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Junk

Ich bin doch nur Abfall
von

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Entscheiden

Kapitel 22 - Entscheiden
 

Benjamin's Pov
 

Nackt neben einem anderen Mann war ich ja noch nie und so weit war ich erst recht noch nie mit einem gegangen. Hätte er mich nicht weggestoßen, dann hätte ich auch nicht aufgehört. Vielleicht wäre ich sogar gekommen? Was wäre der Unterschied zu einer Frau? Für mich wohl im Moment so gut wie keiner.
 

Vorsichtig hatte ich ihn in den Arm genommen und wiegte ihn jetzt leicht hin und her. Ganz langsam entspannte er sich scheinbar. Froh wäre ich, wenn er noch etwas schlafen könnte, immerhin tat ihm die Ruhe wohl gut. Er sah gar nicht mehr so blass aus, auf alle Fälle hatte er etwas Farbe im Gesicht bekommen.
 

Leicht kuschelte er sich an mich und summte etwas, was ich mit der Zeit als irgendein Kinderlied identifizierte. Ein Kind war er aber sicherlich nicht mehr, das hatte man ihm doch viel zu früh genommen. Wenn er mit 12 oder 13 mit den Drogen angefangen hatte, dann war es sicherlich ab da aus gewesen. Was musste wohl passiert sein, dass er überhaupt angefangen hatte? Ob es an seinen Eltern gelegen hatte?
 

Ich wollte ihn darüber nicht ausquetschen, wer weiß wie schlecht ihm das bekommen könnte. Und gerade schien es ihm auch wieder halbwegs gut zu gehen. Halbwegs zumindest. Ich sollte ihn nicht damit quälen, dass ich ihn über seine Vergangenheit ausquetschte. Sollte er selbst damit anfangen, wenn er wollte.
 

Mein Blick fiel auf seinen Arm. Die Wunde müsste man sich mal wieder ansehen, vielleicht auch von einem Arzt untersuchen lassen. Das würde er aber sicher nicht wollen. Ein Arzt würde sehen, was er noch alles mit seinem Körper anstellte. Der würde sicherlich auch erkennen, dass er auf einem - eiskalten - Entzug war.
 

"Ich hol mal einen frischen Verband für deinen Arm...", murmelte ich und stand auf, um ins Bad zu gehen. Vorher angelte ich mir aber noch schnell zumindest meine Shorts und zog diese an. Tobi könnte jeden Moment aufkreuzen und vor dem wollte ich nicht unbedingt nackt rumstehen. Ich war mir gar nicht so sicher, wieso ich ihm meinen Ersatzschlüssel für die Wohnung gegeben hatte. Er könnte ja genauso gut in der Zeit, in der ich nicht da war, die Bude ausräumen und nie wieder auftauchen. Vielleicht vertraute ich ihm, weil Michael es auch tat.
 

Kurz darauf kam ich mit Verbandszeug wieder zurück ins Schlafzimmer. Immer noch lag Michael nackt auf dem Bett, nur biss er sich dabei fast krampfhaft auf den rechten Zeigefinger. Ganz langsam floss ihn eine dünne Spur Blut in den Mund. Hatte er deswegen zugebissen? Etwas unbeholfen räusperte ich mich, als er auch schon abrupt mit seinem seltsamen Tun aufhörte. Etwas mühsam setzte er sich auf und hinterließ dabei einige rote Flecken auf dem Laken. So lange er nicht solche 'tollen' Krankheiten wie AIDS hatte, war es mir ja ziemlich schnuppe.
 

Vorsichtig löste ich den alten Verband, nachdem ich mich neben ihn gesetzt hatte. Wie schon beim letzten Mal machte er keinen Zucker. Irgendwie konnte ich mir so gar nicht vorstellen, dass er keine Schmerzen hatte. Es müsste doch normalerweise sicherlich noch höllisch wehtun.
 

Leicht verzog ich das Gesicht, als ich die alte Bandage zu Boden sinken ließ. Man konnte nicht sagen, dass die Verletzung schlecht verheilte - eigentlich sogar recht gut -, dennoch passte mir etwas daran nicht. Ich konnte nur so recht nicht verstellen, was es war.
 

"Machst du noch mal Verband und so rummachen?", fragte da auf einmal Michael und rieß mich damit aus meinen Gedanken. Langsam begann ich zu nicken, bevor ich auch schon nach dem Desinfektionsmittel griff. Sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzverzerrten Fratze, als der erste Tropfen seine Haut berührte. Das erste Mal, dass er überhaupt eine Reaktion auf mein Tun zeigte.

"Kennst du ja schon...", meinte ich nur und legte schon bald den Verband an. Immer wieder fiepte er leise vor Schmerzen auf, was mich gerade zu verwirrte. Er hatte doch bis jetzt sonst keine Reaktion gezeigt. Hatte sich irgendetwas geändert? Ich konnte mir nur nicht vorstellen was.
 

Vorsichtig legte ich die Arme um ihn und er kuschelte sich auch etwas an mich. Ich spürte, wie er zitterte und wollte mich schon von ihm lösen, damit ich seine Sachen geben konnte. Doch er ließ mich nicht mehr los. Ich flüsterte ihm ins Ohr, dass ich gleich wiederkommen würde und so löste er langsam seine Umarmung.
 

Er kniff die Beine zusammen, während ich unsere Sachen vom Boden aufsammelte, und fror. Immer wieder schweifte sein Blick, der sonst starr auf die Hände in seinem Schoß gerichtet waren, zu mir. In seinen Augen konnte man viel zu deutlich erkennen, wie hilflos er sich gerade fühlte. Ich konnte mir auch nur im Ansatz vorstellen, wie es ihm gerade ging. In seiner Lage war ich bis jetzt aber auch noch nie gewesen, so tief unten.
 

"Na jetzt zieh dich erst mal an...", meinte ich, als ich vor ihm in die Hocke ging und ihm seine Sachen gab. Für einen Moment blickte er die Klamotten nur, begann dann aber schließlich langsam sich anzuziehen. Ich tat es ihm nach einem Augenblick gleich und sank dann neben ihn. Scheu kuschelte er sich an mich, bis ich die Arme um ihn legte. In dem Moment entspannte er sich abrupt.
 

„Meine Ma hat mich gehasst…“, murmelte er nach einer Weile. Etwas verwirrt sah ich ihn an. Keine Mutter hasste doch wirklich ihr eigenes Kind. So etwas gab es doch nicht wirklich, nur in irgendwelchen Filmen.
 

„Für sie hab ich immer nur Scheiße gebaut… Oder ich stand ihren ach so tollen Beziehungen im Weg. Kein Mann will wirklich eine Frau mit einem Balg, hat sie mal zu mir gesagt…“

Er klang nicht so, als ob er das wirklich sagen wollte, eher als wollte er es einfach loswerden. Jemandem erzählen. Ich fühlte mich gerade zu geehrt, dass er mich dafür auserkoren hatte.
 

„Sie hat dich sicher nicht gehasst.“

Es war das Einzige was mir gerade dazu einfiel und ich war mir so sicher, dass es ihn beruhigen würde. Leider hatte ich mich da gänzlich geirrt. Er drückte sich von mir weg und sah mich mit einem Blick an, der ‚Was redest du denn?’ ausdrückte.
 

„Ist doch sicher so…“, murmelte ich und konnte doch eigentlich nur von mir selbst ausgehen. Meine Mutter hätte mich nie gehasst und hätte so etwas auch nie gesagt. Aber womöglich war es bei ihm anders. Ich wusste doch nichts über seine Familie. Ja, ich hatte nicht einmal eine wage Vorahnung davon. Was bildete ich mir dann überhaupt ein, darüber zu urteilen? Ich senkte reumütig den Kopf, da sprang Michael jedoch auf einmal auf. Ich hörte nur noch wie die Badezimmertür die Dusch traf. Da wollte ich schon lange irgendwas dran machen, dass die mir nicht irgendwann zu Bruch ging, wenn sie immer mal so stürmisch aufgerissen wurde.
 

Ich hörte Michael brechen und stand schließlich langsam auf, um ihn zu folgen. Schluckend betrat ich das Badezimmer, wo sich der Rothaarige auf dem Boden lang gemacht hatte. Sein Atem ging flach und er rührte sich sonst nicht. Vorsichtig setzte ich mich neben ihn und zog seinen Kopf auf meinen Schoß. Ich glitt langsam über sein Haar, bis er sich etwas mühsam wieder aufrichtete und seine Arme um meine Schultern legte. Zaghaft erwiderte ich die Umarmung und fuhr ihm langsam über den Rücken. Es entspannte ihn scheinbar.
 

Als es an der Tür klingelte, schreckte ich doch. Ich schluckte einmal und schob dann Michael von mir herunter. Ohne sich zu wehren, ließ er es zu, und ich konnte aufstehen. Starr blieb er auf dem Boden liegen und schloss die Augen, während ich an die Wohnungstür ging.
 

Mir stockte der Atem, als ich sah, wer mich da besuchen wollte. Mr. Parker. Den hatte ich ja völlig vergessen.
 

„Hi…“, brachte ich nach einem Moment heraus und hätte mich im nächsten Moment schon dafür ohrfeigen können. So konnte ich doch so einen nicht begrüßen. War ich eigentlich wahnsinnig? Da hörte ich jedoch schon, wie Michael an mir vorbei stolperte. Abrupt schweifte mein Blick zu ihm, wie er sich an der Wand abgestützt versuchte wieder ins Schlafzimmer torkelte. Einen Moment sah ich ihn starr an, wandte mich dann aber wieder Mr. Parker zu.
 

„Ist gerade etwas unpassend… Hm…?“, meinte er und ich konnte nur stumm nicken. Es war gerade mehr als unpassend.
 

„Ich hab auch nicht unbedingt an ihrem Auftrag gearbeitet…“, gab ich einen Augenblick später noch zu. Ich war zu gar nichts gekommen, dabei brauchte ich das Geld. Es war alleine schon schwer genug für mich über die Runden zu kommen und durch Michael wurde es nur noch schwerer. Ich könnte dieses Problem leicht lösen, wenn ich wollte.
 

„Wenn Sie wollen, könnte ich ihn mir mal ansehen.“

Verwirrt blickte ich ihn an. Was sollte mir denn das helfen? Oder war er…?

„Ich bin Arzt.“

Hatte ich doch irgendwie erwartet. Aber würde das Michael recht sein? Ich könnte doch nicht einfach über seinem Kopf entscheiden, ob er jetzt von einem Arzt untersucht werden würde.

„Das… das wäre nicht okay…“, murmelte ich und wandte mich wieder um. Er war nicht mehr zu sehen, also wohl wieder im Bett.
 

Ich wusste nicht, wie dämlich ich gerade schaute. Und wie hilflos. Ich konnte gar nichts für ihn tun. Ja, ich wusste doch nicht, was ich machen sollte. Hilflos wie ein kleines Kind war ich, nicht mehr und nicht weniger.
 

„Aber besser wäre es…“

Ich hob den Blick. Wäre es das? Ich wusste doch nicht, wie er darauf reagierte. Dennoch nickte ich langsam, ließ den Arzt gewähren. Irgendwo war es doch auch meine Pflicht, dass ihm geholfen wurde, auch wenn er es selbst nicht wollte.
 

Nur ein paar Minuten später bereute ich meine Entscheidung. Michael ging durch, wie ein Pferd, das plötzlich Angst bekommen hatte und nur noch weg wollte. Und er wollte auf alle Fälle auch weg.
 

„Du kleines, blödes Arschloch…!“

Das galt mir. Dafür hätte er mich nicht einmal ansehen müssen. Nicht mit diesem Blick. Mit diesem Blick, der nur noch Hass ausdrückte. Wie wütend musste man sein, dass man überhaupt so schauen konnte?
 

Es dauerte eine ganze Weile bis Mr. Parker ihn beruhigt hatte. Zumindest so weit, dass er nicht mehr um sich schlug. Aber der Blick blieb und er machte mir damit Angst. Sehr sogar. Widerwillig ließ er aber dennoch die kurze Untersuchung – so weit das eben möglich war – über sich ergehen.
 

Es verstrich nicht einmal eine Viertelstunde bis wir dann zu zweit in der Küche am Tisch saßen. Nachdem ich dem älteren Herrn etwas zum Trinken angeboten hatte, schwieg ich. Ich fühlte mich gar nicht im Stande etwas zu sagen… Nein… Schon eher fühlte ich mich nicht würdig.
 

„Mit so einem Fall kann ich mir schon vorstellen, dass Sie zu nichts gekommen sind…“

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. So ein Fall? Meinte er jetzt Michael? Wie konnte er so über ihn reden.
 

„Drogenabhängige sind nicht leicht zu Hand haben, nicht nur wegen dem schwankenden Gemütszustand. Man hat ja gesehen, dass es ihm nicht gut geht…“

Nicht gut… Es ging ihm beschießen, das drückte es etwas besser aus.
 

Langsam senkte ich den Kopf, bevor ich trotzdem nickte. Eigentlich war er aber ja gar nicht so schlimm, das gerade war einfach nur wegen mir. Ich hätte das einfach nicht tun dürfen. Über seinen Kopf hinweg würde ich nie wieder entscheiden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ReinaDoreen
2022-02-03T19:03:21+00:00 03.02.2022 20:03
Schade, das du nicht weiter schreibst.
LG reni
Von:  SinTheFox
2010-05-16T08:51:49+00:00 16.05.2010 10:51
So, jetzt habe ich es auch endlich geschafft, das neue Kapitel zu lesen. ^^
Das ist halt der Nachteil, wenn die Saison anfängt...

Benjamin hat ja recht, wenn er den Arzt reingelassen hat. Und dieser ihn mal ansehen sollte. Michael wird es schon noch verstehen, hoffe ich.
Die beiden sind schon putzig. Hoffentlich verstehen sich die beiden auch wieder. Wäre ja schade, wenn nicht.

Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt, wie es weitergehen wird. ^^

LG
Sin
Von:  Xai
2010-04-02T11:24:56+00:00 02.04.2010 13:24
yay, es geht weiter =)
hachja, mütter sind schon scheiße, vor allem, wenn sie so was labern. -.-''
armer kleiner schatz. =(
hoffe es geht bald weiter.
Von: abgemeldet
2010-04-01T21:01:33+00:00 01.04.2010 23:01
ach ich liebe es Mammy : DDD
es is toll und von den beiden hat man echt schon lang nichts mehr gehört >////<
Awwww sie sind soo niedlich
Von:  Marge91
2010-04-01T20:56:33+00:00 01.04.2010 22:56
wow
ein außergewöhliches kapi
aber super
mach weiter so
und schriebe schnell weiter
mfg Marge91 :)


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