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Utopische Gefühle

Vexen/Repliku
von

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Verflucht sei die Wissenschaft!

Verflucht sei die Wissenschaft!

Schon wieder, zum wiederholtem Male war es schief gegangen. Langsam fragte sich die Nummer IV, warum er überhaupt immer wieder einen neuen Versuch startete. Wütend schlug Vexen gegen die robuste Scheibe.

Die Wesen die er dort festgehalten hatte, schreckten keinen Moment zurück, denn etwas wie Angst war ihnen fremd.

Gelbe Augen suchten, sahen sich um, waren ziellos. Die beiden Herzlosen wuselten aneinander vorbei, wurden eins mit dem Boden, schlichen wie zwei Schatten umher. Sie lösten sich wieder von dem Untergrund, stießen aber bald gegen eine dicke Scheibe. Es war ihnen nicht möglich aus der Isolation zu entkommen.
 

Seufzend betrachtete Vexen die beiden Schattenlurche, an denen er wieder seine Versuche durchgeführt hatte. Es hatte zu nichts geführt.

Niedergeschlagen drehte sich der Wissenschaftler schließlich um, fuhr mit der Hand über das Gesicht und ließ sich wieder auf dem Stuhl an seinem überfüllten Schreibtisch nieder.
 

"Ich will gar nicht wissen, was diesmal schief gelaufen ist..."

Grummelnd zog Vexen seine Handschuhe aus, schleuderte sie achtlos gegen eine kleine Lampe, welche schon fast heiß lief. Noch einmal warf das vierte Organisationsmitglied einen wehleidigen Blick auf seine Notizen, wo abertausende Rechnungen, Skizzen des Herzens und Verhaltensaufzeichnungen sich den spärlichen Platz auf mehreren DIN A4 Blättern teilten.

Er war es wirklich Leid geworden.
 

Da hatte er schon nach langem hin und her die Erlaubnis bekommen, dieses Projekt durchzuführen und dann konnte er seinem Vorgesetzten noch nicht einmal vernünftige Zwischenergebnisse liefern. In letzter Zeit lief wirklich alles schief, was der ehemalige Schüler von Ansem dem Weisen anpackte - und dabei war Vexen eigentlich der Typ, bei dem alles bald Ansatz und Erfolg hatte.

Wieso also nicht bei seinem bisher größtem Projekt? Es funktionierte einfach nicht. Egal, was er versuchte, es gelang Vexen nicht dieses biologische Wunder zu vollenden. Aus seiner Sicht war es noch nicht einmal gefährlich. Sicher, mit der menschlichen Psyche, Herzen oder gar dem Sinistra, der Macht der Dunkelheit, konnte man nicht einfach nach Lust und Laune herum spielen.

Vexen konnte darüber nur den Kopf schütteln, so viel Ironie lag in diesem Gedanken. Unwillkürlich dachte er an die damalige Zeit zurück, damals, als der Forscher Ansem noch seine Hand über ihn gelegt hatte... wie war er dazu gekommen, die Dunkelheit im menschlichen Herzen zu erforschen? War es die Faszination gewesen? Xeharnorts' Herz?
 

Nochmals schüttelte der Gelehrte den Kopf. "Ironie kann man es wohl nicht nennen...wohl eher Naivität?" Oder beides... ja, es war wirklich naiv von ihnen gewesen. Damit meinte er sich selbst; damals Even - Zexion, Xigbar, Xaldin und Lexaeus. Diese trugen damalig die Namen Ienzo, Barig, Dilan und Aeleus, bevor sie ihr Herz an die Wesen verloren die sie selbst erschaffen hatten: die Herzlosen.

Es klopfte.
 

"Herein..."
 

Lautlos glitt die Tür über den kalten Boden.
 

"Das du antwortest, hätte ich nicht gedacht."

Ohne irgendein Geräusch zu verursachen, kam die Nummer VI in den dunklen Raum, den Vexen "Labor" schimpfte.

Desinteressiert schaute sich Zexion kurz um. "Hrmph... Marluxia ist echt geizig", stellte er schlußendlich fest, sein Blick wanderte zu seinem ehemaligen Leidensgenossen unter Ansems Lehre. "Erinnere mich bloß nicht an diesen Idioten...", grummelte Vexen, sein Kopf ruhte lustlos auf seiner Hand, welche wiederum auf dem Schreibtisch aufgestützt wurde.
 

Kurz schloß Zexion seine Augen, dann grinste er schnaubend. "Töricht von ihm, nicht war?"

Träge schaute der Blonde auf, während Zexion auf seinen Scheibtisch zu kam, sich ein Notizblatt heraus pickte und es überflog. "Wen meinst du?" Vexen wußte, das mit dieser Aussage mehrere der Organisation gemeint sein könnten.

Sein Gegenüber schaute nicht auf, das sichtbare Auge, welches nicht von den graublauen Haaren verdeckt wurde, wanderte von einer zur nächsten Zeile. "Unseren Vorgesetzten."

Zexion legte das Blatt auf den Tisch, nahm wortlos einen der vielen Stifte und notierte etwas neben eine der Skizzen.

"Er hätte der Nummer XI niemals die Kontrolle über das Schloß des Entfallens geben dürfen. Es ist einfach leichtfertig, einem Neuling schon so viel Macht zu geben."
 

Vexen seufzte. "Wohl wahr... es ist vor allem respektlos gegenüber uns Gründern."

Der Gelehrte nahm sich das eben beschriebene Blatt und sah sich Zexions Randnotiz an. Es waren einige Zahlen neben seinen, und kleine Bemerkungen zu den Thesen die er aufgestellt hatte. "Weshalb bist du wirklich hergekommen?", fragte er nun, legte das Blatt bei Seite.

Zexion schlenderte ein wenig durch das Labor, blieb kurz bei den Schattenlurchen stehen und musterte sie. "Ich wollte sehen, wie weit du bist.."

Der Jüngere ging weiter, blieb schließlich an einer hell erleuchteten Ecke des kalten Raumes stehen.

Dort stand ein großer Tank; grünblauer Schimmer legte sich über das Labor. "Wie ich sehe, bist du nicht sonderlich voran gekommen, Nummer IV."
 

Sachte legte Zexion eine Hand auf das widerstandfähige, abgesicherte Glas und strich sanft darüber. Die Nährflüssigkeit war so trübe und fast milchig, das man nur erahnen konnte, was in diesem Tank zu finden war. Er ließ von jenem Tank ab, rieb Zeigefinger und Daumen aneinander; es war ziemlich staubig hier.
 

"Du solltest hier sauber machen Vexen", meinte er nun beiläufig, steuerte bereits die Tür an.
 

"Denkst du, dafür habe ich Zeit?", grinste Vexen leicht und folgte Zexion mit seinen Augen.

"Wohl kaum...", wurde erwidert, die Tür aufgezogen.

Die Nummer VI war fast zur Tür hinaus getreten, als sie sich noch einmal zu Vexen um blickte. "Schau dir noch einmal die Rechnungen an. Bei der Zweiten von unten hast du meiner Meinung nach nicht bedacht, das es auch zu 0.5% abweichen könnte."

Die Tür schloß sich mit einem Mark erschütterndem Quietschen.

Seufzen.
 

"Die Tür muß geölt werden...."
 


 


 

Es war wirklich zu einfach. Zwar fragte er sich manchmal, wie ihr Vorgesetzter ihm so leicht aus der Hand fressen konnte - schließlich war er ihr Herr und demnach meist derjenige dem man nicht leichtfertig trauen durfte -

aber so lange er dessen Vertrauen hatte, konnte rein gar nichts schief gehen.
 

Es war alles durchdacht. Und er würde siegen. Sie würde ihm gehören, die Waffe aus Licht...

Marluxia grinste süffisant, während er durch die schneeweißen Gänge des Schlosses streifte, um seine baldige Marionette hierher, hier in das Schloß des Entfallens zu locken.

Ja... bald würde Sora unter seinen Strängen tanzen und ihm zu der Macht verhelfen, die ihm zu stand!

Innerlich lachte Marluxia. Doch vorher mußten noch wichtige Vorbereitungen getroffen werden. Dieses Schloß war im Moment nichts weiter als ein überdimensionales Gebäude, über welches er sich die Kontrolle verschafft hatte.

Ein wichtiges Element fehlte noch, um den Grundsatz dieses Schlosses vollkommen zu machen: Naminé.
 

"Hier heißt verlieren finden und finden verlieren..."
 

Seine Schritte verhallten wenig später.
 


 

Über Zexions Bemerkung grübelnd, schritt Vexen nun schon geschlagene zehn Minuten auf und ab, den Blick unaufhörlich über den Zettel schweifend, welcher nun auch die Rechnungen seines Kameraden beinhaltete.

Er hatte Recht.

Aber wie sollte er vorgehen?

Langsam merkte der Forscher, das es doch schwieriger werden würde, als er zu Anfang dieses Projektes gedacht hatte. Die theoretischen Teile waren schnell abgehandelt, aber in der Praxis erwies es sich als wesentlich schwieriger.

Die Problematik in seinem Vorhaben lag ganz klar in dem, was bisher nur Mutter Natur zu vollbringen vermochte:

Leben erzeugen. Richtiges Leben.
 

Sicher, nahm man es genau, dann war er doch auch ein lebendes Wesen.

Aber ohne Herz. Und doch "lebte" er.

Nun galt es, die Natur zu überlisten und ein Wesen zu erzeugen, welches ebenfalls sofort ohne Herz existieren konnte. Niemande verloren ihr Herz an die Dunkelheit, Seele und Körper blieben zurück.

Eine leere Hülle, die auch ohne dieses Gefäß von Gefühlen existierte, mehr noch, lebte.
 

Wie sollte er es bewerkstelligen? Künstliche Herzen waren instabil, aber es war dennoch möglich...

In diesem Moment war Vexen regelrecht froh, damals mit Ansem dem Weisen Herzen untersucht zu haben.

Die Erkenntnisse, die er dort errungen hatte, waren nun Gold wert.

Langsam bahnte sich eine Idee in seinen Verstand, die auch bald wie gewohnt Ansatz und vielleicht Erfolg hatte.

Wieso versuchte er es nicht mit einfachen Illusionen? Daten über Riku und dessen Dunkelheit - vor allem über die Gefühle, welche er noch in seinem geschundenem Herzen trug - hatte er zu genüge gesammelt.

Dafür stellte er sich ihm schließlich entgegen.

Diesem Jungen, welcher schon mit reiner Dunkelheit befleckt worden war. Und darum war er umso interessanter für Vexen. Sora wäre auch ein interessantes Forschungsobjekt; aber sein Herz war zu rein und demnach ließ sich nicht viel daran experimentieren bzw. manipulieren...
 

Licht bekämpft man mit Dunkelheit. Das war der Grundlegende Satz, die hinter seinem Projekt steckte, nur deshalb, nur um Sora in die Irre zu führen durfte er diese Idee "verwirklichen".

Vexen konnte von Glück reden, das er Xemnas überreden konnte. Für den Obersten war sein Projekt höchstens "eine vielleicht gelungene Hilfe um Kingdom Hearts zu stärken". Doch für ihn, den Schöpfer, war es mehr.

Ein Abenteuer, ein Geheimnis, ein Projekt worauf er jahrelang warten mußte. Außerdem konnte Vexen nun beweisen, das er Herr über die Naturgesetze war - jedenfalls im wissenschaftlichen Bereich.

Der frostige Gelehrte blieb stehen.

Tappte ein paar Mal mit dem Fuß auf und ab. Warf nochmals einen Blick auf die Zahlen und Fakten. Dann fiel der Groschen endlich und entlockte ihm ein breites Grinsen. Es konnte in die heiße Phase gehen...
 


 


 

Zu Boden blickend schlich sie ihm hinterher.

Wie lange war sie nun schon in dieser weißen Hölle aus kaltem Stein?

Sie wußte es nicht. Hieß es nicht, Hexen wußten über alles und jeden Bescheid? Sie wußte es nicht.

Das Einzige, was sie wirklich wußte war, das in ihr ewige Leere vorherrschen würde.
 

Das Nichts, weiß wie die Gänge, in denen sie sich nun mit dem Assassinen befand. "Naminé. Worüber denkst du nach? Freust du dich schon auf deinen Helden?"

Marluxia lugte im Gehen über seine Schulter, ein hämisches Grinsen begleitete seinen gierigen Blick nach Macht während er auf den jungen Niemand schaute. Sie war das perfekte Werkzeug.
 

"J...ja...", wisperte sie, den inzwischen trüben Blick weiter gen Boden gerichtet.

Sie vernahm ein Kichern und wäre beinahe gegen Marluxia gestoßen, denn dieser war urplötzlich stehengeblieben.

Langsam drehte er sich zu dem zierlichem Wesen um, hatte ein falsches Lächeln aufgelegt um freundlich zu wirken.

Der Anmutige legte sachte seine Hand auf Naminés Kopf; sie äugte zögernd nach oben.
 

"Das solltest du auch...denn er wird wenig später sein so wertvolles Leben für dich riskieren..."

Mit diesen Worten stupste Marluxia sie leicht von sich, wandte sich wieder ab und ging seines Wegs, dicht gefolgt von ihr.

"Für abertausende Lügen die du ihm einpflanzen wirst, meine kleine, tückische Rose..."
 

Leise stieß Marluxia eine der wenigen Türen, die es hier gab, auf.

Zum Vorschein kam ein ziemlich großer Raum in dessen Mitte eine Kristallkugel auf einem kunstvoll verziertem Sockel stand. Sonst war dort nichts. Der Assassine schob Naminé grob vor sich her, bis sie ganz in diesem bizarrem Raum stand.

"Hier wirst du bleiben."
 

Seine Worte waren kahl, hatten nicht mal mehr den Hauch einer Emotion. Wenn sie das nicht schon vorher waren. Schließlich war alles, was ein Niemand glaubte zu fühlen Illusion. Ein Schatten seines früheren Lebens.

Eine leere Erinnerung.

Die Nummer XI ging zielstrebig auf eine Ecke des Zimmers zu, schielte kurz zu Naminé und mit einer kurzen Handbewegung ließ er in dunkler Essenz einen weißen Stuhl erscheinen.

"Setz' dich und sei still. Axel wird gleich kommen und ein Auge auf dich haben, also versuche gar nicht erst zu fliehen."
 

Naminé nickte stumm.

Sie schaute auf den Block und die Packung Stifte, die sie die ganze Zeit über an sich gedrückt hatte.

Sie wäre allein. Allein mit einem Mitglied der Organisation.

Noch dazu Axel.

Lautlos tat sie, was ihr aufgetragen wurde, setzte sich.
 

Marluxia ging ohne noch ein Wort an den jungen Niemand zu richten.

Es war Zeit. Zeit, Sora in seinen Plan einzubauen...ihn zu seinem Instrument zu machen...

Der Assassine verschwand geräuschlos in einem Portal -

wenig später trat er an dem riesigem Tor des Schlosses wieder hervor.
 

Er blieb davor stehen.

"Du willst dein Spielzeug holen gehen?", erklang es aus der linken Ecke des Ganges. Kichern folgte, als Marluxia seinen kalten Blick auf die Nympe heftete. Sie trat aus dem Schatten, die Einzige weibliche Person der Organisation.

Kurz strich sie sich über die blonden Haare.
 

"Und du lässt die Hexe alleine?", fuhr sie einfach fort, ohne auf eine Antwort ihres Partner zu warten.

Marluxia wandte sich endlich um, legte ein leichtes Grinsen auf die Lippen.

"'Marionette' trifft es eher, oder Larxene?"

Es war wieder still, der Assassine setzte sich wieder in Bewegung, legte eine Hand auf das Tor um es zu öffnen.
 

"Ich traue ihm nach wie vor nicht über den Weg. Er wird sich erst seines guten Willens beweisen müssen."

Marluxia trat durch das Tor, verschwand in der schillernden Dunkelheit die um das Schloß herrschte, nachdem er diese abschließenden Worte an seine Partnerin gerichtet hatte.

Der Wind streichte ihm durch die schulterlangen Haare, wirbelten sie auf wie im Tanz. Ein letztes zufriedenes Grinsen, welches in den sternenklaren Himmel gerichtet war, huschte über die Lippen der Nummer XI, ehe sie sich die Kapuze ihres Mantels tief ins Gesicht zog und im Nichts verschwand.
 

Im Inneren stand noch immer Larxene, welche ebenfalls ein hämisches Lächeln aufgesetzt hatte.

Dies ließ die Nympfe zu einem Kichern werden, welches in dieser Stille lauter wieder hallte.

"Ich weiß, mein lieber Marluxia...aber es wird sich lohnen, Axel einzuweihen...er wird uns ungemein nützlich sein..."

Ihr kalter Blick richtete sich leicht nach oben, das Kichern erstarb und wenig später war sie ebenfalls verschwunden.
 


 


 

Schummrig legte sich der Schein der grünen Nährflüssigkeit über den Raum. Es war die größte Lichtquelle hier; der Rest stammte von den verschieden farbig leuchtenden Schaltern und Knöpfen an den Amarturen, welche unmittelbar neben dem großen Glastank standen.
 

Viele Stunden waren vergangen.

Viel zu viele schlaflose Stunden.

Der Gelehrte war so von seiner neuen Idee beflügelt worden, das er es nicht wagte zu schlafen, ehe es vollbracht war. Nur noch ein paar Arbeitsschitte, ein paar weitere schlaflose Stunden und dann wäre es soweit.

Es musste einfach funktionieren.
 

Vexen stand vor den Amarturen, drehte vorsichtig an einem Rädchen, über dem eine zierliche Skala zu sehen war.

Müde war er nicht.

Seine Aufregung ließ es nicht zu.
 

"Zwei...zwei...oder doch lieber 2,2...?"

Seufzend, starrte er auf die kleine Zahl.

Erhöhte er die Dosis nun oder nicht? Wenn er sie erhöhte, dann würde seine Schöpfung vielleicht eher aufwachen, da sie mehr mit Dunkelheit genährt würde. Allerdings bestünde dann die Gefahr, das sie die Kontrolle verlieren könnte. Aber... es war zu verlockend.

Vexen biss sich auf die Unterlippe.

Wenn er es wagte, dann käme er schneller in den Genuß, sein Werk zu begutachten und vor allem in Aktion zu sehen.

Vor kurzem noch bekam er von Zexion die Nachricht, das Marluxia zurückgekehrt sei und auch noch angenehmen Besuch mitgebracht hätte.
 

Diese respektlose Ratte hatte Sora also wirklich hierher gebracht. Um ihn willenlos und seinen Verrat an der Organisation komplett zu machen. Er hatte es gleich geahnt, das Marluxia nicht vertrauenswürdig war.

Schon zu Anfang hatte er sich viel zu sehr in den Vordergrund gespielt und sich auf gaunerhafte Weise das Vertrauen ihres Vorgesetzten verschafft. Und nun nutzte er es aus. Um ihn zu stürzen.

Insgeheim konnte die Nummer IV nur hoffen, das es nicht soweit kommen würde. Und im übrigen vergaß Marluxia etwas Entscheidendes, zwei Dinge sogar.
 

Erstens, das er Xemnas von Grund auf unterlegen war. Aber das hatte er ja selbst früh erkannt. Daher begehrte er die Macht des Schlüsselschwerts; sie sich zu Eigen machen, das verfolgte er im Moment.

Nun kam der zweite Punkt. Der verlogene Assassine vergaß, das sich diese Waffe seinen Träger selbst suchte.
 

Sie würde niemals ihm gehören. Nie.

Er besaß weder ein Herz, noch wäre es rein genug um dem Schlüssel würdig zu sein.

Warum also die ganze Mühe? Er müsste doch wissen, das es nicht funktioniert. Oder war mehr hinter seinen Plänen...?

Brauchte er Sora vielleicht noch zu etwas anderem...?
 

Ein weiteres Mal seufzte der Wissenschaftler, ehe er hart schluckte und den Regler nach oben stellte.
 

"2,2... auf ein Neues..."
 

Ein leises Surren ertönte, die Nährflüssigkeit leuchtete leicht auf und abertausende Bläschen durchströmten den Tank. Vexen drehte sich um, sah gespannt zu. Würde er sich nun regen? Oder sollte es noch dauern? Diese Spannung lies ihn den Atem anhalten. Neugierde durchströmte jede Faser seines Körpers...

Da.
 

Ihm war, als wenn die Augenlider gezuckt hätten.

Scharf die Luft einziehend trat Vexen ein paar Schritte vor, legte die Hand auf das Glas, welches ihn von seiner Schöpfung trennte. Es vibrierte leicht. Ganz leicht, durch die aufsteigenden Luftbläschen.
 

"Hm... ich muss es mir eingebildet haben... so schnell reagiert kein Körper auf wachsendes Sinistra...", brummte der Frostige schließlich mit enttäuschtem Gesicht. Den Kopf schüttelnd wandte er sich ab. Nun hieß es warten.

Darauf, das sein Geschöpf auf sein "Geschenk" reagierte.

Die Nummer IV entschied sich, seine Kollegen zu besuchen und sich die Lage im Schloß anzusehen.

Vexen strich sich seufzend durch das aschblonde Haar, ehe er in einem Portal verschwand.
 

Minuten später regte es sich...
 


 


 

Das kleine Scharnier quietschte während es sich in immer kleiner werdenden Schwüngen hin und her bewegte, wie bei einer Schaukel.

Bevor es jedoch aufhörte sich zu bewegen, gab Axel dem kleinem Vogelkäfig, in dem eine Puppe saß, einen sachten Stups.

Langweilig. So würde er diesen Job treffend bezeichnen. Viel lieber würde er den Laden hier aufmischen... doch Befehl war Befehl und er erledigte seine Arbeit immer, wie es ihm aufgetragen wurde.
 

Die tanzende Flamme im Wind schloß kurz die Augen - wenn Marluxia wüßte, weshalb er wirklich hier war...! Nahm er es genau, konnte er dem Ganzen auch gleich ein Ende setzen. Aber davor hatte Xemnas ihn gewarnt. Wo alle dachten, er hätte überstürzt gehandelt, als er Marluxia das Schloß in die Obhut gab; hatte Xemnas Axel gleichzeitig damit beauftragt, den Assassinen zu überwachen und zu handeln, sollte sich seine Vermutung bestätigen. Seiner Meinung nach hatte Marluxia vor, die Organisation zu übernehmen. Und da lag er richtig.
 

Also wartete Axel auf seinen Auftritt, den Zeitpunkt an dem alle Figuren das Schachbrett betreten hatten und er zu dem entscheidenden Zug, dem Schachmatt ansetzen konnte.

Gerade gab er dem Käfig einen erneuten Stoß -

diesmal allerdings etwas zu stark, so das er gegen die Wand schlug; das Eisen klirrte schrill in dem fast leeren Raum.
 

Jemand sog erschrocken die Luft ein, und man hörte etwas zerbrechen. Langsam drehte sich Axel um, den Käfig hatte er in der Rechten, ließ ihn nun aber los. Naminé saß erschrocken da, einen ihrer Wachsmalstifte in der Hand. Die Spitze war ihr eben abgebrochen, als das Klirren sie aus ihrer Konzentration riss.
 

Oder war sie gar teilnahmslos gewesen...?

Kurz hallten seine Schritte wieder, bis er schließlich neben der Hexe stand, seine Hand auf der Lehne ihres Stuhls abstützte und ihr beim Zittern zusah.

Sie mochte diesen Ort nicht.

Sie wollte es nicht. Doch sie hatte keine andere Wahl, als bei den Plänen der Organisation zu helfen. Was sie wollte, war nie von Belangen gewesen.

Zögernd legte sie das Beige auf ihren Schoß und griff nach der Packung, um sich ein kräftiges Gelb zu nehmen.
 

"Was malst du, Naminé?"

Axel beäugte eher desinteressiert ihr Bild; wirklich etwas darauf erkennen konnte er nicht, warum also Interesse zeigen? Sie konnte nicht gut malen nach seiner Meinung, und nicht nur seiner. Aber trotzdem malte sie weiter.

Weiter, weil sie hoffte, das sich das Gemalte ereignen wird?
 

Es waren Bilder schöner Erinnerungen, sie waren farbenfroh und meist waren es auch Wunschvorstellungen. So konnte man es als Betrachter jedenfalls deuten. Manchmal war sie selbst mit anderen auf dem Bild. Sie mit Sora und seinen Freunden. Oder sie und die Nummer XIII.

Ja...die Nummer XIII. Um ihn ging es zum Teil auch in diesem verworrenem Spiel. Noch war er nicht bei ihnen, doch seine Stellung, seine Nummer in der Organisation war ihm sicher...
 

"I....ich male...Roxas...", wisperte Naminé kaum verständlich, setzte das Gelb zitternd auf und begann, ein paar Striche auf das Blatt zu zeichnen.

Sie gingen wirr, Kreuz und quer und nach einer Weile konnte man doch erkennen, das sie blonde Haare darstellen sollten. "Mhm...du hast ihn doch noch gar nicht gesehen..." meinte der Pyromane nun, schielte skeptisch auf das Mädchen nieder.

Woher wollte sie wissen, wie er aussah?

Jenes Mädchen hielt nun erneut inne, um sich ein schon ziemlich abgenutztes Orange zu nehmen.

Mit diesem fuhr sie in ihrem Malen fort, setzte Schatten.
 

"...ja...ich habe ihn nicht gesehen...nicht wirklich...nur...i...in meinen...Träumen...", stammelte sie noch viel leiser, als ihre Stimme so oder so schon war.

Axel mußte sich leicht zu ihr herunter beugen, um überhaupt ein Wort zu verstehen. Dann lachte er.

"Träume, sagst du? Wie amüsant. Seit wann träumt jemand wie du, Naminé?"
 

Seit wann? Seit sie sich sehnte, aus dieser Hölle zu entfliehen. Seit sie sich sehnte, ein "sein" zu besitzen und vollkommen zu werden.

Seit sie damals geboren wurde. Seit ein einzelner Junge sein Herz verlor und welchen sie nun in die Irre führen sollte.

Seit man sie "Niemand" nannte.
 

Die Hexe antwortete nicht.

Doch das war Axel genug. Grinsend wandte er sich ab und lehnte sich an die Wand.

Nun hieß es warten. Naminé würde ihm noch nützlich sein, ebenso wie der Rest der Schachfiguren.
 

"Zug Nummer eins..."
 


 


 

Vexen war es erneut Leid geworden.

Was erlaubte sie sich eigentlich? Und das auch noch mit der fast Rang niedrigsten Nummer der Organisation! Larxene verstand nicht mal im Ansatz, was ihm diese Arbeit bedeutete. Und dann lehnte sie sich auch noch gegen ihn, einen der Gründer, auf!

Der Wissenschaftler wußte nicht weiter.

Eben war er noch bei Zexion und Lexaeus gewesen um sich mit den, so schien es der Nummer IV langsam, einzig normalen Mitgliedern über die Geschehnisse auszutauschen. Vexen war lange nicht aus seinem Labor gekommen, seine Arbeit hatte ihn zu sehr gefesselt.
 

Also mußte er sich informieren und das hatte er bis vor ein paar Minuten auch getan.

Sora war eingetroffen.

Marluxia hatte sich seiner angenommen und ihm das Prinzip des Schlosses erklärt. Der Junge wollte ihm keinen Glauben schenken, doch die Verlockung und Hoffnung in seinem Herzen waren stärker gewesen - schließlich könnten der König und sein Freund Riku hier sein. Und einer der beiden war auch hier.

Laut Zexion.
 

Das wiederum war für Vexen ein Problem.

Seine Schöpfung hätte eigentlich vollendet sein müssen, bevor Sora oder gar Riku in die Räumlichkeiten ihres Verstecks finden würden. Mit Sora hatten alle gerechnet, es war ja Marluxias Absicht; aber Riku? Was hatte dieses Wesen der Dunkelheit hierher geführt?

Oder wer hatte ihn hierher geführt?
 

Er mußte zusehen, das er mit seiner Arbeit fertig wurde. Schließlich sollte sie Sora verwirren und ihn angreifbar machen.

Zudem kam nun die Tatsache, das Riku im ersten Kellergeschoß war und eine Kopie von Malefiz beseitigt hatte. Vexen wäre sofort in sein Labor gegangen, wenn ihn nicht etwas entscheidendes aufgefallen wäre.

Als Larxene vor einigen Momenten ihren abscheulichen Sarkasmus auf ihn losließ um ihn und seine Arbeit auf brutalste Weise nieder zu machen, ob gleich sie wußte, das Vexen es ohnehin nicht "verletzen" würde da er ja nicht im Stande war zu fühlen, durchfuhr den Gelehrten etwas. Sein Körper zuckte bei diesen Worten, die sie nur aus Spaß aussprach, zusammen.

Lange Zeit starrte Vexen die Nympfe einfach nur an, was sie noch mehr belustigte.

Er versuchte dieses... er mochte es nicht einmal denken.
 

Dieses Gefühl einzuordnen. Dieses schmerzende Gefühl.

Unmöglich. Es war einfach unmöglich. Es konnte definitiv kein Gefühl sein! Dazu war er längst nicht mehr in der Lage. Alles, was er an so genannten Gefühlen und Emotionen zeigte war nicht echt, eine imitierte Erinnerung, eine Täuschung um vorzugeben, vollkommen zu sein.

Ein Bluff. Ein schwacher Strom, der seinen Körper durchzog, so schwach, das Vexen es nicht mal mehr wahrnehmen könnte, wenn er wollte.

Doch er klammerte sich an diese Erinnerung, wie jeder andere aus der Organisation.
 

Vexen lehnte sich im Gehen gegen die Wand, blieb schließlich stehen.

Es verwirrte ihn so. Denn das, was er wahr nahm fühlte sich echt an. So echt. Es war keine Erinnerung - es war der Schmerz über die Worte der Nympfe, über das, was sie über ihn und seine Schöpfung verlor.

Warum? Warum nahm es ihn mit?
 

In seinem Kopf drehte sich alles.

Der Nummer IV war so, als wenn sein Kopf gleich zerspringen würde, sollte er sich noch weiter darüber Gedanken machen.

Er schüttelte regelrecht benommen den Kopf und setzte sich wieder in Bewegung; es gab wichtigeres zu erledigen...
 


 


 

Verdattert starrte Vexen auf seinen Stiefel. Besser gesagt auf das, was unter seinem Stiefel zu finden war.

Er wagte gar nicht daran zu denken, was es sein könnte.

Zögernd, sich dabei noch einmal umschauend, kniete der Wissenschaftler sich hinab um seine Entdeckung zu begutachten -

und diese war genau vor seiner Labortür.
 

"Hrm..."

Prüfend rieb er es gegen Daumen und Zeigefinger um die Konsistenz zu prüfen.

Leider bestätigte sich nach wenigen Augenblicken die Vorahnung Vexens und die Flüssigkeit, die unter dem Türspalt nach außen auf den Flur lief, entpuppte sich als die Nährflüssigkeit welche er für sein Experiment benutzt hatte.

Kurz verharrte Vexen noch, ehe er aufstand, die Hand auf die Türklinke legte und sie vorsichtig herunter drückte.

Langsam tat sich die Tür auf und wie zu erwarten war, konnte man zunächst nicht viel erkennen.
 

Es war stockdunkel in dem Raum. Und genau das beunruhigte Vexen sofort -

nicht nur die Nährflüssigkeit die sich, wie er nun feststellte, durch den ganzen Raum verteilt hatte, sondern auch die Tatsache das es absolut dunkel war wies darauf hin das etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Seine Schritte hallten wieder, als er sich vorsichtig in dem ihm vertrautem Raum bewegte. Es war nicht gerade einfach, aber...

Er blieb stehen. Da war etwas hinter ihm...
 

Vexen versuchte ruhig zu bleiben. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich seltsam; wobei das Wort "fühlte" nicht in die Beschreibung passte. Schließlich war er ein Niemand.

Etwas kroch aus seinem Inneren, als klamme Erinnerung streckte es seine verschleierten Fänge aus und versuchte seinen Geist zu erreichen. Fast schon seufzend drehte er sich langsam um - ein Herzloser konnte es kaum sein, ebenso wenig wie einer seiner Kollegen. Denn dann wäre es ein absolut abnormer und schlicht weg miserabler Scherz.
 

Die Nährflüssigkeit gab ein Plätschern von sich, als Vexen sich gedreht hatte und umsah.

Nichts.

Es war gänzlich dunkel dort.

Aber wenn hier nichts war...warum war dann der Tank...?

Der Tank.

Vexen stolperte schon fast über seine eigenen Füße, als er sich zu jenem Tank aufmachte.

Zum Glück wußte er genau wo dieser stand, schließlich kannte er diesen kleinen Raum wie seine Westentasche. Ein wenig fassungslos, dies jedoch nicht in seiner Mimik zeigend, blieb er stehen.
 

Alles, was er fand waren die Überreste dessen. Scherben lagen auf dem Boden, die Lampe im Inneren flackerte noch schwach. Seine Gesichtszüge waren unberührt. Er dachte fieberhaft nach, der Blick wanderte schließlich zu der Amrature.

Der Regler stand knapp auf der 2,4. Ungläubig starrte er auf diese Zahl - er war sich sicher, ihn nur auf 2,2 gestellt zu haben!

Was wenn seine Schöpfung...!
 

Hektisch sah er sich erneut um, doch es war zu dunkel.

Verdammt, daran sollte er doch gewöhnt sein!

Abermals ging er in seinem Reich auf und ab, sah überall nach und merkte dabei nicht, wie er beobachtet wurde...
 


 

Lautlos schlich es an den Wänden entlang, gleich einem Schatten.

Seine Augen fixierten etwas in unmittelbarer Nähe.

Sollte er angreifen? Sich erproben in seinem Leben...?

Ja.

Es durchfloss ihn schließlich eine Macht, die seines gleichen nur im Gegensatz zu finden vermag.

Leben oder Tod - Tag oder Nacht.

Es würde sich zeigen, was siegte...
 


 

Vexen wühlte inzwischen auf dem Boden neben seinem Schreibtisch.

Er war bereits sichtlich genervt zumal sich der Wissenschaftler beobachtet fühlte und wenn er eins nicht ausstehen konnte, war es beobachtet zu werden während er einer Tätigkeit nachging.

Und wenn es tatsächlich einer der Herzlosen sein sollte, dann würde er diesen ins Nirvana schicken!
 

Der Notstrom mußte herhalten. Anders würde er noch irre werden...

Er tastete nach dem Notstromaggregat um es einzuschalten.

Innerhalb von wenigen Minuten würde es wieder hell sein und er könnte endlich herausfinden, was -
 

Seine Sinne schlugen plötzlich Alarm.

Noch bevor Vexen darüber nachdenken konnte was los war, spürte er wie sich etwas um ihn herum verbreitete, langsam, lautlos und schleichend.

Wie eine erdrückende Aura und er konnte es förmlich auf der Zunge schmecken.

Diese Substanz, oder eher Essenz, war ihm bekannt und in den letzten Monaten sehr vertraut geworden.

Es handelte sich um Sinistra.

Reine Dunkelheit.

Vexen stellte sich langsam und mit Bedacht auf auf.
 

Der Gelehrte blieb ruhig.

Seine Instinkt riet ihm, nichts zu überstürzen, zu warten und die Situation abzuschätzen.

Insgeheim spielte er jedoch mit dem Gedanken, seine Waffe zu beschwören oder vielleicht langsam die Temperaturen hier im Raum zu senken, um den, die oder das Unbekannte hervor zu locken.

Zu dumm, das es so dunkel war!

Aber wann lief schon alles perfekt...?

Seine Augen sahen sich trotzdem um und noch immer hoffte er das sie sich bald an die Dunkelheit gewöhnen würde, damit er zumindest Schemen erkennen konnte - er gab es zwar nicht gerne zu, aber langsam wurde er nervös. Und das widersprach sich doch wieder, er war schließlich ein Nie-
 

Vexen sog scharf die Luft ein als er merkte, wie sich etwas von oben zu nähern schien - er hob aus Reflex die Hand, eisige Kälte bildete sich um diese, sein Handschuh wurde mit Raureif überzogen - aber dieses Etwas war schneller.

Es packte seine Hand und drückte diese, samt Vexen, brutal nach unten.

Bei diesem Unterfangen stieß die Nummer IV gegen den Schreibtisch hinter ihm, riß dabei die Lampe und unzählige Papiere mit sich.

Vexen keuchte erschrocken, es polterte.
 

"Was zum- !?"
 

Noch bevor er seinen Satz annähernd vollenden konnte wurde ihm der Mund zugehalten, mit einer Kraft, die er so nicht erwartet hätte.

Jeder Laut wurde erstickt.

Wer auch immer ihm ans Leder wollte, hatte ihn nun gründlich am Boden festgenagelt.

Das unbekannte Wesen saß breitbeinig auf ihm, den linken Arm von Vexen zwischen sein rechtes Bein und Vexens Körperseite geklemmt. Mit der einen Hand hielt er das Handgelenk des Wissenschaftlers fest, obwohl sie eisig kalt war.

Das Gesicht des Gelehrten verfinsterte sich und er wollte bereits mit seinem Eis angreifen und die Hand, die ihn festhielt erstarren lassen, als plötzlich Dunkelheit langsam über seinen Körper ergoß und ihre Fänge ausbreitete.

Vexen erstarrte.
 

"Geht diese Dunkelheit von ihm aus...? Dieses..."

Vexen brach seinen Gedanken ab. Inzwischen war er sich ziemlich sicher, das es ein 'er' war, der auf ihm saß und ihn anscheinend mit der Dunkelheit verschlingen wollte. Langsam aber sicher bahnte sich in ihm eine Vorahnung an, die in ihm zwei gemischte Illusionen von Gefühlen hervorrief.
 

Wenn sich diese leise Vorahnung bewahrheiten würde, dann konnte er sich auf der einen Seite darüber freuen und auf der anderen seine Ungedult verfluchen. Hätte er ein Herz gehabt, würde dieses wahrscheinlich vor Aufregung wild schlagen.

Der frostige Gelehrte schluckte hart und wollte sich erneut daran machen, sich endlich zur Wehr zu setzten um nicht von dem Sinistra, welches langsam seinen Körper empor kroch, verschlungen zu werden. Doch wieder wurde er daran gehindert.

Die Energie, welche von dem Sinistra ausging, ließ das Notstromagregrat plötzlich Funken schlagen -

das Gerät reagierte auf die Ansammlung von Energie, auch wenn es kein Strom war.

Der Motor begann zu rattern.

Es zischte, Blitze flogen durch die Luft und erhellten für Sekunden den Raum.

Sie schlugen unweigerlich auch um die zwei Körper, aber das merkte keiner der Beiden.

Nein, der Niemand war zu geschockt.

Vexens Augen weiteten sich, als er im Schein eines solchen Blitzes das Gesicht seines Gegners kurz erkennen konnte.
 

Sein Atem schien komplett auszusetzen.

Ungläubig starrte er den Jungen an. Einen Jungen, dessen Augen bereits kälter waren als seine eigenen.

Er kannte dieses Gesicht, diesen Körper der angespannt auf ihn ruhte, diese leuchtenden Augen welche ihn unaufhörlich musterten -

diese rohe Kraft, mit der ihm der Mund zugehalten wurde.

Sein Traum hatte sich erfüllt.

Ein Traum, der seine Glieder langsam taub werden ließ, da das Sinistra immer weiter vor drang.

Doch Vexen spürte es nicht.

Er spürte nicht, wie ihn seine eigene Schöpfung vernichten wollte.

Wie auch.
 

Er hatte es geschafft...
 

Nur das zählte in diesen Momenten für ihn.

Er hatte es geschafft, Leben zu erzeugen und Mutter Natur zu überlisten...
 

Sekunden krochen an ihnen vorbei.

Schließlich versuchte Vexen sich erneut zu rühren, versuchte etwas zu sagen unter vorgehaltener Hand.

Doch dieser Versuch wurde bestraft.
 

"Still! Nur ein Laut und ich bringe dich auf der Stelle um!", zischte der Junge, welcher Riku so ähnlich sah, das er es auch selbst hätte sein können. Nur das seine Stimme um ein vielfaches herrischer und kühler war.

Er verstärkte seine Griffe und wollte so sicherstellen, das der Mann unter ihm sich wirklich nicht mehr rührte und die Dunkelheit ihn gänzlich verschlucken konnte, auch wenn es schleppend voran ging.
 

Aber warum wollte er sehen, wie dieser Fremde verschlungen wurde?

Warum tat er das hier?

Alles in seinem Kopf schrie nach Vernichtung.

Warum war er hier, oder was war seine Aufgabe?

Und warum war er in diesem Tank aufgewacht?

In dieser Flüssigkeit?

Wieso fühlte sich alles fremd an?

Selbst dieses Etwas, das unaufhörlich in einem gräßlichem Rhythmus gegen seine Brust schlug?

Was war es?

Und warum war es... so leer?
 

In seinem Kopf tobte ein Sturm aus aber tausend Fragen, die er beantwortet haben wollte.

Argwöhnisch besah er sich wieder das Gesicht des Mannes mit den langen, blonden Haaren, dachte aber nicht daran, den Griff zu lockern.

Vielleicht wußte er ja Antworten auf diese Fragen?

Vielleicht wußte er, wie er hierher kam und warum alles so fremd war...?

Konnte er vertrauen?
 

Sein Blick wurde wieder kälter.

Langsam aber sicher ging es Vexen zu weit.

Er ließ sich doch nicht von seinem Geschöpf bedrohen, geschweige denn von dessen Sinistra verschlingen!

Er ballte die Hand zu einer Faust und innerhalb von Sekunden fielen die Temperaturen um sie herum - der Wissenschaftler mußte um jeden Preis klar stellen, wer hier das Sagen hatte!
 

Ohne weiter zu zögern ließ er seine Hand gefrieren; Rikus Duplikat war so überrascht von diesem plötzlichem Widerstand, das er seine Hand nicht zurückzog und sie zwangsläufig an Vexens Handgelenk einfrohr.

Überrascht sah er auf das Gebilde aus festem Eis, dann wieder zu dem Urheber dessen.

Vexens kleines Experiment fing an leicht zu knurren, den Blick weiterhin auf die hellgrünen Augen gerichtet, welche nun mehr als tausend Worte zu sprechen schienen:
 

"Entweder, du lässt mich sofort los oder ich sorge dafür das du als Eisklotz endest!"
 

Der Junge blickte noch ein paar Sekunden auf ihn herab, seine Hand fing an zu kribbeln und langsam taub zu werden doch es störte ihn nicht sonderlich; dann stand er auf und trennte mit einem kräftigem Ruck die Verbindung aus Eis.

Er trat ein paar Schritte zurück, ließ den Mann aber nicht aus den Augen.

Vexen schnappte unterdessen erst einmal kräftig nach Luft und richtete sich langsam auf.

Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und blickte dann auf jene, die noch mit Eis überzogen war.

Einen Augenblick später löste es sich einfach auf; es schmolz nicht sondern verschwand langsam.
 

Nun richtete das Organisationsmitglied seine volle Aufmerksamkeit auf die Kopie von Riku, welche er geschaffen hatte.

Wieder konnte er nicht viel erkennen, der Strom war noch immer nicht wieder hergestellt und Funken seitens des Aggregats flogen auch nicht mehr. Stille herrschte.
 

"Wer bist du?", fragte seine Schöpfung nach einigen Momenten, das Sinistra umspielte nun dessen Körper, soweit es die Nummer IV erkennen konnte. Vexen fragte sich, wie er antworten sollte. Wenn er schon jetzt die volle Wahrheit sprach, nämlich das er sein Schöpfer war -

wer garantierte ihm, das Rikus Duplikat sich nicht im nächsten Moment wieder auf ihn stürzte?

Er würde es sicher als Lüge hinstellen.

Wer nahm schon gerne hin, ein künstliches Wesen zu sein?
 

Dem Anschein nach hatte er mehr einen eigenen Willen, als von Vexen beabsichtigt.

Also mußte er erst mal ein wenig die Tatsachen verdrehen.
 

"Man nennt mich Vexen. Ich bin... Forscher", meinte der Niemand kühl und stand schließlich auf.

Die Augen wandte er nicht von seinem Gegenüber ab.

Dieser zog nun eine Braue hoch.

Sah ihn einfach an, bis sein Blick weicher wurde und die anfängliche Kälte fast gänzlich verlor.
 

"...und... was tue ich hier? Habe ich auch einen Namen?", fragte er.

In seiner Stimme schwang unzähliges mit.

Unzähliges, was ein normaler Mensch als "Gefühle" bezeichnen würde.

Hoffnung, Trauer, Wut und Verwirrung.

Dinge, die in ihm nicht existieren durften. Vexen hatte ihm zwar Illusionen eingepflanzt, aber diese durften erst aktiv werden, wenn Naminés Manipulation hinzu kam. Was war also los? Und vor allem - warum war ihm selbst so seltsam?

Je länger er in diese, in der Dunkelheit leuchtenden Augen sah, desto unangenehmer wurde ihm.

Es irritierte den Wissenschaftler umso mehr.
 

Denn er tat etwas, was nicht sein durfte - er spürte.

Er spürte eindeutig etwas in seinem Körper und er war sich diesmal sicher, das es keine Illusion war.

Kein billiger Bluff, keine Erinnerungen an eben jene Gefühle, an das, was er spürte.

Diese Erkenntnis, auch wenn er sie noch nicht wahr haben wollte, war so berauschend das Vexen leicht zu zittern begann.

Immer wieder sagte er sich das es nicht sein konnte, das die Erinnerungen, die normal für solche Empfindungen in ihm zuständig waren -

das sie ihn täuschten, ihm einen Streich spielten.

Aber warum... war es so real...?

Der Frostige schluckte.
 

"Einen... Namen...?", wiederholte er, wollte damit eigentlich nicht bezwecken, das Rikus Duplikat darauf reagierte.
 

"Ja. Einen Namen. Oder willst du mir sagen, das ich keinen habe...?", zischte Vexens Gegenüber; seine Miene wurde bei diesen Worten wieder ernster und das Sinistra umspielte ihn wie bei einem wildem Tanz. Langsam wurde er ungeduldig.

Seine Fragen übten einen unerträglichen Druck auf ihn aus und noch dazu, fühlte er sich leer.

Aber dennoch war da etwas. Etwas anderes neben dieser Leere.

Es fühlte sich fremd an und so, als ob es nicht sein dürfte.

Vexens Schöpfung ballte die Fäuste.
 

"Antworte mir endlich!", schrie er schon fast, Blitze zuckten erneut.

Sein Körper bebte.

Warten wollte er nicht mehr.

Er wollte ein 'sein', eine Aufgabe oder wenigstens den Grund, warum er hier in diesem Loch aufgewacht war!
 

"...Repliku. Dein Name. Dein Name lautet Repliku."

Vexen schluckte erneut unbemerkt, als er den "Namen" aussprach, welchen er sich gerade aus den Fingern gesogen hatte.

Er war besser als gar keiner und in gewisser Weise passte er perfekt zu seinem Geschöpf.

Repliku. Ein Replikat von Riku, dem Jungen dessen Herz so schwarz wie die Nacht war.
 

"...seltsamer Name...", murmelte Repliku, aber es war ihm Recht.

Nun hatte er wenigstens ein 'sein', einen Namen mit dem er sich identifizieren konnte.

Er verschränkte die Arme.
 

"Und was tue ich nun hier...?", fragte er und legte leicht den Kopf in den Nacken.

Vexen sah ihn kurz an, antwortete aber nicht.

Statt dessen wandte er sich wieder dem Notstrom zu um etwas Licht in das Labor zu holen.

Er ging in die Knie und schaltete das Aggregat an.

Es surrte leise, der Motor ratterte dann kurz und endlich gingen die Lampen wieder an.

Vexen entwich ein erleichtertes Seufzen und er stand wieder auf.

Beinahe automatisch sah er auf Repliku.
 

Nun konnte er in ganz erkennen und mußte sofort zugeben, sich selbst übertroffen zu haben:

Er sah Riku ähnlich wie ein Spiegelbild. Dieselben grünen Augen, das kurze flieder-farbende Haar und die dunkelblaue, fast schwarze Tracht mit dem Symbol der Herzlosen auf der Brust. Dieser Anblick faszinierte ihn. Machte seine Knie weich.

Er wußte nicht genau warum, vermutete aber das es von dieser "Perfektion" seiner Arbeit herrührte - oder...?

War es vielleicht doch etwas anderes? Ein Gefühl vielleicht...?
 

Vexen verschränkte die Arme.

Das war doch alles absurd...!

Noch im selben Augenblick entschied sich der Wissenschaftler, diese Gedanken und "Gefühle", die im Moment durch seinen Körper krochen, bei Seite zu schieben und sich Wichtigerem zu widmen.

Wie zum Beispiel der Frage Replikus.
 

"Du bist hier, um jemanden zu bekämpfen. Um eine Aufgabe zu erfüllen."

Nun ging es in die heiße Phase - würde Repliku ihm gehorchen?

Und würden die Erinnerungen und Daten, die er dem Duplikat in das Gedächtnis gepflanzt hatte, auch in richtigen Zusammenhängen "funktionieren"?
 

"Erinnerst du dich an einen Jungen namens Sora und was es mit diesem auf sich hat?", fragte die Nummer IV und musterte das Double genau.

Wie würde er reagieren?

Repliku wurde ohne es zu merken wieder zu einem Forschungsobjekt.

Mehr war er im Grunde nicht für Vexen - jedenfalls hatte es den Anschein...
 


 


 

"Glaubst du das Axel mitmachen wird?"

Larxene stand gelangweilt bei der Kristallkugel und schielte ab und an zu Naminé, welche mit gesenktem Haupt in einer Ecke des Raumes saß.

Sie hatte eine ausdruckslose Miene aufgesetzt.

Und wenn sie die Fähigkeit hätte, zu spüren, dann würde sich die junge Hexe unglaublich schlecht fühlen.

Sie tat etwas, was sie nicht wollte.

Aber sie hatte keine andere Wahl, als Sora an der Nase herum zu führen.

Sie war das Werkzeug und mehr nicht. Naminé hatte keine Rechte und nur stumm zu gehorchen.

Marluxias süffisante Stimme ertönte.
 

"Ich bin mir nicht sicher. Zur Zeit würde ich es vorziehen, ihn im Unklaren zu lassen."

Der Assassine stand mit dem Rücken zu der Nympfe, hatte die Arme verschränkt und linste auf das Treiben, das sich ihm durch die Kristallkugel bot. Sora und seine Gefährten waren bereits im zweiten Stock angekommen.

Langsam aber sicher dürften die Gesetze des Schlosses ihre Spuren hinterlassen haben. Leisen Schritts ging er nun zu seiner kleinen Trumpfkarte und hockte sich hin um mit ihr auf Augenhöhe zu sein.
 

"Lass dir ja keinen Fehler unterlaufen, hörst du Naminé? Vielleicht habe ich dann ja ein Geschenk für dich... wenn alles gut läuft", meinte Marluxia leise und lächelte verschlagen.

Naminé traute sich nicht, ihm in die Augen zu sehen. Alles was darin zu finden war, nannte man Verderben -

und von diesem hatte sie genug gesehen zumal sie einen Jungen in dessen Verderben schickte, wenn es so weiterging.

Sie nickte zögernd und biß sich auf die Unterlippe.

Alles, was sie sich wünschte war Freiheit. Sie wollte zu etwas gutem nutze sein und nicht nur diejenige, die Erinnerungen anderer praktisch auf Knopfdruck manipulierte und gegen falsche eintauschte.
 

"...sehr gut."

Marluxia stand schließlich wieder auf und warf einen zufriedenen Blick auf Larxene, welche Schwierigkeiten hatte ernst zu bleiben.

Kinder waren so leicht zu täuschen. So leicht sie Sora in die Irre führen konnte, so leicht wurde Naminé selbst auch an der Nase herum geführt...

Die Nummer XII kicherte, sagte aber nichts. Ihr Partner sollte wissen, woran sie dachte.

Der Assassine schloß kurz die Augen. Es wurde Zeit, jemandem einen Besuch abzustatten...
 


 


 

Vexen ließ sich auf einem Stuhl nieder und besah sich abermals Repliku.

Er hatte wirklich saubere Arbeit geleistet.

Wirklich. Zum ersten Mal war der Wissenschaftler wirklich stolz auf etwas, was er geschaffen hatte.

Und dieser Stolz war nicht das einzigste. Der Wissenschaftler freundete sich langsam damit an, etwas zu empfinden das allem Anschein nach nicht nur als Erinnerungen bestand. Und wenn dem wirklich so war... dann war er der Erste der Organisation. Der Erste, der wieder wahre Gefühle empfand. Auch wenn es zu banal war.
 

Doch diese Empfindungen waren wesentlich stärker als jede Illusion, jedes Gefühl das er vor gab zu besitzen. Und wenn er es nicht besser wüßte würde er meinen, das ausgerechnet Rikus Double der Auslöser für all das war.
 

Dachte Vexen nämlich genauer darüber nach kam er zu dem Schluß, das dieser ganze Spuk mit ihm angefangen hatte.

Je länger er an diesem Projekt gesessen hatte, desto sehnlicher wurde der Wunsch, Repliku endlich aufwachen zu sehen.

Vielleicht hatte er sich auch einfach zu intensiv damit beschäftigt, aber es sprach alles dafür.

Als Larxene vorhin ihren Sarkasmus spielen ließ und Repliku als Aufziehpuppe bezeichnete, hatte es ihn auch sehr getroffen.

Und als er seine Schöpfung schließlich in voller Größe vor sich sah, schien es endgültig um ihn geschehen...

Vexen massierte sich angestrengt die Schläfe.

Es hatte keinen Sinn, es abstreiten zu wollen.

Die Fakten, die er am eigenen Leibe zu spüren begann, waren eindeutig.

Vor lauter Ironie musste er grinsend den Kopf schütteln.

Vexen musste sich geschlagen geben.

Anscheinend mochte er Repliku...
 

Eben dieser blickte sich indessen neugierig in dem Labor um - auf die Frage, warum er hier aufgewacht war oder warum sich alles so flau und leer in seinem Innerem an fühlte, hatte Vexen noch kein Wort verloren.

Das störte den Jungen irgendwie.

Schon die ganze Zeit über hatte er das Gefühl, nicht wirklich zu sein.

Wurde ihm etwas verheimlicht?
 

"Vexen... du hast noch immer nicht auf meine Frage geantwortet.

Und ich bitte dich jetzt das letzte Mal darum!

Wenn ich Sora schon bekämpfen soll, dann will ich auch wissen, was genau los ist!"

Mit diesen Worten wandte sich Repliku um und sah Vexen argwöhnisch an.

Er wußte, wer Sora war. Aber nicht, warum er hier war.
 

Es war sein bester Freund - aber wie gesagt, war.

Sora kümmerte sich nicht mehr um ihn oder Kairi.

Ausdrücklich hatte er ihm gesagt, auf sie aufzupassen, aber das nahm er wohl nicht ernst;

weshalb war er sonst hier? Um den Helden zu spielen bestimmt nicht.

Er wollte sich sicher wieder wichtig machen...
 

Vexen blickte ihn weiterhin stumm an.

Es hatte alles geklappt. Die Informationen, die er ihm über Sora eingepflanzt hatte, waren zwar falsch aber sie taten ihre Pflicht.

Sie lenkten das Tun und Denken von Repliku in eine Richtung, die ihm und der Organisation zu Gute kamen.

Und wenn Naminé nun auch noch falsche Erinnerungen einpflanzte...!

Die Nummer IV seufzte.
 

"Repliku... also..."

Vexen wußte nicht wie er antworten sollte.

Eigentlich wollte er auch nicht antworten, da es ihm nicht behagte.

Wie würde seine Schöpfung nur reagieren?

Nach allem was er bisher gesehen hatte, konnte er sich sicher sein, das Repliku nicht gerade erfreut sein würde.

Vielleicht würde er den Seelenfänger an die Kehle seines Schöpfers halten...
 

"Also? Ist es etwas, was ich eigentlich nicht wissen sollte?

Hat es einen bestimmten Grund warum sich alles so leer anfühlt?!", zischte Repliku und um die Stelle, an der sich eigentlich sein Herz befinden sollte bildete sich Sinistra. Es drang in ihn ein, flackerte wild um ihn herum und griff zuletzt auch leicht nach Vexen, ehe es wieder verschwand.
 

Verdammt, was wurde hier gespielt?

Langsam wußte der Junge nicht mehr, was er noch denken sollte.

Auf der einen Seite war alles leer und flau und auf der anderen wiederum, schien er doch etwas zu empfinden.

Aber was war nun Realität und was nicht?
 

"...leider ist es so. Wenn ich ehrlich zu dir bin, würdest du vielleicht ausrasten, sagen das ich lüge."
 

Vexen wagte es.

Lügen konnte er nicht und er war sich sicher, wenn es so weiterging, dann würden sie nicht weiterkommen und er mußte mit Repliku noch zu Naminé. Also setzte er alles auf eine Karte. Wenn er es richtig anstellte, konnte der Gelehrte vielleicht das Schlimmste verhindern.
 

Repliku sah in diesen Sekunden wie ein kleines Kind aus, das zum ersten Mal jemanden sah, den es nur aus seiner Fantasie kannte.

Mit großen, ungläubig schauenden Augen blickte er die Nummer IV an und zitterte.

Sein ganzer Körper begann zu zittern und Vexen sah dies mit einer gewissen Nervosität in den Gliedern.

Jedoch ließ er sich diese nicht anmerken und versuchte schlichtweg ruhig zu bleiben.

Aufregung oder gar Panik würde es auch nicht besser machen; also erst einmal abwarten, was Repliku nun machen würde.

Dieser stand einfach nur da und starrte Vexen an, aber man konnte erkennen, das es in seinem Kopf zu rattern begann und er diese kleinen Worte verarbeitete - und versuchte in einen Zusammenhang zu bringen.

Was ihm nach ein paar stillen Minuten auch gelang.
 

Ohne irgendein Wort an Vexen zu richten, wandte sich dessen Schöpfung um und ging leisen Schritts auf eine Ecke des Labors zu.

Eine Scherbe zersprang in viele Splitter, als er auf die Trat.

Das Glas knirschte, Repliku schaute unnachgiebig auf eine flackernde Lampe.

Er stand nun vor den Überresten des Glastanks, aus welchen noch immer grüne Flüssigkeit tropfte und den Boden glitschig machte.

Dort, wo er geboren worden war.

Dort, wo erst vor Stunden alles angefangen hatte.

Lange stand er regungslos dort, dachte über seine Empfindungen und die ebenso herrschende Leere nach, über das was er gesehen hatte als er die Augen auf schlug und über das, was Vexen sagte. Sollte es stimmen und sich Replikus Gedanken und Vorahnungen bestätigen - warum war er dann wirklich hier? Langsam, ganz langsam drehte er den Kopf leicht in die Richtung des Forschers, doch sah man sein Gesicht nicht.
 

"... ich...bin künstlich nicht war? Ist es das, was du mir verschweigst?"

Repliku drehte sich nun ganz zu ihm, wieder knirschte das Glas unter seinen Füßen wie ein böses Omen.

Seine Augen hatten einen seltsamen Glanz angenommen, undefinierbar für den Gelehrten.

Er versuchte weiterhin, seiner Mimik nichts anmerken zu lassen. Aber es wurde immer schwieriger für ihn; gerade weil Repliku ins Schwarze getroffen hatte. Abermals fragte sich das Organistaionsmitglied was hier gespielt wurde.

Abermals spürte er etwas in sich aufkeimen, etwas, was vorher nur als schemenhafte Erinnerung existierte.

Und wieder konnte er nicht glauben:
 

Vexen fühlte sich beschämt und dreckig.

Mehr noch, ihm tat Repliku Leid und er hatte das unbändige Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen.

Ihm in irgendeiner Weise zu helfen. Denn er ahnte, das es seinem Geschöpf einen Stich in das künstliche Herz versetzt hatte.

Obwohl Repliku genau so wenig fühlen sollte wie er selbst konnte er sehen, wie Schmerz und Trauer in ihm hoch kochten.

Und nicht wie zuerst gedacht Wut.

Doch die Frage warum sie beide fühlen konnten obwohl es schlicht weg nicht möglich sein konnte, klärte sich nicht.

Es hätte den Wissenschaftler gereizt, heraus zu finden warum - doch dieses Mal war es ihm wirklich egal.

Vexen sah einfach auf Repliku und seine Fassade drohte in sich zusammen zu fallen.

Warum machte ihn eine "Puppe" schwach?

Warum fingen Illusionen an, Wirklichkeit zu werden, wenn er ihm in die Augen blickte?
 

"Repliku... es tut mir Leid... du-", setzte Vexen an, verstummte jedoch.

Angesprochener ging langsam auf ihn zu und packte ihn an den Schultern.
 

Es zerriß ihn einfach. Alles, was er fühlte, war falsch. Er war falsch.

Er war nur ein Replikat von Riku, mehr nicht.

Er war niemand, nur eine Marionette.

Im Grunde genommen nichts, doch neben diesem Nichts war etwas, etwas was nicht sein sollte und das wußte er nun.

Und es war ihm auf grausamste Weise klar geworden.

Durch Lügen, Verschwiegenheit.
 

"Warum, Vexen? Wozu bin ich hier? Wozu würde ich gemacht?

Und warum verdammt noch mal existiert dort etwas in meinem Innerem wenn ich doch eigentlich Null und Nichtig bin!?", schrie Repliku, rüttelte an Vexen. Salziger Geruch stieg dem Gelehrten in die Nase.

Salziger Geruch, der von Tränen herrührte, die jedoch nicht geweint wurden.

Erst jetzt schien alles klar zu werden.

Zweifel lösten sich.

Erneut mußte Vexen sich geschlagen geben.
 

Noch während sein Geschöpf an ihm rüttelte, ihn beschimpfte und verfluchte griff sich die Nummer IV dessen Handgelenke und zog ihn zu sich.

Zögernd und vorsichtig legte er seine Arme um den bebenden Körper Replikus.

Dieser stockte, seine Stimme brach abrupt ab.

Die Augen waren geweitet, er traute sich nicht auch nur einen Finger zu rühren, so geschockt und verwirrt war er über diese Geste.

Wie konnte er ihn nur in den Arm nehmen? Nach allem, was er getan hatte?

Nach allem, was Repliku ihm an den Kopf geworfen hatte?
 

"Es tut mir Leid. Das ist alles, was ich dir sagen kann", wisperte Vexen, Repliku nun fest in den Armen haltend.

Diese Worte waren nicht gelogen. Sie waren wirklich alles, was Vexen sagen konnte um sich zu rechtfertigen.

Vielleicht hätte er Repliku mehr geben können. Ein richtiges Herz, echte Gefühle - alles was ihm nun fehlte, bloß weil er so ungeduldig gewesen war. Ihm wurde nun auch klar, das er zu sehr von seiner Arbeit gefangen wurde und seinen Blick für das Wesentliche verloren hatte.

Hätte er sich mehr Zeit gegeben und nicht das baldige Erwachen Replikus erstrebt...
 

Zaghaft fing dieser nun an, sich zu lösen.

Er hatte sich beruhigt und von daher war Vexens besondere Aufmerksamkeit nicht mehr nötig, auch wenn er nun sehr verwirrt war.

Sachte drückte er sich von seinem Schöpfer fort und krabbelte von dessen Schoß herunter.

Repliku machte ein paar Schritte rückwärts um von Vexen weg zu kommen -

im selbem Augenblick tat sich in dem Raum ein Portal auf.

Die Dunkelheit verschwand im Boden und gab eine Gestalt frei, die vollkommen verhüllt war.
 

Erst, als die Person die Kapuze zurückzog, ihr Gesicht preisgab und ein paar Blütenblätter zu Boden fielen, war der Wissenschaftler sich zu seinem Leidwesen sehr sicher, das es sich um den Assassinen handelte.

Marluxias Miene war unberührt.
 

"Was willst du, Nummer XI?", fragte Vexen monoton und tat so, als wenn nichts gewesen wäre.

Ihm wurde flau im Magen und es kribbelte Vexen überall.

Zu gerne hätte er noch so verweilt, er wußte nicht genau warum, aber es war so.

Jedoch war es anscheinend nicht im Interesse des Jungen, sich noch weiter an den Niemand zu schmiegen.

Es fiel ihm schwer, aber es war besser für sie beide, wenn...
 

"Er will mich sicherlich holen. Damit ich meine Aufgabe erledigen kann."

Repliku wandte sich zu Vexen um, stellte so sicher, das Marluxia sein Gesicht nicht sehen konnte.
 

Denn es war wehleidig.

Auch er wäre gern verweilt, so wie sie dort saßen.

Vielleicht wußte es sein Schöpfer nicht, aber er war dankbar für diese kleine Geste, so unmöglich sie zu Anfang auch schien.

Und er war dankbar das er der Erste sein durfte, der ein "Gefühl" Vexens am eigenen Leibe spüren durfte -

er würde es sich irgendwie bewahren.

Ein leichtes, ganz leichtes Lächeln formte sich auf den dünnen Lippen, ein Hauch von einem "danke".

Dieser Moment war für Repliku sehr wichtig geworden. Er hatte ihm gezeigt, das es möglich war ohne Herz wahre Gefühle zu spüren.

Er würde nicht aufgeben.
 

Sein Leben hatte erst begonnen.

Auch wenn er vielleicht noch weniger existieren durfte als ein Niemand, würde er vielleicht eines Tages, sollte er dann noch am Leben sein, von alleine im Stande sein zu fühlen. Die Hoffnung und den Beweis das es möglich war, hatte er gesehen und gespürt.

Rikus Kopie wandte sich schließlich um, setzte wieder eine ausdruckslose Miene auf.

Zeit zu gehen. Zeit, etwas aus dem zu machen was man hatte.

Auch wenn es nichts war.
 


 


 

Stille legte sich über das Labor, als das Portal verschwunden war.

Mit einem Mal schien alles noch kälter zu sein, noch hoffnungsloser als es schon war.

Vexen schlug die Beine übereinander, starrte zu Boden und begann nach einer Weile, leise zu lachen.

Wieder war es voller Ironie.
 

Er dankte ihm.

Aber wofür und zu welchem Preis?

Er würde sich nicht mehr daran erinnern können.

Daran, das sie beide hier saßen, spürten.

Das er in den Armen des Frostigen lag.
 

Denn Naminé würde sie ihm nehmen.

Die Erinnerung, würde mit ihr spielen und daraus tausend Lügen machen.

Tausend Lügen, für die er sterben würde.

Und alles nur wegen einem Jungen.

Vexen verzog das Gesicht, schnaubte leise.

Einen Lidschlag später fiel eine Träne zu Boden und zerschellte.
 

"Verflucht sei die Wissenschaft..."
 


 

- ENDE -



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Sirenentanz
2009-09-09T12:38:51+00:00 09.09.2009 14:38
Ich habe diesen OS heute Morgen zufällig hier gesehen und angefangen zu lesen. Nach der Schule habe ich mich sofort daran gesetzt ihn weiter zu lesen und jetzt bin ich fertig...
Das Ende war wirklich traurig. So gefühlvoll... ich hätte weinen können. Dein Schreibstil ist wirklich unbeschreiblich gut und ich denke das Pairing Vexen x Repliku hat einen Neuen Fan gewonnen.
Die Art wie du die Gefühle beschrieben hast waren wirklich außergewöhnlich. Der OS hat mich persönlich gefesselt und es hat mir Spaß gemacht ihn zu lesen.
Mach weiter so, du hast wirklich Talent.^^

lg. Skyress.
Von:  Mia
2008-09-16T15:07:30+00:00 16.09.2008 17:07
*seuftz*

Ich bin ebenfalls großer fan dieses Paars (...und der meinung dass es davon viel zu wenig gibt, wo sich doch so viel schönes damit machen lässt)

Der OneShot war einer der besten den ich bisher gelesen habe. Du beschreibst alles so absoulut perfekt, besonders Vexens und Replikus Gefühle, es ist schon fast unheimlich.
Ich finde es auch wunderbar wie du den Spielablauf mit Marluxia und Namine ergänzt sodass sich alles zu einem so harmonischem ganzen Zusammensetzt. Mein aller aller größtes Kompliment...

MiA

Von: abgemeldet
2008-09-15T23:35:55+00:00 16.09.2008 01:35
Danke, dass du mich zum Weinen gebracht hast... eines der schönsten und traurigsten Pairings... Es ist wirklich nur Glück, wenn man auf meiner FF-Favo-Liste landet aber dein One-Shot hat es geschafft.
Ich bin sehr gerührt. Die Charaktere... alles... es hat alles so gepasst...
Verflucht sei die Wissenschaft.
Tut mir leid, du musst wissen, eigentlich schreibe ich immer sehr lange und konstruktive Kommentare, aber das kann ich jetzt einfach nicht...
Du wirst sicher noch viele, bessere Kommentare bekommen. Aber mit dieser FF hast du mir heute diesen deprimierenden Abend bereichert. Wie auch immer... Eine einmalige FF.
Werd sie weiter empfehlen.

Liebe Grüße,
No IV


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