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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Viel zu verlieren

Noch immer hockte Van an der Wand neben der Tür zu seinen Räumen, als ein älterer Herr und ein junger Mann ungefragt eintraten. Der König identifizierte sie mit einem raschen Blick als die beiden Vertreter des Drachenvolkes, die er von Dryden als Verstärkung bekommen hatte.

„Majestät, ich hörte, es gab ein Vorfall.“

Van fragte Hitomi in der Ferne über ihre Gedankenverbindung, ob sie die beiden informiert hatte. Sie bestätigte, dass sie auf gleichem Wege eine Warnung an die Stadt der Atlanter geschickt hatte. Von dort aus war die Botschaft wohl weiter gereist.

„Schließen sie die Tür!“, befahl er wenig diplomatisch. Seine Gäste ließen sich jedoch nicht anmerken und folgten seiner Anweisung. „Meine Schwester ist aus heiterem Himmel wahnsinnig geworden und hat mich angegriffen.“, fasste er den bisherigen Morgen knapp zusammen. „Sie schien außer sich zu sein.“

„Gab es Streit?“, fragte der ältere Atlanter.

„Falls sie damit andeuten möchten, dass sie mich absichtlich erschlagen wollte, vergessen sie es!“, unterband Van den Gedanken. „Ich vertraue ihr blind. Sie schien mir auch nicht sie selbst zu sein. Irgendetwas ist mit ihr passiert und ich möchte wissen, was.“

„Können wir sie sehen? “

Van ließ sich Zeit mit der Antwort. Als seine Frau ihn schließlich ermunterte den Atlantern zu vertrauen, gab er nach.

„Ich lasse sie zu ihr.“, seufzte er und rappelte sich auf. „Sie werden aber nur mit mir über ihre Erkenntnisse sprechen. Mit niemanden sonst, nicht einmal mit Merle.“ Nachdem die beiden Herren dies dem König versprochen hatten, führt er sie die Villa hinunter bis zum Keller, wo einer seiner Leibwächter vor einer massiven Tür stand.

„Wie geht es ihr?“, fragte der König besorgt.

„Die Prinzessin scheint sich wieder beruhigt zu haben, Majestät.“, berichtete die Wache „Sofort, nachdem wir eure Gemächer verlassen hatten, wurde sie bewusstlos. In der Zelle ist sie dann wieder aufgewacht, noch bevor ich meinen Posten beziehen konnte.“

„Habt ihr mit ihr geredet?“

„Sie ist still und … ich wüsste auch nicht, was ich ihrer Hoheit sagen sollte.“

„Die beiden Herren hinter mir dürfen eintreten, auch wenn ich nicht da sein sollte.“, instruierte Van seinen Soldaten. „Lasst uns herein!“

Die Wache trat sogleich zur Seite und drückte dabei die Tür auf. Van trat in das kleine Verlies, dass nur ein paar kleine Zellen beinhaltete, und wurde drinnen sofort von den Atlantern flankiert. Ein Stein fiel auf sein Herz, als er Merle verloren in der Zelle auf dem Boden kauern sah. Sie hatte noch immer das enge, zerrissene Abendkleid an, ihre Haare waren zerzaust und ihr Blick starr auf den Boden gerichtet.

Vorsichtig sprach er sie. Daraufhin hob sie ihren Kopf. Kurz hellte sich ihr Gesicht vor Freude auf, ehe es sich in eine Fratze purer Besinnungslosigkeit verwandelte. Sie preschte gegen die Gitterstäbe, die sie unerbittlich einschlossen. Da sie nicht weiter kam, langten ihre Hände nach Van, obwohl er sich weit außerhalb ihrer Reichweite befand.

Der König reagierte nicht. Er war fassungslos angesichts der Szene vor ihm. Sanft drängten ihn die Hände der Atlanter hinaus bis vor die Tür und schlossen diese hinter ihm. Im Flur blieb er ratlos stehen. Er nahm von nichts Notiz, bis eine Hand auf seiner Schulter ihn aus der Lähmung befreite. Der ältere Atlanter sah ihn eindringlich an. Der Ausdruck in seinen Augen prophezeite schlechte Nachrichten.

„Was ist mit ihr?“, fragte der König gerade heraus, da sein Gast selbst nicht mit der Sprache raus rückte.

„Sie ist ein Schläfer, eure Majestät.“, antwortete er zögernd.

„Ein was?“

„Eine Person, der durch ein aufwendiges Verfahren der Befehl eingetrichtert worden ist, euch zu töten.“

„Aber das kann nicht sein.“, brauste Van auf. Seine Stimme wurde zu einem Orkan. „Merle eine Verräterin? Niemals!“

„Bitte, Majestät, beruhigt euch!“, mahnte der Angehörige des Drachenvolkes. „Sie weiß davon wahrscheinlich nichts. Sie ist keine Verräterin, jedenfalls nicht bewusst.“

„Aber wer … wann … wie konnte das geschehen?“, fragte der König

„Ich weiß es nicht.“, antwortete Vans Gast. „Sie wird es auch nicht wissen.“

Daraufhin herrschte betretenes Schweigen. Schließlich verstand Van, dass Anweisungen von ihm erwartet wurden.

„Ist sie wieder friedlich?“

„Ja, euer Majestät.“

„In der Zelle kann sie nicht bleiben. Sie ist dort ein leichtes Ziel und wir können sie während der Schlacht nicht schützen.“, führte Van aus, während sein Hirn rauchte. „Das Luftschiff, das zurückbleiben soll, um meine Soldaten im Falle einer Niederlage zu evakuieren, hat mit Sicherheit eine Brig. Bringt Merle unauffällig dort hin. Zieht ihr etwas über und lasst ihren Guymelef ebenfalls an Bord bringen. Offiziell wird sie vom Schiff aus mit ihrer Maschine den Luftraum sichern. Meine Leibwache wird euch bei der Überführung unterstützen. Ich ziehe mich zurück. Es ist wohl besser, sie sieht mich nicht.“

Van wartete weder auf Fragen, noch auf eine Antwort, sondern ging enthobenen Hauptes zurück in sein Quartier.
 

Völlig in sich gekehrt harrte Merle in der Brig von einem der Luftschiffe aus. Die Überführung war ohne Probleme verlaufen. Man hatte ihr einen Mantel gegeben, den sie von sich aus über ihr kaputes Kleid gezogen hatte. Begleidet von von den beiden Atlantern und geführt von Vans Leibwächtern war sie ohne Gegenwehr in eine der Schiffszellen überstellt worden. Jetzt bewachte ein Mitlgied der Besatzung sie. Er schien seine Aufgabe jedoch als Verschwendung seiner Zeit anzusehen und beachtete sie nicht im geringsten. Bis auf die Kerze auf dem Tisch ihres Aufpassers war die kleine, mit Gitterstäben durchsetzte Kabine völlig finster, und so hatte Merle sich in die dunkelste Ecke ihres Gefängnisses zurückgezogen.

Was war passiert?

Während sie immer wieder über diese eine Frage grübelte, verschwamm ihre Umgebung. Die tristen Wände wurden durch einen wolkenlosen Himmel ersetzt. Die Sonne stand gerade im Zenit. Die unbequeme Liege, auf der sie saß, wich einer Matratze aus feinsten Federn, die auf einem Sockel aus blitzendem Marmor ruhte. Dieser thronte auf der Spitze eines riesigen Berges, der einsam aus einer dichten Decke aus weißen Wolken herausragte. Der Wind zerrte an ihrem Mantel, dessen erdende Farbe durch ein sanftes Himmelblau ersetzt worden war, dennoch war es mollig warm.

Merle bemerkte die Veränderung, jedoch wunderte sie sich nicht und für Freude fehlte ihr die Kraft.

„Gefällt es dir nicht?“, fragte Hitomi, die aus dem nichts hinter dem Mädchen auf dem Bett aufgetaucht und in einem schneeweißen Kleid gehüllt war.

„Es ist nicht real.“, antwortete Merle gleichgültig. „Das hier ist nur deine Phantasie, mit der du dich bei mir eingeklinkt hast.“

„Trotzdem kann mein kleiner Raum dir doch gefallen, auch wenn er nicht wirklich ist.“, hielt ihr Freundin dagegen. Das Katzenmädchen verzog die Mine. Sie hasste es, wenn wer auch immer versuchte sie aufzumuntern.

„Es ist ganz nett. Das Wort Himmelbett gewinnt hier jedenfalls eine ganz neue Bedeutung.“, urteilte sie mürrisch.

„Es regnet unter diesen Wolken.“, erklärte Hitomi und zeigte auf die wollige Masse unter ihnen. „Trotzdem scheint hier oben die Sonne.“

„Was willst du von mir?“, fuhr Merle sie an, die genug davon hatte, um den heißen Brei herumzureden. Hitomi war erst verstimmt, zeigte dann aber ein verständnisvolles Lächeln.

„Ich möchte wissen, was geschehen ist.“, antwortete sie betont leise.

„Ich weiß es nicht!“, erwiderte Merle dafür umso lauter. „In einem Moment war ich bei Van, dann fand ich mich plötzlich in einer Zelle wieder. Meine Arme tun weh, wie auch mein Bauch, und mein Kleid ist völlig hinüber.“

„Du kannst dich nicht erinnern, wie du in den Keller gekommen bist?“

„Wie ich schon sagte, nein! Außerdem könnte ich schwören, dass Van in den Keller kam, um nach mir zu sehen, aber dann wird wieder alles schwarz.“ Merle sah Hitomi forschend. „Aber du weißt, was passiert ist, oder? Er hat es dir erzählt.“

„Ich war sogar dabei, auf gewisse Art und Weise.“, gab die Königin zu. Sie forcierte Merles Blick mit ihrem eigenen. „Du hast ihn angegriffen.“, berichtete sie. „Erst hast du dich von hinten an ihn herangeschlichen und versucht sein Genick zu brechen, ohne es wie ein Angriff aussehen zu lassen. Dann hast du ihn offen attackiert. Er ist aber unverletzt, von ein paar blauen Flecken abgesehen.“

Merle, die so etwas geahnt, es aber nicht für möglich gehalten hatte, war erst geschockt und atmete dann bei Hitomis Zusicherung leicht auf.

„Aber...Wie kann ich ihn angegriffen haben? Ich würde ihm nie etwas antun!“

„Das weiß ich und Van weiß das auch.“, versprach Hitomi. „Er sorgt sich um dich.“

„Wo ist er dann?“

„Er kann dich nicht besuchen. Wie du es schon vermutest, hat er es bereits einmal versucht und du bist trotz aller Sicherheitsvorkehrungen auf ihn losgegangen. Wir denken, dass nun allein seine Anwesenheit dazu ausreicht, um die Falle in dir zu aktivieren, jetzt da sie offensichtlich geworden ist.“

„Welche Falle?“, hakte Merle nach.

„Die Atlanter denken, du wirst manipuliert. Jemand hat dir den Befehl gegeben, Van unter bestimmten Umständen zu töten. Sie denken, jemand hat dich mal entführt und dich dann einer speziellen Behandlung unterzogen, um dich zu einer unfreiwillige Attentäterin umzuwandeln. Du wirst dich kaum daran erinnern können, aber du musst für einige Tage verschwunden sein. Hast du eine Idee, wann das gewesen sein könnte?“

Merles Herz raste. Sein Puzzlestück nach dem anderen bewegte sich und kam an seinen Platz. Was Trias zu ihr gesagt hatte, was im Tempel von Escaflowne vor ihrem ersten Gedächtnisverlust passiert war, alles ergab plötzlich Sinn.

„Schon vor sehr langer Zeit.“, antwortete sie niedergeschlagen. „Erinnerst du dich an die Geschehnisse von der Zeit in meiner frühen Kindheit, die du mir aus Vans Erinnerungen gezeigt hast?“ Als Hitomi dies bestätigte, fuhr sie fort. „Damals habe ich genau das gleiche versucht. Ich habe versucht, Van das Genick zu brechen, obwohl ich kaum fünf Jahre alt war und unmöglich wissen konnte, was ich da tat.“

„Aber Vans Mutter hat dich aufgehalten und dich geheilt, weswegen du dich nicht mehr selbst daran erinnern kannst.“, entsann sich Hitomi.

„Ich hab sie rückgängig gemacht, Varies Heilung.“, beichtete die Prinzessin schweren Herzens.

„Wie?“

„Antigonos hat mir dabei geholfen.“

„Hat er das?“, sagte Hitomi mit einem bedrohlichen Ton in ihrer Stimme.

„Es ist nicht seine Schuld. Ich bestanden darauf.“, verteidigte Merle ihn eilig. „Ich wollte unbedingt wissen, woher ich komme.“

„Kannst du dich inzwischen erinnern?“, löcherte ihre Herrin das Mädchen weiter.

„Nein, aber der heutige Vorfall hat mir gezeigt, wer für die Falle verantwortlich ist. Bei dem Eröffnungsball des letzten Turniers in Farnelia hat Trias mich bedrängt und angedeutet, dass ich darauf ausgelegt bin, die Freundschaft von Van zu erlangen. Er hat mich auf ihn angesetzt. Er muss mich als kleines Mädchen gefangen, konditioniert und dann in Farnelia frei gelassen haben.“, schlussfolgerte sie hitzig.

„Aber du hast keinen Beweis dafür.“

Merle lachte kurz und trocken auf.

„Seit wann hinterlässt Trias für das, was er tut, Beweise?“ Ihre Augen fixierten ihre Königin. „Selbst wenn er es nicht wahr, weiß er, wer für mein Schicksal verantwortlich. Ich muss ihn finden!“

„Merle, es tut mir ehrlich leid, aber wir können dich nirgendwo hingehen lassen, solange du noch unter dem Einfluss der Falle stehst.“, bedauerte Hitomi aufrichtig. „Wer weiß, was passiert?“

„Dann heilt mich, wie Vans Mutter es schon getan hat.“

„Möglich wäre es, aber …“ Die Königin rang sichtlich nach Worten. „Die Atlanter sind zwar grundsätzlich dazu in der Lage. Doch die Methode zur Heilung ist bestenfalls grob und beinhaltet das absichtliche Herbeiführen einer Attacke, woraufhin die Areale deines Gehirns abgeschottet werden, von denen die Gefahr ausgeht. Diese enthalten im Falle eines Attentats nicht nur den unbewussten Befehl zum Mord, sondern auch alle Erinnerungen an das Opfer. Und da du meistens mit Van zusammen gewesen bist und sonst auch alle deine Taten irgendwie mit ihm zusammen hängen …“

„Ich werde alles verlieren.“, verstand Merle und brauste auf. „Alles, was ich je erlebt habe. Meine Kindheit mit Van, unsere Flucht, meine Adoption, meine Liebe zu Allen, alles!“

„Wahrscheinlich.“, stimmte Hitomi ihr zu und schlug dann versöhnlich vor. „Du könntest die Hilfe der Atlanter natürlich auch ablehnen. Dann müsstest du entweder im Hausarrest bleiben oder im Exil leben, wo du Van nicht mehr begegnen kannst. Du könntest Allen heiraten und zu ihm ziehen. Wir würden ihn auch über Vans Reisen informieren, um ein zufälliges Treffen von euch beiden auszuschließen.“

„Wenn ich Trias töte, würde das helfen?“, fragte Merle die Frau ihres Bruders.

„Nein, ich fürchte nicht.“, zerstörte diese die Hoffnung der jungen Kriegerin. „So ein Befehl bleibt erhalten, auch wenn der Verursacher tot ist.“

Das Katzenmädchen rang mit ihren Tränen.

„Das ist beschissen!“

„Ich weiß, wie … Nein, ich kann nicht wissen, wie du dich fühlst, aber Van und ich werden alles erdenkliche für dich tun, was immer es auch ist. Versprochen!“ Hitomi nahm einen Schritt Abstand. „Ich lasse dich jetzt allein, damit du in Ruhe nachdenken kannst. Nimm dir bitte soviel Zeit, wie du brauchst! Auf dich wartet eine Entscheidung, mit der du für den Rest deiner Tage leben musst.“

Merle war daraufhin ganz bei sich und achtete kaum auf das wieder erscheinende trostlose Zimmer, in dem sie saß. Schließlich verlor sie ihren Kampf. Wimmernd schlug sie um sich. Sie war wütend auf sich und ihrer von allen Göttern verdammten Neugierde!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Jeanne18
2013-04-29T19:17:32+00:00 29.04.2013 21:17
Oh ich liebe deine ff!!! Sie macht extrem süchtig, hoffe es geht gaaanz schnell weiter!!

Gruß Ju
Von:  CatariaNigra
2013-04-22T20:41:59+00:00 22.04.2013 22:41
Vielen Dank für dieses - mal wieder - ultraspannende Kapitel! Freue mich schon riesig aufs nächste!
Von:  fahnm
2013-04-22T19:56:36+00:00 22.04.2013 21:56
Hammer kapi^^
Von:  funnymarie
2013-04-22T13:10:56+00:00 22.04.2013 15:10
ein tolles kapitel^^
trotzdem tut mir merle leid
ob es da nicht noch einen anderen weg gibt
ich freu mich auf mehr
lg funnymarie


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