in das Herz der Drachen vorzustoßen. Drachen gab es nicht mehr sehr viele auf dieser Welt. Valet hatte lange geforscht und lange gesucht, wo er die Drachen finden konnten. Schließlich hatte er jemanden gefunden, der den Weg kannte. Es war ein harter Weg und wenige scheiterten auch nur an dem Versuch die Heimat der Drachen zu erreichen. Auch Valet war lange davor zurückgeschreckt, den Weg zur großen Schlucht einzuschlagen. Doch je mehr sein Wunsch nach der Unsterblichkeit wuchs, desto mehr sank seine Angst davor, sich den Drachen direkt zu stellen. Er würde sterben, das war ihm klar; er hatte nur eine Möglichkeit dem Tod zu entgehen. Wäre er nicht hierher gekommen, wäre er früher oder später durch das Schwert oder durch das Leben selbst umgekommen. Jetzt jedoch hatte er die Chance, die Chance auf ein ewiges Leben zusammen mit Naija. Ja, er war auch wegen ihr hergekommen. Er hatte es selbst in der Hand sein Schicksal zu ändern.

Derzeit jedoch wusste er nicht ob er das Ziel erreichen würde. Seit einer gefühlten Ewigkeit ritt er durch den Sand. Die triste Gegend hatte sich seit Tagen kein Stück verändert und auch das Gefühl der Einsamkeit machte dem Krieger zu schaffen. In den Nächten fror er und an den Tagen hatte er das Gefühl in der Mittagshitze zu verglühen. Er kniff die Augen zusammen und starrte zur Sonne hinauf. Sie stach ihm durch die Netzhaut direkt ins Gehirn. Valet stöhnte. Es musste gegen Mittag sein, das bedeutete er hatte den höchsten Punkt der Hitze erreicht. Eine Art von Erleichterung machte sich in ihm breit. Er versuchte noch einmal Richtung Sonne zu blicken, aber er scheiterte schon an dem Versuch. Allerdings trieb der Krieger nun sein Pferd zur Eile an. Er änderte die Richtung und ritt nun weiter südlich. Der Grund für diese Verhaltensänderung flog am Himmel. In der Nähe der Sonne war der dunkle Umriss eines Drachens zu erkennen. Das bedeutete, dass Valet sich in der Nähe der Schlucht befinden musste. Er versuchte den Drachen mit seinen Augen zu fixieren, es gelang ihm aber immer nur kurzfristig, ehe die Sonne ihm wieder in den Augen schmerzte. Sein Herz raste und das Adrenalin pumpte durch seinen Körper. Es tötete die leise Stimme ab, die ihn zur Umkehr bewegen wollte und Valet funktionierte nur noch. Er trieb das Pferd zur Eile an und beobachtete den Drachen am Himmel. Nach einiger Zeit gerat der Schatten ins Trudeln. Der Schlag der Flügel wurde unregelmäßiger und das Ungeheuer sank immer weiter Richtung Erde. Valet hatte noch nie einen Drachen gesehen und glaubte erst, es würde sich dazu bereit machen zu landen, aber je schneller das Tier absank, umso weniger war er davon überzeugt. Und mit einem Mal wurde es ihm bewusst, dass Tier stürzte vom Himmel und das gar nicht so weit weg von der Stelle an der er gerade war. Valet traute seinen Augen kaum als das Tier aufschlug. Er konnte den Ort des Absturzes noch vor der Horizontlinie erkennen und dies ermutigte ihn, sein ohnehin schon geschundenes Reittier noch mehr anzutreiben. Er würde es eh nicht mehr brauchen. Sollte sein Plan aufgehen, dann war er in wenigen Stunden unverwüstlich und würde er nicht aufgehen, dann war er in wenigen Stunden sowieso tot. Noch bevor er das Flugtier erreichte, brach das Pferd unter seinem Reiter zusammen. Valet bemerkte es kaum. Er stürzte vom Pferd, rollte sich durch den Sand ab und lief weiter. Er warf nicht mal einen Blick zurück. Es war als hätte er nicht einmal gemerkt was geschehen war. Ohne einen Gedanken an das Tier zu verschwenden lief er weiter. Er war wie ein Roboter, ausgerichtet darauf ein Ziel zu erreichen, ohne zu denken und auch ohne irgendetwas zu empfinden. Je näher er dem Koloss kam, desto mehr verfiel er in einen Laufschritt.

Etwa eine halbe Stunde später sank er vor dem Tier auf die Knie. Sein Atem rasselte und seine Lungen brannten, doch er hatte es geschafft. Vor ihm lag ein Drache und er hatte ihn nicht einmal selbst umbringen müssen. Er konnte also seinen Wunsch erfüllen, ohne etwas zu tun was Naija verachten würde. Er war zufrieden. Einen Moment lang war er mit sich völlig im Reinen, denn alles würde gut gehen. Alles würde so werden wie es sein sollte.

Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als ein Pfeifen gefolgt von einem schmerzerfüllten Schrei ihn in die Realität zurück holte. Enttäuscht musste Valet feststellen, dass der Drache doch nicht so tot war, wie er gehofft hatte. Um zu erreichen was er wollte würde er das Tier also doch umbringen müssen. Die Stimme, die er für tot gehalten hatte, schrie, ähnlich dem Drachen, noch einmal auf. Würde er denn Drachen töten, dann würde er Naijas Zorn auf sich ziehen. All dies wusste Valet zu gut, 20 Jahre war sie nun seine heimliche Gefährtin und sie hatten oft darüber gesprochen. Trotzdem brachte Valet die mahnende Stimme in sich, mit einem lauten Schrei zum Schweigen. Die Chance zur Unsterblichkeit, der Schlüssel zu Ruhm und Macht lag ihm vor den Füßen. Er hatte sich auf einen Kampf eingestellt und letztlich war alles so einfach gewesen. Der Drache lag vor ihm, unfähig sich zu bewegen, da wahrscheinlich jeder Knochen in seinem massigen Leib geborsten war. Das Gefühl des Triumphs übermannte den Hünen. Was war die kleine Elfe gegen die Welt, die er erobern konnte, wenn das Blut des Drachens ihm die Macht dazu verlieh.

Valet stand auf und begab sich zum Rumpf des Tieres. Die riesige Schnauze versuchte ihn zu erwischen, Valet jedoch hatte seinen Platz so gewählt, dass das Tier ihn mit seinen Fängen nicht erreichen konnte. Der Drache schrie vor Schmerz und Mordlust, doch all dies schien Valet nur noch mehr voranzutreiben. Eine klaffende Wunde ragte in der Mitte des Drachenleibes auf. Vorsichtig schob sich der Krieger auf den Leib des Flugtieres. Dieser versuchte immer noch nach ihm zu schnappen und auch die Pranken des Ungeheuers schlugen nach Valet. Eine erreichte ihn auch, riss ihn von dem Tier herunter und schleuderte ihn einige Meter weit durch den Wüstensand. Er schrie vor Schmerz auf und blieb einige Momente reglos auf der Brust liegen. Sein Rücken brannte wie Feuer von den tiefen Wunden, die die Pranke hinterlassen hatte und der Sand, der sich in die Verletzungen fraß, machte es nur noch schlimmer. Dennoch konnte auch das Valet nicht davon abhalten weiter seinen Plan zu verfolgen.

Nachdem er ein paar Mal tief durch geatmet hatte, stemmte er sich hoch und kroch erneut auf das Tier zu. Die Bewegungen des Drachen waren nun fahriger und lange nicht so kraftvoll wie noch vor wenigen Augenblicken. Es gelang ihm sich so gut unter den Schlägen weg zu ducken, dass er die Brust des Biestes erreichte, ohne noch einmal von Pranken erwischt zu werden. Die Wunde war nicht groß, aber immerhin groß genug, dass Valet seine Hand hineinstecken konnte. Das Tier schrie, so laut auf das Valet das Gefühl hatte sein ganzer Körper würde vibrieren. Es war wie ein Rausch. Das Blut des Drachen war warm und er hatte das Gefühl als würde die Energie direkt von seiner Haut aufgesogen. Ein unglaubliches Gefühl überkam ihn und er wollte mehr. Er wollte, dass jeder Quadratzentimeter seiner Haut von dem roten Gold bedeckt war. Er zog sein Schwert.
 

Das Blut klebte an ihm und färbte seine Haut rot. Er hasste das Gefühl auf seiner Haut, aber er liebte diese ungeahnte Energie, die ihn durchströmte. Er lief durch Hasmen, eine kleine Stadt am Rande der Wüste. Er war tagelang auf dem Rückweg durch die Wüste geirrt. Jeder andere Mensch wäre verdurstet und von der Sonne verbrannt, aber Valet lebte. Er fühlte sich müde und matt, aber ansonsten ging es ihm gut. In seinem inneren loderte eine Flamme aus der er seine Energie zog, wie ein nicht enden wollender Speicher an Energie. Er trug ein verzehrtes Lächeln im Gesicht und alle Leute, die ihm begegneten, wichen respektvoll vor dem blutverschmierten Hünen zurück. Manche senkten den Blick, als seine Augen ihn streiften, andere wandten sich ab, keiner sprach ein Wort. Sein auftreten machte ihnen Angst, doch Valet fühlte sich gut. Den Respekt den sie ihm zollten, war all das was er sich erträumt hatte. Es war der Preis für die lange Reise und die Strapazen. Endlich würde er aufräumen können, mit allen. Er würde mit Naija zusammen zu dem stehen können, was zwischen ihnen war und das Wissen darüber über jeden Zweifel und jede Ablehnung fortan erhaben zu sein, bestärkte ihn in seiner Zufriedenheit. Es wurde Zeit nach Hause zu gehen.
 

„Ich bin wieder da!“, rief der Krieger durch den nächtlichen Hain. Als er fortgegangen war, war es eine ähnliche Nacht gewesen. Ein Jahr war vergangen seit er Naija das letzte Mal gesehen hatte und er war glücklich darüber, dass die Zeit ihrer Trennung nun vorüber sein sollte. Im Hain jedoch regte sich nichts und Valet wurde sofort unruhig.

„Ich bin wieder da!“, rief er noch einmal, doch die Nacht schwieg. Vielleicht war Naija nicht hier, dachte Valet, verschob den Gedanken jedoch sofort wieder in die hinterste Ecke seines Gehirns. Naija war hier. Er hatte keine Ahnung woher er es wusste, Fakt war DAS er es wusste. Das Drachenblut, in dem er gebadet und welches er getrunken hatte, hatte nicht nur seine Kraft gesteigert und ließ seine Wunden schneller heilen. Nein, es hatte auch jeden einzelnen seiner Sinne geschärft. Er konnte ihre Anwesenheit spüren.

„Naija, ich weiß dass du hier bist! Komm heraus, ich bin nur wegen dir hier!“, rief er in die Nacht heraus, die immer noch ohne Geräusche zu sein schien, für jemanden, dessen Sinne nicht von einer solcher Feinheit waren wie die des Kriegers.

Hinter ihm raschelte es nun so laut, dass er es auch ohne die feinen Sinne gehört hätte. Er lächelte in sich hinein. Es war also wieder nur eines ihrer Spielchen gewesen. Er stellte in dem Moment fest, wie sehr er sie vermisst hatte. All die Zeit, die er mit der Suche verbracht hatte, hatte er keine Zeit gehabt an sie zu denken oder sie zu vermissen. Jetzt jedoch wo er erreicht hatte was er wollte und wo er nach Hause zurück gekehrt war, da vermisste er es schmerzlich sie in den Arm zu nehmen und lieben zu können.

Langsam und voller Sehnsucht drehte er sich zu ihr herum und erschrak. Es war nicht die junge Elfe vor der sich erschrocken hatte, eher erschrak er vor dem was sie tat. Sie hatte ihren Bogen angelegt und ein Pfeil lag auf der gespannten Sehne. Die Pfeilspitze war direkt auf ihn gerichtet und zielte auf sein Herz. Valet hielt es für einen Scherz machte einen Schritt auf Naija zu. Ihre Hand begann noch ein Stück mehr zu zittern.

„Komm nicht näher!“, schrie sie und Valet erstarrte in der Bewegung.

„Naija was ist los? Was soll das?“, wollte er wissen. Er war weder ängstlich, noch sonderlich verstört. Er war eigentlich nur wütend. „Nimm den Bogen runter!“

Die junge Elfe reagierte, senkte den Bogen ein Stück. Als jedoch Valet dazu ansetzte auf sie zuzukommen, da zog sie ihn sofort wieder hoch und zielte erneut auf sein Herz. Valet hatte keinerlei Zweifel, dass sie schießen würde und trotz der unglaublichen Stärke, die ihm das Blut des Drachen verlieh, war er nicht besonders gespannt darauf, wie es sich anfühlte, wenn ein Pfeil sein Herz durchbohrte.

„Was soll das?“, fragte er noch mal und nun sichtlich wütend.

„Verschwinde von hier!“, schrie sie ihm entgegen. „Du bist ein Mörder, das Blut hast du vielleicht abgewaschen, aber die Schuld klebt an dir!“

„Der Drache, wäre so oder so gestorben. Ich habe ihn erlöst! Naija, nimm den Bogen herunter!“, verlangte er.

„Ich meine nicht den Drachen, nicht nur! Du hast getötet. Seit du den Hain verlassen hast und den Drachen gefunden hast, hast du getötet. Und was das schlimmste ist Valet, es hat dir Spaß gemacht. Töten sollte keinen Spaß machen!“

Sie hatte recht, Valet hatte getötet. Seit er den Drachen zurück gelassen, hatte er das Bedürfnis gehabt, offene Rechnungen zu begleichen und das hatte er getan. Er wusste selbst nicht einmal mehr, wie viele Leute er getötet hatte, er wusste nur, dass er zufrieden war.

„Ich bin Krieger!“, bemerkte er trocken.

„Das weiß ich, aber es ändert nichts. Geh Valet! Geh oder ich muss dich töten!“, meinte Naija traurig. Sie wollte ihn nicht umbringen, aber sie wusste, dass sie es tun musste, wenn er nicht ging. Das Drachenblut war wie eine Droge, eine Art Opium. Es versetzt den Menschen, der darin badete in einer Art Blutrausch und steigerte seine Gier nach Macht. Wenn Valet den Hain nicht verließ, dann würde er erst die Tieren, später die Elfen und vielleicht letztlich auch sie umbringen. Der Rausch kannte keine Freunde. Nicht mal vor dem Körper des Kriegers würde er halt machen. Vielleicht war es das humanste es sofort zu beenden, dachte Naija und spannte den Bogen stärker. Valet bemerkte es nicht.

„Das kannst du nicht! Ich bin unsterblich“ lachte er selbstsicher.

Naija ließ den Bogen nun wirklich sinken und schüttelte nur traurig den Kopf: „Kein Wesen auf dieser Welt ist unsterblich!“

Sie zog einen Dolch aus ihrem Gürtel und fügte sich eine Schnittwunde über den ganzen Unterarm zu. Valet keuchte auf und machte ein paar Schritte auf sie zu. Sie sah ihn wütend an und bedeutet ihm stehen zu bleiben. Sie drehte ihr Handgelenk herum und das Blut tropfte aus der Wunde Richtung Erde. Erst war es sehr viel, dann versiegte der Blutstrom nach und nach und stoppte irgendwann ganz. Sie betrachtete zufrieden die Stelle und machte dann einige Schritte auf Valet zu. Es war als wäre kein Fünkchen mehr von Angst und Wut in ihr, die sie noch vor wenigen Augenblicken empfunden hatte. Sie griff nach seinem Handgelenk und drehte es in einer schnellen unbarmherzigen Geste herum. Valet keuchte erschrocken auf und starrte die Elfe mit weit aufgerissenen Augen an. Diese jedoch versetzte ihm blitzschnell eine ähnlich tiefe Wunde im Arm, wie sie es eben bei sich getan hatte. Es blutete stark, doch die Wunde schloss sich schnell und zurück blieb eine Narbe. Sie hielt ihr Handgelenk neben das seine.

„Verstehst du? Unsere Wunden mögen schneller heilen und wir mögen auch immun sein gegen Krankheiten, aber auch unser Leben ist verglichen mit dem Leben der Welt nur ein Wimpernschlag lang. Vielleicht sind wir 300 oder auch 400 Jahre hier, doch auch wir sterben. Diese Narben hier sind ein Zeichen davon, dass auch wir verletzt werden können!“

Sie hob ihren Dolch und zeigte damit auf Valets Brust.

„Egal wie stark das Herz ist, welches in der Brust schlägt, wenn ein Dolch es durchstößt, dann hört es auf zu schlagen!“

Sie warf ihren Dolch in die Höhe und fing ihn so auf, dass nun nicht mehr die Klinge auf den Krieger deutete, sondern der Knauf.

„Nimm!“, forderte Naija, als der Hüne zögerte. Sanft glitten Valets Finger über den Dolch und über die kalten Finger der Elfe, ehe diese ihre Hand zurückzog.

„Wenn du es mir nicht glaubst, dann probier es aus!“, meinte sie trocken und starr.

Valets Augen weiteten sich und er spürte wie eine Woge der Wut über ihn hereinstürzte. Wütend schleuderte er den Stahl von sich, hinein in den See.

Naija schüttelte den Kopf: „So schlimm ist sie also schon, deine Wut!“

Valet sah sie verständnislos an.

„Der Körper eines Menschen ist nicht dazu geeignet, die Wut eines Drachens zu kompensieren. Diese Tiere sind so voller Energie, Hass und Wut, das kann ein Mensch alleine nicht verkraften, ohne wahnsinnig zu werden“, antwortete sie auf seine Frage, die sie in seinen Augen gelesen hatte.

„Dann hilf mir!“, es klang schleppend und Naija wusste dass es nicht ernst gemeint war, dennoch antwortete sie ehrlich.

„Das kann ich nicht, Valet! Niemand kann das. Du hast dir mit der Macht des Drachenbluts auch dessen Fluch auf dich gezogen. Ich hatte dich gewarnt, aber du hast nicht auf mich gehört“, sie klang traurig und Valet verspürte den Drang sie in die Arme zu nehmen, doch die Elfe wich seiner Umarmung aus.

„Geh jetzt! Wir können nichts für dich tun. Wenn du nicht bis zum Morgengraun verschwunden bist, werde ich wiederkommen. Ich komme nicht alleine. Und wir werden dich töten. Wir müssen es! Wenn du hier bleibst, werden wir alle sterben. Du wirst uns alle töten, ehe deine Wut dich selbst tötet. Das ist der Preis des Drachenblutes!“

Naija bedachte ihn noch einmal mit einem traurigen Blick, drehte sich dann jedoch um und verschwand im Dickicht.

Valet war wieder allein und die Stile um ihn herum war nun so absolut, dass selbst seine empfindlichen Sinne keine Regung von etwas Lebendigen wahrnehmen konnte.

„So muss sich die Stille eines Grabes anfühlen“, murmelte er traurig.

Wie nah er mit dieser Vermutung der Realität kam, wusste er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal vorzustellen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  sweet-kirara
2008-11-15T18:43:48+00:00 15.11.2008 19:43
Super, wirklich. Ich schließe mich meinen Vorkommentatoren an. Die Geschichte ist schön, aber dann so traurig. Naja, aber alles in allem eben eine gute Geschichte! Und das lobe ich bei dir ja immer wieder. DU hast viel Talent!

Nicole
Von:  Evidenz
2008-10-25T08:34:05+00:00 25.10.2008 10:34
Kann mich dem Kommi vorher nur anschließen...
Suppa gut ^-^
Von:  Medihra
2008-10-23T14:13:21+00:00 23.10.2008 16:13
Ui, sie ist hier hochgeladen.
Auch hier schreibe ich gern noch einmal: Quantität und Qualität stimmt beides.
Zu kurz hätte es gedrungen gewirkt und es passt so, weil da die Gefühle besser rüberkommen.

Sprachlich und stilistisch auf hohem Niveau, hat mir wirklich sehr gefallen, Respekt.

Und jetzt mach ich was, hehe. *verhuscht*

Anda


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