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Schattenräuber

Philipp & Tim
von

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Tag 7

Als ich aufwachte, sahs Why schon fertig angezogen auf der Kante ihres Bettes und grinste mich fröhlich an.

„Guten Morgen!“, flötete sie, kaum dass ich die Augen aufgeschlagen hatte.

Ich brachte ein müdes Lächeln und ein gebrummtes „Guten Morgen ...“ zustande.

Ich hatte in T-Shirt und Boxershorts geschlafen und zog mir schnell meine Hose an, bevor wir in die Küche gingen, um zu frühstücken.

Why erklärte mir, dass ihre Eltern auf der Arbeit waren und erst gegen Nachmittag wieder zurück sein würden.

„Wir gehen dann wohl nach dem Frühstück am Besten direkt los“, meinte sie zwischen zwei Löffeln Cornflakes.

Ich nickte und zuckte mit den Achseln, ganz nach dem wie-du-meinst Prinzip, während ich meinen Bissen runterquälte. Irgendwie war ich zu aufgeregt, um wirklich Hunger zu haben.
 

Wir standen in der Schlucht. Autos rasten hinter unseren Rücken vorbei und die Fahrer wunderten sich bestimmt, warum denn zwei 16 jährige an den Felswänden entlanggingen und –krochen. Wir legten unsere Ohren an die Wände, klopften sie ab und suchten dieses verflichsten Eingang.

Die Sonne stand schon ziemlich hoch. Ein müder Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass es schon ein Uhr Mittags war. Ich reckte mich kurz und dachte daran, dass wir schon ca. 2 Stunden suchten.

Langsam sank meine Hoffnung.

Ich ließ mich wieder auf die Knie fallen und klopfte weiter. Ich kam an ein Farngestrüpp und klopfte auch darauf. Zuerst flogen mir nur Spinnen und merkwürdige Käfer entgegen und Ekel verzog mein Gesicht. Dann aber – ganz plötzlich – bot sich meiner Faust kein Wiederstand mehr. Sie sackte durch den Farn. Krabbelgetier floh mir entgegen, doch ich beachtete es nicht, sondern schrei nur: „Why! Why, komm mal!“

Sie war auf der anderen Seite der Schlucht, weswegen sie kurz warten musste, bis sich einen Lücke in dem Autofluß auftat.

Kaum kniete sie neben mir, teilte ich den Farn, wodurch ich einen Durchgang freilegte.

Ich sah sie an und sie sah mich an. Dann nickten wir gleichzeitig. Sie kroch gefolgt von mir durch den Eingang.

Drinnen richtete ich mich auf und blieb einen Moment stehen, um meinen Augen die Zeit zu geben, sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen, welches hier vorherrschte und von vier Fackeln rührte, die in den vier Ecken verteilt waren.

Als ich mehr als nur Umrisse erkennen konnte, machte ich zwei Türen zu meiner Linken und Rechten aus, so wie eine dritte ca. vier Meter vor mir.

Und ich bemerkte noch etwas.

Meine Freundin stand angespannt da. Schauer durchliefen ihren Körper. Ihr Gesicht, welches sie gesenkt hielt, verzerrte sich nach vorne. Speichel troff aus dem Mundwinkel. Die Haare an Armen und Beinen und wer weiß wo noch wurden länger, bildeten eine Fell- decke. Venen und Adern traten deutlicher hervor, die Muskeln wurden größer. Ihre Fingernägel wurden spitz und krallenartig. Netzstrumpfhose und –stulpen sowie ihr T-Shirt spannten sich. Die Augen wurden gefährlich gelb und die Iris zog sich zu einem schmalen Strich zusammen. Hätte ich nicht 100%ig gewusst, dass diese Horrorgestall neben mir Why war, wäre ich schreiend davongerannt. So stand ich allerdings einfach nur da und starrte sie an.

Sie knurrte und bedachte mich zu meinem Entsetzen mit einem ziemlich wilden Blick. Ihr Kopf, der sich zu einer hundeähnlichen Schnauze umgeformt hatte, ruckte hin und her. Die nassen Nasenlöcher blähten sich, als sie schnüffelte.

Ihr wilder Blick zuckte wieder zu mir und ich machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Irgendwie schien sie diese Geste wieder auf den Boden zu holen, denn ihr ganzer Gesichts- ausdruck wurde weicher.

„Keine Angst. Du hast doch keine Angst, oder?!“, fragte sie. Ihre Stimme war wieder so knurrähnlich wie sie im Wald gewesen war.

Ich versuchte es mit einem Lächeln und es gelang. So halbwegs.

„Nein, ich ... hab mich nur erschreckt.“

Ich meinte ein beruhigtes und irgendwie wissendes Lächeln erkennen zu können, bei dem sie ihre langen Fangzähne zeigte.

Plötzlich war ihr Gesicht wie versteinert. Sie schien zu lauschen. Auch ich spitzte die Ohren, konnte aber nichts hören. Außer Stille und unsere Atem. Bei ihr schien das anders zu sein.

„Da vorne“, flüsterte sie. „Da sind sie.“

Sie zeigte mit ihrer Pranke auf die Tür am Ende des kurzen Ganges. Ich wollte schon darauf zugehen, doch sie hielt mich zurück.

„Ich muss dir noch kurz was gestehen“, zischte sie. Ich sah sie aufmerksam an.

„Als wir uns kennengelernt haben, im Zug ... und du mir dann so viel erzählt hast ... das war wegen meiner Gabe. Wegen dieser bringe ich immer die Leute dazu, mir alles bzw. vieles zu erzählen, sobald ich ihre Namen weiß.“

Ich starrte sie an. Sie schaute leicht betreten zu Boden. Bestimmt wusste sie, wie sehr es mich schockierte, dass sie mein Vertrauen dermaßen missbraucht hatte. Eine andere Tatsache drängte sich mir auf: Hätte sie ihre Gabe nicht genutzt, hätte ich ihr das mit den Vampiren und so niemals erzählt. Ich hätte viel zu viel Angst davor gehabt, dass sie mich auslacht und mir den Vogel zeigt.

Dank dieser Feststellung konnte ich es also ganz gut verzeihen.

Ich zuckte betont lässig mit den Achseln und raunte: „Schon OK.“

Sie schaute mich noch einen Moment lang an und lächelte dann glücklich. „Gut.“

Ich wante mich ab und ging abermals Richtung Tür, doch wieder hielt sie mich zurück und ging vor.

Sie legte eines ihrer flauschigen Ohren an das Holz und lauschte. Ich stand direkt neben ihr, doch ich konnte immer noch nichts hören.

Plötzlich schien sie zu entscheiden, den Überraschungsmoment zu nutzen und stieß die Tür schwungvoll auf. Sie krachte laut und hart gegen die maßieve Felswand.

Ich erfasste mit einem Blick die Situation.

Ein großer, wuchtiger Holzschrank nahm die ganze Wand direkt mir gegenüber ein. Vor diesem Schrank standen die Vampire sich gegenüber. Nex auf der einen und Timor und Lupa auf der anderen Seite. Alle Gesichter waren uns zugewant. Alle sechs Augen zuckten zwischen mir und meiner Freundin hin und her. Und alle drei schienen sie schwer überrascht, uns zu sehen. Warum waren sie so überrascht? Warum hatten sie uns nicht gehört? Ich fand keine Antwort.

Es verstrichen noch ein paar Augenblicke, dann nickte Timor Nex zu und bedeutete diesem so, zu ihm zu kommen.

Nex ging, wenn auch mit kaum unterdrückten Wiederwillen und stellte sich rechts von Timor auf. Zu seiner Linken stand Lupa, deren Haare gefährlich rot waren.

Er, der er da in der Mitte stand, war auch der erste, der sich wieder fing und uns gelassen ansah.

Irgendwie hatten wir den Überraschungsmoment verpasst.

Er grinste, nickte und blickte kurz nach links und rechts.

Plötzlich, ganz unerwartet, knickte Why neben mir ein. Sie stöhnte, stand zusammenge- sunken da und schein unfähig, sich zu bewegen.

Panik und Sorge stiegen in mir auf.

„Why!“, schrie ich unvermittelt, aus der reinen Frustration herraus, nichts tun zu können. Doch etwas schien ich damit bewirkt zu haben, denn ihre Augen blitzten und sie stellte sich wieder gerade hin. Ich sah zu den Vampiren hinüber, sah in ihre konzentrierten Gesichter. Der Hauch von Timors Stimme erreichte mein Ohr.

„Zuerst ... den ... Werwolf.“
 

Wie zur Salzsäule erstarrt stand sie da, den Blick auf den Vampir in der Mitte geheftet. Schweißperlen rannen ihr über die Stirn, das Blut rauschte in ihren Schläfen. Es kostete sie viel Energie und höchste Konzentration, den mentalen Angriffen standzuhalten und ihr-erseits anzugreifen. Werwölfe besahsen ein immenses Ausmahs an Willensstärke, mehr als ein einzellner Vampir. Doch sie, Why, war nur ein Halbwerwolf und sie kämpfte gegen drei voll ausgebildete Vampire.

Sie sah weiter in die von langen Wimpern umrahmten blutroten Augen des bildhübschen Timors, auf dessen Gesichtszügen ein siegesgewisses Lächeln zu lesen war. In der Tat spürrte das Mädchen, wie ihre geistliche Barriere aus purer Willensstärke haarfeine Risse bekam und hier und da schon bröckelte. Feindliche Mentalitätsfetzen haatten sich schon durch ebenjene Risse gezwenkt und schwirrten in ihr umher, versuchte ihre Konzentration zu stören. Immer, wenn es ihnen gelang, wurden die Risse größer.

Panik wallte in Why auf und drohte den letzten Rest Willenskraft zu begraben. Fierberhaft überlegte sie, wie sie das Ruder noch rumreissen konnte, doch es wollte ihr nichts einfallen, außer ...

„Sag meine Eltern, dass ich sie immer geliebt habe, liebe und ewig lieben werde!“, rief sie dem Jungen hinter sich zu, der antwortete: „OK, mach ich, aber sag mir bitte, was du vorhast!“

Sie beachtete es nicht, sondern bereitete sich auf den Zauber vor, der sie zu 99,99% umbringen würde. Selbst vollwertige ihrer Art brauchten langes Training und viel Kraft, um den Zauber auszusprechen und danach auch weiterleben zu können.

Why hatte ihn mal in einem Buch gelesen und ihren Vater darauf angesprochen, welcher das Buch verbrannt und ihr verboten hatte, ihn auszuführen. Doch jetzt würde sie so wie so sterben, da konnte sie ja wenigstens Tim retten.

„Lux cux!“, schrie sie, was auf deutsch so viel wie „das strahlende Kreuz“ bedeutete.

Die Vampire stellten augenblicklich ihre Angriffe ein, denn natürlich kannten auch sie den tödlichen Zauber. Lupa schrie hysterisch etwas und auch Timors sonst so sanfte Stimme klang panisch. Einzig Nex blieb ruhig.
 

Why sah durch ihre geschlossene Augenlieder ein helles, strahlendes Licht aufleuchten, dann wurde alles schwarz. Zuletzt hörte sie Philipps Schrei: „Why!“

Ihre Seele glitt aus dem geschundenen Körper, entfloh in den Himmel. Einzig die Hülle, über der ein hell strahlender Kruzfix in der Luft hin, blieb zurück, auf den Lippen ein zufriedenes Lächeln, von dem Staub des Sieges umweht.
 

„Why!“, schrie ich erneut. Tränen liefen mir über die Wangen, wurden jedoch von dem heftigen Wind direkt wieder getrocknet, welcher aufgekommen war, als der erste Vampir gestorben war.

„Why ...“, hauchte ich, doch meine Stimme wurde vom Winde verweht.

Der Sturm wurde immer stärker, war begleitet von einem wilden, wütenden Brüllen. Ich spürrte den Staub, der mir ins Gesicht peitschte, nicht, als ich mich neben dem toten Körper meiner Freundin niederließ. Der schon verblassende Kruzfix schwebte über mir. Erst jetzt, als ich wieder wieder herab in ihr lebloses Gesicht sah, in dem ich meinte, ein Lächeln lesen zu können, fiel mir auf, dass sie sich wieder in einen Menschen verwandelt hatte. Ihr schwarzes, glattes Haar wurde vom Sturm zerzaust.

Ich betete ihren Kopf auf meinen Schoß. Ich weinte bitterlich. In mir schien es einerseits zerrissen zu sein, andererseits aber auch vernkotet. Es war, als hätte jemand mein Herz mit tausend Nadeln durchlöchert.

Ich dachte gar nicht an die Gefahr, in der ich schwebte. Ich war ganz in meiner Trauer versunken.

Plötzlich – ich wusste nicht wann – ging das Licht über mir aus, wie bei einer Kerze, die man auspustet, und gleichzeitig wurde es absolut windstill.

Ich registrierte es nur am Rande, während ich weiter dasahs und ewinte, von stummen Schluchzern gesüchttelt.

Warum hatte es so enden müssen?

Wegen Tim, gabmir eine leise Stimme in meinem Kopf die Antwort.

Tim ... Wie immer holte mich dieser Name in die Wirklichkeit zurück. Ich musste zu ihm, sonst wäre alles umsonst gewesen!

Ich war aufgestanden, hatte die Tür geöffnet und stand nun auf dem breiten Gang. Ich schenkte dem Ausgang rund vier Meter vor mir keine Beachtung sondern öffnete die Tür zu meiner Linken.

Das Licht der Fackeln aus dem Gang hinter mir fiel nur spärlich in den Raum, der sich vor mir auftat. In dem Dämmerlich konnte ich einen wuchtigen Holzschreibtisch erkennen, auf dem diverse Papiere lagen. Hinter dem Schreibtisch waren mehrere Regalbretter an der Wand angebracht, auf denen Gefäße standen, die mit einer merkwürdig – milchigen Flüssig- keit gefüllt waren. Doch da war nicht nur diese Flüssigkeit drin.

Ich erschauerte und machte die Tür hastig wieder zu, als ich erkannte, was es war. Tiere. Oder zumindest Teile von ihnen. Einen Frosch und einen Wildschweinkopf hatte ich ausmachen können. Mehr hatte ich gar nicht sehen wollen.

Übelkeit stieg in mir auf und ich drehte mich um, zu der anderen Tür. Dahinter musste Tim sein. Ich schob jeden Gedanken an Furcht beiseite und stieß die Tür auf, während ich mit der linken Hand den Kruzfix hervorzog. Doch kein Vampir sprang mich an. Mein Blick zuckte durch die Halle, in der ich schon halb stand, und registrierte vier Fackeln in den vier Ecken, die dafür sorgten, dass ich eine am Boden liegende Gestallt erkennen konnte. Eine Gestallt mit grünen Haaren. Nur der Haaransatz war von einem dreckigem Blondton.

„Tim!“, schrie ich, ließ alle Vorsicht fallen und rannte zu ihm. Er rührte sich nicht.

„Tim ...“, flüsterte ich und ging neben ihm in die Hocke. Immer noch bewegte er sich nicht.

„Nein ...“, entrang es sich meiner Kehle. Mein Blick verschwamm durch die Tränen, die mir über die Wangen liefen. Ich hatte mich über ihn gebeugt und sie fielen ihm ins kalk- weiße Gesicht. Sollte alles umsonst gewesen sein? In einer verzweifelten Hoffnung griff ich nach seinem Handgelenk, um den Puls zu überprüfen. Schlagartik verwandelten sich meine Tränen des Kummers in Tränen der Freude. Sein Herz schlug! Zwar nicht sehr stark, aber es schlug!

„Du hast aber lange gebraucht, um hierhin – zu mir – zu kommen“, ertönte eine gelang- weilte, leicht überhebliche Stimme hinter mir. Ich fuhr herum. Mein Blick war noch nicht ganz klar und ich blinzelte hastig, um den Sprecher erkennen zu können. Es war ein Vampir.

Lupa, Timor und Nex waren tod oder wie man es nennen wollte. Also musste er es sein.

Das Oberhaupt.

Er lächelte kühl, als ich nichts erwiederte. Sein schwarzes Haar hatte ein paar weiße Strähnen, so weiß wie seine Haut. Der Mantel, den er trug, sah schlicht, aber elegant aus und schleifte leicht über den Boden, als er mir näher kam.

Sein Gesicht war noch schöner als das Timors, doch der Blick, mit dem er mich bedachte, war wilder.

Er war einen leichten Bogen gegangen, so dass ich, der ich mich erhoben hatte, nun der Tür am nähesten war. Langsam ging ich rückwärts auf sie zu, die linke Hand um den Kruzfix geballt.

„Du hast meine Gefolgsleute umgebracht und das kann ich beim besten Willen nicht toller- ieren“, sagte er, „und dein Blut ... es riecht frisch und stark. Auch mich wird es frisch und stark machen.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sah, wie ich mich seitwärts an der Wand entlang in Richtung Ausgang schob.

„Du kannst nicht entkommen“, flüsterte er. Seine langen, gemessenen Schritte durch- maßen den Raum und ließen den Abstand zwischen mir und ihm kleiner werden. Ich spürrte immer noch keine Angst, sondern lächelte sogar, als ich die Faust öffnete und den schwarzen Kruzfix zeigte, der im Fackelschein matt gläntzte. Mein Wiedersacher blieb ca. 2 Meter vor mir stehen, zerfiel jedoch nicht zu Staub. Jetzt meldete sich leise Panik in mir, die ich mit aller Macht unterdrückte, um nicht von ihr gelähmt zu werden. Der Vampir, der stehen geblieben war, schein über den umstand, noch zu exestieren ganz perplex. Ich nutzte den Moment der Verwirrung aus und stolperte aus der Halle in den Gang, wo ich - immer noch rückwärts – die Tür zu dem sonderbaren Zimmer öffnete. Dort ging ich weiter, bis ich mit dem Rücken zu den Regal mit den Gefäßen darin stand. Kaum war ich mir meiner Umgebung richtig bewusst geworden, hörte ich Schritte, die näher kamen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als der Vampir im Türrahmen erschien, mit rot glühenden Augen.

Sein Mund war zu einem siegessicheren Lächeln verzogen.

„Buh ...“, meinte er mit emotionsloser Stimme und schien mein kreideweißes Gesicht zu genießen, in dem sich gewiß meine Angst wiederspiegelte.

Ich krallte mich an dem Regalbrett hinter mir fest. Meine Fingerknöchel traten weiß hervor, die Nagelbetten entfärbten sich.

Plötzlich schien die Luft um seinen Brustkorb herum merkwürdig zu flimmern.

Er bereitet sich auf einen mentalen Angriff vor!, schoss es mir gerade noch rechtzeitig druch den Kopf, um der Kugel aus flimmernder Luft mit einem Hechtsprung zur Seite aus-weichen zu können. Die Kugel landete in dem Gefäß, vor dem sich bis eben noch mein Kopf befunden hatte. Ein Schauer, gepaart mir ungläubigen Entsetzen, durchfuhr mich, als der Frosch, der bis dato friedlich in seiner milchigen Flüssigkeit geschwommen war, zum Leben erwachte.

Und nicht nur das.

Sein linkes Froschbein streckte sich in die Länge und die langen Zehen wuchsen zusammen. Das ganze schien keine Knochen mehr zu besitzen, denn es schlingerte wild hin und her, so dass es an eine Tentakel erinnerte. Neben dem zuckenden Kopf, dessen Augen in ihren Höhlen umherrollten, wuchs ein zweiter mit drei Augen und zwei Froschmäulern, in denen sich gespalltene Schlangenzungen befanden. Das Wesen schoss in seinem Gefängniss wild hin und her, während immer mehr Gliedmaßen an den unmöglichsten Stellen aus ihm sprossen. Vereinzellt konnte ich auch schwarze und grüne Stacheln erkennen.

Ich hörte nur am Rande meines ungläubigen, erstarrten Bewusstseins, wie eine Stimme hinter mir sprach: „Interessant ... Das passiert also bei Tieren, die einen mentalen Angriff abbekommen.“

Mein Verstand weigerte sich, normal zu arbeiten, bi eine starke Elektrizität mich durchfuhr und lähmte.

Ich ... Er hat mich getroffen!, wurde es mir bewusst. Übelkeit bemächtigte sich meiner und ich erbrach mich auf den Fußboden. Ich spürrte, dass ich mich wieder bewegen konnte, und sah den Vampir an, um dessen Brust es abermals flimmerte. Ich hielt den Kruzfix hoch, doch wie beim ersten Mal passierte nichts. Was war da los? Warum funktionierte es nicht?

Meine Gedanken wurden von einer erneuten Mentalitätskugel unterbrochen, von der ich mich mit einem erneuten Sprung rettete. Sie traf einen Hirschkopf samt –hals, dessen Augen ruckartig aufflogen und umherzurollen begannen. Das Fell des Tieres verfärbte sich giftgrün und Stacheln in ebenjener Farbe wuchsen den Nacken hinten herunter, in einer geraden Linie. Sie waren durch eine hellgrüne Membran miteinander verbunden. Die Augen wurden rotund die Flüssigkeit um die Nüstern herum begann zu zischen. Da, wo der Hals irgendwann in der Vergangenheit einmal abgetrennt worden war, sprossen unzählige Tentalkeln. Aus den Schläfen des Tieres wuchsen zweil ange, schwarze, nach vorne gebogene Hörner. Die Enden des Geweis wurden spitz, so dass es an ein Gewirr aus Hörnern oder übergroßen Dornen erinnerte.

Erneut ergriff mich Übelkeit. Dann hörte ich langsame, aber unaufhaltsame Schritte, die auf mich zukamen.

Ich hatte wirklich Angst, als ich meinen Blick von dem Hirsch abwante und meinen Wiedersacher ansah. Ihn schien das Sachauspiel, welches sich ihm bot, nicht im geringsten aus der Bahn zu werfen. Im Gegenteil, er wirkte leicht belustigt.

Nur nochd er Schreibtisch trennte ihn und mich. Ich drückte mcih an das Regal hinter mich und fühlte, wie das Gefäß mit dem Hirsckopf hin- und herruckte. Doch ich ließ mich von dieser Erkenntnis nur kurz ablenken und sah wieder nach vorne, sah in das weiße Gesicht.

Ich schreckte heftig zusammen, als der Vampir mit einem geschmeidigen Sprung auf dem Tisch landete und mich nun von oben herab musterte. Ein leichter Wahnsinn, ein Wahn nach Blut, meinem Blut, verzerrte sein Gesicht.

Er schoss noch zwei Angriffe auf mich ab, doch ich hatte nicht mehr den Elan, mich zu bewegen. Die Kugeln landeten links und rechts neben mir. Entweder, weil er schlecht geziehlt hatte oder, weil er mich hatte erschrecken wollen. Ich tendierte zum zweiten. Er spielte mit mir.

Eins wunderte mich: Warum sagte er nichts? In jedem erst- oder zweitklassigen Film ist es doch so, dass der Schurke dem Helden seinen teuflischen Plan erzählt, wodurch der Held Zeit gewinnt und am Ende eben dadurch siegen – oder sich zumindest befreien – kann. Vielleicht brauchte der Schurke in meinem Film ja einfach eine Anregung.

„Wofür habt ihr die Schatten eigentlich gesammelt?“, fragte ich, um eine möglichst feste Stimme bemüht. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass sie leicht zitterte.

Sein siegessicheres Lächeln wurde noch breiter und seine Augen funkelten fanatisch, als er mich aufklärte: „Wie du weißt, zerfallen wir zu Staub, wenn wir ins direkte Sonnenlicht treten. Dadurch können wir nur Abends bzw. Nachts aktiev sein. Doch das reicht uns nicht. Wir wollen immer aktiev, wollen immer unsere Macht und Kraft mehren, indem wir einfachen Menschen wie dir und deinem Freund das Blut nehmen.

Je reiner das Blut ist, desto stärker macht es uns. Und dein Blut, das ist besonders

rein ...“ Bei diesem letzten Satz hatte er sich zum Sprung bereit gemacht. Mein Gehirn arbeitete fieberhaft. Ich brauchte noch mehr Zeit ...

„Du hast mir noch nicht erklärt, was das alles mit den Schatten zu tun hat“, rief ich schnell.

Er verdrehte sichtlich genervt die Augen, richtete sich jedoch wieder auf und unterrichtete mich hastig: „Mit den Schatten verdunkeln wir natürlich die Sonne, du Dum- merchen!“

Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Wie soll das den bitteschön gehen?“

Er schloss die Augen kurz, öffnete sie wieder und sagte mit erzwungen ruhiger Stimme: „Nun gut, ich will dich ja nicht unwissend sterben lassen. Wir haben jahrelang an einer Technik gearbeitet, mit der man Schatten einfangen, festhalten und ihnen den eigenen Willen aufzwingen kann. Es gab natürlich mehrere Fehlschläge, aber letzten Endes ist es uns dann doch gelungen und so unseren Halbtägigen Leben ein Ende gesetzt! Bald können wir endlich rund um die Uhr überall auf der Welt tätig sein! Wir können dann die Reinen von den Unreinen trennen und müssen keine Junkies mehr als letztes Mittel benutzen! Wir ...“

„Stop!“, unterbrach ich ihn, selbst überrascht von meinem Mut. „Es gibt kein ‚wir‘! Nex, Timor und Lupa sind tot!“

Er sah nachdenklich aus und nickte vor sich hin. „Allerdings, sind sie. Wegen dir!“

Ohne Vorwarnung sprang er vom Tisch. Ich riss aus reinem Reflex den Kruzfix hoch, den der Vampir mir mit einem hönischem Gelächter aus der Hand schlug, noch während er knapp vor mir landete. Jede Selbstbeherrschung war aus seinem Gesicht gewichen und es glich einer hungrigen Fratze.

Der Kruzfix, meine letzte Hoffnung, landete mit einem leisen „Pling“ in unerreichbarer Entfernung auf dem Fußboden.

In meiner Panik sah ich, wie der Vampir die Zähne bleckte, fühlte, wie das Regal hinter mir immer stärker ruckte und wankte. Jeder Gedanke daran verblasste, als ich zwei nadel- spitze Eckzähne an meiner blank daliegenden Halsschlagader spürrte. Eine Hand hielt meinen Nacken fest, die andere krallte sich in mein Haar. Sein Körper war eng an meinem gedrückt und nagelte mich so fest. Ich spürrte den kalten Atem, roch den Geruch ... den Geruch des Todes. Es war, als wolle er mich küssen, als er ganz sacht mit seinen Eckzähnen an meiner Ader entlangfuhr, auf der Suche nach der idealen Stelle zum beissen.

Seine Hand krallte sich fester in mein Haar, als er sie gefunden hatte. Ich schloss die Augen.

Brings hinter dich, bitte, brings zu Ende!, dachte ich. Es war mir unangenehm, von im so an das Regal gedrückt zu werden, ihm so nahe zu sein.

„Du riechst so gut ...“, wisperte er, dann biss er langsam, aber unaufhaltsam zu. Ich spürrte, wie schon der erste Blutstropfen an meinem Hals entlanglief, einer Träne gleich.

Plötzlich schepperte es etwas weiter rechts neben ir und Flüssigkeit spritzte gegen meine blanken Unterschenkel.

Ein Quacken ertönte, ein Klatschen & Schleifen.

Der Kopf vor mir fuhr ruckartig herum und riss mit den Reißzähnen gleich noch ein Stück Haut mit. Der Rest des Körpers verharrte in seiner Possition. Erst jetzt spürrte ich den stechenden Schmerz am Hals und das Wummern meiner Kopfhaut, registrierte, wie sehr das Regal wackelte, immer stärker. Ich linste nach rechts, um zu sehen, was da passiert war und sah den missgestallteten Frosch, der mühsam auf mich zuhüpfte, wo bei ihm die ganzen zusätzlichen Gliedmaßen im Weg waren.

Ich zuckte heftig zusammen, als es ein zweites Mal krachte, diesmal direkt links neben mir. Wieder wurde ich ein wenig nass, ein paar Glassplitter prallten gegen mein Bein, aller- dings ohne Schaden anzurichten. Ich guckte herunter und sah zu meinem Schrecken ein sehr kleines Krokodiel, das ähnliche Probleme wie der Frosch hatte. Ich stieß einen Schrei aus und erst jetzt fiel mir ein, dass meine Arme ja immer noch frei waren. Ich versuchte mit aller Kraft, den steinharten Körper vor mir wegzuschieben, doch genausogut hätte ich

versuchen können, Berge zu versetzen. So musste ich hilflos dabei zusehen, wie das Tier zu meinen Füßen kurz zu mir hochblinzelte, dann den Kopf zu dem Vampri wante, der immer noch den Frosch anstarrte, und diesem kräftig ins Bein biss. Er zuckte zwar zusammen, krümmte sich aber nicht vor Schmerz, wie ich es erwartet hätte. Stattdessen ließ er mich los, bückte sich und schleuderte das arme Krokodiel quer durch den Raum von sich.

Ich reagierte blitzschnell.

Durch seine ausgestreckten Arme durchtauchend machte ich einen Hechtsprung zur Seite.

Ich landete neben dem Frosch, der mich traurig anquackte, und hockte mich hin.

„Du kannst nicht entkommen“, knurrte mein Feind bedrohlich und wante sich blitzschnell zu mir um.

Fieberhaft suchte ich den Boden nach irgendetwas ab, womit ich mich verteidigen könnte.

Leider gab es da nur eine Möglichkeit.

Mit einer schwungvollen Bewegung riss ich den Frosch an einer Tentakel hoch, ohne auf seine Proteste zu achten, und schleuderte ihn dem Vampir ins Gesicht.

Ungläubigkeit und milde Belustigung war in diesem zu lesen, als er den Körper der Amphibie umfasste, wobei auch seine Hand von etlichen Dornen durchlöchert wurde, und zog sie aus dem Gesicht.

Ein Keuchen entfuhr mir, als ich sah, was ich da angerichtet hatte

Schwarze Löcher gähnten mir entgegen, aus denen merkwürdigerweise kein Blut drang. Dies wäre ja noch zu ertragen gewesen, wäre da nicht das schlimmste aller Löcher.

Das, was wirklich alles durcheinander brachte in diesem Gesicht.

Das, wo vorher mal sein linkes Augen gewesen war.

Ich wante den Blick hastig ab und sah in das Gewirr aus Gliedmaßen, Dornen und Tentakeln in seiner Hand. Ich erkannte das Auge, aufgespießt auf einem Stachel.

Ich sah durch mein verwirrendes Entsetzen – immerhin hatte ich ihn ja verletzen wollen – hindurch, wie eine zweite weiße Hand auftauchte und das Auge mit einer fast lässigen Bewegung von dem Stachel zog. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es seine zweite weiße Hand war, in der das Auge nun umherrollte, mal die Decke, mal die Wände, mal die Gefäße und mal – und das besonders intensiev – mich anstarrte. Währenddessen schloss sich das Loch in seiner Mitte wieder und sein Besitzer nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger, um es dann mit einem leisen Schmatzen wieder einzusetzen.

Dadurch wurde mein Aufmerksamkeit zurück auf sein Gesicht gelenkt. Ein erneutes Keuchen entfuhr mir, als ich sah, dass sich auch diese Löcher wieder nahtlos geschlossen hatten. Die ganze Sache war mehr als nur ein wenig Unheimlich ...

Er warf den Frosch lässig weg. Ich zuckte zusammen, als er landete. Als er auf dem – meinem – Kruzfix landete! Er quackte gequält und schleifte sich mühsam in Richtung Wand. Mehrere lange Stacheln schabten über den Kruzfix und schabten so einen Teil der schwarzen Farbe weg!

Die Gestallt vor mir schrie gequält auf, als Strahlen hellen gleißenden Sonnenlichts auf seine weiße Haut trafen und ihn verbrannten. Ich begriff jetzt, warum es nicht gewirkt hatte. Die Farbe, sie war das Problem gewesen, hatten die Macht des Kruzfixes abge-schirmt! Wieder tauchte ich durch seine – diesmal blind ausgestreckten – Arme hindurch und kratzte den Rest der Farbe weg.

Die Schreie wurden immer schriller, als der ganze Raum von Sonnenlicht durchflutet wurde. Ein starker heulender Wind kam auf und wirbelte die Papiere auf dem Schreibtisch durcheinander, wurden vom Staub der zerfallenden Vampirs mit einer feinen schwarzen Staubschicht überzogen.

Ebenjene Schreie, die meinen Kopf durchschnitten und jedes Denken abgeblockt hatten, verhallten. Der pfeiende Wind ebbte ab und verschwand schließlich ganz, als ich den Kruzfix mit der Hand verbarg. Die missgestallteten Tiere zerliefen zu einer stinkenden grünen Masse. Ohnen ihren „Schöpfer“ konnten sie wohl nicht weiterhin exestieren.

Mein Denken schaltete sich wieder ein und ich verließ in fliegender Hast den Raum, schlug die Tür hinter mir zu und stürtzte in den Saal, in dem Tim lag.

„Tim!“, schrie ich und meine Stimme hallte 100 mal von den Wänden ab. Und wirklich! Er zuckte leicht zusammen und auch sein gequältes Stöhnen hallte gespenstisch wieder.

Erneut rannen mir Tränen der Freude über die Wangen, als ich mich über ihn beugte, die Hände rechts und links neben seinem Kopf auf den Boden gestützt.

„Tim ...“, flüsterte ich überglücklich schluchzend und konnte es nicht glauben, wieder bei ihm zu sein.

„Philipp ...“, hauchte er, schlug die Augen auf und sah mich an. Ein Lächeln zierrte sein Gesicht. „Ich wusste, dass du kommst ...“

Ohne Vorwarnung legte er seine Hände auf meinen Hinterkopf, zog mich zu sich runter und küsste mich. Ein wahres Feuerwerk aus Gefühlen explodierte in meiner Brust. Schauer durchliefen meinen Körper, als ich die Augen schloss und mich ganz dem lang ersehnten Kuss hingab.

Seine Hände durchwühlten meine Haare, fuhren an meinen Seiten entlang, ruhten dann auf meinen Hüften, während ich ganz damit beschäftigt war, nicht in Ohnmacht zu fallen.

Alle Gedanken, die mich abgelenkt hätten, waren ausgeschlatet. Es gab nur mich und ihn.

„Ich liebe dich“, hauchte er, als er mich wieder freigab. Mir wurde leicht schwindelig. Wie viel mir diese Worte bedeuteten!

„Ich liebe dich auch“, flüsterte ich etwas atemlos zurück.

Er lachte leise und küsste meinen Hals runter, machte anstallten, mir das T-Shirt über den Kopf zu ziehen. Wieder durchliefen mich Schauer und jede einzellne Pore in mir prickelte. Gerne hätte ich mich ihm, seinen Berührungen, hingegeben, doch ich fühlte, dass hier nicht der richtige Ort dafür war. Unvermittelt bestürmten mich die Erinnerungen. Eine trat aus allen hervor: Whys Tod.

„Nicht hier, nicht jetzt ...“, brachte ich hervor. Mein Hals war vor lauter Erregung wie zugeschnürrt.

Er hielt mitten in der Bewegung inne, hatte mir das T-Shirt schon halb über den Kopf gezogen.

„Warum?“ Verwirrung war in seinen Augen zu lesen.

Ich entwand ihm das Shirt, zog es mir wieder richtig an, lehnte mich gegen die Felswand und begann zu erzählen.

Ich berichtete, wie ich herausgefunden hatte, dass es Vampire gewesen waren, die ihn entführt hatten, erklärte, wie ich Why getroffen hatte und alles andere.

Als ich zu ihrem Tod kam, musste ich kurz innehalten, denn die Trauer überwältigte mich. Er sagte kein einziges Wort, unterbrach mich nicht, rückte nur näher zu mir und legte einen Arm tröstend um meine Schulter. Ich kuschelte mich an ihn und spürrte seine Anteilnahme.

Als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, berichtete ich von meinem Kampf gegen den höchsten der Schattenkreaturen.

„Lass uns gehen“, endete ich mit etwas tonloser Stimme. Er nickte, stand auf und zog mich hoch.

Wir traten hinaus, Hand in Hand, durch den Farn in das helle wärmende Sonnenlicht. Die strahlende Scheibe stand schon relativ tief am Himmel, es musste wohl so 16 Uhr sein.

Wir gingen immer weiter an der Straße entlang bis zu Whys Haus, durch den über und über mit Blumen bewachsenen Vorgarten und klingelten.

Ihre Mutter öffnete.

„Wo ist Why??“, fragte sie, nachdem sie sich umgeschaut und ihre Tochter nirgends
 

..51..

entdeckt hatte.

„Können wir reinkommen?“, fragte ich, statt ihr eine Antwort zu geben, den Blick gesenkt.

Sie nickte beklommen, die Augen dunkel vor Vorahnungen, trat zur Seite und führte uns in die Küche, wo sie uns wohl gerade gemachten Tee einschenkte.

Diesen trinkend begann ich zu erzählen.

Ich beschrieb, wie wir die Höhle gefunden hatten und Whys Kampf gegen Nex, Timor und Lupa. Ich beendete meine Ausführung mit einer genaugen Beschreibung von diesem Zauber, den Why als letztes gesprochen hatte.

„ ,Lux Crux´ hat sie geschrien“, meinte ich, „und dann ist so ein leuchtender Kruzfix über ihr erschienen. Die Vampire sind zu Staub zerfallen und sie ...“ Ich stockte. Tim drückte unter dem Tisch meine Hand, was mir die Kraft gab, weiterzusprechen. „Sie ist umgefallen. Tot. Und hat sich wieder zu einem Menschen zurückverwandelt.“

Ich sah, wie der Frau vor mir Tränen über die Sangen liefen und fühlte mich ganz hilflos.

„Ich soll euch – dir un ddeinem Mann – auch noch etwas von Why sagen“, flüsterte ich. „Nämlich das sie euch immer geliebt hat, liebt und ewig lieben wird.“ Meine Stimme brach, als ich ihr verzweifeltes Gesicht sah.

„Entschuldigt mich“, schluchzte sie und stürtzte aus der Küche.

Beklommen sahsen wir – Tim und ich – da. Der Kuss auf der Wiese fiel mir wieder ein.

„Tim ...?“

„Ja?“, fragte er neugierig.

„Als ich mit Why die Vampire belauscht hatte und wir fliehen mussten ... Als wir dann auf dieser Wiese waren ... Da ... da ...“ Ich suchte nach den richtigen Worten, während ich seinen erwartungsvollen Blick auf mir ruhen spürrte. „Da haben wir uns geküsst ... so richtig geküsst ...“ Ich sah ihn leicht ängstlich an.

Wieder erwarten nahm er mich fest in seine Arme und drückte mich an sich. Ich schmiegte mich an seine Brust.

„Vergessen wir das“, flüsterte er in mein Ohr, während er mir, der ich von Schuld- gefühlen geplagt war, beruhigend über den Kopf strich. „Vergessen wir das einfach ...“

Ich nickte, forh darüber, dass er nicht ausflippte oder so. Ich schloss die Augen und entspannte mich etwas, während er mir Liebesbezeugungen zuflüsterte.

„Verlass mich nie, OK?“ Ertönte es direkt neben meiner Ohrmuschel.

„Ok“, flüsterte ich zurück.

„Versprochen?“

„Versprochen.“
 

Als Whys Mutter gefolgt von ihrem Mann zur Tür hereinkam, sprangen wir förmlich auseinander.

Ihr Vater, der erstaunlich gefasst wirkte, während ihre Mutter mich aus verweinten Augen anstarrte, richtete nun das Wort an mich.

„Wo ist es passiert?“

Ich beschrieb ihm die Stelle sehr genau, erwähnte auch den Raum, in dem sie lag.

„Danke. Und jetzt hol dein Board und geh. Bitte“, meinte er. Ich nickte betroffen, stand auf und war schon fast aus der Tür, als er noch etwas hinzufügte: „Und nehm ihres mit. Sozusagen als Andenken.“

Wieder nickte ich, murmelte etwas verwirrt „Danke“ und kam seiner Aufforderung nach.
 

Wir sahsen in seinem Zimmer auf dem Bett. Ich starrte zu Boden. Die Rückfahrt hatte sich schweigend gestalltet. Auch seine Mutter, die überglücklich gewesen war, ihren Sohn wiederzusehen, hatten wir mit ein paar knappen Worten abgespeißt.
 

Meine Gedanken wanderten an unsere Ankuft zurück.
 

» "Komm, lass in die Kirche gehen", hatte ich gesagt, kaum das wir aus dem Zug gestiegen waren. Er hatte mich einen Moment lang schief angeguckt, dann aber mit den Achseln, dann aber mit den Achseln gezuckt und genickt. Also waren wir auf die Boards gesprungen – ich auf Whys und er auf seins – und Richtung Kathedrale gefahren..

Wir hatten eine wunderschöne Kathedrale hier in Barcelona. Sie besahs auch einen üppigen Garten, in dessen Grün man wunderbar abschlaten konnte.

Am schönsten fand ich aber immer noch die Buntglasfenster, jedes ein Unikad.
 

Wir gelangten schließlich an den Placa de la Seu und somit auch an die Kathedrale. Ich hatte gar nicht so richtig mitbekommen, wie wir durch die Altstadt gefahren waren, in deren Mitte die Kathedrale stand. Wir gingen durch das Mittelschiff. Wie immer machte mich die wahnsinnige Größe des Gebäudes ein wenig befangen. Ca. 80 Meter vor mir stand der Altar, die Gebetsbänke waren links und rechts neben mir aufgereiht.

Das Licht aus dem hoch oben angebrachten Fenstern beleuchtete den unteren Teil nur spärrlich. Es kam mir so vor, als solle der oben hell erleuchete Teil den Himmel und das Paradies darstellen, während der dunkle Teil die Welt war, auf der wir lebten. Etwas beklommen fragte ich mich, ob wohl Why jetzt auch hoch, hoch oben im Paradies war. Bestimmt. Eine Einzellne, heiße Träne lief mir über die Wange. Ich spürrte einen tröstenden Arm über meiner Schulter.

Schließlich waren wir ganz vorne angelangt. Ich kniete mich auf eine Bank, legte das Board neben mich und begann zu beten. Tim tat es mir nach. So sahsen wir dann nebeneinander da.

Ich wusste nicht, warum ich ausgerechnet hatte beten wollen. Ich wusste nich, warum Tim das mitmachte, obwohl er so überhaupt nicht an Gott glaubte, obwohl er eigentlich sogar eher Anti-Christ war.

Ich wusste nur, dass ich irgendjemanden danken musste. Ich wusste nur, dass Tim dagekniet hatte, gebetet hatte, wenn auch vielleicht nicht ganz so inbrünstig wie ich. Er hatte neben mir gekniet und mir leicht monoton nachgeredet, hin und wieder hatten sich unsere Ellebogen berührt.

Dann – nach wohl ca. 10 Minuten – war ich aufgestanden, hatte mich gereckt und ihm hochgeholfen. Ich hatte mich etwas besser gefühlt, denn in mein Gebet hatte ich auch Why mit einbezogen.

Danach waren wir in einheitlichen Scheigen zu ihm gefahren. «
 

Nun sahsen wir hier.

Das Geschrei seiner Geschwister drang durch das Holz der Zimmertür gedämpft zu uns durch, durchbrochen von dem Gewummer der diveresen Musikstücken.

„Ich hab Hunger“, durchbrach Tims Stimme unvermittelt das Schweigen.

Ich sah ihn leicht verwirrt an. Irgednwie hatte ich nicht damit gerechnet, dass so eine einfach Tatsache das bedrückte Nichtssagen zwischen uns beenden würde.

Er schien durch meinen Blick verunsichert geworden zu sein, denn er sah kurz zu Boden und fragte: „Du etwa nicht?“

Ich merkte, wie auch mir der Magen knurrte, beeilte mich zu nicken und antwortete: „Doch, ich hab auch Hunger.“

Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Dann warte kurz.“ Mit diesem Worten verschwand er aus dem Zimmer.

Ich sahs da und lauschte seinen verklingenden Schritten, was dank des Krachs um mich herum nicht sehr lange gelang.
 

Er lies mich nicht lange warten. Schon nach ca. 15 Minuten kam er wieder ins Zimmer gewankt, ein mit Noutellabrötchen überladenes Tablett balancierend. Außerdem konnte ich eine 1-Liter-Colaflasche erkennen sowie zwei Gläser

Er stellte es zwischen uns aufs Bett, nachdem er sich wieder gesetzt hatte.

„Bedien dich!“, meinte er betont fröhlich. Ich grinste, dann nahm ich mir ein Brötchen und begann zu essen.

Als ich einen Schluck eisgekühlte Cola drank, spürrte ich, wie die Kälte, die sich in meinem Mund ausbreitete, mich etwas belebte.

Wir hatten gegessen, gedrunken und dabei über belanglose Sachen wie etwa skaten und die Schule geredet und ich fühlte mich etwas besser. Nun stellte er das Tablett auf den Boden.

Er richtete sich wieder auf und sah mir fest in die Augen. Mein Herz machte einen Sprung, denn ich dachte, er würde mich wieder küssen und tatsächlich: Ich spürrte, wie warme Schauer mich durchliefen, als er einen Arm um mich legte und mich zu sich zog. An ihn gelehnt hielt ich meinen Blick auf seinen gerichtet und sa, wie er lächelte, sah, wie sein Gesicht meinem näher kam ...

Mir blieb die Luft weg und wieder explodierte dieses Feuerwerk in mir, als seine Lippen meine berührten. Der Kuss war einerseits stürmisch, andererseits aber auch unendlich zärtlich. Ich besann mich darauf, zu atmen, versuchte mein Bestes, um den Kuss zu erwiedern und war mir mit einem Mal bewusst, wie sehr ich Tim brauchte, wie sehr ich ihn liebte ... Ich wollte – und würde – für immer mit ihm zusammen bleiben.

Ich hätte ewig so weiterküssen können, hätte ewig dieses Gefühl haben können, das ich nie mehr vermissen wollte ... Doch schließlich löste er sich von mir. Ich schlug die Augen auf und lag warm und geborgen in seinen Armen. Ich ließ meinen Blick nach draußen schweifen und sah die Sonne, die tief am Himmel stand. Voller Vorfreude dachte ich daran, dass ich bei ihm übernachten würde. Und noch eine Tatsache ließ mein Herz flattern: Ich würde mit ihm in einem Bett schlafen, in seinen Armen einschlafen ...
 

Irgendwo, unter all dem Glück und der Freude begraben, lauerte Whys Tod als schwarzer Schatten, doch ich kriegte ihn ganz gut ignoriert. Später würde ich mich noch damit auseinandersetzen müssen, doch jetzt war nicht die richtige Zeit dafür. Vielleicht war es selbstüchtig, aber ich wollte den Moment genießen, mit allen Sinnen voll auskosten.



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