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Vergessene Liebe

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Melodien der Erlösung

~Melodien der Erlösung~
 


 

Ich ließ die Zügel locker und vergrub die Hände in die wilde Mähne des weißen Pferdes, welches nach einem leichten Traben schließlich in den Schritt überging, bis es ruhig zum Stehen kam. Der Wind, der die Kühle der ankündigenden Dämmerung mit sich trug, wehte mir das leicht blond gewellte Haar aus dem Gesicht und band es in ein lebhaftes Spiel mit ein.

Ich zog die Luft ein, während ich meine Augen für einen kurzen Moment schloss, um diese ewig zu scheinende Ruhe mit all meinen Sinnen wahrzunehmen. Es brauchte nicht lange und ich schmeckte das Salz des Meeres und wenn ich mich konzentrierte, drang leise das Meeresrauschen an meine Ohren. »Das Meer«, dachte ich sehnsuchtsvoll.

Es war nicht weit entfernt. Klang ruhig und ich wünschte mir, für einen Augenblick das fließende Element auf meiner Haut zu spüren.

Erneut umwirbelte mich eine kühle Brise, welche mit so vielen naturellen Gerüchen erfüllt war, dass ich glaubte, die Lebhaftigkeit der Natur spüren zu können. So als schlüge das Herz der Erde mir besänftigend entgegen. Ich lächelte. Meine Augenlider glitten langsam auf und ein stolzer und gleichzeitig entschlossener Blick richtete sich in die Ferne, verdrängte den sonst so trüben.
 

Hufgetrampel ertönte und wenig später hielt ein schwarzes Ross mit einer älteren Frau auf dem Sattel neben mir. Ich musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass sie es war, die mir gefolgt war. Es kümmerte mich nicht.

Mein Blick blieb ungerührt in der Ferne hängen, nahm die leichte Hügellandschaft in sich auf. Die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages, der bald der Vergangenheit angehören würde, neigten sich über diesen noch unberührten Platz Erde. Zum letzten Mal kitzelte die Wärme der Sonne die Fläche von saftig grünem Gras und der dort einzeln stehenden, gewaltigen Bäumen, deren Jahre unendlich schienen. Es war eine weite, tiefe und sich im Horizont auflösende Landschaft, die mit dem bloßen Auge kaum zu fassen war.

Wir standen mit unseren Pferden auf dem vermutlich höchsten Hügel und nahmen dieses wunderschöne Antlitz, das sich strahlend von dieser Ära erhob, in uns auf. Die Atmosphäre schien unglaublich und ein Kribbeln durchzog meine müden Glieder. Die plötzlich aufkommende Freude erstarb augenblicklich in Resignation. Zu sehr war ich mir dem baldigem Geschehnis bewusst. Ich wusste es, genauso wie diese von der Natur geschaffene Pracht. Es würde der letzte Moment der Vollkommenheit sein. Es war die letzte, sanfte Liebkosung der Sonnenstrahlen auf das saftige Grün. Eine Verabschiedung an das, welchem sie ihre Lebensenergie gespendet hatten, damit es wuchs - wuchs zu dem, was es jetzt war und bald nicht mehr sein würde. Jeder wusste drum bescheid. Keiner konnte es verleugnen – das Wissen um eine in naher Zeit in Blut getränkte friedliche Umgebung.

Blut.

Warmes Blut.

Fließend, rauschend, bebend, zitternd, ersterbend…

Kaltes Blut.
 

„Es ist bald so weit“, sprach die weißhaarige Frau - meinen Gedanken scheinbar lauschend - angespannt auf das Bevorstehende, während sie ihren Kopf in meine Richtung drehte.

„Ja“, erklang es leiser als gedacht aus meinem Mund. Noch immer war mein Gesicht der Ferne zugewandt. Meine Augen hielten dem leichten Wind stand und kein Blinzeln bemächtigte sich über meine Lider. Mit geradem Rücken saß ich auf dem Pferd, unverändert in der Haltung. Eine Gewohnheit, der ich mich angenommen hatte, seitdem man mir versuchte, durch bloße Worte und Blicke das Rückrat zu brechen, um mich auf meine „Wichtigkeit“ als weiblichen Engel in dem von mir ausgewähltem Umfeld aufmerksam zu machen. „Du wirst kämpfen, habe ich recht?“, riss mich die Ältere erneut aus meinen Gedanken, den Blick nicht von mir weichend.
 

„Ja, das werde ich.“ Entschlossenheit und eine kleine Spur Wehmut schwangen in meiner Stimme. „Ich werde kämpfen“, wiederholte ich im Versuch meiner Stimme mehr Kraft zu verleihen und gleichzeitig die aufkommende Erinnerung zu verdrängen, die mir schon so oft die Stimme stocken lassen hatte. „Sobald der letzte Sonnenstrahl diese Erde berührt, werde ich kämpfen.“ Ich nickte zur Bekräftigung. Eine schon oft getane Bewegung.
 

„Sie sind gefährlich!“, stellte die Weißhaarige leicht aufgebracht über meine Entscheidung fest, das unruhige Pferd an den Zügeln ziehend.
 

„Das sind wir auch“, erwiderte ich ruhig.
 

„Herrgott! Es sind Dämonen. Blutrünstige Dämonen, die alles töten, was sie in die Hände kriegen!“ Schnaufend versuchte die Ältere noch immer das unruhige Pferd unter Kontrolle zu bringen, während ich ihren bohrenden Blick förmlich auf mir spüren konnte. Doch keine einzige Regung stahl sich über mein Gesicht.
 

„Wir töten auch.“ Eine nüchterne und präzise Feststellung weniger Worte, die stimmte. Ich war mir nicht sicher, warum ich, anstatt wie sonst mit Teufelszungen über unsere Feinde böse zu hetzen, auf einmal in dieser Hinsicht so kurz angebunden war. Es klang glatt, als wollte ich die Dämonen – ich spie dieses Wort gedanklich geradezu aus- verteidigen. Ob ich es einfach satt war, die immerzu sinnlosen Belehrungen dieser Frau über mich ergehen zu lassen, die zu nichts führten? Und ich sie so durch vorgetäuschtes, mangelndes Interesse zum Schweigen bringen wollte?
 

„Aber du! Wieso musst du? Meine liebes Kind, du bist nicht geboren dafür. Es ist nicht deine Bestimmung-“
 

„Zu kämpfen?“ Ich erzürnte ungewollt. „Ich muss! Nur Leid bringen uns diese Machtbesessenen, nur Verdammnis. Sie rauben, sie…“, ein Keuchen entglitt mir.

Langsam versuchte ich mich zu sammeln. Übte mich an gelehrter Selbstbeherrschung.

„Ich kämpfe für unsere Freiheit, die sie uns nahmen!“ Bestimmend, aber ruhig kamen die Worte über meine Lippen, derweil ich meinen Kopf in die Richtung der Älteren gewandt hatte und ihr nun eindringlich in die Augen sah. „Wir kämpfen für das, was wir Jahre lang missen mussten. Für uns, unsere Überzeugung, unser Leben, unsere Nachkommen, unsere Geliebten und für das, was uns heute noch lieb ist. Ich werde sie nicht ungestraft davon kommen lassen.“
 

Der Protest, der sich anfangs auf dem Gesicht der Weißhaarigen gezeigt hatte, wich blankem Erstaunen. Eigenartig musterte sie mich.

„Er stand dir nah, nicht wahr?“

Unsere Blicke trafen sich noch intensiver.

Schweigend richtete ich meinen Kopf wieder der untergehenden Sonne zu.

Ich ließ mich von dem Sog meines Gedankenstroms mitreißen. Und da war sie wieder, diese eine Stimme, die ich manchmal hörte.

Leise und zart. Kaum wahrzunehmen, wenn man nicht genau hinhörte. Sie flüsterte mir immer in den stillsten Momenten zu, dann wenn die Welt stehen geblieben und die Gegenwart vergangen schien. Dann, wenn ich vergaß und das kalte Eisen aus meiner Hand glitt. Dann, wenn sich meine Augen für einen kurzen Augenblick schlossen und ich hinter geschlossenen Lidern diese eine vertraute Dunkelheit wahrnahm, die den letzen Lichtfunken meines Herzens besaß. Diese Schwärze war nur mir. Schützend und besänftigend. Sie ließ mich atmen, wenn die flüsternden Worte erklangen und mein Herz sich zusammen zog.
 

»Ich werde dich nie verlassen. Vertrau mir. «
 

Meine Finger griffen um das kalte Metall, welches an ein goldenes Band gebunden auf meiner Brust ruhte. Sanft fuhren meine Finger die Konturen nach. Es war sein Amulett gewesen.

Dieser kurze Moment, erfüllt von Ruhe, meinem Atem und der Stimme der Erinnerung – war die stille Freiheit.

Meine Freiheit.
 

Ich biss die Zähne aufeinander. Vieles hatte man mir genommen, versucht zu zerstören und manches hatte ich selbst aufgegeben, doch diesen Moment würde mir niemand stehlen – bis ich nicht erreicht hatte, wonach ich jetzt schon all die Jahre strebte. Danach schien es mir gänzlich egal.
 

„Er war das sanfteste Geschöpf, das ich je kennen gelernt habe.“ Es war nur ein Blinzeln, welches ich der anderen Frau entgegenbrachte, um ihre Reaktion zu sehen. Diese wandte verschämt ihren Blick ab. „Du sprichst aus deinem Herzen“, flüsterte die Frau in ihr weißes Haar und blickte traurig drein, ehe sie ihr Pferd – mir ihren Segen aussprechend – davon trieb.
 

Mein Blick verharrte scheinbar träumerisch, scheinbar wachsam auf dem Fleckchen Erde, auf diesem vor kurzer Zeit noch die alte Reiterin mit ihrem Pferd gestanden hatte.

„Die Nacht“, ich atmete ein, „bald wird sie hereinbrechen und all das, was nicht stark genug ist in Ewigkeit verschlingen...“

Ein spöttisches Grinsen huschte mir über die Lippen. Ich hatte mich verändert. Sehr sogar. Als wäre es gestern gewesen, drangen die Erinnerungen, als ich noch ein kleines Engelsmädchen war, in mein Gedächtnis. Man sagte mir, ich glich einem ungeschliffenen Diamant. Sie sahen in mir etwas so Reines, Zartes und so Unschuldiges, dass sie mich nach einer weißen Feder benennen wollten. Ich wirkte in der Tat sehr unschuldig, verhielt mich bei der Anwesenheit mehrerer Personen immer ruhig und sprach nicht allzu viel. Stattdessen schenkte ich ihnen ein aufmerksames Lächeln, das sich damals nie in ein listiges Grinsen verwandelt hätte.
 

Glück, dass sie mir nie diesen Namen gaben. Sie hätten sich geschämt. Mir den Rücken gekehrt, um sich der Enttäuschung nicht weiter hingeben zu müssen. Ihrer Täuschung.

Konnte man es ihnen verübeln? Gutes in einem Wesen zwanghaft manifestieren zu wollen, glich einem nie enden wollenden Wunsch, der strebte und strebte, in Zeiten der Dunkelheit – nach Hoffnung und Licht. Meine Lippen formten sich zu einem heiseren Lachen - meine Augen waren trüb.
 

„Hoffnung“, murmelte ich still vor mich hin. „Hoffnung.“
 

Ein Wort, mit einer unheimlich starken Bedeutung und Kraft.

Wer nicht mehr hofft, ist verloren, schlussfolgerte ich hart.

Innerlich merkte ich, wie ich mich dem Gedanken an Hoffnung zu entwenden versuchte, da ich selbst nicht einmal mehr wusste, ob ich sie noch besaß. Ich schien sie nicht zu spüren. Taubheit erfüllte mich, wie schon so oft. Doch diese Distanz zu meinen Gefühlen war erste Voraussetzung. Denn die zarten Federn waren in Blut getränkt, der Diamant geschliffen.

Mein neues Zuhause war der Krieg.
 

~
 

Den zerfetzten, übrig gebliebenen Kapuzenstoff meines von Dreck braun gefärbten Umhanges ins Gesicht gezogen, bahnte ich mir einen Weg durch die vor Schweiß stinkenden Männerreihen. Der beißende Geruch, vermischt mit altem Blut und von Eiter besetzten Wunden, stieg mir in die Nase. Ich rümpfte sie nicht. Dieser Gestank war mit vertraut.

Wann war uns das letzte Waschen gegönnt worden?

Lange her, dachte ich während sich meine Gedanken sehnsuchtsvoll an das nahe liegende Meer erinnerten.

Meine linke Hand überprüfte die Halterung der Scheide um meine Hüfte, in der die einzige Waffe steckte, die ich bei mir trug. Ein vererbtes Schwert.

Leicht und sauber in der Handführung, messerscharf und geräuschlos im Todesstoß. Wenn ich wem vertraute, dann ihm. Ein Schwert zum treuen Gefährten ernannt, hätte ich mir dies je vorstellen können?

Ich grinste. Die Antwort ersparte ich mir wohl wissend.
 

Ein heiseres Brüllen erklang, zog sich durch die aufgestellten Reihen und ließ die Stimmen der Krieger im Schweigen versinken. Wie viele waren von der letzten Schlacht noch übrig?

Kommandos folgten, donnerten zu der hintersten Staffel. Den Reitern. Zu mir.

Reflexartig nahm ich Position an, spürte wie sich meine Muskeln anspannten und steife Glieder meinen Körper einer Statur ähneln ließen. Leise Trommelschläge kündigten den Feind an, trieben mir das Bild der blutigen Rache in den Kopf. Ohne Umschweife erfasste ich dieses und machte es mir zum Ziel. Ob es einen Morgen gab?

Der Gedanke war nun fremd. Was zählte, war der Moment.

Das unbefangene Handeln, die Rache und den durch Wut zu erlösen hoffenden Schmerz.

Mein Blick verfing sich an meinen Händen, die angespannt die Zügel des unruhigen Pferdes umgriffen hielten.

Es zeigten sich zarte, schlanke Finger, doch ihre Geschmeidigkeit hatten sie verloren. Kleine blutige Risse und eine Narbe zierten die raue, vom Kampf gezeichnete Haut. Waren dies die Hände einer Engelsfrau? Einer Frau, die treu Zuhause mit ihrer Familie in ihrer Gesellschaft lebend auf die Rückkehr ihres Mannes wartete, während sie die Kinder in Hoffnung bestärkte und die seidigen Gewänder wusch? Hätte so meine Zukunft ausgesehen, wenn…wenn… Ich schluckte.
 

»Ilian«
 

Ich sprach seinen Namen nicht aus. Dachte ihn nur.

Mit einem kleinen Biss brachte ich die bebende Unterlippe zur Ruhe. Unfähig dagegen anzukämpfen, tauchte sein Gesicht vor meinem inneren Auge auf.

Es stockte mir den Atem. So real schien es, als mir die in ein ungewöhnlich dunkles Blau getönten Augen, geschmückt von kreisförmig angeordneten silbernen Sprenkeln, entgegen sahen. Sie leuchteten. Die Illusion hielt mich gefangen, ließ mich spüren, wie er seine warme Hand auf meinen Rücken legte, mich gegen seine Brust zog und mir fast zaghaft einen neckischen und doch so liebevollen Kuss auf die Stirn hauchte. So wie er es immer getan hatte, wenn ich mir Sorgen machte. Seine Stimme echote im Schwall meiner Erinnerungen -dumpf, nicht verstehend, doch hörbar. Seit wie vielen Jahren war er nun schon fort?

Seit was für einer Ewigkeit befahl ich meinen müden Gliedern immer wieder aufs Neue zu erwachen, um zu bestehen?

Ja, müde Knochen schmerzten in meinem jungen Körper. Ich zählte gerade mal 456 gelebte Jahre und kam gerade in das Bündnis bindende Alter an einen männlichen Engel…Mein Leben hatte kaum begonnen, da fühlte ich mich ihm auch schon nicht mehr mächtig...
 

Der gemeinsame Kampfschrei der tausend Krieger des Engelsreichs zerrte mich prompt in die Realität zurück. Ilians Gesicht verschwand und ich fand meine klare Sicht wieder.

Mich in der Energie meiner Verbündeten mitreißend, hob ich das Schwert in die Luft.

Meine Stimme passte sich dem Gebrüll an.

Passte sich den Stimmen an, die die letzte Furcht und Angst aus sich hinaus schrien, ehe sie ihren Zorn und Mut lautstark auflodern ließen.

Fahnen mit dem Symbol unseres Reiches prangten am Himmel, Fäuste – sich der rohen Gewalt verschrieben – stießen in die Luft und Pfeile der Bereitschaft zum Töten erstreckten sich den feindlichen Reihen entgegen.

Es begann.

Kurzerhand umschloss ich das Amulett, drückte fest zu und vergrub es schließlich unter meiner Robe, die die weiblichen Züge versteckte.

Ich stieß die Hacken scharf in die Seite meines Pferdes, trieb es nach vorn. Dorthin, wo die ersten Eisen tödlich aufeinander schlugen.
 

»Für dich, Ilian«, flüsterte ich gedanklich, als ich auch schon im wilden Geschrei an den zu langsamen Fußkriegern vorbeigaloppierte.
 

Das Schwert in meiner linken Hand hoch erhoben schwingend, blickte ich denen in schwarz gekleideten Kriegern entgegen, die ich so sehr verabscheute. Ich biss die Zähne zusammen, sammelte die Wut, die nötig war, um das Schwert zielsicher nach unten schwenken lassen zu können. Ein zarter Streifen des rötlichen Tons der Sonne war am Horizont noch übrig.

Noch schneller trieb ich das Pferd an, erspähte den ersten Dämon, dessen wildes Haar sich über seine Stirn gelegt hatte und dessen Schwert schon mit Blut benetzt war.

Ich sah noch einmal gen Himmel.

Dunkel.

Die Sonne war untergegangen.

Mein Schwert sank, die Eisen prallten vibrierend aufeinander.
 

Ich schrie, schwenkte mein Schwert, das Pferd seitlich treibend und versuchte die kalte Waffe in den Rücken meines Feindes zu stoßen, doch dieser wandte sich schnell. Drehte sich geschickt um die eigene Achse und wollte mir entgegen springen, als ein Huf meines steigenden Pferdes ihn unterm Kinn erwischte. Kein Gedanke hinderte mich, mein Schwert schnell und geschickt an seinem Hals vorbei zu führen – seinen Schockzustand ausnutzend.

Ein schneller Tod.

Ich sah nicht zurück, sondern stellte mich dem nächsten Angreifer entgegen.

Das Aufeinanderschlagen von Eisen, das Zischen der von den Bogenschützen abgefeuerten Pfeile, die Schreie des Muts, die Schreie des Schmerzes, das Röcheln der Sterbenden und das heftige Atmen der Kämpfenden – all dies formierte sich zu dem verzweifeltem Klang der Schlachtmelodie, welche in Verdammnis ersticken würde.

Ich stöhnte unter Anstrengung auf, nahm die Melodie des Todes nur von sehr fern wahr und drängte mich noch tiefer in die kämpfende Menge vor. Die schon gefallenen Männer um mich herum ignorierend, schlug ich auf alles nieder, was sich mir in den Weg stellte.

Ich verleugnete mir nicht das Wagnis und den Wahnsinn, denen ich mich aussetzte, sobald ich mich den vorne kämpfenden Kriegern näherte. Den Kriegern, die nicht umsonst durch ihre Stärke, ihren Mut und ihre Rücksichtslosigkeit ausgezeichnet und geehrt waren.

Den Kriegern, unter denen sich auch die obersten Krieger der Dämonen finden würden, an einem von denen ich endlich meine Rache tilgen wollte. Nur ein Tod der ihrigen wäre ein fataler Verlust für die Dämonenarmee und zugleich ein Erlös an Ilians Tod.
 

Der Schweiß lief mir die Stirn hinab, brannte in meinen Augen und vermischte sich dort mit vor Wut und Trauer entstandenen Tränen. Sein Tod war so bitter gewesen. Ich schluchzte und befreite meine Kehle von einem Brüllen.

Wie lange wartete ich schon darauf, endlich einen dieser hohen Krieger der Dämonen zu sehen?

Wie viele Schlachten hatte ich schon hinter mir?

Wie viele?!

Ich biss die Zähne aufeinander, führte mein Schwert in die Schulter eines großen Mannes, der die unheilvolle schwarze Kleidung trug und stöhnte erschrocken auf, als sich mir ebenso kaltes Metall in den Oberschenkel bohrte.

Ein stechender Schmerz, der mir für einen Moment die Sicht flackern ließ, zog sich vehement durch meine Nervenbahnen. Eisern hielt ich mein Schwert in der Linken und die Zügel in der Rechten. Ich hatte nicht gesehen, woher der Angriff gekommen war und trieb mein Pferd erneut voran, weiteren Angriffen ausweichend. Die Wunde brannte, doch ich schwelgte im Zorn.

Solange schon opferte ich mich diesem Krieg und hatte es in all den langen Jahren nie geschafft an einen dieser Krieger heranzukommen, deren Namen auf meiner persönlichen Liste standen. Ich wusste nicht, wie lange ich noch die Kraft besitzen würde, um diesem Druck und Elend standzuhalten. A-ber…a-aber ich musste einfach durchhalten!
 

Mein Herz bebte unter dem eher schmächtigem Brustpanzer und der darüber zerrissenen und vom fremden Blut befleckten Kleidung. Meine Muskeln schmerzten, schienen nach anderthalb Stunden Kampf schon zu versagen. Mit der Ausdauer und Stärke der Männer konnte ich auf lange Zeit nicht mithalten, das musste ich mir eingestehen. Doch aufgeben? Nein! Mit der flachen Hand klatschte ich meinem Pferd auf den Schenkel, trieb und trieb es weiter nach vorne, dort wo das Gebrüll lauter und die Kämpfe grausamer wurden.

Hektisch sah ich mich im Schlachtgeschehen um, wich so gut wie es ging indirekten Angriffen aus. Diese Schlacht war rau und würde blutiger enden, als alle zuvor miterlebten. Dem war ich mir sicher, sobald ich einen genauen Blick auf die umliegende Umgebung erhascht hatte. Gnade war hier nicht mehr zu erwarten.
 

Ein Gewicht stürzte mich vom Pferd. Ich keuchte, doch nur ein leerer Atemstoß rang aus meiner Lunge, als ich böse mit dem Rücken auf dem harten Boden aufkam. Ich brauchte einige Sekunden bis ich bemerkte, dass sich jemand erneut auf mich stürzte, eine Lanze mit drohender Spitze auf mich gerichtet.

Das Adrenalin jagte mir durch die Adern und ich winkelte meine Beine an, um den Angreifer durch einen Tritt in die Genitalien auszubremsen. Zu meinem Erstaunen war der Dämon schneller aus meinem Blickfeld verschwunden, ehe ich auch nur einem Muskel in meinen Beinen den entsprechenden Befehl zukommen lassen konnte. Ein Schlag traf mich im Gesicht, ein weiterer folgte in die Nierengegend. Keuchend spuckte ich Blut,

unfähig einer Gegenwehr.

In letzter Sekunde rollte ich mich auf die Seite, wich dem nächsten unter lautem Brüllen ausgeführten Angriff aus. Ich stieß gegen einen leblosen Körper. Ohne zu überlegen, griff ich dem Toten – unwissend, ob es sich um einen Dämon oder Engel handelte - den Dolch aus der bleichen Hand und warf diesen in die Richtung des vermutlichen Dämons. Ich schrie. Kniff die Augen zusammen, als eine Gestalt auf mich zustürzte.

Meine Atmung ging schnell. Langsam hob ich meine Hand und berührte den Körper, der sich auf mir liegend nicht mehr bewegte. Etwas blitzte in mein Blickfeld. Der Dolch.
 

Ich hatte getroffen, genau in die Kehle des Dämons. Angewidert sprang ich auf, versuchte dem ruhigen und warmen Fluss des fremden Blutes zu entkommen.

Ein Röcheln ließ mich herumfahren. Normalerweise sah ich meine Opfer nicht an, doch dieser Blick geschah unfreiwillig. Der schützende Helm hatte sich vom Gesicht des Dämons gelöst und lag nun ein wenig entfernt von ihm in seiner eigenen Blutlache. Unwillkürlich schluckte ich und meine Kehle fühlte sich plötzlich trocken an. Die hellbraunen Augen eines kaum Erwachsenen starrten mich aus einem leicht gebräunten und noch eher kindlichen Gesicht an -unschuldig und erschrocken über den Übergriff. Ich wich zurück. Ob Dämon, Engel oder sonst was…dort lag ein Kind, stellte ich stocksteif fest. Meine Gedanken überschlugen sich. Was hatte ich getan? Ich durfte nicht denken!

Als wären die Füße nicht mehr die meinen und als hätten sie die klaffende Wunde am Oberschenkel vergessen, rannten und rannten sie, bis ich unter keuchendem Atem zum Stehen kam. Mein ganzer Körper schmerzte vor Erschöpfung. Ich sank auf die Knie, nahm das Toben um mich nur noch spärlich wahr.

Meine Kraft entwich mir…ob es das gewesen war?

Trüb hob ich meinen Blick und dann sah ich einen von ihnen.

Da stand er. Auf dem nächsten Hügel, in seiner schwarzen Robe und der ihn identifizierenden grünen Scherbe um den Schultern.

Seine Haltung war graziös und doch angriffslustig. Das silberne Schwert ruhte in seiner rechten Hand. Etwas Wildes und Machtbesessenes strahlte seine dämonische Präsenz aus, während ich bemerkte, wie seine dunklen Augen mich unter seinem dunklen Haar fixierten.

Er sah mich.
 

Ich schob den Stoff von meinem Kopf und überließ mein blondes Engelshaar dem Wind, welcher es sofort umherwirbelte. Oh ja, er sollte mein Gesicht sehen und es sich einprägen, denn ich würde es sein, die ihm ihr Schwert an die Kehle halten würde. Endlich…endlich bekam ich einen der dämonischen und ranghohen Krieger zu Gesicht, an dem ich meine Rache befriedigen würde.

Erneut streifte mein Blick über sein dunkles, wildes Haar, seinen harten Gesichtszügen, dem großen und kämpferisch ausgeprägten Körperbau, sowie seiner blutigen Waffe und seiner rangidentifizierenden Scherbe. Unsere Blicke hielten sich gefangen. Ich grinste – erschöpft, euphorisch, wissend.

Egal wie, aber dieser Dämon würde für Ilians Tod aufkommen.

Das schwor ich mir und wenn es das Letzte war, was ich tat…

Er war der Feind.
 

„Du wirst spüren, was es heißt zu leiden, Dämon.“
 

Nur ein Hauchen in der summenden Melodie der vermeintlichen Erlösung.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von: abgemeldet
2010-12-28T15:15:32+00:00 28.12.2010 16:15
habe die Story jetzt erst entdeckt, und hoffe inständig, dass du sie noch fortsetzt!!!
*gespannt bin*
Von: abgemeldet
2010-01-05T18:21:10+00:00 05.01.2010 19:21
Heyhey :)
Ich hab Vergessene Liebe gerade nochmal gelesen und freu mich jetzt noch viel viel mehr über die Fortsetzung als ohnehin schon xD
Hoffentlich geht es bald weiter :)


Von:  blacksun2
2009-07-30T11:59:58+00:00 30.07.2009 13:59
*meinen Augen nicht trau*
noch so ein Meisterwerk von dir
das war ein wundervolles Kapitel, sehr traurig und blutig, aber trotzdem mitreißend, fesselnd
also wenn du schreibst dann richtig, das Ergebnis ist immer die vollendete Perfektion in Ausdruck und Inhalt
du kannst so genial beschreiben, ich hab das Gefühl ich würde direkt neben ihr her reiten und alles miterleben,
wenn ich deine Geschichten lese, kann ich meine Umgebung total ausblenden und mich von deinen Worten mitreißen lassen – draußen könnte die Welt untergehen und ich würde gebannt am Bildschirm hängen und nichts merken- das ist ein wahres Talent von dir
ich liebe deinen Ausdruck einfach

und auch im Bezug auf den Inhalt scheint wieder etwas Großartiges zu entstehen, wo man die nächsten Kapitel immer sehnsüchtig herbeiwünscht (*trotzdem drohend mit dem Zeigefinger wedel* aber ja nicht deine andere Geschichte vernachlässigen, ich sterbe hier noch vor Ungeduld ^^)

die Schlachtszene war super geschrieben, sehr lebendig

hoffentlich geht es bald weiter

gglg
blacksun

Von:  scippu
2009-07-13T15:24:24+00:00 13.07.2009 17:24
*seufz*
*lauter seufz*
...jaja....
*seufz*
*räusper*
*auf stuhl herumrutsch*
...
lalala
*seufz*
dümdümdümdümdümdümdüm
.....
*seufz*

Von:  scippu
2009-06-03T15:43:34+00:00 03.06.2009 17:43
Nup nup
tap tap
Ich bin ja schon ganz schön gespannt.....
Wird er sterben?!?!?!?!?!?!!!

=)

Von:  scippu
2009-05-14T13:37:35+00:00 14.05.2009 15:37
ich finde es könnte ruhig mal weiter gehen=)
Wer ist eigentlich so blöd und fängt was mit ner anderen Geschichte an, wenn er doch eine am laufen hat??
^^
Von:  scippu
2009-03-03T17:58:18+00:00 03.03.2009 18:58
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhh hier ist es auch nicht weiter
scheiße scheiße scheiße noch mal
na ich hab dich ja schon in höchsten Tönen gelobt, aber erst hier den Hintergrund durchgelesen....ui das wird interessant und ich denke es kribbelt jetzt schon! Mein gott freu ich mich auch die Fortsetzung!!
Von:  masami56
2008-11-30T16:55:46+00:00 30.11.2008 17:55
wie immer ein wundervolles kapitel ^^
ich mag den dämon jetzt schon lieber als den engel xDDDDD
engel haben so etwas reines x.x viel zu rein
während dämonen sowas raues haben
hehe
freu mich schon aufs nächste kappi

deine Marie^^
Von:  Red_FLags
2008-11-05T16:04:40+00:00 05.11.2008 17:04
wooow.
echt gut geschrieben.
Ist der Typ aufm Hügel ihr ehemaliger Freund?
hoffentlich nich.
dann würd sie ihn ja killen.
mach schnell weiter.
Von: abgemeldet
2008-11-04T19:42:38+00:00 04.11.2008 20:42
als ich gesehen habe das ein neues kapitel on ist hab ich gekrischen XD
ich muss sagen du schreibst toll.
locker, leicht zu lesen.
und ein super thema hast du auch noch :D

freu mich,

Lenalu


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