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Angst

just seven days
von

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Abwesend stehe ich an der Rezeption als mich die freundliche, aber distanzierte Stimme der Frau dahinter aus den Gedanken reißt.

„Wir schicken Ihnen die Ergebnisse des Testes, sobald wir sie haben.“ Sagt sie lächelnd, während sie mir meine Unterlagen reicht. Heute will das Lächeln einfach nicht zu mir durchdringen und noch immer etwas abwesend nicke ich ihr zu, bevor ich das Gebäude verlasse.

Langsam laufe ich den Weg zur nächsten Bahnstation entlang. Ich werde meine Bahn eh nicht mehr erwischen, warum also beeilen? Ich brauche Zeit zum Nachdenken und die habe ich zur Genüge, bis die nächste Bahn kommt.

Ich will nicht Zuhause ankommen, denn dann muss ich eine Entscheidung getroffen haben. Eigentlich weiß ich, dass ich es ihnen sagen sollte, immerhin sind sie meine Familie, aber…

Ich will es ihnen nicht sagen. Ich sag es ihnen, wenn ich es sicher weiß.

Ich will nicht ihre mitleidsvollen Gesichter sehen, die hoffenden Worte hören. Sie würden sich ja eh nur Sorgen machen und das muss ja noch nicht sein.

Einige Zeit später sitze ich dann schließlich im Zug. Er schein heute recht voll zu werden, leider. So kommt es auch, dass plötzlich ein Typ neben mir sitzt und mich von der Seite her anquatscht. Augenscheinlich will er etwas von mir - oder eher gesagt von meinem Körper. Kalt blicke ich ihn an und, als habe er verstanden, verstummt er.

Zum Glück ist Jo nicht so. Jo ist mein Freund, wir sind nun bald seit 6 Monaten zusammen und ich liebe ihn sehr.

Ja… Jo die Hiobsbotschaft zu überbringen wird wohl am schlimmsten sein. Ich will nicht, dass er sich um mich Sorgen macht.
 

2 Tage sind vergangen, seit ich den Test hab machen lassen. Auf dem Weg zum Briefkasten, komme ich am großen Wandspiegel vorbei, kurz bleibe ich stehen und sehe hinein.

Kommt es mir nur so vor oder ist mein Haar wirklich dünner geworden? Kritisch lasse ich den Blick weiter über mein Spiegelbild schweifen. Ich sehe abgemagert aus, kränklich.

Schließlich wende ich den Blick wieder ab, gehe weiter.

Bis auf etwas Reklame ist der Briefkasten leer.

Wenn es etwas Ernstes wäre, hätte ich jetzt sicher schon eine Nachricht erhalten, mache ich mir Mut.

Auf dem Rückweg zur Küche werfe ich erneut einen Blick in den Spiegel und lächle. Ich scheine mich vorhin wirklich getäuscht zu haben, eigentlich wirke ich doch recht gesund.
 

3 weitere Tage ziehen ins Land, bis jetzt noch keine Meldung.

Mit zittrigen Händen öffne ich den Briefkasten.

Gähnende Leere.

Aber wirklich beruhigen tut mich das nicht.

Langsam sollte der Brief doch kommen…

Oder trauen sie sich nicht? Vielleicht wollen sie mir nicht mitteilen, dass es zu spät ist.

Als ich am Abend ins Bett falle, fühle ich mich schlecht.
 

Tag 6 seitdem der Test gemacht wurde. Noch immer keine Nachricht.

Mutter hat mich bei ihrem letzten Besuch gefragt, ob ich krank sei oder nicht vernünftig esse. Sieht man mir meinen Zustand schon so an?

Natürlich habe ich ihr gesagt, es sei alles in Ordnung, ich hätte nur etwas Stress mit der Arbeit.

Kurz nachdem sie gegangen ist, ziehe ich mein Handy hervor, überlege, Jo anzurufen und ihm von dem Test zu erzählen, aber ich will ihn nicht mit runterziehen.

Ich will nicht, das es ihm wegen mir schlecht geht, darum ziehe ich den einzig sinnvollen Entschluss.

Mit Tränen in den Augen tippe ich ihm eine SMS, der einzige Weg mit ihm Schluss zu machen, zu dem ich mich im Stande fühle.
 

Ein weiterer Tag vergeht. Auch heute bleibt der Briefkasten leer, dafür klingelt mein Telefon wie verrückt, aber ich gehe nicht dran.

Es gibt nur 2 Anrufer, die dies tun würden, Jo und der Doktor.

Mit Jo kann ich nicht reden, ich würde ihm alles erzählen und das darf ich nicht.

Der Doktor würde nur anrufen, um mir zu sagen, dass das Schlimmste eingetreten sei und er mich gleich abholen lassen würde…

Plötzlich höre ich eine Sirene, sie scheint ganz nah zu sein.

Ich gerate in Panik, schlüpfe in die nächstbesten Schuhe und renne aus dem Haus.

Sie dürfen mich nicht bekommen! Ich will nicht!

Ich renne durch die Straßen, ohne zu wissen, wohin, doch scheinbar mit einem Ziel.

Dann plötzlich bin ich am Bahnhof, ein Blick entlang der Gleise lässt mich den herannahenden Zug erkennen, ein ICE auf Durchfahrt.

Kurz bevor er mich passiert, kippe ich nach vorne, auf die Gleise.

Noch einmal lächle ich.
 

Er hat mich nicht erwischt!

Er ist nicht schuld an meinem Tod!

Dann sterbe ich, einfach so.
 


 

Der Briefkasten klappert, ein Brief für mich ist eingetroffen, zu spät.

Er kommt aus dem nahe liegenden Krankenhaus.

Sein Inhalt?

Das Ergebnis des Tests.

Bei dem entdeckten Hirntumor handelt es sich nicht um Krebs.

Ein Termin für die OP liegt bei, sie sei nahezu risikofrei, wird angefügt.

Nun ist es zu spät.



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